Angstkonditionierung
Wie wir auf Gefahren und unsichere Situationen reagieren, hängt von unserem Angstmuster ab und dieses Muster verweist auf die Grundprägung, die wir in unserer Kindheit erfahren und erlitten haben. Das Überlebensprogramm, das uns in unseren Anfängen unterstützt hat, wird immer dann aktiviert, wenn wir uns irritiert oder verunsichert fühlen.
Wir sehen ganz unterschiedliche Reaktionen auf die große Unsicherheit, die durch die Pandemiesituation entstanden ist. Manche Menschen reagieren auf die Angstpropaganda, die von regierenden Kreisen gesteuert wird, extrem ängstlich und folgen penibel allen Verordnungen und Vorschlägen. Die Ängstlichkeit motiviert sie dann, andere anzuschwärzen oder sogar anzuzeigen, die die Vorschriften nicht so genau befolgen.
Es könnte sein, dass diese Menschen eine angstgesteuerte innere Erwartungshaltung haben, die annimmt, dass die Welt im Grund bedrohlich, unübersichtlich und ungewiss ist und dass sie beständig auf der Hut sein müssen. Sie halten deshalb unbewusst ständig Ausschau nach Angstmachern und folgen ihnen dann bedingungslos. Solche Menschen nehmen jede von außen wahrgenommene Bedrohung besonders deutlich ernst und übersetzen sie als Angst in ihr eigenes Inneres, wo die Angsterwartung wiederum genährt wird.
Autoritätshörigkeit
Zu den Ängstlichen gesellen sich die Autoritätshörigen. Sie haben früh gelernt, dass es wichtig ist, allem zu folgen, was von höherer Stelle befohlen und empfohlen wird. Das Vertrauen in die Weisheit der Autoritäten kann so weit gehen, dass, wie in den USA geschehen, Gift geschluckt wird, weil es der Präsident als Heilmittel empfiehlt. Häufig finden sich die Ängstlichen mit den Autoritätshörigen in Personalunion.
Die Regierenden und die Unmündigkeit
Wer Regierungsverantwortung trägt, muss in einer Gesellschaft mit unmündigen Mitgliedern auch etwas Angst streuen, um Verhaltensänderungen auch bei jenen zu erreichen, die dazu zu bequem oder uneinsichtig sind. Kindliche Reaktionen erfordern eine strenge Autorität, die zur Verantwortung ruft. Die oben geschilderten Reaktionstypen sind die Adressaten für diese Form der Massenbeeinflussung und Propaganda.
Virale Bedrohungen sind nicht sichtbar wie ein Tsunami, eine Bombenexplosion oder ein Bösewicht im Wohnzimmer. Ihre kurz- oder längerfristigen Wirkungen können mit laienhaften Mitteln nicht abgeschätzt werden, ebenso wenig wie die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahr. Deshalb neigen viele dazu, die Gefahren zu vernachlässigen, ihre Gewohnheiten beizubehalten und sich nur unter äußerem Druck regelkonform zu verhalten. Sie müssen bei Strafe gezwungen werden, Maßnahmen einzuhalten, die vielleicht im Einzelfall überflüssig und sinnlos sind, im Ganzen aber das Infektionsrisiko eindämmen.
Die Angst um die Freiheit
Andere Menschen nehmen die Einschränkung ihrer Freiheit angesichts dieser Herausforderungen besonders wichtig und leiden darunter. Sie fühlen sich durch alle Maßnahmen und Regelungen eingeengt und ihrer Freiheit beraubt. Ihre Angst besteht darin, dass sie sich einer Autorität unterordnen müssen und damit ihre Autonomie verlieren, sei es auch nur durch das Tragen einer Mundschutzmaske. Sie meinen, dass sie über eine bessere Einschätzung bezüglich der Wirkmächtigkeit und Sinnhaftigkeit der vorgeschriebenen Regeln verfügen und dass es deshalb um vorsätzliche Bevormundung und Freiheitsberaubung geht. Sie wehren sich deshalb mit allen Mitteln des Trotzes gegen jedwede Vorschriften und befürchten das Ende der freien Demokratie. Diese Angst kann sich zur Verschwörungstheorie ausweiten, dass das Virus genau zu diesem Zweck freigesetzt wurde, nämlich überall Diktaturen zu errichten.
Die unterschiedlichen Angstorientierungen betreffen nicht nur die „Laien“, sondern auch die „Experten“. Auch Ärzte und Wissenschaftler sind von ihrer Angstgeschichte betroffen und fällen daraus die Urteile über die Richtigkeit oder Falschheit von Maßnahmen. Der Vorteil der Wissenschaften liegt allerdings darin, dass die emotionalen Prägungen der Forscher durch den Vergleich mit anderen und die beständige Rückkoppelung mit der Wirklichkeit herausgefiltert werden und im Erkenntnisprozess keine Rolle spielen können.
Kollektive Angstbereitschaft
Situationen von Unsicherheit und diffuser Bedrohung hat es immer wieder in der Menschheitsgeschichte gegeben. Z.B. war die Nachkriegszeit bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geprägt von der Angst vor einem möglichen Atomkrieg der Supermächte. Die Zeiten von kollektiver Sicherheit sind eher die Ausnahme. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass mit jeder Krise nicht nur die individuellen Angstquellen angezapft werden, sondern dass auch die kollektive Angstbereitschaft aktiviert wird und die individuellen Reaktionen zusätzlich verschärft.
Ungewissheitstoleranz
Die Situation des Lockdown war und ist für viele eine beträchtliche Belastung, oft verbunden mit drastischen wirtschaftlichen Nachteilen. Ebenso enthält jeder gravierende Verlauf einer Covid-Erkrankung ein schweres Schicksal. Die Ängste hingegen, die die Menschen antreiben oder lähmen, sind älter als die tatsächlichen aktuellen Erfahrungen, die wir bei uns selbst und bei Nahestehenden sammeln. Und sie sind mächtiger als die unterschiedlichen Informationen, die uns helfen könnten, die eigenen Intentionen und Orientierungen zu klären.
Es wird viel geredet und „gerechthabert“ in diesen Zeiten, es wird viel mit „der Wahrheit“ herumgefuchtelt, und das zeigt, wie tief die Verunsicherung ist und mit welchen Ängsten sie konfrontiert. Wenn wir es nicht schaffen, mit der Relativität der Erkenntnisse und Einsichten zu leben, müssen wir zu absoluten Wahrheiten greifen, um dort eine vermeintliche Sicherheit zu finden. Allein, die Suche ist vergeblich, weil sie nur in unserem Verstand stattfindet, der sich aus unseren Ängsten speist. Was wir brauchen, ist die Fähigkeit, mit der Unsicherheit und dem Nichtwissen zu leben und die Ängste anzunehmen, die dadurch hochkommen. Dann brauchen wir nicht den großen Durchblick und die unbestechliche Wahrheit, dann brauchen wir keine Erleuchtungen über irgendwelche Drahtzieher und Verschwörer.
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