Donnerstag, 25. September 2014

Die Doppelbotschaft der Ausbeutungsgesellschaft

Nach Zahlen der EU-Gesundheitsagentur betragen die Kosten für Burnout 240 Milliarden, auf Österreich entfallen dabei ca. 7 Mrd./Jahr. 50 bis 60 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage sind demnach durch arbeitsbedingten Stress und psychosoziale Risiken bedingt.

Negativ wirkt Stress dann, wenn die von ihm ausgelöste Ausschüttung des Hormons Cortisol  das Gehirn dauerhaft überschwemmt, wenn die Anspannung also nicht nach lässt. Es kommt so quasi zu einer Cortisolvergiftung, die nach und nach Nervenzellen im Gehirn abtötet.

Wer täglich acht bis zehn Stunden in diesem Zustand ist und sich dann der Freizeit- oder der Elektronikindustrie aussetzt, beraubt sein Gehirn der Möglichkeit zum Abbau von Cortisol, sagen Neurobiologen. Laut Forschungen des Max Planck-Institutes können so bis zu einem Drittel der Intelligenz verloren gehen.


Gib mir alles


Soweit die Zeitungsnachricht. Die Doppelbotschaft liegt klar auf der Hand: Die Gesellschaft will alles von dir, und das, was du zur Bereitstellung brauchst, musst du dir selber organisieren: Wir wollen dich mit Haut und Haaren, und du musst selber schauen, wie nachwächst, was du herzugeben hast. Die postkapitalistische Wirtschaft/Gesellschaft verlangt die vollständige Spaltung zwischen Körper und Geist. Der Körper hat dafür zu sorgen, dass die geistige Arbeitskraft ganz den Erfordernissen des Arbeitsprozesses zur Verfügung gestellt werden kann. Der geistig arbeitende Mensch soll sich möglichst radikal vom Körper trennen, damit dieser der Arbeitsleistung nicht in die Quere kommt.

So wird durch die Leistungsanforderung die Beziehung zum Körper abgeschnitten, der gleichwohl in der Freizeit für die Regeneration sorgen soll. Wo er es nicht mehr schafft, entzieht er dem Geist die Grundlage, sodass die gestressten Menschen immer mehr an Leistungsfähigkeit verlieren, bis sie im Burnout landen. Nachdem viele Arbeitsplätze nach diesen Grundsätzen definiert sind, ist es schwer, ohne die Bereitschaft zur Selbstausbeutung überhaupt noch Arbeit zu finden. 


Wie können wir aufhören mitzuspielen?


Wir bauen diesen Stress auf, weil wir zu sehr nach außen orientiert und von außen motiviert sind. Die Reize, die uns in Trab halten, kommen von außen, das Telefon, das beantwortet werden muss, das Gespräch, das geführt werden muss, die Aufgabe am Schreibtisch, die gelöst werden muss. Wir bekommen dafür wieder Äußerlichkeiten, Geld, das wir zum Lebensunterhalt und zum weiteren Konsumieren ver-brauchen.

Wie es in unserem Inneren ausschaut, bekommen wir selten mit, oft erst, wenn es gröbere Fehlfunktionen gibt, die uns zu schaffen machen. Der Körper signalisiert uns, dass er nicht mehr mitspielen kann, dass seine Ressourcen am Ende sind. Wir können die Krise als Chance nehmen, einen Neuanfang zu wagen, indem wir beschließen, das weitere Leben mit und nicht gegen den eigenen Körper zu führen.

Es muss auch nicht so weit kommen. Wir können uns jederzeit vergewissern, wie es uns in unserem Inneren geht: Nicht mit dem Blick auf das Bankkonto, sondern mit dem Spüren zu unserem Herzen und zu unserem Bauch. Was sagen diese Bereiche in uns zu der Weise unseres Lebens? Was brauchen sie, wie können wir gut für sie sorgen?

Indem wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, erleben wir uns als Einheit, als Zusammengehörigkeit, und können nachspüren, was aus dieser Einheit als Antwort aufsteigt, wenn wir eine Frage haben oder vor einem Problem stehen. Je mehr Zeit wir dieser inneren Einheit, dem, was wir sind und was uns ausmacht, widmen, desto leichter wird es fallen, die innere Stimme zum Leben zu erwecken und als helfende Kraft für unser Leben zu gewinnen. Sie wird uns darauf aufmerksam machen, wann wir über die Grenzen unserer Belastbarkeit gehen, wann wir Dinge tun, die uns ausbrennen lassen, wann wir uns für Anforderungen von außen aufopfern, wann es Zeit ist, eine Pause einzulegen und zu uns selber zurückzukehren.

In Anbetracht der massiven psychischen Schäden, die von der Arbeitswelt in unserer Gesellschaft verursacht werden, ist es höchst an der Zeit, diese überlebensnotwendige Wende nach Innen breiter ins Bewusstsein zu bringen. Es müsste in den Pflichtenkatalog der Bildungsinstitutionen und der Politik ebenso Aufnahme finden wie in den Tagesablauf jedes Einzelnen. So sehr wir uns vielleicht ein radikales Umkrempeln des ganzen Systems wünschen, damit es mehr den Menschen und ihren Bedürfnissen angepasst wird und nicht umgekehrt, so gibt es zugleich Nischen in diesem Getriebe, die wir kreativ nutzen können, um zu verlangsamen, zu entschleunigen und uns mit uns selber verbinden, bevor wir auseinanderfallen.

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