Dienstag, 17. Juni 2014

Das Ende des Geldes?

Es ist ganz amüsant, einen Bestseller zu lesen, der am Höhepunkt (oder Tiefpunkt) der Finanzkrise (2011) geschrieben wurde und den Bankrott von Spanien, Großbritannien und den USA in den nächsten Jahren sowie das Ende der Geldwirtschaft prophezeit. Drei Jahre später ist die Krise je nach Sichtweise überstanden, zugedeckt oder hinausgeschoben, jedenfalls bestehen die Länder der Welt weiter und sind mehr oder weniger zahlungsfähig, und das Geldsystem als ganzes hat nicht einmal einen Kratzer abbekommen.

Was sich vielleicht geändert hat, ist die Mentalität, sich mit einer Selbstverständlichkeit auf das gemächliche Ansteigen des Wohlstandes zu verlassen, die die Basis für die Bauchzufriedenheit des durchschnittlichen Nachkriegsmitteleuropäers gebildet hat. Jetzt wachsen Generationen heran, die in der Schere zwischen den Blasenökonomien der Gierbereicherung und einem prekären Praktikantentum ihre Nischen finden müssen. Die Plätze in der Gesellschaft und die Anteile am Kuchen müssen mit großem persönlichem Einsatz und hoher Frustrationstoleranz erarbeitet werden. Leistung lohnt sich noch lange nicht, und wenn, dann in viele Fällen alles andere als üppig.

Doch um diese Zusammenhänge geht es nicht in dem Buch. Die Autoren (Franz Hörmann und Otmar Pregetter, „unabhängige Wirtschaftswissenschaftler" in Eigenbezeichnung) geben vor, dass sie den Schlüssel gefunden haben, der die geheime Kammer unseres Wirtschaftssystems aufsperrt, in der sich die bösen Geister aufhalten, die fleißig an der Vernichtung unseres Wohlstandes werken. Sie benennen diese Dämonen als das geldschaffende Kreditwesen und den Zinseszins.

Mit vielen Beispielen versuchen sie zu belegen, dass die Banken beim Ausgeben von Krediten durch die Erschaffung von Luftgeld, dem keine Werte entsprechen, sich maßlos bereichern und dadurch permanent und spätestens seit der Erfindung der doppelten Buchhaltung die Menschen systematisch betrügen.

Allerdings geben sie keine Antwort auf die vielleicht naive Frage, warum denn gerade vor unseren Augen Banken "abgewickelt" werden müssen, die eben zu viele Kredite ausgegeben haben, denen keine einbringlichen Werte mehr gegenüber stehen? Good banks werden zu bad banks, wenn sie eben zuviel Luftgeld produzieren und dann ihre eigenen Schulden nicht mehr bedienen können. Irgendwo fällt das ganze virtuelle Herumschieben der Schulden wieder auf einen realen Boden, und ohne realen cash crasht eben dann auch eine Landesbank und gefährdet ein ganzes Bundesland in seiner wirtschaftlichen Existenz.

Betrügereien gibt es in jedem System. Das Finanzsystem ist besonders anfällig dafür, weil da am schnellsten am meisten von dem ergaunert werden kann, was jeder will: Geld, Geld, Geld. Der Bäcker, der minderwertiges Mehl in seine Semmeln gibt, wird viele Semmeln backen müssen, um durch den Betrug reich zu werden. Ein geschickt eingefädeltes Pyramidenspiel kann in ein paar Tagen die Millionen in die eigenen Taschen spülen, Geld, das auch auf einer Südseeinsel in Papayas und Tequilas umgetauscht werden kann, vorausgesetzt, man packt rechtzeitig die Geldkoffer. Doch von einzelnen Bösewichtern, die die Schwachstellen des Finanzsystems und des menschlichen Giersystems ausnutzen, auf die Gesamtheit der Geldgeschäfte zu schließen, sodass jedem Bankangestellten schon zumindest die Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug angelastet werden müsste, ist doch etwas gewagt.

Es gibt zwar systematische schleichende Kreditbetrügereien, die wohl eine der wichtigen Wurzel für die benannte Krise sind: Der Finanzberater, der Menschen einen Kredit einredet, von denen er weiß, dass sie ihn nie zurückzahlen werden können, um die eigenen Provisionen anzukurbeln. Und seine Bank steigert dadurch die Umsätze und holt sich auf dieser Basis leicht weiteres Geld für weitere faule Kredite. Hier handelt es sich um Achtlosigkeiten des Bankmanagements, das seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt und dafür zur Verantwortung gezogen werden muss, durch interne Kontrolle oder Gerichte. Auch die Gesetzgeber müssen dafür Sorge tragen, dass solche Verantwortlichkeiten nicht verschleiert werden können und die Kreditgeber ebenso haften wie die Kreditnehmer.

Betrügerische Systeme tragen die Selbstvernichtung in sich, weil sie von der prinzipiell unendlichen Energie der Gier getrieben sind. Ähnlich einem Fresssüchtigen, der in sich hineinstopft, soviel er kriegen kann, bis seine Verdauung zusammenbricht, versucht ein Giersystem, mit allen Mitteln möglichst viel Geld in die eigenen Taschen zu pumpen, bis alles ausgeschöpft ist, was man kriegen kann.

Jeder neue Trick, die Beweglichkeit des Geldes zur Schädigung anderer und zur eigenen Bereicherung zu nutzen, fliegt so oder so irgendwann auf, dazu reicht die Selbstregulation des Wirtschaftssystems. Doch soviel Bosheit auch immer sich in diesem Bereich austoben mag, die Geldwirtschaft besteht weiter, eben weil die Beweglichkeit so viele Möglichkeiten bietet, das Leben zu vereinfachen und zu vervielfältigen. Und selbst wenn es kein Geld mehr gäbe, wäre das an sich kein Schritt, der uns dem Paradies näher bringen würde, eher noch einer frühmittelalterlichen Tauschwirtschaft.

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