Mittwoch, 26. April 2017

Wertschätzung für unseren Körper

Unser Körper-Geist-System ist alles, was wir sind – als Einzelwesen. Es erzeugt und verarbeitet alles, was wir erleben, denken und spüren. Wir sind das Netz an Beziehungen, das zwischen den verschiedenen Instanzen in unserem Inneren geknüpft sind. Die Qualität dieser Beziehungen entscheidet darüber, wie wir uns fühlen und wie wir uns der Welt und den anderen Menschen gegenüber verhalten.

Deshalb ist es wichtig, dass wir all das, was wir im Äußeren mit der Welt um uns herum erleben wollen, in uns selber kultivieren. Das heißt, dass wir die Qualitäten, die wir im Außen suchen, in uns selber aufbauen müssen, damit wir überhaupt feststellen können, wann und wie sie uns im Außen begegnen.

Eine dieser Qualitäten ist die Freiheit von negativen Bewertungen. Damit ist gemeint: Auf abwertende, also Wert entziehende Aussagen zu verzichten. Wenn wir krank sind oder uns aus anderen Gründen im Körper etwas weh tut, können wir „ihm“ gegenüber abwertend werden. D.h., wir entziehen uns selber Wert, und das schwächt uns im Inneren. Wir arbeiten also gegen uns selbst, wie ein Ofen, der zur gleichen Zeit angeheizt und abgedrosselt wird, oder wie ein Motor, der zugleich beschleunigt und gebremst wird.

Zwar kann es ein wenig erleichtern, inneren Druck und Problembelastung los zu werden, indem wir unserem Ärger Ausdruck verleihen, auch wenn er gegen uns selbst gerichtet ist: „Du blöder Zahn, warum tust du noch immer so weh?“ Aber wir sollten danach rasch wieder zu einer positiven und wertschätzenden Beziehung zu uns selbst zurückkehren, also von der Wolf- zur Giraffensprache in der Terminologie der gewaltfreien Kommunikation.

Dabei hilft das Verständnis, dass nichts im Körper grundlos geschieht, auch wenn wir Ursache und Sinn nicht immer erkennen. Schmerzen weisen auf Problemzonen, Entzündungen, Verspannungen usw. hin, die wir zum großen Teil selber verantworten müssen. Wir haben uns mit einer Tätigkeit überlastet, und jetzt haben wir Kopfweh. Wir haben uns zu wenig bewegt, und der Bauch wölbt sich mehr. Wir haben uns mangelhaft ernährt, und die Verdauung streikt.

Um das innere Gleichgewicht in uns wiederherzustellen, ist es wichtig, die Beziehung zu uns selbst auf eine gute Basis zu bringen. Wir können das dadurch erreichen, dass wir uns selber anerkennende und unterstützende Rückmeldungen geben und unseren Problemzonen besondere liebevolle Aufmerksamkeit schenken. Sobald die Kommunikationsebene stimmt, lernen wir besser, auf die Signale aus dem Körper zu horchen und unser Leben dort umzustellen, wo uns rückgemeldet wird, dass wir uns selber schaden.

Wir vergessen, dass unsere Organe, Gefäße, Gewebe, Knochen, Sinnesorgane, Muskeln usw. beständig ihren Dienst tun und in ihrem äußerst komplexen Zusammenspiel dafür sorgen, dass wir am Leben sind und so vieles daraus machen können. All die Abläufe in unserem Körper, der wir sind, sind solange selbstverständlich, solange alles zu unserer Zufriedenheit läuft. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auch dann nach innen lenken und uns unserem Körper zuwenden, können wir vorausschauend unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden unterstützen.

Die bewusste Atmung können wir in jedem Moment nutzen, um uns bewertungsfrei und achtsam unserem Körper, der wir ja sind (die Wiederholung deshalb, weil wir gerne darauf vergessen), zu widmen. Im Atmen spüren wir die Lebendigkeit des Lebens in uns, das uns geschenkt ist, damit wir das Beste für uns und unsere Mitmenschen machen. Das tun wir immer als Körper, der wir sind und zu dem wir zugleich eine Beziehung haben, die wir in jedem Atemzug bewusst wahrnehmen können. Jede bewusste Wahrnehmung drückt Wertschätzung und Achtung aus und stärkt diese Beziehung, die wir sind.

Der Nutzen der Dankbarkeit


Wie wir aus vielen Untersuchungen und aus eigenen Erfahrungen wissen, ist die Anerkennung der Leistung, die wir erbringen, durch andere, vor allem durch Vorgesetzte, ein ganz wichtiger Faktor für Arbeitszufriedenheit und Motivation. Eine der Hauptursachen für Burnout und andere psychosomatische Störungen liegt im Fehlen der Wertschätzung für die eigene Tätigkeit.

Unsere Organe erbringen ihre beständige Leistung für unsere Funktionsfähigkeit und Gesundheit, und das in Permanenz, 24/7 wie ein amerikanischer Supermarkt. Wann haben wir zuletzt unserer Leber oder unserer Bauchspeicheldrüse unsere Anerkennung gezollt? Wann den Muskeln im unteren Rücken oder den Speicheldrüsen? Dürfen wir uns dann wundern, dass manche dieser unserer Leistungsträger an Burnout zu leiden beginnen und ihre Dienste nur mehr mangelhaft erbringen können?

Pflegen wir hingegen die wertschätzende Beziehung zu den unterschiedlichen Systemen unseres Körpers, indem wir immer wieder unsere Dankbarkeit für all die Leistungen, die ohne Ansprüche und ohne Murren so selbstverständlich erbracht werden, zum Ausdruck bringen, tun wir uns selber Gutes, denn die Anerkennung gilt uns selbst, erfreut uns und motiviert uns.

Eine Praxis der Selbstliebe


Die liebevolle Beziehung zu unserem Körper stärkt die Selbstliebe. Wir finden auf diesem Weg zur Einheit von Körper und Geist und heilen viel von den Spaltungen, die durch schwierige und traumatische Erfahrungen unseres Lebens entstanden sind. So finden wir zu unserer Mitte und können auch in unsere Beziehungen mehr Liebe einbringen. Wie es von Jesus heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Mt 22,39).“ Wir können dieses berühmte Zitat so verstehen, dass die Selbstliebe nicht per se ein Akt der egoistischen Selbstverherrlichung ist, sondern ein unerlässliches Pendant zur Nächstenliebe.

Eine Selbstliebe ohne volle und bedingungslose Annahme unseres Körpers, so wie er ist, mit allen Stärken und Schwächen, kann nicht gelingen und bleibt eine Illusion. Sie wird sich auch nicht in Nächstenliebe übersetzen lassen, denn jeder Nächste ist auch ein körperliches Wesen und will als solches geliebt werden.

Der Weg zur Ganzheit, den wir in der spirituellen Suche immer mehr gehen wollen, ist ein Weg, den wir nur als Körper-Geist-Wesen gehen können. In dem Maß, wie wir zu dieser Einheit finden, die wir sind, in dem Maß, in dem wir zur bedingungslosen Selbstannahme fähig sind, finden wir zu dieser Ganzheit und Übereinstimmung in uns, die uns mehr und mehr Verständnis für die anderen Menschen und für das Sein als Ganzes erschließt.

Zum Weiterlesen:

Ein kleines Modell des Schmerzes
Selbstheilung durch innere Kommunikation
Das Modell der organischen Kommunikation
Die interne Kommunikation pflegen

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