Fehler, Nachlässigkeiten und Vergesslichkeiten hauen uns leicht aus dem Flussmodus. Sobald wir bemerken, dass wir etwas übersehen haben, was wichtig gewesen wäre, oder nicht bemerkt haben, was uns hätte auffallen müssen, oder dass wir etwas gemacht haben, was sich als peinlich herausgestellt hat usw., beginnen wir mit Selbstgeißelung, vor allem, wenn es mit Nachteilen für uns verbunden ist: Die Eingangstür „ist zugefallen“ und der Schlüssel ist drin, die einzige Rettung ist der Schlüsseldienst und der lässt sich den Spaß kosten. Wir sind während des Kochens zum Telefon und haben vergessen, die Kochplatte zurückzudrehen, bis uns der Geruch daran erinnert und wir das verkohlte Essen entsorgen müssen. Wir haben einen anspruchsvollen und wichtigen Text geschrieben und vergessen, ihn abzuspeichern. Oft gehen wir schlimmer auf uns selber los als der ärgste Kritiker, den wir in unserer Umgebung oder aus unserer Kindheit kennen. Gnadenlos beschimpfen wir uns selber oder bestrafen uns, indem wir tagelang an nichts anderes denken als an das unrühmliche Vorkommnis und dabei das schlechte Gefühl wieder und wieder wachrufen.
Klar, die Selbstabwertung bringt nichts, wir fühlen uns zwar scheinbar besser dadurch, weil wir etwas von dem Dampf ablassen, der durch den Stress entsteht. Wir ersetzen den schlimmeren Stress durch einen leichteren und kontrollierbareren, weil uns ja klar ist, dass wir selber die Täter gegen uns sind.
Einfacher ginge es, ein paar bewusste Atemzüge zu nehmen und dabei entspannt auszuatmen. Damit verringert sich der Stress. Der Fehler ist passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Der Ärger über uns selbst hilft uns auch nicht, in Zukunft den oder einen ähnlichen Fehler wieder zu machen, genausowenig wie die Schelte unserer Eltern verhindert hätte, dass wir wieder etwas Schlimmes gemacht haben.
Wir können alles, was uns im Leben widerfährt, und vor allem unsere Fehlleistungen als Achtsamkeitstraining nehmen: Im Moment bei dem bleiben, was gerade geschieht und bei dem, was gerade zu tun ist. Dann kann nichts schief gehen. Und die besondere Übungsherausforderung besteht dann darin, nach einem Missgeschick so schnell wie möglich zur Achtsamkeit im Moment zurückzukehren, damit wir das tun, was zu tun ist, statt die Zeit und Energie zu vergeuden, indem wir uns anklagen und heruntermachen mit unseren beliebten „Hättichdochs“ und „Warumhabichnichten“.
Wir sind lebende Wesen und funktionieren deshalb nicht fehler- und klaglos. Wir sind nicht von einem perfektionssüchtigen Wesen erschaffen worden, sondern von einer Natur hervorgebracht, die den relativen Erfolg als pragmatisches Prinzip verfolgt. Fehler passieren und gehören dazu. Bekanntlich lernen wir aus Fehlern am besten oder sollten es zumindest. Denn wir sind Wesen mit unbegrenzter Lernfähigkeit und Flexibilität. Und eigentlich macht Lernen immer wieder auch Spaß.
Das Lernen mit Fehlern, die uns immer wieder unterlaufen, erledigen wir dadurch, dass wir neue Routinen einbauen und dann ins Unterbewusstsein absinken lassen, damit sie uns nicht mehr belasten. Dann haben wir wieder Zeit für den Flussmodus, der uns wohltut und Freude bereitet. Wenn wir also die Gewohnheit haben, unsere Schlüssel liegenzulassen, bauen wir eine neue Gewohnheit auf, den Schlüssel immer wieder an den gleichen Platz zu legen und/oder zu überprüfen, ob wir den Schlüssel eingesteckt haben, bevor wir die Türe hinter uns schließen.
Da ich im Moment einen launischen Computer habe, der unvorhersehbar und ohne Ankündigung mit seiner Arbeit Schluss macht, was mir schon einige Absätze Schreibarbeit gekostet hat, habe ich die automatische Speicherung auf eine Minute eingestellt, sodass höchstens der letzte Satz verlorengeht, und der ist meist noch im Kurzzeitspeicher im Hirn. In diesem Fall nimmt mir der Computer die Routine ab, die er durch seine eigene Fehlerhaftigkeit erfordert.
Es braucht einige Disziplin, für die wir unseren Funktionsmodus aktivieren müssen, um uns neue Gewohnheiten anzuerziehen, der Lohn dafür ist, dass nach einiger Zeit unser Unterbewusstsein übernimmt und uns erinnert, was zu tun ist, damit wir den Fehler vermeiden. Damit haben wir mehr Zeit für das achtsame Erleben der Gegenwart und weniger Anlass, gemein zu uns selber zu sein. Das Leben darf wieder fließen und wir mit ihm.
Vgl. Die Wurzeln der Selbstsabotage
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