Samstag, 19. Oktober 2019

In Sachen Zigarettenstummel

Ich leiste mir den Luxus und das Vergnügen, immer wieder mal auf Wegen, die ich häufig gehe, weggeworfenen Müll einzusammeln und ihn im nächstgelegenen Müllkübel zu entsorgen. Dabei fällt mir erstens auf, dass unter diesen Abfällen leere (manchmal sogar volle) Zigarettenpackungen oder nur die Plastikumhüllung derselben den größten Teil des herumliegenden Unrats ausmachen. Zweitens sehe ich auch die Unmengen an weggeworfenen Zigarettenstummeln, die sich über die Jahre an Gehsteigrändern ansammeln und die alle aufzupicken mir zu mühsam ist.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass Raucher eine spezielle Sorglosigkeit und Achtlosigkeit an den Tag legen, wenn es um die Folgen ihres Tuns geht. Jeder mag der Sucht frönen, die er oder sie nicht lassen kann. Da die Nikotinsucht legal ist, steht es jedem frei, auf diesem Weg ein bisschen Genuss zu gewinnen und die eigene Gesundheit zu gefährden. Aber für die Folgen des eigenen Tuns, soweit sie andere betreffen, hat jede Person die Verantwortung und sollte sie auch in erwachsener Form übernehmen. Dazu gehört die Obsorge über die Abfälle der eigenen Konsumhandlungen im öffentlichen Bereich. 
Wir wissen, dass Plastikteile Hunderte von Jahren brauchen, um zu verrotten. Also jedes noch so kleine Stück Plastikfolie verbleibt in der Umwelt, zerfällt langsam zu Mikroplastik und gelangt allzu leicht in die Mägen von Tieren und von dort wieder in die Umwelt, bis schließlich irgendwo solche Partikel über die Nahrung auch in unserem Körper landen.

Bei Zigarettenstummeln geht es nicht nur um Plastik.  Wir sollten wissen, dass mit jedem Glimmstängel-Rest beträchtliche Mengen an Giften in die Böden und von dort in die Gewässer gelangen. Die WHO hat 2017 in einer Studie nachgewiesen, dass pro Jahr etwa 680 000 Tonnen Zigarettenstummel in der Umwelt landen. Das sind 30 bis 40 Prozent der Abfälle, die aus dem Meer gefischt oder von städtischen Müllentsorgungen aufgesammelt werden müssen – also 680 000 Tonnen Giftmüll. Eine Zigarette besteht nicht nur aus Tabak und Papier, sondern auch aus bis zu 4.000 verschiedenen Chemikalien, darunter Blausäure, Dioxine, Schwermetalle (Cadmium, Arsen, Quecksilber). Selbst radioaktives Polonium 210ist darunter. Diese werden zum Teil verbrannt und entweichen in die Luft, viele davon verbleiben aber im Zigarettenfilter, der dann achtlos weggeworfen wird –  5000 Tonnen Zigarettenstummeln pro Jahr in Österreich; das ist eine Menge, die nicht mehr unter Minikatastrophe fällt.

Ein Experiment der Universität San Diego hat gezeigt, dass ein Zigarettenstummel, aufgelöst in einem Liter Wasser, alles Leben in diesem Wasser umbringt – nach vier Tagen waren die ersten Fische tot. Außerdem wissen wir aus dieser Studie, dass die Gifte über das Grundwasser in die Nahrungskette gelangen. Mindestens 50 der Stoffe aus einem Stummel stehen im Verdacht, Krebs zu erregen.

Bewusstseinsbildung und gesetzliche Regelungen


Es braucht offenbar eine Bewusstseinsbildung und gesetzliche Regelungen, dass das gewohnheitsmäßige Wegwerfen von fertiggerauchten Zigaretten eine schlechte und schädliche Gewohnheit ist, die geändert gehört. In einigen Städten steht jedes Ablegen von Müll im öffentlichen Raum unter Strafe. Vor einigen Jahren hatten Hundebesitzer die Gewohnheit, die Gackerl ihrer Tierchen ohne jede Verantwortung im öffentlichen Raum zu belassen; das hat sich mittlerweile verändert und viele Hundebesitzer befolgen die neuen Regeln. Wir sollten auch nicht unbeteiligt wegschauen, wenn Raucher ihre Kippen wegwerfen, denn Achtlosigkeiten, die jemand anderer bemerkt, werden zur Kenntnis genommen und können das Verhalten ändern. Solange die Raucher denken, dass es niemanden stört, dass sie, statt einen Müllkübel zu suchen, die fertiggerauchte Zigarette dort fallen lassen, wo sie nicht mehr gebraucht wird. Wir müssen uns nicht zu Hilfssheriffs aufspielen, haben aber das Recht als Angehörige der Zivilgesellschaft, unzivilisiertes Verhalten zu bemerken und gelegentlich anzusprechen.

Ich höre schon das Gejammer und die Opferbeschwörungen der Raucher und Raucherinnen und deren politischer Vertreter, über die sowieso weit überhöhten Zigarettenpreise und die Diskriminierung in Lokalen und die Lustfeindlichkeit, die mehr und mehr einem Trend zu öffentlicher Unterdrückung führt. Und jetzt soll man sich noch kleinlichst um irgendwelche Abfälle kümmern, wo doch der öffentliche Raum allen gehört und für dessen Reinigung genug an Steuergeldern bezahlt wird. Wenn man nicht einmal mehr einen Zigarettenstummel wegwerfen darf, ist die Diktatur nicht mehr weit, wie in Ostasien. Der Terror und die gnadenlose Verfolgung gegen die armen Raucher durch alle tugendhaften Lustfeinde rüsten zur nächsten Runde der Freiheitseinschränkung. Und so weiter.

Wir alle müssen Gewohnheiten verändern und Bequemlichkeiten aufgeben, wenn wir wollen, dass unsere natürliche Umgebung in einer Form weiterbesteht, die uns das Überleben ermöglicht. Die aktuelle Problemlage mit all den Verschmutzungen der Meere, Gewässer, Wälder und der Atmosphäre ist Folge von Nachlässigkeiten und Unachtsamkeiten der Menschheit, und zur Veränderung von Verhalten gibt es nur zwei Wege: der eine, der über die Einsicht zur Verantwortungsübernahme führt, der andere, der über die politische Willensbildung gesetzliche Regelungen mit Strafandrohungen einsetzt. Beides ist dringend erforderlich. Und für beides braucht es eine öffentliche Debatte, über die die Menschen ihre Einstellungen ändern und ihr Verhalten anpassen. Diese Debatte sollte scheinbare Kleinigkeiten wie Zigarettenstummel ebenso umfassen wie alle anderen Konsum- und Mobilitätsgewohnheiten und Urlaubswünsche. Wir können auf diese Weise lernen, die Nachhaltigkeit als wichtigen Faktor in all unsere Entscheidungen einzubinden.

Quellenverweis:
Web.de
Global2000



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