Montag, 20. Januar 2020

Kriegsverbrechen und Schamverdrängung

Warum sollten wir uns 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges noch mit diesem Ereignis beschäftigen?

Ich möchte hier die These vertreten: Jeder Mensch, der an einem Krieg beteiligt ist, ist mit Scham konfrontiert. Insbesondere jene, die an den Kampfhandlungen beteiligt sind, einschließlich derer, die die Befehle geben und die logistischen Planungen machen, geraten in massive Schamkonflikte, sodass jeder Krieg von ebenso massiver Propaganda und Ideologisierung begleitet werden muss, damit diese Konflikte unterdrückt und verdrängt werden können. Diese Schambelastungen, mit denen jeder Soldat aus einem Krieg zurückkehrt, haben eine andere Wucht und emotionale Gewalt als die unmittelbaren Traumatisierungen, denen jeder Kriegsteilnehmer zusätzlich ausgesetzt ist. Traumatisierungen zerstören Teile der Psyche der betroffenen Individuen. Die Wirkung der Scham trifft aber nicht nur den Kriegsheimkehrer selbst, sondern überträgt sich auf seine nähere Umgebung und verbindet sich mit all den Schamgefühlen, die in der betreffenden Gesellschaft bereits bestehen. Scham ist hochgradig ansteckend und wird, wenn sie nicht bewusst konfrontiert wird, auf lange Zeit konserviert.

Um diese Dynamik und ihre Weiterwirkung besser zu verstehen, möchte ich zunächst auf die sogenannte „Wehrmachtsausstellung“ eingehen, die vor 25 Jahren manche Gemüter erhitzt hat, immerhin schon 50 Jahre nach Kriegsende, weil diese Debatte in manchen Punkten symptomatisch für dieses Thema ist.

Die Wehrmachtsausstellung in den 90er Jahren


Die Wanderausstellung mit dem Titel „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“  zwischen 1996 und 1999 in Deutschland und Österreich gezeigt wurde, und das Ziel hatte, die Verstrickung der Deutschen Wehrmacht in Kriegsverbrechen zu dokumentieren, hat zu interessanten Reaktionen und Kontroversen geführt. Das gängige Vorurteil, das in der Geschichtswissenschaft schon längst widerlegt war, dass die Angehörigen der Wehrmacht gegen den Feind gekämpft haben, während die SS oder die Gestapo hinter den Linien die Verbrechen begangen hätten, wurde mit dieser Ausstellung widerlegt: Es gab Verbrechen durch Wehrmachtsangehörige und durch die Heeresleitung. 

Um den Mythos zu verteidigen, kam es zu aggressiven Reaktionen von Kameradschaftsvereinigungen, Vertriebenenverbänden und rechtsgerichteten Organisationen, bis hinein in die konservativen Parteien. In manchen Städten konnte die Ausstellung nicht gezeigt werden. Neonazi-Gruppierungen demonstrierten und Bombendrohungen sollten die Ausstellung verhindern. Rechte und konservative Politiker sprachen sich gegen die Ausstellung aus. 

Zwar konnte eine nach den Kontroversen eingesetzte Historikerkommission den Ausstellungsmachern einzelne Ungenauigkeiten nachweisen; die Tendenz stimmte aber: Es gab Wehrmachtsangehörige, die Verbrechen begangen haben, und das waren keine Einzelfälle, sondern Teil des Systems. Außerdem gab es Verbrechen, für die die Wehrmacht als Ganze verantwortlich gemacht werden kann, z.B. zehntausende russische Kriegsgefangene, die dem Hungertod überlassen wurden, Massaker an der Zivilbevölkerung und an den Juden.

Es geht hier nicht um die historischen Details, sondern um die Dynamiken, die dazu führen, dass es für manche Menschen so schwierig ist, ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen vorurteilsfrei an die Vorgänge der Vergangenheit heranzugehen und mit Betroffenheit zur Kenntnis zu nehmen, wie nachhaltig dieser schreckliche Krieg die Standards von Moral und Anständigkeit zerstört hat und biedere, oft gläubige und gutwillige Menschen – meist ohne jede Not oder Zwangslage – in Verbrecher verwandelte. 

Die rechte Schamverleugnung in Österreich


Als Beispiel für die Diskussion in Österreich: Der damalige Salzburger Landeshauptmann Schausberger (ÖVP) lehnte, wie seine Partei und die FPÖ, jede öffentliche Förderung der Ausstellung ab, sondern übernahm die FPÖ-Argumentation vom „Schutz der Soldatengeneration“ und dehnte sie zudem auf deren Nachfahren aus: „Ich werde mich schützend vor all diejenigen stellen, deren Väter und Großväter Soldaten der Wehrmacht waren.“ (zit. nach Walter Manoschek: Die Wehrmacht und die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ als Thema österreichischer Vergangenheitspolitik. In: ÖZP 30, 2001, S. 70). Der Landeshauptmann (der schon als Historiker gearbeitet hatte) wollte also die ehemaligen Wehrmachtssoldaten mit ihrem belasteten Gewissen sowie deren Nachkommen mit ihren übernommenen Traumatisierungen und Schamkonflikten beschützen. Welcher Bedrohung sind diese Menschen ausgesetzt, wovor will sie ein Landeshauptmann schützen? Offensichtlich davor, dass das Verdrängte konfrontiert werden muss und die Opferidentität und der Ehrenmythos in Frage gestellt wird. Obwohl viele freiwillig der Wehrmacht beigetreten waren, wollte nach dem Krieg jeder nur Opfer der Zwangsverpflichtung gewesen sein; obwohl viele von Kriegsverbrechen wussten, wollte nach dem Krieg niemand mehr darüber reden. Die Politik stellte sich aktiv als Beschützer des Mythos und der Verdrängung zur Verfügung.

Dazu noch ein Zitat aus dem Artikel von Manoschek: „Als Teil der nationalen Opfergemeinschaft waren die Wehrmachtsangehörigen von jeder Frage nach individueller Verantwortung und Schuld befreit. Aus der Perspektive der Opfer blieb die Realität der aktiven Teilnahme an diesem Krieg und die Erinnerung an die rassenideologisch definierten Kriegsziele und die verbrecherische Kriegspraxis aus der politischen Kultur ausgeschlossen.“ (Ebd., S. 64)

Konservative Politiker, die sich als Beschützer von erwachsenen Menschen aufspielen, dienen diesen Verdrängungstendenzen und halten die von ihnen als Opfer dargestellten Menschen in einer kindgleichen Rolle und maßen sich eine väterliche Autorität an, aus deren Perspektive sie die schamvertuschende Kriegsideologie fortschreiben. Auf diese Weise schwären die Wunden der Vergangenheit weiter, es legt sich nur eine weitere Schicht der Schuld- und Schamabwehr darüber.

Scham als Kitt 


Um zu verstehen, was da abgelaufen ist, gilt es, die Rolle der Scham als soziales Bindemittel zu beleuchten. Die Scham signalisiert der sich schämenden Person, dass sie eine soziale Regel verletzt hat und damit den Ausschluss aus der Gruppe riskiert. Indem sich die Person beschämt zeigt, gibt sie zu verstehen, dass sie erkannt hat, was passiert ist, und beabsichtigt, sich in Hinkunft zu bessern. Daraufhin wird sie im günstigen Fall von der Gruppe entlastet und wieder aufgenommen.

In einer exponierten und hochstressigen Situation wie im Krieg ist der Zusammenhalt der Gruppe und die sichere Zugehörigkeit zu ihr von hoher Überlebenswichtigkeit, verstärkt durch die besonders krasse Abgrenzung von der Außengruppe, den Feinden. Denn die sind es, die die Leute der eigenen Gruppe umbringen wollen und die man deshalb zuerst umbringen muss. Die Wir-Gruppe wird in Folge dieser Überlebensbedrohung gegenüber der feindlichen Die-Gruppe in besonders starker Weise zusammengeschweißt. 

Die Identifikation mit der Gruppe ermöglicht die Senkung der Aggressionshemmung. „Für die Gruppe“ muss der Gegner umgebracht werden. Das ist die Grundstruktur des Schamkonflikts im Krieg: Die Scham schützt davor, andere Menschen zu verletzen und zu töten. Die Scham fordert andererseits, alles zu tun, um Teil der Gruppe zu bleiben. Tötet also ein Soldat, so macht er sich vor sich selbst schuldig und trifft auf eine tiefe Scham. Tötet er nicht, so macht er sich der Gruppe gegenüber schuldig und muss sich dafür schämen.

Zum Schutz vor der schmerzhaften Erkenntnis dieser Schamkonflikte muss die Identifikation mit der Gruppe den Rest des Lebens aufrecht erhalten bleiben. Sie dient dem psychischen Überleben durch das Aushalten des Schamkonflikts. Die Identifikation mit der Gruppe dehnt sich dabei meistens auf die gesamte Armee aus und bei vielen sogar noch auf das dahinterstehende politische System, also auf die NS-Diktatur. Statt sich den Irrtum einzugestehen, einem verbrecherischen Regime gefolgt sein, was das Eingeständnis von Scham beinhaltet, wird damit die große Schande, die dieses Regime trägt, auf sich genommen, indem die Identifikation mit ihm aufrechterhalten wird. Es ist für viele leichter, einem Mythos treu zu bleiben, der eine massive Menschenverachtung und Schambelastung enthält, als sich beschämt einen eigenen Irrtum einzugestehen. Für den Zweck der Entlastung eignen sich alle Formen der Geschichtsverdrehung und Faktenleugnung. 

Der „ehrenhafte“ Krieg


Für viele Kriegsteilnehmer, die schreckliche Erfahrungen miterleben mussten, diente die Erzählung, dass der Krieg „ehrenhaft“ geführt wurde, als moralische Erleichterung. Ehrenhaft hieß, dass in einem gerechten Krieg nach den Regeln der Genfer Kriegsführungskonvention gekämpft wurde, die für beide Seiten gleichermaßen Geltung habe. Die Fiktion war also, dass es eine Regel gäbe, deren Einhaltung die Ehrenhaftigkeit der Kämpfer garantiere. Dieses Regelwerk diente allerdings in den Kriegen des 20. Jahrhunderts höchstens ein Feigenblatt; die militärischen und logistischen Notwendigkeiten wurden fortwährend über die Standards der Menschlichkeit gestellt, sodass in all diesen Kriegen verbrecherische Abläufe auf der Tagesordnung standen. Die deutsche Wehrmacht war in dieser Hinsicht besonders skrupellos, wie in der oben zitierten Ausstellung nachgewiesen wurde.

Doch hielt sich die Mär vom gerechten und fairen Krieg weiterhin in den Köpfen und Seelen vieler Kriegsteilnehmer, weil sie bei der Wiedereingliederung in die Nachkriegsgesellschaft half. Sie griff den schwer zerrütteten Menschen unter die Arme, mit den Scham- und Schuldgefühlen umzugehen, die mit jeder Kriegshandlung verbunden sind. Andere Menschen, in welchem Kontext auch immer, zu verletzen und zu töten, widerspricht der Mitmenschlichkeit, die ein tiefverwurzelter Wesenszug des Menschen darstellt. Jeder, der als Soldat in einem Krieg kämpft, muss sich über diese innerliche Schwelle hinwegsetzen und eine Rechtfertigungsstrategie entwickeln, um nicht am eigenen Gewissen zu zerbrechen. Diese Strategien werden als Ideologien angeboten, z.B. dass der Krieg geführt werden muss, um die eigene Heimat zu verteidigen. In fast allen Ortschaften Österreichs befinden sich Krieger- oder Heldendenkmäler, auf denen die Namen der „Gefallenen“ verzeichnet sind. Unterstellt wird dabei, dass diese Menschen ihr Leben für einen guten Zweck gegeben haben („die Verteidigung der Heimat“). Leider steht nirgends die Wahrheit: Gefallen in einem verbrecherischen Krieg für menschenverachtende Ziele.

Die Ideologie, die diese Vertuschungen ermöglicht hat, war der zurechtgezimmerte Mythos, dass Österreich das „erste Opfer des Nationalsozialismus“ gewesen sei – kein Österreicher wäre Hitler freiwillig gefolgt, alle mussten sich der übermächtigen Gewalt beugen und waren deshalb frei von Schuld. Die Scham, die es bedeutet, wenn sich ein ganzes Land einem brutalen Diktator opferbereit unterordnet, wurde dabei geflissentlich unter einen gnädigen Teppich des Vergessens gekehrt. Und selbst wenn der Diktator böse war – der Krieg als solcher war ehrenhaft und wurde heldenhaft und tapfer gekämpft.

Unbewältigte Traumatisierungen


Die Traumatisierungen, unter denen alle Kriegsteilnehmer zu leiden hatten, waren massiv. Nach den Weltkriegen gab es überhaupt kein Bewusstsein über diese seelischen Schädigungen. Die Betroffenen hatten nichts als die alten Ideologien, die meistens ein wenig geflickt und adaptiert wurden, und das psychische Überleben ermöglichten. Es gab auch kein Bewusstsein darüber, dass die Traumen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden, wenn sie nicht verarbeitet sind. Ebenso intensiv und nachhaltig wirkten die Schamkonflikte, in die jeder Kriegsteilnehmer gezogen wurde.

Es wird deshalb bis heute kaum verstanden, dass die Studentenbewegung der 60er Jahre in vielen Aspekten eine Reaktion (im Sinn einer Verkehrung ins Gegenteil) auf diese Weitergabe der Kriegstraumatisierung war. Der Hass, der heute noch den „linkslinken Revoluzzern“ dieser Jahre entgegengebracht wird, speist sich aus den gleichen Quellen, ohne jede Ahnung und völlig unbewusst über diese Hintergründe.

Es sind also die Scham- und Schuldgefühle der Kriegsteilnehmer, die dann in Zusammenhang mit einer historischen Ausstellung 50 Jahre danach hochschwappen und sich in Aggressionen verwandeln, mit dem Zweck, das zu verteidigen, was den Zusammenbruch der eigenen Identität nach all den Kriegserfahrungen verhindert hat. Aus dieser Wurzel speist sich der Reflex des Landeshauptmannes, die Kriegsteilnehmer und ihre Nachkommen, also fast die gesamte Bevölkerung, schützen zu müssen.

Scham und Kriegsverbrechen


Scham und Schuld stellen die Zugehörigkeit zur Bezugsgruppe in Frage. Wer etwas Böses getan hat, muss fürchten, ausgeschlossen zu werden. Bei Kriegsverbrechen geschieht üblicherweise Folgendes: Ein Soldat wird aufgefordert, ein Verbrechen zu begehen, z.B. eine Gruppe von Kindern zu erschießen. Er hat zwei Möglichkeiten: Den Befehl zu verweigern und damit Sanktionen in Kauf zu nehmen, die im Rahmen der Wehrmacht dazu führen konnten, dass der Betreffende an die Front versetzt wurde, also mit einem erhöhten Risiko zu sterben bedroht war; es gibt allerdings auch viele Beispiele, bei denen eine derartige Befehlsverweigerung keinerlei Konsequenzen hatte. Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Befehl auszuführen und das eigene Gewissen zu verletzen. In beiden Fällen entsteht Scham. Im ersten Fall bildet sich die Scham, indem der Gruppennorm widersprochen wird, wodurch man sich zum Außenseiter macht. Im zweiten Fall geht es um die Scham, eine verbrecherische Tat begangen zu haben und einer Gruppe anzugehören, die Verbrechen begeht. Außerdem muss in beiden Fällen die Scham des Vorgesetzten mitgetragen werden, der die Tat anordnet. Denn auch der jeweilige Befehlshaber ist im gleichen Schamdilemma wie der Untergebene, und dazu kommt noch die Scham, die damit verbunden ist, den Befehlsempfänger in ein Schamdilemma zu bringen. Die Scham ist also ein massiver Teil des gesamten kriegsführenden Apparats, der alle seine Mitglieder miteinbezieht, von ganz oben bis zum letzten Glied, und für sein Funktionieren unerlässlich ist.

Der Widerstand und die Ehre


Deshalb können wir auch davon ausgehen, dass all die Attentäter, die Hitler beseitigen wollten, auch von Schamgefühlen motiviert waren. Z.B. wollte die Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg den Krieg beenden, der mit so viel Verbrechen verbunden war, um die eigene Ehre und auch die von Deutschland wiederherzustellen, und sie sahen keine andere Möglichkeit, diesem grausamen System zu entrinnen, als dessen Zentralfigur zu beseitigen. Jeder „Ehrenmann“, der in einem verbrecherischen Krieg mitkämpft, muss sich dafür schämen, und kann seine Selbstachtung nur dadurch retten, dass er dem Wahnsinn mutig die Stirn bietet und dafür sein eigenes Leben riskiert. All die anderen, hohe Offiziere und einfache Soldaten, haben zwar den ersten Aspekt, die Beschämung, mitgetragen, aber nicht den zweiten Schritt zur Befreiung aus der beschämenden Abhängigkeit geschafft. Der Preis, der Bruch im eigenen Selbstempfinden, war persönlich natürlich weniger riskant, die Nachwirkungen sind allerdings enorm und führen zu Verwerfungen in der politischen Debatte und in den moralischen Standards bis heute.

Verleugnungen und Projektionen


Die Nachwirkungen der unbewältigten Scham sind Verleugnungen und Projektionen. Um die Angst vor dem Verlust der Gruppenzugehörigkeit zu bändigen, die mit jedem Eingeständnis der Scham verbunden wäre, wird sie unterdrückt und z.B. durch den Ehrgeiz des Wiederaufbaus eines zerstörten Landes bis zur Unkenntlichkeit überformt.

In den nachfolgenden Generationen nimmt die im Unbewussten weitergegebene Scham vor allem zwei Formen an: die der Rebellion und die der apologetischen Verteidigung. Die eine wandelt die Scham in Aggression gegen die gefühlsunterdrückende Elterngeneration – siehe die Jugendauflehnung der 68er Generation mit dem Slogan: „Traue keinem mehr über Dreißig“, sprich niemandem, der NS-Zeit und Krieg erlebt hat. Die andere Form besteht in der Anpassung an die Eltern und die loyale Weiterführung der Schamunterdrückung, indem die Gräuel der Vergangenheit verharmlost oder geleugnet werden. Die Neonazis wollen ihre Eltern oder Großeltern von ihrer Scham entlasten, indem sie deren Auslöser aus der Geschichte tilgen wollen.

Diese Dynamiken erklären, warum es immer wieder zu „Einzelfällen“ am rechten Rand der Gesellschaft kommt, in Österreich also in der FPÖ, in Deutschland bei der AfD, bei denen Versatzstücke der NS-Ideologie und -Rhetorik wiedergekäut und ausgespuckt werden. Sie erklären auch, warum in den 75 Jahren seit Kriegsende kein umfassendes Lernen stattgefunden hat, sodass die Gräueltaten der Nazi- und Kriegszeit als Gräueltaten vorurteilsfrei angeprangert und betrauert werden können. Deshalb gibt es noch immer Bedürfnisse, schönzufärben, zu verharmlosen oder zu verleugnen, was unmenschlich und grausam war. Wir können auch die Paradoxie verstehen, warum jene, die immer wieder fordern, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, die wollen, dass endlich ein Schlussstrich unter die NS-Zeit gezogen wird, selber nicht damit aufhören können, verzerrende und ignorante Gedankengänge und Erzählfetzen aus dieser Vergangenheit in die öffentliche Debatte einzuspeisen.

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