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Wenn wir flexibel sind, können leichter mit dem Leben mitgehen, das von sich aus immer wieder Änderungen, Neuigkeiten und Überraschungen hervorbringt. Deshalb meinte der griechische Philosoph Heraklith: „Alles fließt.“ Und Buddha sagte: „In steter Veränderung ist die Welt. Wachstum und Verfall sind ihre wahre Natur. Die Dinge erscheinen und lösen sich wieder auf. Glücklich, wer sie friedvoll beobachtet.” An unserer Atmung können wir jeden Moment diese Veränderbarkeit und „Flüssigkeit“ des Lebens wahrnehmen und miterleben.
Wer so beweglich ist, dass sich das Innere jeweils an das Äußere anschmiegt, sodass zusammen mit jeder äußeren Veränderung die entsprechende innere Veränderung geschieht, geht mit dem Fließen der stetigen Veränderungen mit, anstatt sich gegen sie zu stellen oder sich von ihnen zu distanzieren. Wenn uns das gelingt, sind wir eins mit dem Leben, nicht im Sinn, dass wir Teil von diesem größeren Prozess sind, sondern dass wir die gleiche Schwingung sind, die wir durch unsere Wahrnehmung als innen und die, die wir als außen wahrnehmen. Wenn das Äußere dynamischer ist, sind wir im Inneren dynamisch, wenn es ruhiger ist, sind wir ruhiger, nicht, weil wir uns an das Äußere anpassen, sondern weil die Bewegung eine gemeinsame ist. Das geschieht, wenn wir nichts zwischen das Innen und das Außen schieben, das es unterscheidet und trennt.
Die Basis für ein solches bewegliches Innenleben auf der physiologischen Ebene ist ein flexibles Nervensystem. Bekanntlich besteht das autonome Nervensystem aus zwei Zweigen, Sympathikus und Parasympathikus, die für unterschiedliche Modi des Erlebens und Verhaltens zuständig sind: Leistung und Regeneration. Die Flexibilität zeigt sich in diesem Bereich in der Herzschlagvariabilität: Die Fähigkeit des Herzens, seine Tätigkeit auf die jeweiligen Erfordernisse optimal abzustimmen. Unser Herz hat also nicht nur die Aufgabe, den Organismus kontinuierlich und gleichförmig mit Blut und damit mit Sauerstoff und anderen Botenstoffen zu versorgen, sondern je nach äußeren und inneren Bedingungen mal stärker und schwächer, mal schneller und langsamer zu pulsieren.
Atmen für die Flexibilität
Da die Herztätigkeit eng mit der Atmung verbunden ist, ist diese ein wichtiger Regulator, Impulsgeber und auch Lehrer für das Herz-Kreislaufsystem. Wir können sie bewusst beeinflussen und zur Schulung der Flexibilität über die Herzschlagvariabilität nutzen. Denn wenn wir kohärent atmen*, stärken wir den Parasympathikus, der für die Flexibilität des Herzschlags verantwortlich ist. Ein flexibles Herz ist ein wichtiger Indikator für Gesundheit und Langlebigkeit, wie die Medizin inzwischen erkannt hat.
Ein Muskel, der flexibel ist, hat mehr Möglichkeiten als einer, der verspannt und verkürzt ist. Wenn ich Muskeln dehne, können sie mehr Bewegungen ausführen und ich gewinne an Freiheit dazu. Die Dehnung des Atemraumes, sowohl räumlich als auch metaphorisch (im Möglichkeitsraum), erlaubt mir mehr Freiheit, die sich in verschiedener Hinsicht auswirken kann: Quantitativ steht mehr „Lebensenergie“ zur Verfügung, also mehr mitochondrialer Kraftstoff für die Zellaktivitäten. Der Gewinn an Flexibilität wirkt sich darin aus, dass ich dieses größere Maß an Energie für kreative Projekte in meinem Leben nutzen kann. Ich kann Routinetätigkeiten schneller erledigen, weil sie mich weniger leicht ermüden, und ich finde leichter neue Ideen für neue Projekte.
Stress macht eindimensional
Im Stress verlieren wir die Flexibilität, gleichsam die Kreativität in der Beweglichkeit. Denn die Stressreaktion schränkt den Möglichkeitsraum ein: Durch die Verengung des Blickfelds und des Hörbereiches, durch die Aufladung unserer peripheren Muskulatur wird der Organismus auf eine Orientierung hin ausgerichtet: Kampf oder Flucht, beides mit ganzem Krafteinsatz und voller Konzentration. Die Stressreaktion fordert maximale Effektivität und alternativloses Funktionieren. Wir dürfen uns keine Schnörkseln und Spielereien erlauben, wenn wir in Gefahr sind, sondern müssen all unsere Ressourcen in den Dienst des Überlebens stellen und auf dieses Ziel hin bündeln.
Wenn wir zu lange im Stress verharren, verhärten sich die Muskeln und Gewebe durch die energieaufwändige Daueranstrengung. Deshalb ist es wichtig, dass wir rechtzeitig erkennen, wenn wir im Stress landen und dass wir Wege kennen, um aus dem Muster herauszufinden.
Die Atmung dient uns auch als Indikator für unseren Zustand: Sind wir im Stressmodus oder im Entspannungszustand? Und wir können sie so lenken, dass wir von Stress „herunterkommen“ und zu einem ausgeglichenen inneren Fließen kommen, das es uns leicht macht, mit dem Außen zusammen zu fließen. Die Befreiung vom Stress ist gleichbedeutend mit dem Wiedererwerben der kreativen Beweglichkeit.
Zum Weiterlesen:
Weiches besiegt das Harte
Atembewusstheit und Flexibilität
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