Das Leben ist ein Geben und ein Nehmen, ein permanenter Austausch mit dem, was uns umgibt. Auf eine einfache Formel gebracht, könnte das Geheimnis des guten Lebens darin bestehen, immer im Gleichgewicht von Geben und Nehmen zu sein. Geben wir zuviel und bekommen wir zu wenig, fühlen wir uns ausgelaugt und ausgebrannt. Nehmen wir zuviel und geben wir zu wenig, fühlen wir uns aufgeblasen und überfüttert. Erst im ausgeglichenen Austausch fühlen wir uns in Balance und auf Augenhöhe mit unserer Umwelt.
Wie aber finden wir dieses Gleichgewicht? Wo finden wir die Richtschnur für unser Handeln, an der wir ablesen können, wann wir zu stark in die eine oder in die andere Richtung gehen, sodass wir rechtzeitig zurücksteuern können? Meist erkennen wir ja reichlich spät, wenn wir zu lange einseitig unterwegs waren. Und dann haben wir oft den Eindruck, dass es schon zu spät ist – eine Krankheit hat uns erwischt und macht uns bewusst, was schief gelaufen ist, eine Beziehung geht in Brüche, und erst jetzt erkennen wir, was schon lange aus dem Lot ist.
Wie aber finden wir dieses Gleichgewicht? Wo finden wir die Richtschnur für unser Handeln, an der wir ablesen können, wann wir zu stark in die eine oder in die andere Richtung gehen, sodass wir rechtzeitig zurücksteuern können? Meist erkennen wir ja reichlich spät, wenn wir zu lange einseitig unterwegs waren. Und dann haben wir oft den Eindruck, dass es schon zu spät ist – eine Krankheit hat uns erwischt und macht uns bewusst, was schief gelaufen ist, eine Beziehung geht in Brüche, und erst jetzt erkennen wir, was schon lange aus dem Lot ist.
Der Mangelmodus
Ich finde es wichtig, zwei Ebenen oder Grundeinstellungen bei dieser Frage zu unterscheiden. Die eine Ebene kann als Mangelmodus bezeichnet werden. Damit ist gemeint, dass wir in unserem Verhalten von Bedürfnissen angetrieben sind. Wir verspüren einen Mangel, den wir versuchen aufzufüllen. Ein Bedürfnis ist unbefriedigt und will befriedigt werden. Wir fühlen uns z.B. einsam, wir fühlen einen Mangel an menschlicher Nähe, und haben das Bedürfnis, mit jemand anderem zusammenzusein. Wenn das gelingt, ist der Mangel beseitigt, und das Leben geht wieder weiter.
Die Bedürftigkeit im Mangelmodus bedeutet, dass wir weniger zu geben haben und darauf angewiesen sind, zu bekommen. Damit befinden wir uns in der Position des kleinen Kindes gegenüber seinen Eltern oder Betreuungspersonen. Es hat Bedürfnisse, und ist auf das Wohlwollen und Entgegenkommen der Großen angewiesen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden. Denn es kann noch nicht selber dafür sorgen.
Die guten Eltern brauchen die Einstellung, den Kindern das zu geben, was sie brauchen, ohne Rücksicht darauf, was sie von ihnen zurückbekommen. Denn auf der Ebene der Überlebenssicherung können Kinder nie zurückgeben, was sie empfangen haben. Das ist auch nicht das Maßgebliche des Unterfangens, Kinder zu bekommen. Vielmehr geht es dabei darum, das Leben in der Weise weiterzugeben, dass Kinder alles bekommen, was sie brauchen, damit sie selber einmal in der Lage sind, an ihre Kinder ebenso bedingungslos weiterzugeben.
Geraten wir als Erwachsene in die Position, dass wir einen Mangel zu spüren und andere Menschen dafür in die Pflicht nehmen wollen, dann begeben wir uns in die Rolle eines Kindes. Daran ist nichts grundsätzlich Verwerfliches, nur sollte es uns bewusst sein. Erwachsensein bedeutet, dass wir in einem Mangelzustand immer die Möglichkeit haben, uns selbst zu helfen und den Mangel aufzufüllen. Wenn wir uns einsam fühlen, können wir auch eine liebevolle Beziehung zu uns selbst aufbauen oder schauen, ob wir eine Ansprechperson in einem der sozialen Netze finden können, die wir um uns gesponnen haben, um unser Nähe- und Austauschbedürfnis zu befriedigen.
Jedenfalls sollten wir als Erwachsene nicht andere für die Stillung unserer Nöte verantwortlich machen und ihnen die Schuld geben, dass es uns an etwas mangelt. Wenn uns das unterläuft, rutschen wir in die Bedürftigkeit des Kindes, das wir einmal waren, und das in unserem Unterbewusstsein weiterlebt. Seine Bedürftigkeit kommt aus den nicht geheilten Wunden, die entstanden sind, als in dieser Zeit wichtige Bedürfnisse überhaupt nicht, nur mangelhaft oder unzureichend gestillt wurden. Dann bleibt die Verletzung in uns und wird wieder aktiviert, sobald eine ähnliche Situation in unserem Erwachsenenleben auftaucht.
Das Bedürfnis meldet sich mit der gleichen Vehemenz, wie es uns als Kind geplagt hat. Nur haben wir jetzt andere Mittel, um die Befriedigung einzuholen: die ganze Palette der Emotionalität, die wir mit Hilfe unseres inneren Kindes wiederbeleben, und die Mittel unserer Rationalität und verbalen Sprache, mit deren Hilfe wir alle Register der Beeinflussung und Manipulation unserer Mitmenschen ziehen können.
Strategien im Umgang mit dem Mangel
Als wir noch klein waren, hatten wir in der Notsituation zwei Möglichkeiten, um mit dem Spannungsfeld von drängenden Bedürfnissen und mangelnder Versorgung zurechtzukommen. Zuerst mobilisiert der Organismus alle Ressourcen, die er zur Verfügung hat, und es kommt zu einem Wutausbruch. Wenn das nichts hilft und die Wutressourcen verbraucht sind, bleiben uns nur die Resignation und der innere Rückzug. Wir unterdrücken das Bedürfnis und geben uns zufrieden mit dem, was wir sonst wie kriegen können.
Diejenige Strategie, die in den frühen Zeiten unseres Lebens erfolgreicher war, wird sich melden, wenn wir als Erwachsene in ähnliche Situationen geraten, die uns in Stress versetzen, weil wir etwas nicht kriegen, was wir glauben, dass wir es unbedingt brauchen. Entweder kämpfen wir, indem wir zornig werden und Forderungen aufstellen, oder wir resignieren und ziehen uns beleidigt zurück.
Jedenfalls: Sobald wir anfangen, andere Menschen für die Befriedigung unserer Bedürfnisse verantwortlich zu machen, sind wir von den Dramen unserer Kindheit gesteuert und vergessen unsere erwachsene Fähigkeit, unser Leben mit seinen Wünschen und Bedürfnissen selbst in die Hand zu nehmen.
Der Überflussmodus
Menschen sind soziale Wesen und wollen tauschen und austauschen – Streichel- und Informationseinheiten. Wir freuen uns am Geben und am Nehmen, wenn es aus freien Stücken und aus den Tiefen des Selbst kommt, also ohne Berechnung und versteckte Erwartung. Wenn wir etwas gerne geben, heißt das, dass im Geben zugleich ein Nehmen ist, dass das, was die andere Person bereichert, uns selber reicher macht. Wir sehen das dankbare Leuchten in den Augen des Empfängers und fühlen uns selbst dadurch beschenkt.
In jeder Arbeit, die anderen Menschen Gewinn und Freude bringt, fließt Gewinn und Freude zu uns zurück. Das geschieht dann, wenn unser Geben aus einem inneren Überfließen kommt, wenn wir so viel in uns haben, dass wir es nicht bei uns behalten wollen. Wir erkennen, dass wir unsere Bedürfnisse erfüllen können und dass mehr da ist, als wir für uns selber brauchen. Dann wird es selbst zum Bedürfnis zu geben und andere am Überfluss teilhaben zu lassen.
Dieses Geben ist ohne Hintergedanken und Bedingungen, weil es seine Belohnung in sich trägt. Manchmal geben wir, um kriegen zu können. Dann sind wir im Mangelmodus. Statt des freien Fließens, machen wir Geschäfte miteinander. Je mehr ich dir gebe, desto mehr muss ich von dir kriegen. Hier passt der Satz von Emma Goldman: „Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann, ist es keine Liebe, sondern ein Handel.“
Sind wir dagegen mit unserer Liebesfähigkeit verbunden und schmecken vom Geschmack der großen Liebe, die alles durchwebt und durchströmt, dann wird es sinnlos zu sagen, wir würden mehr geben als wir bekommen.
Es mag hilfreich sein, wenn wir uns vorstellen, was wir vom Ganzen des Lebens in jedem Moment empfangen. Allein, dass wir leben dürfen, in diesem riesigen All, auf diesem riesigen Planeten, inmitten dieser riesigen Menschheit, in unserer Winzigkeit und zugleich genialer Eigenart, können wir als Wunder empfinden. In diesem Staunen können wir uns von jedem Mangelmodus lösen, der uns suggerieren will, dass es zu wenig ist, was wir bekommen und zu viel, was wir geben müssen.
Dankbarkeit ist das Grundgefühl des Überflussmodus. Es ist mehr eine Einstellung als ein Gefühl, eine Haltung, die wir dem Leben gegenüber einnehmen, wenn wir Verantwortung für uns selber und für unsere Erfahrungen übernehmen. Es ist so viel da in uns und um uns herum, wir brauchen nur wahrzunehmen, wie wir im dauernden Austausch sind, im Fließen zwischen uns und dem, was uns umgibt. Wir erkennen dann, dass wir nichts anderes sind als ein sich ständig wandelndes Ergebnis dieses Austausches, in dem es all das Geben und Nehmen in jedem Moment zu einem neuen Gleichgewicht findet.
Vgl. Geben und Nehmen
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