Montag, 25. April 2011

Was, du isst noch Fleisch?


Manchmal hört man: „Was, du rauchst noch?“ sagt ein an seiner Bewusstheit arbeitender Mensch zu einem anderen. Wenn die Bewusstheit weiter wächst, kann die Frage kommen: „Was, du isst noch Fleisch?“
Der Verzicht auf Fleisch kann einen wichtigen Schritt in der eigenen Entwicklung bedeuten. Der Fleischkonsum stellt eine starke Belastung für unseren Planeten dar – die Tierhaltung und die Fleischerzeugung sind ein großer Verbraucher für Ressourcen und damit mitverantwortlich für die Klimaänderungen und andere Umweltzerstörungen. Auch der Hunger in vielen Weltregionen kann dadurch mitbedingt sein – Tiere, die zur Fleischerzeugung gehalten werden, fressen den Hungernden die Nahrungsmittel weg, damit die reicheren Regionen dieser Erde davon profitieren können.

Darum: Verzicht auf Fleisch bedeutet einen Beitrag zur Entlastung der angespannten Umweltsituation wie auch des großen sozialen Ungleichgewichts auf der Erde.

Und es kann auch unsere eigene Gesundheit unter Fleischkonsum leiden – Vegetarier haben laut statistischer Erhebungen eine längere Lebenserwartung, damit ist der gesundheitliche Vorteil des Fleischverzichts klipp und klar, trotz aller Skepsis von eingefleischten Fleischverzehrern.

Dazu kann für einen bewussten Menschen, also jemand, der sich dem Mitgefühl öffnet, auch das Leiden der Tiere an ihren bloß auf die menschliche Gier abgestimmten aufgezwungenen Lebensstil spürbar wird. Wenn du beim Verzehr eines Schnitzels oder einer Wurst daran denkst, wie das Fleisch entstanden ist, das du dir gerade schmecken lässt, kann das vielleicht deinen Appetit ein wenig beeinträchtigen.

Wir sollten uns bewusst machen, wenn wir bewusste Menschen sein wollen, nicht nur, was unsere Handlungen anrichten könnten, sondern was sie schon angerichtet haben. Wir können zwar nicht die Leiden, die durch die Schnitzelproduktion dem Planeten und seinen Bewohnern zugefügt wurden, rückgängig machen, wir können aber durch einen Wandel unserer Gesinnung und unserer Lebenspraxis dazu beitragen, dass es weniger bis gar nicht mehr dazu kommt, dass in Zukunft solche Untaten geschehen.

Die Menschen begehen ja ihre Taten nicht aus Bosheit, sondern weil sie sich davon einen Gewinn, sprich eine Sicherung ihres Überlebens erwarten. Wenn der Fleischkonsum zurückgeht, werden sich andere Erwerbsmöglichkeiten anbieten.

Was macht diese Entscheidung für einen simplen und effektiven Beitrag zur Verbesserung unseres Planeten so schwierig?

Zunächst die Gewohnheit – ein Essen ohne Fleisch ist für viele Menschen noch immer kein wirkliches Essen. Viele meinen, dass Fleischessen sie stark und leistungsfähig macht, was alle starken und leistungsfähigen Vegetarier widerlegen. Fleischspeisen gelten als schmackhafter als Gemüse und Tofugerichte. Dann kommt die Bequemlichkeit: Überall kriegt man Fleischspeisen in den abenteuerlichsten Formen und oft erstaunlich billig angeboten. Schließlich ist die Selbstschädigung durch den Fleischkonsum nicht so augenfällig wie etwa beim Rauchen. Wer nicht zu Dickdarmkrebs neigt, wird bei anderen degenerativen Krankheiten kaum auf die Idee kommen, dass sie durch Fleischkonsum mitverursacht werden. Außerdem schädigt der Fleischesser seine Umgebung nicht wie die Raucherin – nicht direkt, und die indirekten Folgen sieht und spürt man nicht, also die Folgen, die sich z.B. auf das Klima auswirken. Und wenn die Leute in Afrika oder Brasilien neben den Sojaplantagen und Viehweiden für den Export hungern müssen, brauchen wir das auch nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Also, wird es noch lange dauern oder überhaupt nie dazu kommen, dass die Frage: „Was, du isst noch Fleisch?“ allenthalben zu hören sein wird?

Es hängt daran, ob wir unsere Gewohnheiten und Bequemlichkeiten wichtiger nehmen als die Sorge für die Erde und für unsere ärmeren Mitbewohner.

Sonntag, 24. April 2011

40 Geheimnisse der Liebe

Die türkische Autorin Elif Shafak entfaltet in ihrem Roman  “The Forty Rules of Love” (2010 - die deutsche Übersetzung ist 2013 unter dem Titel "Vierzig Geheimnisse der Liebe" im Kein&Aber-Verlag erscheinen) die Grundlagen der Lehre der Sufis, der Mystiker des Islams anhand von 40 "Regeln der Liebe". Ich habe diese Regeln kommentiert und extemporiert.

Dazu gibt es einen eigenen Blog: http://wilfried-ehrmann2.blogspot.com/

Ich freue mich über Rückmeldungen und Kommentare. 

Die englische Version findet sich auf http://wilfried-ehrmann-e.blogspot.com/

Mittwoch, 20. April 2011

Kommentatoren in mir

Den konservativen Kulturkritiker in mir beschleicht manchmal das Grauen, wenn ich des Morgens im vollen Schnellbahnwaggon vor jeder Nase eine der Billiggazetten sehe, die andächtig und pflichteifrig studiert wird. Sollten sie doch Kafka oder Lessing oder zumindest Handke und Rosei lesen, statt sich durch üppige Bildchen und platte Schlagzeilen den Tag von Früh an schon zu vermiesen!

Der boshafte Kommentator in mir bemerkt dazu: Seit PISA wissen wir doch, dass die Österreicher nicht sinnerfassend lesen können, weshalb also die Aufregung?

Von der anderen Seite ist er auch gleich zur Stelle: Beklagt der national denkende Teil in mir das schlechte "Abschneiden" (ein interessantes Wort in solchen Zusammenhängen) der österreichischen Jugend bei den diversen PISA-Studien (ähnlich tragische Ereignisse wie die Ergebnisse diverser Spiele der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft), so bemerkt der boshafte Kommentator gleich: Woher dann die Sorge, dass die Gesellschaft durch Massenmedien verdummen könnte? Zumindest was die Printmedien anbetrifft, sind die auf einem verlorenen Posten, weil sowieso kaum jemand versteht, was sie schreiben.

Montag, 18. April 2011

Liebe

Das Miteinander-Verbundensein nennen wir Liebe. In diesem Sinn liebt der Stein den Untergrund, auf dem er liegt, und der Baum die Erde, aus der er seine Nährstoffe zieht, es liebt der Planet sein Zentralgestirn und der Wind die Wolken. 

Liebe kann kein Gefühl sein, weil Gefühle kommen und gehen, wie sie unser Organismus im Zusammenwirken mit Außenreizen produziert. Gefühle sind soziale Orientierungssignale, die uns eine beschränkte Einsicht in unsere Befindlichkeit und in unsere Umgebung erlauben. Weil die Erfahrung von Liebe mit Gefühlen verbunden sein kann (vor allem, wenn wir verliebt sind), verwechseln wir die Liebe mit einem bestimmten Gefühlszustand.

Wenn wir uns verlieben, erleben wir Verbundenheit. Wir bekommen einen Einblick in das, was wirklich ist. Diese Erkenntnis kann so erhebend und intensiv sein, dass wir denken, dass es dieses Gefühl ist, worauf es ankommt. Das hieße aber, dass die Liebe abhängig ist von einem Gefühlszustand: Produziert unser Organismus bestimmte Hormone, lieben wir, wenn nicht, lieben wir nicht. Liebe wäre eine Folge von Drüsensekretionen: Man sagt es mir in jeder Analyse, die Liebe ist nichts als die Krise einer Drüse (Georg Kreisler).

Manche Menschen begründen die Entscheidung für eine Lebensform auf Gefühlen und wundern sich, wenn diese Lebensformen dann scheitern. Alles, was sich auf Gefühlen begründet, kommt und geht wie diese.

Erst wenn wir erkennen, dass Gefühle ein Beiprodukt der Erfahrung der Liebe sein können, werden wir frei für die eigentliche Erfahrung der Liebe, die ganz unspektakulär sein kann.

Gut und Böse

Vor dem Absoluten gibt es kein Gut oder Böse. Diese Unterscheidung wird innerhalb des Relativen getroffen auf der Grundlage von Normen. Diese Normen beziehen sich im Letzten auf die tiefste Natur des Menschen und seinen unzerstörbaren Kern. Alles, was die Annäherung an diesen Kern fördert, nennen wir gut, alles was den Zugang verstellt, böse. 

Leiden, das Menschen von Menschen zugefügt wird, hindert nicht nur den Leidenden, in Verbindung zum Kern zu bleiben, weil sich der irritierte Körper wie die irritierten Gefühle in den Vordergrund stellen. Es leidet im höheren Sinn noch mehr der, der das Leiden verursacht hat. Er hat nicht nur sich von sich selbst entfernt, sondern auch einen anderen in seiner Entwicklung zurückgeworfen.

Gut und Böse sind Vergleichsparameter für die Orientierung unseres Handelns in der menschlichen Gemeinschaft. Demgemäß reagiert die Gemeinschaft mit Sanktionen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Die Mitglieder der Gemeinschaft verinnerlichen diese Maßstäbe im Lauf ihrer Sozialisation als ihr Gewissen.

Wenn wir mit anderen Menschen verbunden sind, können wir nichts Böses tun, weil es so wäre, als ob wir uns damit selbst Schmerzen zufügen würden. Wäir betrügen niemanden, so wie wir uns nicht absichtlich weh tun. Der Antrieb zum Bösen kommt aus der Nicht-Verbundenheit und aus dem Wunsch, wieder verbunden zu sein. Allerdings unterliegen wir dem Irrtum, zu glauben, dass wir mit Mitteln des Verstandes wieder die Verbindung herstellen könnten. Dann geschehen böse Taten – Unachtsamkeiten des Alltags bis zu Massenmorden. Da die Verbindung immer besteht, können wir sie nicht durch Handlungen herstellen. Das ist der Kurzschluss aller Ideologien. Alles, was wir herstellen, vergeht auch wieder. Die Tatsache, dass alles miteinander verbunden ist, ist davon unberührt.

Konzentration üben

Du kannst nur 100%ig dort sein, wo du gerade bist - sei es sensorisch da, in der Erinnerung, in der Zukunft, im Tagträumen, im Schlaf.

Du bist dauernd voll konzentriert, sei es auch, dass du den Fokus dauernd wechselst. Zu jedem Zeitpunkt bist du 100%ig irgendwo.
Dein Problem ist nur, den Fokus dorthin zu bringen, wo du ihn haben willst.
Das ist eine Sache der Entscheidung, von sonst nichts.
Wenn du wirklich deinen Fokus im Hier und Jetzt haben willst, musst du es wollen. Sobald du es willst, ist der Fokus da. Die bewusste Entscheidung ist der Fokus hier und jetzt.
Dein Problem ist nur die Unbewusstheit.
Du kannst Konzentration nicht in einer bestimmten Situation lernen; du kannst sie immer und jederzeit praktizieren. Das tust du auch. Tatsächlich brauchst du nur darauf zu achten. Es hat keinen Sinn, wenn du dir eine Technik zurechtlegst, wie du konzentriert lernen kannst, wenn du deinen Alltag unkonzentriert machst. Es hat keinen Sinn, wenn du dir eine Technik zurechtlegst, wie du konzentriert zuhören kannst, wenn du unkonzentriert den Müllkübel ausleerst.

Probier es als Übung für dich:
Sei 100%ig da und schau, was passiert! Öffne deine Augen und Ohren, deine Sinne, soweit du kannst für das, was gerade da ist.

Sei so 100%ig da, wie wenn du dein Lieblingsessen verspeisen würdest oder deinen Lieblingsfilm im Kino siehst.
Das geht nicht? Bist du abhängig von dem Nudelteller vor deiner Nase oder von King Kong auf der Leinwand? Dann überlege dir, was wäre, wenn du diese Abhängigkeit geschaffen hast, wenn du es bist, der sich anhängt und abhängt, wie du willst; wenn der Nudelteller durch dich zur Köstlichkeit, der Videoclip durch dich zum Höhe-punkt des Abends wird.

Mach dir noch etwas klar: Du bewirkst es, durch dein Interesse wie durch dein Desinteresse, durch deinen Geschmack wie durch deine Abneigungen, dadurch, dass du hingehst oder nicht hingehst, dass Filme so gedreht werden, dass Nudel so gewürzt werden.
Natürlich nicht du allein.
Aber du bist allein bist das Zentrum einer ganz einzigartigen Welt: deiner Welt, die nur du gestalten kannst. Und du knüpfst die Beziehungen oder schließt die Ketten zu deiner Außenwelt. Du gibst King Kong die Power, du gibst den Spaghetti die Würze. Ohne dich wäre King Kong ein platter Zelluloidstreifen, die Nudeln ein ge-schmackloses Gekröse.

Und wenn du dir deiner einzigartigen, unersetzbaren Rolle in deiner Welt bewusst bist, wenn dir klar ist, dass nur du diese Rolle in deinem Leben spielen kannst, dann bist nicht mehr die winzige Nummer in der Riesennummer, die von den anderen gespielt wird. Dann spielst du nicht mehr die letzte Geige in einem vergessenen Winkel dieser Welt, sondern dann bist du der Dirigent deine Orchesters. Du gibst dann nicht nur für deine Musiker den Ton an, sondern immer mehr Leute werden sich für deinen Sound interessieren. Du lässt dir nichts mehr von den anderen vorpfeifen, genausowenig wie du ihnen was vorpfeifen willst. Aber sie werden einfach auf deine Töne stehen, weil sie von dir kommen, aus deiner Welt, die du so faszinierend findest, dass sie jeden andern anziehen muss. Deine Begeisterung für dein Orchester wird ansteckend sein, dass die anderen noch mehr heraushören, als du selbst.

Du wirst soviel immer Interesse für dich finden, als du für dich selber aufbringst. Du wirst soviel Faszination auf andere ausstrahlen, wie du für dich selber übrig hast. Du wirst soviel Aufmerksamkeit von anderen ernten, wie du auf dich selber als Zentrum deiner Welt konzentriert bist. Je mehr du davon hast, desto mehr wirst du deine Welt bestimmen, desto weniger wirst du dich von den Welten der anderen bestimmen lassen.

Wenn du das willst, brauchst du nur damit zu beginnen, dein Leben interessant zu finden, 100%ig da zu sein, bei allem, was sich tut in diesem spannenden Stück. Was hindert dich daran, deinen Morgengrant, deinen Weg zur Arbeit, deinen Konflikt mit einer Kollegin oder deinen Streit mit der Tante so wichtig zu nehmen wie andere Leute, die aus solchen Sachen Romane und jahrzehntelange Fernsehserien schneidern? Lass dir doch nicht einreden, dass dein Leben banal und das in Dallas oder New York bedeutsam wäre. Gerade umgekehrt ist es. Und was die können, mit dem Gefühl von 100%iger Bedeutsamkeit vor der Kamera herumzulaufen, das kannst du schon lange und das machst du schon lange, in deinem Film, in deiner Serie, in deiner Seifenoper, je nachdem, wie du willst.

Noch dazu bist du dein eigener Regisseur, dein Drehbuchautor, dein Kameramann, dein Stuntman und was du sonst noch brauchst für deinen Kassenschlager. Du bestimmst jede Muskelbewegung deines Gesichts, jede Nuancierung in jedem Wort, jedes Gefühl und wie du es ausdrückst.

Und was noch dazu kommt: es ist echt, Leben, da, ganz nahe bei dir, ganz in dir, ganz um dich herum. Gib es etwas Spannenderes? Kann dich da noch irgend etwas davon abhalten, dich total hineinziehen zu lassen in dieses Abenteuer, voll in deinem Leben da zu sein? Du bist ein Glückspilz! Wer könnte auf all das verweisen, was du in deinem Leben an Reichtümern vorfinden kannst?

Du wirst doch nicht so dumm sein, das alles zu übersehen und darauf zu warten, bis andere das für dich entdecken? Fang gleich damit an und mach dir bewußt, dass du schon lange damit angefangen hast, dass du nur mit einem aufhören brauchst, nämlich dein Leben uninteressant zu finden. Und fang dort an, wo du gerade bist, jetzt, wo du dieses Buch vor deiner Nase hast, jetzt, wo du aufhören willst, diesen Quargel zu lesen, jetzt, wo das Telephon klingelt ... .und nicht dann, wenn ... du groß genug bist, wenn du dein eigenes Geld verdienst, wenn du an irgendeinem Strand in der Sonne döst ...

Zitate für den Tag

In all den zehn Richtungen des Universums Buddhas’ gibt es nur einen Weg.
Wenn wir klar sehen, gibt es keinen Unterschied in den Lehren.
Was gibt es zu verlieren? Was gibt es zu gewinnen?
Wenn wir etwas gewinnen, war es immer schon da.
Wenn wir etwas verlieren, ist es gleich neben uns versteckt.
(Ryokan)

Aus: Jack Kornfield: A Path with Heart, 182

Das erste, was du im Leben lernst, ist, dass du ein Esel bist. Das letzte, das du lernst, ist, dass du noch immer der gleiche Esel bist. Manchmal denke ich, ich verstehe alles. Dann gewinne ich mein Bewusstsein wieder zurück.
(Ray Bradbury)

Aus: Jack Kornfield: A Path with Heart, 229f

„Wie ein Stück Brot aussieht, hängt davon ab, ob man Hunger hat oder nicht.“
(Rumi) 

Sonntag, 17. April 2011

Meta-Physik

Ostern - Tod und Auferstehung

Was kommt danach - eine Frage, die die Menschheit wohl solange bewegt, seit sie den Tod reflektieren kann, also die eigene Endlichkeit erkennt und mitdenken muss.

Die verschiedenen Anbieter preisen unterschiedliche Reiseziele an: Für die einen geht es in den Himmel oder die Hölle, für die anderen in den Zyklus der Wiedergeburten. Nur eines ist klar: Wir können nichts darüber wissen, was nach dem Ende unseres Körpers kommt. Wir sind eine Körper-Geist-Einheit, und wenn der Körper zu existieren aufhört, hört auch die Körper-Geist-Einheit zu existieren auf. Viele nehmen an, dass dann der Geist übrig bleibt und in irgendeiner Weise weiterexistiert. Aber unklar ist, welcher Geist das dann ist, weil es diesen isolierten Geist vorher nicht gegeben hat, sondern eben nur als eine Komponente einer in sich geheimnisvollen Einheit. Wir sind eben sehr verliebt in unseren Geist und stolz auf seine Hervorbringungen, deshalb wollen wir uns nicht damit abfinden, dass der Geist mit dem Körper endet.

Die alte Antwort auf die Frage nach dem Danach ist, dass wo das Wissen aufhört, der Glaube anfängt. Der Glaube hat eine existentielle Funktion, also keine, die sich mit Fragen nach der Wahrheit oder der Wirklichkeit beschäftigt, sondern mit dem, was wir brauchen, um gut leben zu können. Wenn wir an eine Weiterexistenz nach dem Tod glauben, kann das unsere Lebensqualität verbessern, weil wir dann nicht mehr von der Angst vor dem Nichts und vor dem endgültigen Ende gequält werden.

Wenn wir allerdings lernen, dem Moment mehr zu vertrauen als dem Vorauseilen ans Ende - brauchen wir dann noch einen Glauben? Was kümmert es den Weisen, der im Hier und Jetzt lebt, was im nächsten Moment passieren könnte? Erst recht braucht er sich nicht damit aufzuhalten, was in vielen, vielen Jahren sein wird.

Die Angst vor dem Tod erreicht uns mitten im Leben, sie ist also die Angst vor dem Leben, die uns von diesem Moment abhält, in dem wir uns sicher fühlen können oder indem wir genau bestimmen können, was uns gerade bedroht, und wann diese Bedrohung wieder vorbei ist.

Wenn wir den Atem spüren, der jetzt, in diesem Moment in uns fließt, brauchen wir keine Meta-Physik, brauchen wir keine Konzepte darüber, was danach sein könnte oder sein sollte, wenn unsere Physik und damit auch unsere Biologie am Ende ist. Schließlich gibt es auch keinen Körper-Geist mehr, der den Tod erlebt, weil der Tod das ist, was ihn beendet.

Ostereier en masse

Ostereier müssen auf den Ostertisch!

So war es seit Urzeiten, zumindest seit Großmutters Zeiten. Was hat sich seither geändert? Die Tierhaltung. Nahezu alle männlichen Kücken werden nach dem Ausschlüpfen getötet in Europa jährlich 300 Millionen.

Kannst du da noch die Ostereier genießen?

Geht es vielleicht auch einmal ohne? Solange wir Massen von Eiern konsumieren, wird es Massen in der Tierhaltung geben. Solange es Massen in der Tierhaltung gibt, gibt es haarsträubende Zustände und Grausamkeiten unseren näheren Verwandten gegenüber.
Schau da mal rein: http://www.youtube.com/watch?v=0b29B7zNZXs

Helden

Gerade (17.4.2011) gehen in Kroatien die Leute auf die Straße, um für ihren "Helden" Ante Godovina zu demonstrieren, der von einem unabhängigen Gericht mehrerer Kriegsverbrechen für schuldig befunden wurde.

Ich sehe daran, wie sehr die Vergangenheit Menschen imprägnieren kann. Unaufgearbeitete Traumatisierungen führen dazu, dass die Welt in Kategorien eingeteilt wird - wer auf unserer Seite steht, ist immer gut, die auf der anderen Seite immer schlecht. Wie kann ein General von unserer Seite, der einen Krieg gewonnen hat, ein Verbrecher sein? Unmöglich, da müssen die, die ihn verurteilt haben, die Verbrecher sein.

Es wird also nicht mehr auf die Wirklichkeit geschaut - was hat ein Mensch getan und wofür hat er die Verantwortung zu tragen, sondern auf die eigene Verletztheit, die aber nicht gespürt wird, sondern in Aggression umgedreht wird - Hass auf die EU und auf das Gericht, das die Verurteilung ausgesprochen hat.

Die Menschen reagieren so, als wäre ihnen ein Stück ihrer Identität weggenommen worden - ein Held, an dem sie sich orientieren konnten. Blöd, dass sich herausstellt, dass er zwischen seinen Heldentaten Verbrechen begangen hat. Der Verlust dieser Identifizierung ist schmerzhaft und wird mit Wut ausgedrückt und soll natürlich rückgängig gemacht werden.

Das Denken, das hinter diesen Reaktionen steht, ist im 19. Jahrhundert entstanden. Damals wurden die Menschen mit dem Gift des Nationalismus infisziert und sind seither davon abhängig. Es kann mir nur gut gehen, wenn es meiner Nation gut geht. Ebenso war diese Zeit eine Hochblüte des Heldentums - glorreiche Kämpfer für die machtvolle Aufwertung der eigenen Nation tummeln sich allenthalben. In Bronze gegossen, stehen sie in allen Städten noch immer herum und laden zur Verehrung ein.

Wenn wir uns aus der Bewusstseinsschicht, die das 19. Jahrhundert bis in unsere Zeit hinein geprägt hat, lösen, verschwindet das Bedürfnis nach Helden. Wir schauen mehr auf uns selbst, auf das, was unsere eigenen Fähigkeiten und Potenziale sind, als dass wir die Genies und Helden verehren und glorifizieren. Jeder ist der Held/die Heldin im eigenen Leben. Wozu brauchen wir jemanden, der angeblich so herausragende Leistungen vollbringt? Was verändert das an der eigenen Lebensqualität? Schauen wir darauf, dass wir unser eigenes Leben kreativ und mutig leben, indem wir die Herausforderungen, die es ganz individuell an uns stellt, bestmöglich meistern. Das kann das Erziehen von Kindern oder das Erledigen von Büroaufgaben genauso sein wie das Schreiben von Büchern oder von Musik.

Was noch verschwinden sollte, und zwar möglichst schnell und möglichst aus allen Köpfen, ist die Idee des Nationalismus. Sie hatte ihre Bedeutung im 19. Jahrhundert, hat im 20. Jahrhundert Millionen von Todesopfern verursacht und sollte im 21. Jahrhundert restlos entsorgt werden. Wir brauchen keine Nationen mehr, um die Probleme dieser Welt anzugehen: Wohlstandsgefälle, Umweltbelastung, Ressourcensicherung und -aufteilung, usw. Die Nationen stehen da nur im Weg. Wir brauchen globale Lösungen, und die finden wir nur, wenn wir über die nationalen Tellerränder schauen. Wolken mit radioaktivem Fallout halten sich auch nicht an nationale Grenzen.

Stellen wir uns also vor, dass es keine Grenzen mehr gibt und die Menschen sich nicht mehr als Österreicher, Kroaten oder Serben wahrnehmen, sondern als Bürger dieser Welt, mit einer Verantwortung für diese Welt und das Leben darauf (imagine, there's no countries...).

Was ist Esoterik?

Ursprünglich bedeutete Esoterik ein Wissen, das nur einer eingeweihten Schar von Menschen bekannt ist und mündlich weitergegeben wird, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Es ging zumeist um Geheimlehren, die besondere Kräfte und Fähigkeiten verleihen sollten.

Im vergangenen Jahrhundert sind viele solcher Lehren an die Öffentlichkeit gelangt und haben ihren Charakter als Geheimwissen verloren. Jede Bahnhofsbuchhandlung bietet solche "Geheimnisse" an, jeder kann davon nehmen, was er will oder braucht.

Damit hat sich auch die Bedeutung des Wortes Esoterik verändert. Häufig wird es zur Ausgrenzung verwendet: Esoterisch ist eine Form des Wissens, die keine Begründung hat und unüberprüfbare Ansprüche erhebt. Wissenschaftliches Wissen ist ein solches, das von jedem nachvollzogen und nachgeprüft werden kann, das der Kontrolle durch andere unterworfen ist und falsifizierbar ist, also widerlegt werden kann.

In diesem Sinn hat sich der Charakter des Geheimen erhalten: Esoterisches Wissen, so wie wir es heute verstehen, ist zwar allen zugänglich und wird fleißig vermarktet, aber die Bedeutung dieses Wissens ist verborgen, so wie dessen Geltungsansprüche. Warum wir also das esoterische Wissen für Wissen halten und nicht für poetische Inspiration oder flüchtiges Fantasieren, ist nur dem Eingeweihten zugänglich, setzt also eine innere Haltung voraus, die nicht wissenschaftlich ist, sondern den Charakter eines Gruppenglaubens hat, ähnlich wie in den Zirkeln der geheimen Orden und Gemeinschaften des Mittelalters oder der Freimaurer. Du musst also der Gemeinschaft beitreten, und dann machen die Botschaften und Lehren einen Sinn.

Diese Gemeinschaften sind in der heutigen Zeit allerdings nicht mehr unbedingt Menschen, die sich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit treffen, sondern können sich auch virtuell verbinden oder einem imaginären Netzwerk von Gleich- und Ähnlichgesinnten angehören.

So sind z.B. die Anhänger der sogenannten Maya-Prophezeiungen auf der ganzen Welt verstreut und bilden keine Organisation, sondern sind Menschen, die solche Formen des Wissens ernst nehmen. Für wissenschaftlich denkende Menschen sind die diversen Zukunftsprognosen, die aus den Berechnungen und Texten der Mayas vor etwa 1000 Jahren abgeleitet werden, wertloses Wissen, weil sie auf keine überprüfbare Quellen zurückgreifen, sondern aus historischen Hinweisen Spekulationen ableiten, die Wissensstücke aus verschiedenen Zeiten und Kulturen miteinander vermixen.

Esoterisch ist also ein Wissen, das sich den wissenschaftlichen Standards entzieht und sich jedem anbietet, der auf solche Standards verzichtet. Statt dessen wird dieses Wissens frei verfügbar und kann von jedem nach der eigenen Facon variiert und übermalt werden. Handlungsrelevant wird es dort, wo das Wissen zu Konsequenzen herausfordert, die ebenso frei variierbar sind: Wenn im Jahr x die Katastrophe y1 ausbrechen wird, kann sich daraus die Handlung z1 als überlebensnotwendig erweisen oder auch die Handlung z2, wenn nicht gar z3 oder irgendeine andere. Da prinzipiell auch die Katastrophe y2 oder y3 ausbrechen kann, oder auch gar keine Katastrophe, ist es wichtig, am Szenario der Katastrophe y1 festzuhalten, sonst würde man handlungsunfähig.

Die Handlungsfähigkeit oder zumindest die Vorstellung davon dient der Bannung der Angst, die die ganze Kette in Gang setzt: Die esoterische Quelle verrät mir, dass es eine Katastrophe geben wird, das löst Angst aus. Deshalb suche ich aus der Quelle eine Handlungsmöglichkeit abzuleiten, die es mir ermöglicht, der Katastrophe zu entwischen. Damit kann ich mich auf der sicheren Seite fühlen. Ich kann weiter der esoterischen Quelle glauben und zugleich deren Folgen für mich ausschließen. Der Kelch wird an mir vorüber gehen, gerade weil ich im esoterischen Kontext bleibe, zum Unterschied von den anderen, den Ungläubigen, die der Katastrophe anheim fallen werden.

Was folgt daraus? Unter Esoterik verstehen wir Wissensformen und daraus abgeleitete Praktiken, die nicht auf Wissenschaft und nicht auf den Lehren der klassischen Religionen beruhen, sondern ihre eigenen Traditionen und Rechtfertigungen haben, die aber keine Öffentlichkeit haben, in denen die jeweiligen Ansprüche überprüft werden können. Es sind also Glaubensformen, die keine Glaubensgemeinschaften hinter sich haben, sondern frei flottierende Interessensgruppen ohne formelle Zugehörigkeit.

So kann es sein, dass jeder Mensch in unserer Kultur in gewisser Weise einer esoterischen Gemeinschaft angehört, ob er jetzt sich mit Astrologie beschäftigt, mit Wünschelruten oder Naturheilkunde. Viele glauben an Reinkarnation, ohne zum Hinduismus überzutreten, oder an Engel, ohne katholisch zu sein.