Ist das, was wir tun, auch wenn wir es mit Engagement und Enthusiasmus machen, von unserem Ego angetrieben oder folgen wir dabei einem höheren Ruf, dem genuinen Ausdruck unseres wirklichen Selbst?
Shelley Prevost, eine US-Managementberaterin, weist in einem Artikel zu diesem Thema darauf hin, dass sich die Ideen des Egos und der “Ruf” oder die innere Berufung sehr ähneln können. Beide ziehen uns in die Richtung der Verwirklichung und beschäftigen unser Innenleben. Sie können sich auch in vergleichbaren Ergebnissen niederschlagen: Geld, Ruhm, Macht. Und beide können uns bis zur Erschöpfung herausfordern.
Wie können wir also den Unterschied herausfinden? Shelley Prevost beschreibt fünf Unterscheidungsmerkmale, die hier frei kommentiert werden.
1. Das Ego hat Angst, nichts zu haben oder nichts zu tun. Der Ruf fürchtet, sich nicht ausdrücken zu können oder nicht gehört zu werden.
Das Ego ist von Angst getrieben. Es will unsere Identität aufrechterhalten und fürchtet die Wertlosigkeit und Missachtung. Deshalb treibt uns das Ego zu mehr Leistung. Es verwendet dazu gerne das „Müssen“ und „Sollen“ und hofft, durch mehr und mehr Leistung mehr Wert und Anerkennung zu bekommen.
Ein Ruf drückt sich still aus und wird an subtilen Spuren in unserem Leben sichtbar. Es geht ihm mehr darum, dass wir etwas Authentisches in die Welt einbringen, wie oder wieviel wir das tun, ist sekundär.
2. Das Ego braucht die Angst zum Überleben. Der Ruf braucht die Stille zum Überleben.
Das Ego wird aktiv, wo wir Unsicherheiten bemerken. Es will diese reparieren. Es braucht also einen Mangelzustand, in dem sich eine Angst versteckt, um in Aktion zu treten. Aus dieser Spannung heraus zieht es seine Motivation, und wenn der Mangel behoben ist, setzt es sich wieder zur Ruhe. Allerdings kennen wir in den Tiefen unserer Seele Mangelzustände, die mit noch so viel Tun nicht gestillt werden können, sondern wie der Esel mit der berühmten Karotte vor der Nase nie ans Ziel der Erfüllung gelangen.
Ein Ruf dagegen erreicht uns, wenn wir uns Zeit für die Innenschau nehmen. Wir müssen dazu aus der lauten Umgebung heraustreten und in uns selbst hineinhorchen. Wir müssen also weitgehend frei von Ängsten sein, um diese besondere und deutliche Stimme in uns wahrzunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns solche Aus-Zeiten nehmen, die wir uns selbst und dem zu uns selbst Kommen widmen. Erst wenn wir uns gut in dieser Innenschau auskennen und erkennen, wissen wir, was es ist, was wir wirklich selber wollen, unterschieden von dem, was andere von uns erwarten (wobei zu den anderen auch jene Stimmen zählen, die wir von außerhalb von uns übernommen haben, die wir aber schon längst mit unserer eigenen Stimme sprechen lassen, so als wäre das unsere „wirkliche“ innere Stimme).
3. Das Ego zeigt sich als Burnout. Der Ruf zeigt sich als Erfüllung.
Shelley Prevost meint, dass es beim Burnout nicht darum geht, zu viel von sich zu geben, sich also selbst auszubeuten, sondern darum, etwas zu geben versuchen, was wir gar nicht haben. Das Ego endet im Ausgebranntsein, weil es Ressourcen konsumiert, über die wir nicht verfügen, um eine bessere Version von uns selbst zu produzieren.
Anders gesagt, drängt uns das Ego in einen permanenten Stresszustand, in dem wir ständig unsere Reserveenergien aufbrauchen, ähnlich wie eine Bank, die ihr Stammkapital in die Expansion pumpt, bis der Zusammenbruch kommt. Im Angstzustand verbraucht unser Nervensystem seine Ersparnisse, und wenn kein Entspannungszustand folgt, ist der Kollaps unausweichlich.
Weil eine Berufung der Ausdruck unseres wirklichen Wesens ist, kann es nur in der Erfüllung enden. Damit ist ein Gefühl tiefer Befriedigung gemeint, das entsteht, wenn wir etwas tun, was wir wirklich lieben und in dem wir etwas ganz Besonderes von uns selbst ausdrücken können. Wir können in diesem Ausdruck auch an die Grenzen unserer Belastbarkeit gehen, doch folgt aus dem Geschaffenen selbst der Wechsel in einen Zustand tiefer Entspanntheit, wie er im Glücksgefühl des gelungenen Tuns enthalten ist.
4. Das Ego ist auf Resultate fixiert. Der Ruf ist auf den Prozess fixiert.
Weil das Ego die Angst durch mehr Leistung bewältigen will, starrt es besonders stur auf die Ergebnisse der Bemühungen. Ohne die Befriedigung eines strahlenden Ziels hat all das Streben keinen Sinn.
Ein Ruf entfaltet sich in der Selbstentdeckung. Er kommt von innen und kann nur erscheinen, wenn wir der Entwicklung unseres Lebens aufmerksam folgen. Statt hektisch auf ein Ziel hinzurackern, können wir die Spannung zwischen dem, was jetzt ist, und dem, was unsere Vision ist, gut aushalten. Selbst aus dieser Spannung kann noch etwas Wichtiges gelernt werden.
5. Das Ego will sich selbst erhalten. Der Ruf will andere mit einschließen.
Das Ego ist mit Selbsterhaltung und mit der Konservierung der eigenen Bedürfnisse beschäftigt. Es ist vielleicht interessiert daran, anderen zu helfen. Aber das tut es nur, wenn es dem Erhalt der eigenen Identität dient.
Ein Ruf beginnt vielleicht beim Ausdrücken und Darstellen des eigenen Selbst. Er bewegt sich jedoch von selbst weiter zu den Bedürfnissen anderen. Ein Ruf schließt immer mehr ein als das kleine Ich, für das wir uns halten. Er geht über uns hinaus in die Welt, weil er auch von dort zu uns gekommen ist.
Vgl. Das Ego und die Manifestation
Eine sehr schöne und wichtige Gegenüberstellung. Danke für diese Hinweise.
AntwortenLöschen