Sonntag, 28. April 2013

Gute LehrerInnen

LehrerInnen auf dem spirituellen Weg suchen wir auf, wenn wir den Drang nach geistigem Wachstum in uns spüren und ihm Raum und Zeit geben wollen. Wir brauchen dazu einen anderen Menschen, der schon dort ist, wo wir hinwollen. Wir begegnen diesem Menschen und entscheiden dann oft intuitiv, dass wir von ihm lernen können. Lernen kann heißen, Zeit in der Präsenz des Lehrers zu verbringen, und/oder seine Lehren kennen- und verstehen zu lernen, und/oder seine Methoden anzueignen und zu praktizieren.

Diese intuitive Entscheidung für eine bestimmte Lehrperson enthält meist zwei Komponenten. Die eine entspringt dem Ruf nach dem Weitergehen auf der inneren Reise, nach der inneren Entwicklung. Dieser Ruf will uns von der personalen Ebene in die transpersonale hinüberlocken. Wir haben erkannt, dass wir leiden und Ängste haben, für die wir selber zuständig sind, die wir aber nicht loswerden können. Deshalb wollen wir in einen Zustand, in dem wir frei sind von diesen Einschränkungen. Wir wollen innerlich frei werden. Dieser Teil der Entscheidung ist uns meist bewusst, und wir können leicht beschreiben, warum wir bei diesem Lehrer sind, wenn uns jemand danach fragt.

Die andere Komponente ist uns weniger bewusst, weil sie aus den Teilen unseres Ichs entspringt, die von ungelösten Kindheitsthemen bestimmt sind. Sie sind von Verdrängungsschranken umgeben, die eben dafür errichtet wurden, um die Bewusstwerdung zu verhindern. Sie bewirken Projektionen, die wir in die Lehrerin hineinlegen. Wir wollen in ihr z.B. eine liebevolle Mutter erkennen, die uns all das gibt, was wir bei unserer eigenen Mutter als Kind vermisst haben. Oder wir sehen in ihr eine in allen Lebenslagen kompetente Person, die nicht die Unzulänglichkeiten unseres Vaters aufweist, unter denen wir gelitten haben. Die Lehrerin soll die Defizite in unserer Entwicklung ausgleichen, und wir verehren sie, weil sie uns als makellos und vollkommen erscheint.

Lehrer sind jedoch auch nur Menschen mit Vorzügen und Schwächen in ihrer Persönlichkeit. Auch wenn sie beträchtliche Teile ihrer Ich-Struktur geheilt und gereinigt haben, was uns zu sie hinzieht, können sie in bestimmten Situationen oder bei immer wiederkehrenden Themen in reaktive Verhaltensweisen kommen, was wir auf Grund unserer Projektionen zu übersehen geneigt sind. Wir wollen keinen Schatten auf das Licht fallen lassen, das uns so viel Nahrung und Freude gibt.

Wenn wir jedoch längere Zeit mit einer Lehrerin verbringen, melden sich die Projektionen zu Wort, und wir fangen an zu kritisieren. Wir erkennen die Mängel an der Persönlichkeit der Lehrerin, was uns zunächst verunsichert.

Typische Themen, die in solchen Lehrer-Schüler-Beziehungen auftauchen, können sein:

  • Macht: Die Lehrerin hat eine Tendenz, die Schüler klein und ohnmächtig zu halten, sie tut sich schwer, zu sehen, wie Schüler selber mächtig und eigenständig werden und aus der Lehrbeziehung entlassen werden müssten.
  • Geld: Der Lehrer sucht einen finanziellen Ausgleich für das, was er den Schülerinnen gibt, und bemerkt nicht, dass er mit zunehmendem Erfolg immer mehr verlangt und immer mehr haben will.
  • Lehre: Die Lehrerin beharrt auf ihren spirituellen Einsichten und wertet andere Sichtweisen ab.
  • Methoden: Der Lehrer vermittelt bestimmte Methoden der Selbsterforschung oder der Meditation, die strikt befolgt werden müssen, während den Schülerinnen andere Methoden, die auch gut wirken könnten, verboten werden.
  • Sex: Die Lehrerin sucht sich unter den Schülern Sexpartner aus mit dem Argument, dass diese dann noch mehr von der Erleuchtungsenergie übermittelt bekommen.

Gute Lehrer nehmen das Feedback ihrer Schülerinnen dankbar an, weil es ihnen hilft, ihre eigenen Schatten zu erhellen. Sie wittern keinen trotzigen Widerstand (Machtthema!) und keine unbewältigte Gier oder Angst (Geldthema!), auch keine Rechthaberei und Besserwisserei, wenn es um die letzten Wahrheiten geht (Lehrthema!) und keine Konkurrenz und Aufmüpfigkeit über den richtigen Weg (Methodenthema!), sowie keine Ablehnung im eigenen Geschlecht (Sexthema!). Vielmehr sind sie dankbar dafür, auf ein Thema aufmerksam gemacht zu werden, von dem sie sich noch befreien können. Sie halten sich trotz ihrer spirituellen Reife nicht für charakterlich oder ethisch vollkommen noch für intellektuell überlegen, sondern freuen sich daran, weiter wachsen zu können.

Gute Lehrerinnen halten klare Grenzen zwischen sich und den Schülern aufrecht und achten darauf, dass keine Abhängigkeitsbeziehungen entstehen. Sie merken, wenn sie zu überschwänglich verehrt werden oder wenn Schüler glauben, nur mehr von ihnen etwas Wertvolles zu bekommen. Sie machen die Schüler auf die Schatten aufmerksam, die sich in solchem Verhalten zeigen. Sie zeigen selber eine bescheidene Lebensart und vermitteln damit das Ideal der Einfachheit.

Der gute Lehrer verfügt über die Kraft der Unterscheidung, die er an sich selbst geübt hat und immer wieder nachschärft. Sie hilft ihm, zu unterscheiden, welche Anteile der Schülerin bereit sind zum Wachstum in den spirituellen Bereich hinein und welche Anteile noch an ungelöste Kindheitsthemen geknüpft sind. Er hat also ein klares Bewusstsein und einen geübten Blick auf die Themen, die in den präpersonalen Bereich gehören und auf jene, die in den transpersonalen Bereich führen. Er hilft den Schülerinnen, diese bei sich selbst unterscheiden zu lernen und für die unterschiedlichen Themen die richtige Methode zu wählen: Für Präpersonales die richtige Therapie und für Transpersonales die richtige Meditation.



Vgl.: Wahre und falsche Lehrer

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