Freitag, 28. Juni 2019

Das Geheimnis der Lebensfreude

Unser Leben erleben wir oft als die Jagd nach dem Glück, getreu Bert Brecht, der dichtete: „Alle rennen nach dem Glück, und das Glück rennt hinterher.“ Wir wollen dem Unglück entrinnen und suchen nach Quellen des Genusses, damit wir mehr Lebensfreude empfinden und uns damit glücklich fühlen können. Doch das Rennen selbst hält uns im Unglück gefangen. Die Suche ist geprägt von Unzufriedenheit mit dem, was jetzt ist, sie will uns immer von dem weg führen, was wir gerade haben, weil das Glück irgendwo in der Zukunft auf uns wartet. Also suchen wir weiter, und am naheliegendsten ist es, in den Dingen, die uns umgeben oder die uns mit vielen Versprechen angepriesen werden, unser Glück zu finden.

Die Weisheitslehrer predigen seit mindestens 2500 Jahren, dass wir das Glück vergeblich in äußeren Dingen und Umständen suchen. Kurzfristig mag es einem neuen Auto oder einem frischen Apfel gelingen, uns glücklich zu machen. Länger mag ein freundschaftliches Gespräch oder eine intime Liebeserfahrung nachwirken. Aber langsam verblasst die Erfahrung, und langsam verblasst das Gefühl. Irgendwann merken wir, dass die Freude am Leben verschwunden ist, und so suchen wir nach einer passenden Unterhaltung oder Ablenkung, nach einem Genussobjekt oder einer sozialen Begegnung, um wieder in die Glückszone zu gelangen. Der unbarmherzigen und permanent wirksamen Veränderlichkeit der Welt entgeht nichts: Was strahlt, muss verblassen, was Freude macht, muss gleichgültig werden, was geliebt wird, muss entzaubert werden.

All diese Erkenntnisse lassen uns weiter auf die Jagd nach dem Glück gehen, von dem wir einmal glauben, dass wir seiner habhaft geworden sind, und gleich darauf merken, dass es uns schon wieder entschwunden ist, wie ein Traum, der beim Aufwachen in seine Bestandteile zerfällt. Im Wienerlied heißt es: „Das Glück is a Vogerl, gar liab, aber scheu, es lasst si schwer fangen, aber fortg’flogn is glei.“ (Alexander von Biczo)

Demokrit hingegen wusste schon: „Das Glück wohnt nicht im Besitz und nicht im Gold, das Glücksgefühl ist in der Seele zuhause.“ Im Inneren soll es wohnen, unser Glück, aber weshalb ist es dort so schwer zu finden? Weshalb gebärdet es sich so flüchtig und unzuverlässig? Weshalb kommen wir so leicht und so schnell ins Unglück oder in die Unzufriedenheit und finden so schwer wieder zurück zu Lebensfreude und Glücksempfinden?


Mit dem Leben verbunden sein


Erich Fromm schrieb: „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.“ Was könnte er damit gemeint haben? Um welche Einstellung geht es? Und wie können wir sie finden?

Der einfache Schlüssel zur Freude liegt darin, ganz mit dem Leben verbunden zu sein, wie ein Naturwesen, das keinen ausgereiften Verstand hat. Wenn nicht ein hauchdünnes Blatt zwischen dich und das Leben passt, ist das Glück da, nichts anderes. Die Einstellung heißt: Eins sein mit dem Moment des gerade aktuellen Erlebens. Das ist dann keine Einstellung mehr, die wir einnehmen können oder auch nicht, sondern eine Seinsweise, die wir Menschen mit dem Rest der Natur und des Universums teilen, außer wir befinden uns in den Fängen unseres ängstlichen Verstandes.

Wenn mein Leben eins ist mit mir selbst, dann bin ich in der Freude und dann bin ich im Genießen. Und da ist zwischen mir und der Freude auch kein Unterschied mehr, ich bin die Freude, mit der sich das Leben gerade in mir vollzieht. 

Wollen wir also diesen Zustand, so es wichtig darauf aufmerksam zu sein, wenn sich etwas meldet, was sich zwischen mich und die Realität stellt. Es kommt irgendwo aus dem Unterbewussten, gespeist von einer vergangenen Erfahrung. Sie macht sich breit in mir und nimmt meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Sie hat eine Menge von Gefühlen im Rucksack, die mein Inneres anfüllen. Schon bin ich entzweit von mir selbst und mache mir Sorgen, habe Zweifel oder Bedenken, grüble und sinniere oder verliere mich in unangenehmen Gefühlen.


Achtsames Atmen


Doch gibt es immer einen Ausweg aus der Selbstverhexung. Wir bringen unsere Aufmerksamkeit in den Moment unserer aktuellen körperlich-seelischen Erfahrung, z.B. indem wir bewusst unseren Atem wahrnehmen und über den Atem uns der Wirklichkeit in uns gewahr sind. Was es auch ist, was gerade da ist, ein angenehmes oder ein unangenehmes Gefühl – sobald wir eine annehmende und wohlwollende Beziehung mit dem Erleben eingehen, werden wir Freunde und fangen damit an, einander zu schätzen und zu lieben. Bei dieser Übung der Achtsamkeit verlieren die unangenehmen Gefühle das Unangenehme, und die angenehmen Gefühle werden stärker.

Freude empfinden wir dann, wenn wir intim mit dem Fließen des Lebens verbunden sind. Alles, was sich zwischen uns und die Realität hineindrängt, kann unser Genießen und unsere Freude vermindern oder in ein anderes Gefühl umwandeln. Oft schiebt sich nur ganz subtil eine feine Schicht wie ein Schleier zwischen uns und unser Erleben. Ebenso subtil sollte die Achtsamkeit mit uns selbst werden, damit wir diese kleinen Verstörungen sogleich wahrnehmen und durch unsere Bewusstheit ins Licht führen, damit sie sich auflösen können.

Die Lebenskunst besteht darin, die innige Verbindung mit Achtsamkeit auf das, was gerade ist, immer wieder herzustellen und uns dann ganz in den gegenwärtigen Moment hinein zu vertiefen, sodass wir mit diesem Moment eins sind, und dann geht es gar nicht anders als dass wir Freude empfinden und uns glücklich fühlen.

Zum Weiterlesen:
Der trügerische Zauber der Illusion
Hass und Liebe: Vom Mangel zur Fülle

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