Sonntag, 23. Oktober 2011

Die Krise und die Menschen

Die Finanzkrise ist in aller Munde und kann auch mal zu flauen Gefühlen in der Magengrube beitragen. Es ist die Rede von Geldbeträgen, die jede Vorstellungskraft übersteigen, die von einem Rettungsschirm in den anderen geschaufelt werden, von einem Land ins andere. Wir hören von drastischen Einschnitten in den Sozialprogrammen und anderen Rückbauten im Wohlstandsniveau bei den überschuldeten Ländern und sehen die Bilder von den wütenden Protesten dagegen.

Wir wissen nicht, wie sich die Krise weiter entwickeln wird und wie schwer es uns betreffen wird – soweit wir nicht in den im Moment am stärksten betroffenen Ländern leben. Wir vernehmen, was uns die Experten erklären und welche Lösungen sie vorschlagen, und erkennen, auch wenn wir keine Experten in Finanzpolitik, Bankwesen und Volkswirtschaftslehre sind, dass sie nichts weiter anbieten können als ein breites Spektrum von Spekulationen. Die einen prophezeien den Kollaps des Euro und in der Folge der Weltwirtschaft, wenn die Pleite-Länder weiter unterstützt werden, die anderen, wenn sie nicht mehr unterstützt werden, sondern eben pleite gehen. 

Unsere Politiker suchen sich dann diejenigen Experten-Spekulanten aus, die ihnen am besten in ihr politisches Spektrum passt. Dabei fällt wieder einmal auf, dass die rechten Parteien zum Schulterschluss unter dem Nationalego blasen – wir bunkern uns ein auf unserer seligen Insel, die Welt um uns soll ruhig untergehen, kein Cent mehr sollen die faulen Säcke kriegen. Die Wirtschaftsgemeinschaft nutzen wir solange, solange sie uns Gewinne ins Land schaufelt, wenn es schwieriger wird, schotten wir uns einfach ab, und versaufen diese Gewinne an den Biertischen.

Die meisten Parteien, die in Europa die Regierungen stellen (mit Ausnahme der Slowakei), gehen den anderen Weg und hoffen, dass die Transferzahlungen aus den Rettungsschirmen irgendwann ein Ende finden und dass die Volkswirschaften die Milliardenbeträge erwirtschaften können. Niemand kann wissen, ob diese Strategie erfolgreich ist und wohin sie führen wird.

Andere wieder fordern, dass die Entscheidungen, die da von den Regierungen und EU-Institutionen getroffen werden, dem „Volk“ zur Abstimmung vorgelegt werden sollten. Schön, aber über welche Entscheidungsgrundlagen verfügt das „Volk“? Noch viel weniger und dürftiger als die, die unsere Politiker haben, die wir dafür gewählt haben und bezahlen, dass sie sich eingehend und verantwortungsvoll mit den Problemen auseinandersetzen.

Allerdings ist die Erwartung naiv, dass es irgendwo, unter den Politikern oder unter den Experten, einen geben soll, der die Lösung des Rätsels kennt, wie Ödipus, der Theben mit seiner Klugheit von der Sphynx befreit. Oder wie die Deutschen und Österreicher in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die sich von einem „starken Mann“ die Befreiung aus allen Nöten erhofft haben. Jeder „Mann“, der da heute aufsteht und behauptet, „die“ Lösung zu kennen, ist ein Schwindler und Betrüger. Die Problematik ist so komplex, dass sie ein einzelner Mensch nicht durchschauen kann, und jeder, der das behauptet, täuscht sich selbst.

Und das ist einfach die Situation, in der wir uns befinden. Wir wissen nicht, in welche Zukunft uns die Maßnahmen führen, die gerade beschlossen und durchgeführt werden. Es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte der Menschheit, das uns als Modell dienen könnte. Wir sind ganz auf uns gestellt, auf dem Raumschiff Erde, im 21. Jahrhundert. Wir wissen nicht, ob dieses Wirtschaftssystem, das uns so viele schöne Dinge beschert hat, in dieser Form weiter bestehen wird, wir wissen nicht, ob der Wohlstand, dessen Segnungen wir mit großer Selbstverständlichkeit  genießen, weiter wachsen wird. Wir wissen nicht, ob das europäische Staatensystem die Krise überleben wird usw. 

Die Zukunft ist unsicher, und es scheint um mehr zu gehen, und deshalb reagieren wir auch mit mehr Irritation und Angst. Außerdem werden wir dauernd mit Informationen gefüttert, die in jedem zweiten Satz das Wort „Krise“ enthalten. Dazu kommt, dass wir wenig bis gar nichts tun können. Wir können nicht einmal für die armen Griechen spenden wie für die Katastrophenopfern oder Verhungernden sonstwo auf der Welt. Wer hat schon die Milliarden in der Sparbüchse, die dort gebraucht werden? 

Die Zukunft ist unsicher, und das war sie schon immer, und das wird sie immer sein. Nehmen wir die Situation, in der wir uns befinden, als Gelegenheit, um uns klar zu werden, was uns wirklich wichtig ist im Leben. Der Wohlstand, in den wir hineingeboren wurden, bietet viele Annehmlichkeiten und Vorzüge, aber er ist im Grund nur eine Randerscheinung für das, was uns wirklich erfüllt und Glück beschert.

Und vertrauen wir darauf (das ist meine Botschaft, die ich aus dem Einblick in die Kraft der Bewusstseinsevolution verkünde...), dass wir in dieser Situation der systemischen Vernunft eine Chance geben müssen, weil wir anders nicht weiterkommen. Wir werden, ob wir das wollen oder nicht, unsere Egoismen ein Stück weiter hinter uns lassen müssen und damit – als Einzelne, als Gesellschaften und als politische Einheiten – ein Stück reifer werden. Gleich, was die Zukunft bringen wird, das systemische Bewusstsein wird mehr Raum einnehmen und den Boden bereiten für den nächsten Reifungsschritt, der uns ins holistische Bewusstsein führen wird. 

Gehen wir den Weg gemeinsam!

Samstag, 8. Oktober 2011

Zu viel, zu intensiv, zu schnell

Nach dem berühmten Traumaforscher Peter Levine ist eine traumatische Erfahrung gekennzeichnet durch: zu viel, zu intensiv, zu schnell.

Da haben wir schon die Leitvorstellungen unserer Lebenskultur: Wir wollen viel, wollen es intensiv und schnell. Wer will wenig? Vielleicht weniger Anstrengung oder Arbeitszeit oder Konflikt. Aber was die Dinge und Zahlen anbetrifft, soll es immer mehr werden. Wenig am Konto und wenig im Kühlschrank bedeutet Mangel, Mangel bedeutet Gefahr, und Gefahr wollen wir nicht, sondern Sicherheit. Davon können wir nicht genug kriegen. Also soll nicht nur der Kühlschrank, sondern auch die Tiefkühltruhe voll sein, und daneben die Regale des Vorratskellers. Das Konto dagegen ist nie voll genug, es gibt immer noch mehr, was darin Platz finden könnte, und die Sicherheit, die das gibt, ist äußerst fragil. Ich kann nie sicher sein, ob nicht am nächsten Tag eine riesige Rechnung aus irgendeiner Sache, die ich längst vergessen hatte, auftaucht, oder eine Einzahlung, auf die ich warte, nicht kommt. Es könnte auch ein Schicksalsschlag über mich hereinbrechen, der alle Mittel fordert. Also strebe ich nach mehr, mehr, ohne je auf der sicheren Seite zu landen.

Intensität ist ein weiterer Lockvogel, dem wir gerne auf den Leim gehen. Wir sind einen hohen Reizpegel gewohnt, weil wir in Umgebungen aufgewachsen sind und leben, die uns dauernd herausfordern. Fehlt die Herausforderung durch einen starken Reiz, wird uns sofort fad. Etwas Spannendes muss her, und wenn das ausgelutscht ist, braucht es den nächsten Kick. Wenn wir von einem Fernsehkanal zum nächsten zappen, damit unser Intensitätshunger gestillt wird, geht es uns wie Drogensüchtigen. Ein Event jagt das nächste, und damit sind wir gleich beim dritten Thema:

Die Schnelligkeit, ein Fetisch unserer Zeit. Es gibt Preise für die Schnellsten, im Laufen, Reden, Kochen, Rappen... Es gibt keine Preise für die Langsamsten, für die, die entschleunigen, beruhigen und ausgleichen. Die ganze Aufmerksamkeit geht zu den Lauten, Aufgeregten, Hektischen und Hysterischen, in den Medien, in der Politik und der Wirtschaft. „Beeil dich schon, trödel nicht so herum,“ so lautet die häufige Schelte an ein Kind, das das Prinzip der bedingungslosen Schnelligkeit noch nicht verstanden hat, das die Erwachsenenwelt dominiert. Dort wird jede Bremsung als Blockierung des eigenen Strebens und Weiterkommens interpretiert. Kaum kommt das Auto zum Stehen im Stau oder vor einer Ampel, setzt die Unruhe ein, die zum schnellen Weiterkommen drängt. Wir kommen gar nicht auf die Idee, dass wir Zeit gewinnen, wenn alles steht – zum Atemholen und Zurücklehnen. Wir sind überzeugt, dass es die Zeit nicht gibt, die niemand verlieren will.

Zu viel, zu intensiv, zu schnell – das war die Erfahrung bei einer Traumatisierung, die irgendwann passiert ist, früh im Leben, vielleicht schon weit vor der Geburt. In unserer Lebensform ist diese Traumastruktur allgegenwärtig, und es scheint geradezu, dass die Art, wie wir unser Leben gestalten, davon getragen ist. Damit reproduzieren wir unsere Traumatisierungen immer wieder und wieder, mit unserem Drängen: „Wann kommt endlich der Kellner? Wie lange braucht der noch vor mir in der Schlange? Wann wird der Film endlich spannend? Warum fährt der vor mir so langsam?“

Schließlich verstehen wir nur mehr eine Welt von Traumatisierten. Alles andere ist uns fremd und irritiert uns. Das Gestörte ist uns vertraut, das Verängstigte gibt uns Sicherheit. Eine verkehrte Welt, die wir uns da in unserem inneren Erleben zurecht gemacht haben.

Freitag, 7. Oktober 2011

Vom Mut zu wachsen - Sieben Stufen der Integralen Heilung

Mein neues Buch hat das Licht der Welt erblickt und freut sich auf seine LeserInnen. Es steckt viel von meinen inneren Erfahrungen und Gedanken in diesem Buch. Die Reise geht durch "alle" Bewusstseinsschichten, die in sieben Stufen unterteilt werden. Sie werden in der Geschichte der Menschheit und in unserer eigenen Geschichte aufgesucht und beispielhaft erfahrbar.
Manchmal sind wir Urzeitmenschen, die sich nichts sehnlicher als die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, zu einem Stamm wünschen; die Angst haben, die soziale Anerkennung zu verlieren oder aus der Rolle zu fallen.
Dann wieder kommt der Impuls, auszubrechen und etwas Neues anzufangen, die Zusammenhänge zu verlassen, in denen wir drinstecken, koste es, was es wolle.
Doch gibt es später wieder Phasen, in denen wir uns nach Ordnung und Sicherheit sehnen und froh sind, wenn wir nicht alles selber checken müssen, sondern uns auf Institutionen verlassen können, die uns versorgen, wenn wir in Not sind.
Und wir kennen die Ansprüche, die sich gerade nach solchen Erfahrungen melden: Ich soll mein eigenes Leben auf meinen eigenen Leistungen begründen und in der Lage sein, mich selber zu finanzieren, wofür ich mich anstrengen muss, und dann auf meine Erfolge stolz sein kann. Meine Sicherheit suche ich jetzt in Gütern, die ich um mich herum anhäufe.
Damit irgendwann unzufrieden, gehe ich weiter und suche den Sinn in all dem Streben und komme drauf, dass mich Dinge nicht glücklich machen. Ich brauche Qualitäten in mir, die mir zeigen, dass ich eine einzigartige Person bin, ich möchte meine Kreativität entfalten.
Auch von hier führt mich ein innerer Drang weiter. Ich möchte nicht nur als großes Ich erfolgreich und einzigartig sein, sondern mich in sozialen Netzen engagieren und für etwas Größeres da sein.
Schließlich suche ich den endgültigen Ausstieg aus den Zyklen des Leidens und der Selbstbezogenheit. Ich möchte das ausweiten, was ich in vielen Momenten der inneren Suche spüren konnte: die innere Freiheit und Leichtigkeit, die Weite und universelle Verbundenheit.


All das braucht Mut, von einer Sicherheit zur nächsten fortzuschreiten, Altes aufzugeben und sich Ängsten zu stellen. Doch gibt es eine innere Kraft, die uns dabei unterstützt, ich nenne sie die Kraft der Evolution.

Das Buch möchte Mut machen, Mut zum Wachsen und Weitergehen. Als Menschheit machen wir das seit Millionen von Jahren, und in unserer Lebensgeschichte sind wir auch schon weit vorgedrungen. Wenn wir uns mit dem Modell, das dieses Buch anbietet, näher auseinandersetzen (und das wird im Buch auch durch Übungen erleichtert), verbinden wir uns mit der Kraft der Evolution und wir lernen, dem Leben mehr und tiefer zu vertrauen.


Du kannst das Buch über den Kamphausen-Verlag beziehen (http://weltinnenraum.de/buch-autor/dr-wilfried-ehrmann/vom-mut-zu-wachsen.html - versandkostenfrei in Deutschland) oder bei mir (info@wilfried-ehrmann.com - versandkostenfrei in Österreich). Es ist jetzt auch als E-Book erhältlich.

Ein Interview zum Buch findet sich als Video in: http://vimeo.com/29094578

Ein Überblick über die sieben des Bewusstseins bietet: http://vimeo.com/29096519 

Eine Meditationsübung kann auf Youtube mitgemacht werden: http://www.youtube.com/watch?v=HZxgUlwBjCU&feature=channel_video_title

Ich freue mich über alle Rückmeldungen und Diskussionen zu den vielen Themen, die in dem Buch angesprochen werden.