Es scheinen zwei Tendenzen in diesem Land zur Zeit zu konkurrieren: Die eine schwemmt nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ all die Gestalten der rechten Szene, die neben viel Bier auch ein wenig akademische Bildung intus haben, in die höchsten Stellen des Staates, sie werden plötzlich Minister, Abgeordnete und Verwaltungsbeamte. Mit diesen Personen wird die rechtsextreme Ideologie salonfähig gemacht.
Andererseits gibt es nach wie vor eine kritische Öffentlichkeit, die diesen Herrn und Damen umso genauer auf die weltanschaulichen Finger schaut, je mehr sie ins öffentliche Rampenlicht treten. Mancher muss nun zur Kenntnis nehmen, dass extremistische „Jugendsünden“ der Karriere schaden und dass man ein wenig aufpassen muss, was man so von sich gibt. Es genügt nicht mehr, scharf am Rand des NS-Verbotsgesetzes entlang zu polemisieren und Hass-zu-posten, man muss besser aufpassen, was einem über die Lippen oder die Tastatur kommt. Die FP-Politiker, vom Vize-Kanzler abwärts, können sich erst recht nicht mehr leisten, mit antisemitischen, antimoslemischen oder antidemokratischen Bosheiten Anhänger um sich zu scharen, sie müssen ihre aggressive menschenfeindliche Rhetorik zügeln. Offensichtlich hat die Partei diesen Leuten genügend Kreide zum Fressen ausgegeben.
Psychologische Mechanismen
Was aber ist es, dass so viele Menschen in unserem Land empfänglich für Parolen macht, die aus Ideen gespeist sind, die vor 80 Jahren Hochkonjunktur hatten und 7 Jahre später in Schutt und Asche, zerbröselt sind, in Blut und Tränen aufgelöst wurden? Was macht es attraktiv, „deutschnational“ zu denken, einer Ideologie, die in der k.u.k.-Monarchie, dem Vielvölkerstaat mit den Deutschsprechenden als größter Volksgruppe, erfunden wurde, wo es nach dem 2. Weltkrieg den meisten Österreichern deutlich wurde, dass sie lieber Österreicher als Deutsche sind? Wie kann jemand ein Gestern verherrlichen, das eine tiefe Furche von Massenverbrechen ohnegleichen durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts zieht?
Die psychologischen Mechanismen einer notorischen Rückwärts-Fixierung sind vielfältig. Unbewusste Loyalitäten zu Vorfahren, die ihr Herzblut dem Nationalsozialismus geschenkt haben, willfährige Anhänger oder anfangsbegeisterte Mitläufer waren, spielen oft eine Rolle. Nicht verarbeitete Desillusionierungen, Schuldgefühle und Machtfantasien erzeugen die Verführbarkeit zu totalitären Gedankengebilden. Jeder von uns hat irgendwann eine Beleidigung oder Demütigung erfahren; einfacher und feiger ist es, die daraus resultierenden Rachegefühle in die vorgefertigten Kanäle einer menschenverachtenden Ideologie fließen zu lassen. Infantile Trotzhaltungen gegenüber den Ideen der Aufklärung, die das Zentrum einer modernen Demokratie ausmachen, zeigen sich dort, wo Verbrecher verharmlost und Gewalt verherrlicht wird.
Häufig sind Modernisierungsverlierer prädestiniert, ihr Heil in einer Vergangenheit zu suchen, in der Kleinhandel und Handwerk blühten und keine bedrohlichen Fremdsprachen am Marktplatz zu hören waren. Die Angst vor einer ungewissen Zukunft, in der unheimliche Marktzwänge die Geldflüsse von unten nach oben dirigieren und Roboter Menschen ersetzen, macht anfällig für Ideologien, die so tun, als könnten sie die Geschichte rückwärts lenken.
Natürlich, jeder Täter ist ein Opfer, jeder Menschenverächter wurde verachtet, jeder Hasser wurde gehasst. Als Erwachsene, und als solche sollten wir uns verhalten, wenn wir in irgendeiner Weise staatsbürgerliche Verantwortung übernehmen (z.B. wenn wir wählen gehen oder wenn wir politische Ämter übernehmen), sollten wir in der Lage sein, uns von solchen kindlichen Impulsen und Emotionen zu distanzieren. Können wir das nicht, sollten wir zumindest die Verantwortung übernehmen, uns von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Für solche, die keine Haltung von elementarer Höflichkeit und Respekt aufbringen können, wären Auftrittsverbote in der politischen Öffentlichkeit sinnvoll. Der demokratische Diskurs funktioniert nur mit einem Minimum an Umgangsformen und gewaltfreier Sprache. Will sich die Demokratie nicht selber abschaffen, müssen solche Diskursregeln eingehalten und überwacht werden.
Erschreckende Dunkelziffer
Erschreckend bleibt, dass die Personen, die mit ihrer NS-Gesinnung auffliegen, ganz offensichtlich nur die Oberfläche an FPÖ-Funktionären darstellen, die einschlägig belastet sind. In vielen Foren und Social-Media-Plattformen kommen noch anonym Tausende dazu, die eine Befriedigung darin finden, ihren Hass auf wen oder was auch immer gegen Schwache, Randgruppen, Flüchtlinge, Juden und Moslems zu richten und sich dabei übelster NS-Symbolik und –Rhetorik zu bedienen. Vielleicht stimmt es in manchen Fällen sogar, nicht zu wissen, welche Bedeutung Worte wie „Untermensch“, „völkisch“, „arisch“ usw. tragen; nicht jeder hatte einen guten Geschichtsunterricht. Schlimmer noch als Unbildung und Gedankenlosigkeit ist der Mangel an ethischen Werten, an Menschlichkeit, der sich in der Verwendung von solchen ausgrenzenden und beleidigenden Worten zeigt.
Was schnappt man nicht alles auf, in einer Umgebung, in der Vergangenheitsbewältigung in Form von Judenwitzen oder im blinden Nachbeten von Geschichtsfälschungen (Stichwort „Auschwitz-Lüge etc.) geschieht? Wie lange wird es noch dauern, bis Menschen keine sadistische Befriedigung im öffentlichen Äußern von Unmenschlichkeiten finden? Wie lange wird es noch dauern, bis genügend Menschen Abscheu und Empörung gegenüber jeder Form der Unmenschlichkeit entwickelt haben, sodass solche Haltungen keinerlei Widerhall und keinerlei Nachahmung finden, sondern ihr Dasein am äußersten Rand der Gesellschaft fristen müssen?
Werte-Kurse für Politiker
Jedenfalls: Wer in diesem Land politische Verantwortung übernimmt, sollte sich einem Werte-Kurs unterziehen, in dem die Werte der Toleranz und Menschenwürde sowie Grundkenntnisse über die österreichische NS-Vergangenheit vermittelt werden. Wie will man Flüchtlingen und Asylwerbern österreichische Werte beibringen, wenn öffentliche Repräsentanten dieser Gesellschaft selber über äußerst mangelhaftes demokratisches Wertbewusstsein verfügen?
Zum Weiterlesen:
Rechtsextremismus und die Täter-Opfer-Umkehrung
Ja das wäre so notwendig ein kollektiver Werte-Kurs ..., nur dazu wäre ein gehobenes Bewußtsein von Nöten das Einsicht erzeugt, nur das ist eben dezeit kollektiv gesehen nicht vorhanden. Das wäre der wichtigste Schritt um eine menschwüdige Zukunft zu kreieren.
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