Der deutsche Philosoph Thomas Metzinger versucht in einem interessanten Artikel die Themenbereiche von Philosophie, Religion und Spiritualität in eine neue Beziehung zu bringen. Viele seiner Gedanken decken sich mit den auf dieser Blogseite vertretenen Ansichten und bringen auch neue Einsichten in die Zusammenhänge. Ich gebe hier einen Überblick über diesen Text. Die Zahlen in Klammer geben die Seitenzahl im Text wieder. Am Ende finden sich einige weiterführende Anmerkungen von meiner Seite.
Der Ausgangspunkt: Drei Grundthesen
1) Das Gegenteil von Religion ist nicht Wissenschaft,
sondern Spiritualität.
2) Das ethische Prinzip der intellektuellen
Redlichkeit kann man als einen Sonderfall der spirituellen Einstellung
beschreiben.
3) Die wissenschaftliche und die spirituelle
Einstellung entstehen in ihren Reinformen aus derselben normativen Grundidee.
Unter Spiritualität wird
vor allem eine Praxis und nicht so sehr eine Theorie, eine bestimmte Form des
inneren Handelns und nicht eine bestimmte Frömmigkeit oder ein dogmatischer
Glaube verstanden. „Bei der spirituellen
Erfahrung geht es nicht nur um Bewusstheit als solche, sondern auch im ihre
leibliche Verankerungen, um die subjektive Innenseite dessen, was … embodiment oder grounding genannt wird. Das Ziel ist immer der Mensch als Ganzer.“ (7)
Spiritualität wird auch als
epistemische, also auf Wissen gerichtete Einstellung verstanden:
„Spirituelle Personen
wollen nicht glauben, sondern wissen.“ (8) „Die spirituelle Einstellung ist
eine Ethik des inneren Handelns um der Selbsterkenntnis willen.“ (9)
Metzinger greift dabei
auf den Begriff der Unbestechlichkeit nach Krishnamurti zurück, „der semantische
Kern eines wirklich philosophischen Begriffs
der Spiritualität.“ (10)
Darunter wird eine Unbestechlichkeit
gegenüber:
- Versuchen, die Meditationspraxis an metaphysische Theorien zu binden,
- ideologischen Formen des rationalistischen Reduktionismus
- und sich selbst gegenüber verstanden.
Das führt zu dem
zentralen Begriff des Textes, die intellektuelle Redlichkeit. Der Begriff bedeutet,
„dass man nicht vorgibt, etwas zu wissen oder auch nur wissen zu können, was
man nicht wissen kann, dass man aber trotzdem einen bedingungslosen Willen zur
Wahrheit und zur Erkenntnis besitzt, und zwar selbst dann, wenn es um
Selbsterkenntnis geht, und auch dann, wenn Selbsterkenntnis einmal nicht mit
schönen Gefühlen einhergeht oder der akzeptierten Lehrmeinung entspricht.“ (11)
Meditation zielt „auf
diese Erhöhung von mentaler Autonomie. Meditation kultiviert die geistigen
Bedingungen der Möglichkeit von Rationalität. Es geht nämlich um die innere
Fähigkeit, nicht zu handeln, um die sanfte, aber sehr präzise Optimierung von
Impulskontrolle und eine schrittweise Bewusstwerdung der automatischen
Identifikationsmechanismen auf der Ebene unseres Denkens.“ „Das aufrichtige Streben
nach intellektueller Integrität ist
in Wirklichkeit ein wichtiger Sonderfall des Strebens nach moralischer
Integrität.“ (12)
Drei Brücken zwischen der spirituellen Praxis und dem rationalen Denken
Die erste Brücke: „Bei
beiden geht es um eine Ethik des inneren Handelns um der Erkenntnis willen. Und
in beiden Fällen ist das Ziel die systematische Erhöhung von geistiger
Autonomie.“ (14)
Die zweite Brücke: die Lauterkeit
der Absicht, sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein (nach Immanuel Kant).
Die dritte Brücke bildet
Nietzsches Wille zur Wahrhaftigkeit: „Er erlaubt es uns, die von der Evolution
fest in uns eingebaute Suche nach emotionaler Sicherheit und guten Gefühlen loszulassen
und der Tatsache ins Auge zu schauen, dass wir radikal sterbliche Wesen sind,
die zu systematischen Formen der Selbsttäuschung neigen. Wahrhaftigkeit uns
selbst gegenüber erlaubt es, das Wahnhafte und die systematische Endlichkeitsverleugnung
in unserem Selbstmodell zu entdecken.“ (15)
Wie hast du‘s mit dem Glauben?
Wann ist es ethisch in
Ordnung, an etwas Bestimmtes zu glauben, sich also eine bestimmte Überzeugung
„zu Eigen“ zu machen? Der Evidentialismus ist eine Erkenntniseinstellung, bei
der man nur an etwas glaubt, für das man wirklich Argumente und Belege hat.
Er steht im Gegensatz zum
Dogmatismus (Es ist legitim, an einer Überzeugung festzuhalten, einfach weil
man sie schon hat) und zum Fideismus (Es ist legitim, an einer Überzeugung auch
dann festzuhalten, wenn es keine guten Gründe oder Evidenzen für sie gibt,
sogar angesichts überzeugender Gegenargumente).
Dogmatismus und Fideismus
beinhalten die Verweigerung jeder ethischen Einstellung zum inneren Handeln
überhaupt, einen Mangel an innerem Anstand, vorsätzliche Selbsttäuschung,
systematisches Wunschdenken oder auch Paranoia, „während das psychologische
Ziel der Ethik eines Glaubens eine ganz bestimmte Form von geistiger Gesundheit
ist. Ich nenne diese Form von geistiger Gesundheit ‚intellektuelle Integrität‘.“
(16)
Nach dieser Unterscheidung
kann Metzinger den Vertretern der organisierten Religion aller Art die intellektuelle
Redlichkeit absprechen. Statt dessen kommt es zur Missachtung des Prinzips der
Selbstachtung, zum Verlust der Würde und der geistigen Autonomie. Das betrifft
nicht nur die Vertreter der Kirchen, „sondern auch einen sehr großen Teil der
so genannten ‚spirituellen Alternativkultur‘, die durch infantile
Selbstgefälligkeit und grobe Formen der intellektuellen Unredlichkeit
gekennzeichnet sind.“ (16f) „Wenn man ernsthaft
an der Frage nach der Möglichkeit einer säkularisierten Spiritualität
interessiert ist, dann muss man alle relevanten empirischen Daten und alle
möglichen Gegenargumente in Betracht ziehen.” (17)
Selbsttäuschungen
Die Evolution des
Glaubens hat „viel mit der Evolution von nützlichen Formen der Selbsttäuschung
zu tun.“ (19) Im Laufe der Entwicklung der Menschen haben sich falsche
Überzeugungen, positive Illusionen und komplette Wahnsysteme als zeitweilig
nützlich erwiesen und als genetische Programme verfestigt. „Selbsttäuschung
lässt uns vergangene Niederlagen vergessen, sie erhöht Motivation und
Selbstvertrauen.“ (20)
Solche Verdrängungsmechanismen
bieten nicht nur eine defensive Funktion, indem sie den inneren Zusammenhalts
einer Gruppe schützen. „Sie dienen allem Anschein nach auch auf
sozialpsychologischer Ebene als wirksame Strategie, um genau die Information zu
kontrollieren, die für andere
Menschen verfügbar ist, um diese effektiver zu täuschen – zum Beispiel um
andere wirklich glaubhaft davon zu überzeugen, dass man moralischer, stärker,
schlauer oder attraktiver ist, als es tatsächlich der Fall ist. Selbsttäuschung
dient also nicht nur dem Selbstschutz, sondern auch der Aggression, etwa dem
Versuch der Erhöhung des eigenen sozialen Status.“ „Wer es also ernst meint mit
dem philosophischen Projekt der Selbsterkenntnis, muss die Möglichkeit in
Betracht ziehen, dass intuitive Gewissheiten systematisch in die Irre gehen
können und dass es auch beim ‚direkten Blick ins eigene Bewusstsein‘ jederzeit
introspektive Illusionen geben könnte.“ (20)
Wir haben also eine tief
in uns verankerte Neigung, uns selbst zu täuschen und Dinge für wirklich zu
halten, die es gar nicht sind. Solche Mechanismen haben mit der Entwicklung von
Religionen zu tun und wurden auch von diesen zur Etablierung ihrer
Monopolstellung in der Wirklichkeitsdeutung und Sinnerzeugung genutzt.
Die „Terror management theory“
Das Bewusstwerden der
eigenen Sterblichkeit erzeugt einen direkten Konflikt mit unserem
Selbsterhaltungstrieb und damit auch das Potenzial für eine lähmende,
existentielle Form der Angst. Wir versuchen diese zu bewältigen, indem wir
Sicherheit und Stabilität in einer Weltanschauung suchen, die wir als eine Art
„Angstbuffer“ benutzen. Ein fester ideologischer Rahmen ermöglicht es uns dann
auch auf emotionaler Ebene, unser Selbstwertgefühl zu stabilisieren, zum
Beispiel durch einen religiösen Glauben.“ (21)
Metzinger zitiert Forschungen
aus dem Bereich der Terror management
theory. Sie zeigt: „Je schlechter es uns gelingt, Informationen über die eigene
Sterblichkeit zu verdrängen, desto stärker identifizieren wir uns mit dem von
uns gewählten ideologischen System.“ (21)
Das „adaptive Wahnsystem“
Unter Wahn ist eine
offensichtlich falsche Überzeugung zu verstehen, die mit einem starken
subjektiven Gewissheitserleben einhergeht und die durch vernünftige Argumente
oder empirische Belege nicht korrigiert werden kann. Ein System aus
Wahnvorstellungen ist ein ganzes Netzwerk zusammenhängender Überzeugungen, das
auch von vielen Menschen miteinander geteilt werden kann. Wahn beeinträchtigt
immer die Lebensführung und erzeugt Leidensdruck, das gilt auch für religiöse
Glaubenssysteme. „Eine Einschränkung von intellektueller Redlichkeit führt zu einem
Verlust von Autonomie und Flexibilität. Sie hat die Menschheit wiederholt in
politische und militärische Katastrophen geführt, in Diktaturen und Kriege.“
(21)
Natürlich kann es
kurzfristig Trost, intensive Gemeinschaftserfahrungen, Geborgenheit bei
Unsicherheit bewirken, „metaphysische Placebos, die in der existentiellen
Palliativmedizin eingesetzt werden. Für die Menschheit als Ganze ist diese
Strategie aber objektiv nicht
nachhaltig. … Die lokale, kurzfristige Stabilisierung des Selbstwertgefühls
erzeugt auf globaler Ebene immer wieder unfassbares Leid.“ (21)
„Dass ein Wahnsystem ‚adaptiv‘ ist, bedeutet,
dass es eine Anpassungsleistung darstellt.“ Es schützt vor Gefahr, wie sie z.B.
durch „das plötzlich auftretende, explizite und bewusst erlebte Wissen um die
eigene Sterblichkeit“ ausgelöst wird. (21) Religion entsteht zuerst aus
Bestattungsriten und aus dem Ahnenkult, also aus „systematischen Formen der
Sterblichkeitsverleugnung – Coping-Strategien
in Bezug auf die eigene Endlichkeit.“
Die Evolution hat „allem
Anschein nach erfolgreiche Formen von geistiger Krankheit hervorgebracht.“ Sie
hat möglicherweise Vorgänge in uns installiert, die „das Selbst sozusagen von
Geburt an korrupt machen.“ Wir sind deshalb ethisch nicht verantwortlich, weil dieser
Mechanismus von der Evolution in die Architektur unserer Gehirne und damit auch
in unseren Geist einprogrammiert wurde. Wenn wir jedoch von dieser Tatsache
wissen, ergibt sich „eine direkte ethische Verpflichtung, die verschiedenen
Mechanismen der Selbsttäuschung so gut wie irgend möglich zu verstehen, … mit
allen Formen des epistemischen Handelns gleichzeitig.“ (22)
Die Absicherung von solchen
Selbsttäuschungsvorgängen verläuft sowohl Bottom-up, durch die biologische Einprogrammierung
der Selbsttäuschung, wie Top-Down: „Die gesellschaftliche und kulturelle
Dynamik – für die wir als einzelne Menschen eine Mitverantwortung tragen – kann
den menschlichen Geist natürlich auch ‚von oben‘ versklaven, zum Beispiel durch
die verschiedensten Weltanschauungen und Ideologien.“ (22)
Aber auch die
intellektuelle Redlichkeit könnte ideologisch werden, wie eine neue Religion.
Deshalb ist es notwendig, „den Mechanismen, die seine innere Integrität
bedrohen, so direkt wie möglich ins Angesicht zu schauen – und zwar immer
wieder von Neuem. Man kann das von innen tun, oder von außen.“ (22)
Die Existenz Gottes und
das Weiterleben nach dem Tod
In Bezug auf diese "letzten" Fragen besteht der aktuelle Stand von Wissenschaft und Philosophie bei der überwiegenden Zahl der Forscher darin, dass es keine vernünftigen Argumente sowohl für die Existenz Gottes als auch für ein Weiterleben nach dem Tod gibt. Empirische Befunde dazu sind ohnehin nicht möglich. Es geht nun bei der intellektuellen Redlichkeit um „etwas viel Einfacheres, Bescheideneres: sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und einfach nur die Tatsache anzunehmen, dass dies im Moment der aktuelle Stand der Dinge in Wissenschaft und Philosophie ist. … Es sieht im Moment so aus, als ob Befreiung immer nur innerweltliche Befreiung sein kann und Erlösung immer nur innerweltliche Erlösung. Es geht dann nicht mehr um ein Jenseits oder eine mögliche Belohnung in der Zukunft, sondern immer nur um den gelebten Augenblick der Achtsamkeit, den Moment des Mitgefühls, um das aktuelle Jetzt.“ (24)
Was ist Erleuchtung?
Was unter Erleuchtung zu
verstehen sei, wird in den Hunderten von Berichten aus vielen Kulturen und aus
allen Zeiten ganz unterschiedlich beschrieben. „Die buddhistische Philosophie
zum Beispiel ist sich in keinem Stadium ihrer Geschichte wirklich darüber einig
gewesen, was Erleuchtung überhaupt ist oder sein könnte.“ (25)
Weiters gibt es bei
dieser Frage ein einfaches logisches Problem: Wenn Erleuchtung in der Auflösung
des Selbst besteht, gibt es nichts, was über diese Erfahrung berichten könnte.
„Aber genau dieser Punkt verbindet ja dann auch wieder die ernsthaft spirituell
Praktizierenden mit der Sichtweise der Wissenschaft.“ (26) Es scheint so zu
sein, „dass die Komponente der existentiellen ‚Befreiung‘ … sich wegen ihrer
Unaussprechlichkeit nicht operationalisieren und wissenschaftlich behandelbar
machen lässt. Wissenschaftlich lässt sich dieser Aspekt immer nur als eine ganz
und gar vergängliche und auf physikalischen Vorgängen im Gehirn beruhende Form
des Erlebens fassen, und nicht als
eine transzendente Form des Wissens. … Wenn ein Erkenntnisanspruch öffentlich
erhoben wird, dann muss man uns erklären, was genau denn jetzt die fragliche kontemplative ‚Einsicht‘ oder das
Wissen hinter der spirituellen ‚Erfahrung‘ ist, was genau es bedeutet, dass ganz bestimmte veränderte
Bewusstseinszustände eine andere Art von Erkenntnis transportieren, die nichts
mit Sprache, Theorien oder rationalen Argumenten zu tun hat. … Eine
aufgeklärte, säkularisierte Form von Spiritualität müsste sich … genau dadurch
auszeichnen, dass sie von den … Entwicklungen in der modernen Philosophie und
Wissenschaft nicht wirklich bedroht wird, sondern im Gegenteil sogar das Potenzial
zu ihrer Integration besitzt.“ (26)
Spiritualität und
intellektuelle Redlichkeit
„Das Ideal der intellektuellen Redlichkeit … ist etwas, das ganz neu ist und sich erst an wenigen Stellen auf unserem Planeten … zu realisieren beginnt. Was die intellektuelle Redlichkeit möglich gemacht hat, waren aber die ursprünglich religiösen Ideale der bedingungslosen Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit gegenüber Gott. In der reflexiven Wendung auf den Menschen selbst sind daraus die beiden ethischen Ideale der bedingungslosen Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber geworden… Eine zentrale Einsicht, die der spirituellen Einstellung schon immer zugrunde liegt, ist dann allerdings, dass es mehr als eine Form von Erkenntnisfortschritt, mehr als eine Form des Wissens gibt.“ (27)
Der Vergleich von
Religion und Spiritualität zeigt: „Religion opfert die eigene Vernünftigkeit
für die emotionale Kohärenz des Selbstmodells. Spiritualität löst das
phänomenale Selbst auf. Religion ist von der Grundstruktur her dogmatisch und
damit intellektuell unredlich. Spirituelle Menschen werden immer offen für
rationale Argumente sein, denn es gibt für sie keinen Grund, sich zu
verschließen. Religionen organisieren sich und missionieren. Spiritualität ist
etwas radikal Individuelles und typischerweise eher still.“ „Vieles, was heute
unter dem Deckmantel der Spiritualität auftritt (ist) natürlich nichts anderes
als Religion in diesem … Sinne.“ (28)
Es gibt zwischen
Wissenschaft und spiritueller Einstellung zwei Aspekte einer verbindenden
Grundeinstellung:
1) Der unbedingte Wille zur Wahrheit, aus Erkenntnis
und nicht aus dem Glauben.
2) Das normative Ideal der absoluten Ehrlichkeit sich
selbst gegenüber.
Die Zukunft
„Wir wissen einfach nicht, wohin uns der innere und der äußere
Erkenntnisprozess noch führen werden. Eine ethische Einstellung ist nicht
zwingend davon abhängig, dass die Aussicht auf einen Erfolg der eigenen
Handlungen groß ist. … Das Mehr-Wissen-Wollen ist die einzige Option, die wir
haben, wenn wir unsere Würde und den gegenseitigen Respekt voreinander und auch
vor uns selbst nicht aufgeben wollen.“ (31)
„Redlichkeit im
fraglichen Sinn ist eine intellektuelle
Tugend, die über die Zeit hinweg kultiviert werden kann, genau wie zum
Beispiel die inneren Tugenden einer präzisen, sanften Achtsamkeit oder des Mitgefühls
geistige Fähigkeiten sind, die aktiv
erworben und schrittweise entwickelt werden können.“ (33)
Zur Weiterführung
Soweit eine
Zusammenfassung des Textes von Thomas Metzinger, Philosophieprofessor in Mainz.
Die in diesem Blog mehrfach vertretene Argumentationslinie, was das Thema „Esoterik“
anbetrifft, findet durch die Begrifflichkeit dieses Textes eine ethische Zuspitzung
und Verschärfung. Religiös oder esoterisch zu glauben, ist nicht nur eine Form
der Selbsttäuschung, die uns unterläuft, sondern beinhaltet auch eine Form der
Unredlichkeit und der Unehrlichkeit, eine Form der Selbstverleugnung, von der
wir uns distanzieren sollten, sobald wir uns ihrer bewusst werden. Auch sind
wir aufgefordert, dort, wo andere solche Unredlichkeiten verbreiten, dagegen
Stellung zu beziehen.
Wer den Weg der
Meditation geht, hat nicht nur die Verpflichtung, den Blick immer wieder nach
innen zu richten und dort die Wahrheit zu suchen. Er oder sie hat auch dafür zu
sorgen, dass die inneren Erkenntnisse einer intellektuellen und damit auch
öffentlichen Reflexion standhalten können. Das Innere muss sich auch im
Äußeren, im Diskurs der an Vernunft ausgerichteten Öffentlichkeit bewähren.
Dieses Veröffentlichen der
Innenerkenntnis hat auch eine gegenläufige Seite: Es handelt sich beim Wissen,
das die meditierende Person erwirbt, um wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante
Erkenntnisse. Was ich im Inneren erlebe, ist bedeutsam nicht nur für mich,
sondern auch für die Menschheit als ganzer. Wir brauchen für den Fortschritt zu
einer besseren Gesellschaft all das Wissen darüber, wie im Inneren Frieden,
Gerechtigkeit und Anspruchslosigkeit gefunden werden können. Dazu hat jede
Person, die den Weg der Meditation und Innenerforschung geht, etwas Wertvolles
beizusteuern. Es handelt sich um ein sinnstiftendes Wissen, das die
Gesellschaft dringend benötigt.
Deshalb ist es von
zentraler Bedeutung, dass sich die Wissenschaft in ihrer Methodologie für ein
neues Paradigma öffnet, das die Erkenntnisse des inneren Sinnes in einer an den
wissenschaftlichen Standards orientierten Form aufbereiten und für die
Gesellschaft nutzbar machen kann.
Eine andere Weiterführung
des Textes von Thomas Metzinger zur Position der Psychotherapie zwischen
Spiritualität und Wissenschaft möchte ich in einem weiteren Blogbeitrag
diskutieren.
Für alle, die den Text genauer
nachlesen wollen:
Für alle, die lieber Videos schauen: Auf
Youtube finden sich ein Vortrag von Thomas Metzinger zu dem Thema (6 Teile).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen