Samstag, 31. Dezember 2016

Spirituelle Wahrheit und Kritik

Wozu brauchen wir Kritik? Sollten wir nicht alles akzeptieren, so wie es ist? Sollten wir nicht aufhören mit dem Bewerten? Jede Kritik ist doch eine Bewertung, und meistens üben wir negative, also abwertende Kritik, wenn wir schon Kritik üben.

Hier geht es nicht um die Form der Kritik, die wir so gerne aneinander im tagtäglichen Umgang miteinander üben, nicht darum, was uns an anderen Menschen und ihren Verhaltensweisen nicht passt. Hier geht es um die Rolle der Kritik am Rand zwischen relativen und absoluten Wahrheiten, also um den Bereich, in dem sich die Ideologien - die relativen Wahrheiten, die sich als absolute ausgeben - tummeln. Gerade in diesem Feld ist es wichtig, über die Kraft der genauen Unterscheidung zu verfügen (griech: krinein=unterscheiden, teilen).

Kritik heißt in diesem Zusammenhang nicht, dass wir Phänomene nach bestimmten Kriterien betrachten und feststellen, ob und wieweit sie ihnen entsprechen: Wieweit entspricht der Weihnachtsstriezel meinem Geschmacksbild? Wieweit ist ein Artikel sprachlich und inhaltlich gelungen?

Kritik heißt hier, Aussagen nach ihrer logischen und erkenntnistheoretischen Konsistenz einem der beiden Bereiche zuzuordnen: dem Absoluten oder dem Relativen. Es geht also nicht um Besseres oder Schlechteres, wie bei einer Lokal- oder Biersortenkritik, sondern um die Überprüfung der Übereinstimmung von Aussage und Kontext. Es geht darum zu bestimmen, wohin die betreffende Aussage gehört, damit wir über eine klare Zuordnung verfügen.  Geprüft wird nicht die Qualität und der Inhalt der Aussage. Das wird von dieser Kritik als solche gar nicht bewertet, vielmehr wird die Herkunft der Information und ihr Ziel befragt.

Es handelt sich also um eine konstruktive Kritik, die jedem Wissen und jeder Erkenntnis den Platz gibt, an dem sie für Menschen sinnvoll, nutzbringend und wachstumsfördernd wirken können. 

Die Notwendigkeit der Kritik


Jede Aussage, die jemand über die tiefsten Zusammenhänge des Lebens trifft, muss einer solchen Prüfung unterzogen werden. Sie muss nach allen Seiten abgeklopft werden, um als tauglich angenommen werden zu können, oder, um zurückgelegt zu werden, wenn sie der Prüfung nicht standhält. Nur so kann sie auf die unterschiedlichen Perspektiven, die Menschen auf das Leben haben, eingestellt und bezogen werden. Und nur damit kann ein Stellenwert erreicht werden, der über den Ausdruck von subjektiven Befindlichkeiten und privaten Erleuchtungen hinausgeht.

Die kritische Prüfung öffnet spirituellen Aussagen den Zugang zur Öffentlichkeit, führt sie also aus der Isoliertheit individueller Erfahrungen heraus in die Sphäre des Diskurses, an dem im Prinzip alle Menschen teilhaben können.

Jeder Mensch verfügt aufgrund seiner Individualität und der damit verbundenen individuellen Wahrnehmung und Weltsicht über Filter- und Prüfsysteme, die jede Aussage nach verschiedenen Kriterien, die ebenfalls wieder sehr individuell ausgestattet sind, abklopft und dann entsprechend in den Kanon der eigenen Konzepte und Theorien aufnimmt oder sie generell verwirft. Kritik ist also auch die Abstimmung zwischen den Aussagen anderer und den eigenen Erfahrungs- und Bewertungssystemen. Sie kann auch als Prozess verstanden werden, in dem Äußeres und Fremdes nach einer  Überprüfung entweder assimiliert oder abgesondert wird.

Kritik findet in der Öffentlichkeit statt, sie lebt also im Medium des Diskurses. Es genügt nicht, wenn absolute Wahrheiten allein aus den Tiefen eines Individuums aufsteigen und dann für alle verbindlich sein sollen. Jede Wahrheit muss sich im Diskurs bewähren, und das Gleiche gilt für die Kritik. Sie muss sich beständig weiter entwickeln und ihre Instrumente schärfen. Dazu braucht sie die Auseinandersetzung mit anderen, Gleichgesinnten oder Andersdenkenden. Die Gültigkeit einer Kritik bemisst sich daran, wie sie im Raum der öffentlichen Auseinandersetzung selbst der kritischen Prüfung standhalten kann. Die Kritik an der Kritik ist also ein wichtiges Korrektiv für Subjektivismen und Extrapolationen, wie die Kritik der ersten Stufe Willkürlichkeiten bei ihrem Gegenstand, den Wahrheiten, aufzeigt.

Die Vermeidung der Kritik


Es ist das aus dem Relativen stammende und verdinglichte Absolute, das sich der Kritik entziehen will und damit die Überprüfung deiurch die Vernunft vermeiden will. Solche Scheinwahrheiten sind es, die die Menschen verwirren und gegeneinander aufhetzen. Wenn sich diese Konstrukte gegen die Kraft der Vernunft behaupten müssen, haben sie keine Vernunft-Argumente zur Hand, die zumindest einen Dialog im Fluss bringen ließen. Deshalb besteht die Reaktion in Versteifung und Abschottung gegenüber jeder Infragestellung. Statt dessen werden Überzeugungen und Glaubensappelle präsentiert, an der nicht gerüttelt werden kann und darf.

Alles, was dem Dialog und der kritischen Auseinandersetzung entzogen ist, wird zur Ideologie, und Ideologie beinhaltet tendenziell die Bereitschaft zur Gewalt, und bewegt sich damit diametral vom Absoluten weg. Es sind massive unbewusste Ängste, die den hinter diesen Konstrukten spürbaren Druck ausüben und zur Zerstörung jeder Infragestellung aufrufen.

Die Radikalität der Kritik


Der kritische Geist ist vom Wunsch nach Befreiung getragen, motiviert vom Ruf des Absoluten. Kritik fordert zur Radikalität heraus, an die Grenzen der Vernunft gehen und nicht vorher innehalten. Alles, was empirisch verstanden und erklärt werden kann, muss auf dieser Ebene verbleiben. Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, müssen im Licht der Vernunft überprüft werden, sonst verbleiben sie im Subjektiven.

Die Radikalität der Kritik ist die Triebkraft, die aufs Absolute ausgerichtet ist. Das Absolute verträgt eben keine Kompromisse, und deshalb braucht es die Kritik als Instrument, um Halbheiten und menschliche Beschränktheiten aufzudecken und die Wahrheit davon zu reinigen.

Die Vernunftkritik ist getragen vom  Geist, Impuls und Schwung des Mutes. Sie ist schonungslos bereit, Sicherheiten aufzugeben und alles, was auftaucht, mit dem scharfen Licht der radikalen Unterscheidung zu prüfen. Vorurteilslos und bedingungslos muss sie an ihre Gegenstände herangehen und hinter sich lassen, was dem Maßstab nicht standhält. Sie scheut kein Risiko und lässt sich nicht von Drohungen einschüchtern. Institutionelle Macht und Gewalt können ihr nichts anhaben. Sie überlebt den Tod von kritischen Individuen, weil sie ihre Kraft aus der kollektiven Evolution schöpft.

Menschliches Wissen entwickelt sich, so, wie das Leben wächst. Das Medium dieser Entwicklung ist die dynamische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und mit dem Wissen anderer. Wo diese Entwicklung eingedämmt wird, wo also das Wachstum des Wissens verhindert oder behindert wird, sind Ideologien im Spiel, starre Systeme mit Wissen, das im Dienst der Macht steht. Der kritische Geist ist unerlässlich für das Wachstum von Wissen, Erkenntnis und Wahrheit. Und dieses Wachstum ist das, was wir brauchen, um diese Welt zu einem besseren Platz für alles Lebendige zu machen.

Dienstag, 27. Dezember 2016

Toleranz und ihre zweifache Grenze

Toleranz ist ein hoher Wert in einer freien und offenen Gesellschaft und ein wichtiger Garant für ihren Fortbestand. Gerade deshalb können sich in ihrem Schatten Menschen frei tummeln und Gruppen bilden, die intolerante Meinungen vertreten und bereit sind, diese Meinungen in freiheitsbedrohende Handlungen umzusetzen. Wie soll also eine tolerante Gesellschaft mit intoleranten Menschen, Meinungen und Handlungen, die diese Toleranz bedrohen, umgehen? Ist jede Einschränkung der Toleranz schon intolerant?

Der Begriff der Toleranz markiert den Ausgang aus gesellschaftlicher und kultureller Unterdrückung. Über Jahrtausende mussten Menschen ihre persönlichen Werte und Überzeugungen an die vorherrschenden Ideologien und religiösen Systeme anpassen. Abweichende Meinungsäußerungen wurden meist konsequent und brutal verfolgt. In den Zeiten der europäischen Glaubenskriege wurde z.B. die Praxis verfolgt, dass Menschen zur Auswanderung gezwungen wurden, die sich einer religiösen Richtung nicht anschließen wollten, die in ihrem Gebiet die Macht hatte: Wenn du nicht den Mehrheitsglauben teilst, kannst du ja gehen. Diese Praktik stellte zwar einen Fortschritt dar im Vergleich zur grausamen Ausrottung Andersgläubiger, ging aber immer noch von der Ansicht aus, dass es unmöglich wäre, wenn in einem Haus an die Wirkmacht von sieben Sakramenten und im Nachbarhaus nur von zweien geglaubt wurde, so als müsste man sich wegen solcher Auffassungsunterschiede notgedrungen die Schädel einhauen.


Öffnung der Identität


Ein paar Jahrhunderte später wissen Menschen, die nebeneinander wohnen, nur in Ausnahmefällen von den jeweiligen Glaubensrichtungen. Das Thema hat in den meisten westeuropäischen Ländern jegliche Sprengkraft für den sozialen Zusammenhalt verloren. Und das ist eine Folge der Aufklärung, die sich die Toleranz auf die Fahnen geheftet hat.

Die europäische Geschichte, die auch eine Geschichte zur Ausformung der Toleranz darstellt, in dieser Hinsicht gekennzeichnet durch eine zunehmende Öffnung der individuellen und der kollektiven Identität. Im Mittelalter waren die meisten Menschen in engen Lebensformen eingebunden und eingeordnet. Es gab für Angehörige des Bauernstandes (und das waren fast alle Menschen damals) keine Alternative zum Bauer-Sein, zur Mitgliedschaft in der Kirche und zum Leben im dörflichen Verband. Alternative gesellschaftliche Entwürfe standen nicht zur Verfügung. Die vorgefertigte Identität war seit Jahrhunderten unverändert in Geltung, und deshalb konnte auch die Zukunft nichts anderes bringen.


Eine kurze Geschichte der Aufklärung


Mit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, deren Wurzeln bis tief ins Mittelalter zurückreichen und die auch wesentliche Impulse aus dem Christentum aufnahm, werden neue Horizonte geöffnet. Die eingeschränkten traditionsgebundenen Identitäten werden sukzessive aufgebrochen. Parallel dazu entstanden neue wirtschaftliche Möglichkeiten und Notwendigkeiten, viele Menschen gingen vom Land in die Städte, von der Landwirtschaft zur Industrie. Zentral für diese Entwicklung ist auch das Bildungssystem, das zunehmend die Vermittlung von modernem Wissen (Alphabetismus, Mathematik, Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften) mit modernen Ideen verknüpfte. Bildung beinhaltet immer auch das Denken in Alternativen und verhilft dazu, Identitäten leichter wechseln und verändern zu können.

Einen weiteren Bereich für die Ausbildung der Toleranz bildet die Emanzipation der Kunst, die sich vor allem im 19. Jahrhundert vollzog und ungebrochen weiter wirkt. Bis dahin war die Identität der Kunst durch die vorherrschende Gesellschaftsform vorgegeben, z.B. in der Musik durch die Adelsgesellschaft und die Kirchenorganisation. Nun nahmen sich die Künstler die Freiheit, aus der eigenen Kreativität heraus schöpferisch zu werden, ohne Rücksicht auf bestehende Standards und Konventionen. Die Kunst wurde damit zum Dynamit für alle ideologischen Meinungen und Lebensformen. Schriftsteller griffen sie in ihren Werken direkt und die anderen revolutionären Künstler (Maler, Bildhauer, Musiker usw.) indirekt an.

Dementsprechend heftig war der Kampf zwischen der modernen Kunst und den traditionellen Weltbildern bis zu den Bücherverbrennungen und Kunstverboten der Nationalsozialisten, und das Unvermögen  der Rechtsparteien, die Symbolkraft der emanzipativen Kunst zu verstehen, legt noch immer Zeugnis von dieser Spannung ab. Kunst in ihrer nachmittelalterlichen Form ist ein unversiegbar sprudelnder Quell von Diversität, von der Differenzierung und Dekonstruktion der existierenden Formen, der von sich aus permanent und unüberhörbar zur Toleranz aufruft.

Zusammen bilden diese Strömungen eine starke Kraft der Veränderung zur Toleranz, der sich nichts entziehen kann. Die Widerstände waren und sind zahlreich, aber sie werden von dieser Dynamik der Emanzipation, der Befreiung des Individuellen unweigerlich unterschwemmt und schließlich irgendwann weggespült. Toleranz ist ein Megatrend in der Entwicklung der Moderne, der nicht rückgängig gemacht werden kann, sondern immer mehr Bereiche des Lebens zu mehr Offenheit und Respekt vor dem Anderen herausfordert.

Denn Toleranz wünscht sich jeder Mensch, sobald er seiner eigenen Individualität bewusst wird: Ich bin radikal anders als alle anderen Menschen. Versuche ich, mich an sie anzupassen, verbiege ich mich und schade mir selbst. Ich kann nur aus dieser Quelle der eigenen Einzigartigkeit heraus leben. Wenn ich dafür keine Duldung bei den anderen finden kann, gerate ich in einen massiven inneren Widerspruch.


Zur logischen Notwendigkeit von Toleranz


Toleranz ist also eine Konsequenz der Tatsache, dass die Natur nicht in der Lage ist, identische Lebensformen hervorzubringen, und weiters der Einsicht, dass trotz radikaler Unterschiedlichkeit die Menschen ihre Angelegenheiten nur im Zusammenwirken gestalten und verbessern können. Daraus folgt notwendig, dass die Unterschiedlichkeit, die Diversität geduldet und, so weit wie möglich, geschätzt werden muss.

Toleranz ist also kein Luxus, den sich eine Gesellschaft mit ausreichenden Ressourcen gestattet, sondern eine Grundbedingung des menschlichen Lebens. Insoferne bedroht jede Form der Intoleranz dieses gemeinschaftlich verfasste menschliche Leben.


Zwei Grenzen der Toleranz


Der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon spricht von zwei Grenzen der Toleranz. Die erste "verläuft zwischen dem, was toleriert werden muss, und dem, was nicht mehr toleriert werden darf." Hier geht es z.B. um das Ende der Toleranz dort, wo anderen Menschen Schaden zugefügt wird, z.B. durch das Ausüben von Gewalt. Eine Gesellschaft kann nicht bestehen, wenn sie das toleriert, was ihre Grundlagen angreift.
Dazu kommt noch eine zweite Grenze: „Sie markiert den Unterschied zwischen dem, was toleriert werden muss, und dem, was akzeptiert werden kann.“ Es gibt Phänomene, die z.B. im Sinn der Meinungsfreiheit toleriert werden müssen, aber nicht akzeptiert werden können, wie z.B. rassistische Aussagen, die das Gleichheitsprinzip der Gesellschaft aushebeln wollen.

Schmidt-Salomon: „Wir haben es also mit drei unterschiedlichen Bereichen zu tun: dem Akzeptablen, dem Nur-Tolerablen und dem Nicht-mehr-Tolerablen. Diese unterschiedlichen Bereiche müssen auch unterschiedlich behandelt werden. Als grobe Marschrichtung kann dabei gelten: Was in einer offenen Gesellschaft zu akzeptieren ist – etwa das Ideal der Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger -, muss gestärkt, was nur zu tolerieren ist – zum Beispiel schwulenfeindliche Ressentiments -, geschwächt, und was nicht mehr zu tolerieren ist – etwa Gewaltaufrufe gegen Schwule -, strikt unterbunden werden.“

Es genügt also nicht, eine klare Abgrenzung zwischen dem, was geduldet werden kann, und dem, was nicht geduldet werden kann, zu ziehen. Das sollte im Rahmen jeder Rechtsordnung klar definierbar und mittels der Rechtsprechung durchsetzbar sein. Die Aufgabe hier liegt darin, die Rechtsnormen beständig entsprechend der gesellschaftlichen Veränderungen neu zu bestimmen, gewissermaßen upzudaten, wann und wo immer neue Störprogramme gegen die Toleranz auftauchen. 


Der Einsatz für die offene Gesellschaft geht alle an


Der andere Bereich betrifft die Politik und noch mehr die Zivilgesellschaft: Im Rahmen der Toleranz alles, was nicht akzeptiert werden kann, weil es die Werte der Toleranz unterminiert, mit allen Mitteln der öffentlichen Meinungsbildung und der reflektierten Argumentation zu bekämpfen. Intolerante Wertsetzungen dürfen nicht ohne Widerspruch bestehen bleiben, es braucht massive und entschiedene Gegenstimmen und Erwiderungen. Ein Beispiel dafür bildet das Institute for Strategic Dialogue, das u.a. Gegennarrative zu den Strömungen der fundamentalistischen Propaganda entwirft und publiziert.

Wir sollten eine Gesellschaft sein, die kollektiv aufschreit, sobald gegen die Werte der Toleranz Stellung bezogen oder gehandelt wird: Ein Schrei, der aus der Verletzung des Menschlichen kommt, denn jeden, der sich der eigenen Menschlichkeit bewusst ist, sollte im eigenen Mark getroffen sein, wenn die Toleranz angegriffen wird. Ein solches Aufschreien sollte es nicht erst geben, wenn Dutzende Menschen auf einem Weihnachtsmarkt umgebracht werden.

Wir leben in einer Welt allgegenwärtiger Medien, indirekt vermittelte Informationen bestimmen in großem Ausmaß unsere innere Wahrnehmungswelt und beeinflussen unsere Werte. Darum sollten wir, Mitglieder der Zivilgesellschaft, an dieser medialen Öffentlichkeit teilnehmen, nicht nur als passive Konsumenten, sondern auch als aktive Gestalter, die ihre Meinung zur Vielfalt der Meinungen beisteuern, wo immer es geht. Damit tragen wir aktiv zur Verbreitung von Toleranz bei.

Unsere Verantwortung geht noch weiter: Wir sollten uns auch als Wächter für die Offenheit der Gesellschaft verstehen und gegenüber allen Bedrohungen wachsam sein. Wir alle sind Hüter eines kostbaren Gutes, das wir nicht für etwas Selbstverständliches vergessen sollten, sondern als einen Schatz, den wir stärken und vermehren sollten, damit er lebendig bleibt. Und das Lebendige ist allemal stärker als das Tote.

Interview mit 
Michael Schmidt-Salomon

Vgl. Die Unausweichlichkeit der offenen Gesellschaft
Toleranz ist ein relativer Wert

Montag, 19. Dezember 2016

Wer die Würde nicht respektiert, verliert seine eigene

Albert Schweitzer schreibt: "Wer die Würde der Tiere nicht respektiert, kann sie ihnen nicht nehmen, aber er verliert seine eigene."

Wir sollten damit beginnen, das Zitat auf die Menschen zu übertragen: "Wer die Würde eines Menschen nicht respektiert, kann sie ihm nicht nehmen, aber er verliert seine eigene." Manchen mag es leichter fallen, die Würde von Tieren als die von Menschen zu respektieren, und das sind Menschen, denen von Menschen mehr angetan wurde als von Tieren. Doch zeigt sich gerade an diesem Beispiel, dass wir zunächst unseren Artgenossen, uns selbst, die Würde zukommen lassen müssen, die uns gebührt.

Die Würde des Menschen bezieht sich auf seine persönliche Integrität, auf sein Menschsein. Jeder Mensch verfügt darüber kraft seiner Geburt und Abstammung von anderen Menschen, kraft seiner Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht.

Dazu gibt es keine Alternative, wie wir keine Alternative darin haben, Menschen zu sein. Darum hat diese Würde einen absoluten Stellenwert, der nicht durch relative Annahmen außer Kraft gesetzt werden kann. Es wurde zwar immer wieder Menschen die Würde abgesprochen, weil sie einer bestimmten Gesellschaftsschicht, Kaste, Religion, Ideologie zugehörig waren, weil sie sich ein Fehlverhalten zuschulde kommen ließen oder weil sie an einer Behinderung litten. Der Status der Würde kann jedoch nicht an bestimmte Leistungen oder Eigenschaften gebunden werden, sondern besteht unbedingt; sonst hat der Begriff keinen Sinn: Menschen sprechen sich selbst das ab, was sie sind.


Entwürdigung als Folge von Ideologien


Alle Versuche, anderen Menschen ihre Würde abzusprechen, - und deren gibt es jede Menge im wechselhaften Lauf der Geschichte - sind leicht durchschaubare Machtaktionen: Wer keine Würde hat, kann von der Teilhabe am vorhandenen Reichtum ausgeschlossen werden. Wird der Kreis der Würdenträger kleiner, bleibt für jeden Würdigen mehr. Wer im Zentrum bleibt, hat den Überblick und Einblick in die ertragreichen Lebensmöglichkeiten. Die, die an den Rand gedrängt werden, sollen sich mit den Brotsamen begnügen.

Wie auch immer Abstufungen der Würde begründet und legitimiert werden, stets ist die Triebkraft Willkür und Selbstsucht. Jede Würdeverminderung, die einzelnen Menschen oder Menschengruppen zugeordnet wird, bringt denjenigen, die solche Festlegungen einführen, immanente Vorteile. Diejenigen, die auf diese Weise die Macht für sich reservieren, leben unverfroren auf Kosten von anderen.

Um die Ausbeutung von Menschen durch Menschen plausibel zu machen, braucht es eine Ideologie, die etwa festlegt, dass die Abstammung oder der Besitz von Gütern den Grad der Würde bestimmt. Umgekehrt zeigt sich, dass Ideologien immer auch den Sinn haben, Menschen mit unterschiedlichen Graden an Würde auszustatten. Sie sollen verständlich machen, warum es bessere und schlechtere Exemplare der Menschengattung gibt, die entsprechend dem Grad ihrer Güte am gesellschaftlichen Austausch beteiligt werden und Chancen zugeteilt oder entzogen bekommen.

Im Lauf der Bewusstseinsevolution haben sich die Ideologien gewandelt, je nach den Erfordernissen der jeweilig vorherrschenden Ängste. Zugleich finden sich auf jeder Stufe auch Gegenkräfte, die zur Befreiung aufrufen und die Unterschiede im Zusprechen von Würde aufheben wollen. Auf der personalistischen Stufe erst wird verstanden, dass Würde untrennbar mit Person verbunden ist: die Idee der Menschenrechte wird geboren.

Gleichzeitig wird auch der Schaden und die Ungerechtigkeit einsichtig, die durch das willkürliche Absprechen und Zuteilen von Würde in der Menschheitsgeschichte angerichtet wurde und wird. Allerdings richtet sich die Wut der Unterdrückten zunächst gegen die Unterdrücker, sodass diesen dann erst wieder die Würde abgesprochen wird. Deshalb enden viele Revolutionen, die sich die Befreiung von Unterdrückung auf die Fahnen geheftet hatten, in neuen Unterdrückungssystemen. Wo immer Gewalt gegen Menschen ins Spiel kommt, wird die Würde missbraucht. Deshalb waren die im 20. Jahrhundert auftauchenden Formen des gewaltfreien Widerstandes so besonders eindrucksvoll und zukunftsweisend, um den Kreislauf der Entwürdigung aufzubrechen.


Das Ende der Entwürdigung


Auf der systemischen Bewusstseinsstufe können wir erkennen, dass wir nur dann reibungsfreie, gewinnbringende und kreativitätsfördernde Austauschprozesse schaffen können, wenn die Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit der daran Beteiligten außer Streit steht. Menschenverachtende Ideologien müssen dabei ausgeschlossen bleiben. Das menschliche Potenzial zur Problemlösung und Lebensverbesserung kann sich dort am besten entfalten, wo Menschen auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung miteinander interagieren.

Wenn wir den Schritt zum holistischen Bewusstsein weiterschreiten, kommt ein weiteres Motiv dazu, das Albert Schweitzer in dem obigen Zitat mitbedacht hat. Würde, die wir anderen Menschen absprechen, nehmen wir uns selbst weg. Wir wollen uns über andere erheben und unser Ego mit dieser Überlegenheit füttern. Wir machen unser eigenes Selbstgefühl von der Minderheit anderer abhängig, unser Wert hängt am Unwert anderer.

In dieser Perspektive schaden sich die, die an der Entwürdigung gewinnen, selbst und leiden im Grunde mehr an sich, als jene, die die Unterdrückung erleiden müssen. Denn diese behalten ihre innere Würde, auch wenn sie ihnen im Außen abgesprochen wird. Wer anderen ihre Würde nicht zugestehen kann, nimmt sie sich selber weg. Er verfügt über keine Selbstachtung, weil er das Menschliche, das er am anderen ablehnt, in sich selber nicht annehmen kann. Während für den anderen eine würdelose Identität konstruiert wird, wird die eigene Identität ein Teil davon. Der überhebliche Stolz, der in der Entwürdigung anderer liegt, ist so weit von der Würde entfernt wie die Eigenschaften, wegen derer anderen die Würde abgesprochen wird. Entwürdigen macht würdelos.

Wem die Würde verweigert wird, wer also keinen Respekt und keine Achtung bekommt, leidet an dieser Form der Entmenschlichung und den damit verbundenen Nachteilen und Ungerechtigkeiten. Zugleich ist klar, wo die Ursache des Leidens liegt: An überheblichen Menschen und an Strukturen, die diese Haltungen erzeugen und stabilisieren. Wer die Würde verweigert, fühlt sich aufgrund seiner Ideologie im Recht und merkt nicht, wie er damit seine eigene Integrität ruiniert.


Die ganzheitliche Sicht


Der Schritt ins holistische Bewusstsein erfordert die radikale Sicht auf diese Zusammenhänge: Jede Form der Lieblosigkeit ist neben dem Schaden, den sie in der Welt und bei anderen Menschen anrichtet, eine Form der Selbstschädigung. Es gibt keinen essentiellen Unterschied zwischen mir und meinem Nächsten. Was ich ihm gebe, gebe ich mir, was ich ihm vorenthalte oder abspreche, enthalte ich mir vor und spreche mir ab. In dem Maß, wie ich andere als unwert, dumm, unfähig oder böse halte, bin ich es selber.

Im holistischen Bewusstsein geht es nicht darum, immer lieb und nett zu sein, zu sich und zu anderen, und darum, alles lieb und nett zu finden, was sich abspielt. Vielmehr geht es um die Erkenntnis der Verbundenheit von allem mit allem und um die Übernahme der Verantwortung, die damit einhergeht. Nicht alles in der Welt ist lieb und nett, nicht jeder handelt aus dem Bewusstsein seiner Eigenwürde heraus, und diese menschlichen Schwächen gehören erkannt, benannt und rückgemeldet. Denn wir alle haben Teil an diesen Schwächen und brauchen die anderen, damit sie behoben werden können. Wir müssen Formen der Zusammenarbeit mit den anderen finden, die dazu führen, dass die Vorgänge der Entwürdigung in der Welt geringer werden und mehr Anerkennung von Würde stattfindet.

Das ist der eine Teil der Verantwortung, die wir für die Aufrechterhaltung der Würde in der Welt tragen.

Der andere Teil besteht darin, dass wir achtsam mit uns selber sind und uns unsere Tendenzen zur Entwürdigung bewusst machen. Wann immer wir an anderen etwas abwerten, werten wir uns selber ab. Wo wir anderen ihre Würde nicht zugestehen, entwürdigen wir uns selber. In dem Maß, in dem wir hingegen anderen ihre Würde zusprechen und stärken, wenn sie den Zugang dazu verloren haben, in dem Maß unterstützen wir unsere eigene Würde. An Würde zu wachsen erleichtert uns im Gegenlauf, die mit der Würde verbundene doppelte Verantwortung wahrzunehmen.

Das holistische Bewusstsein greift noch weiter. Es begnügt sich in seinem Anspruch nicht mit der Sphäre des Menschlichen. Das Zitat von Schweitzer ist ja auf diesen weiteren Horizont gemünzt: Würde kommt dem Leben überhaupt zu, dem tierischen wie dem menschlichen, und beide Bereiche sind ineinander verschränkt, sodass eine Nichtachtung des Tierischen auf den Menschen, der ja allein der Respektlosigkeit mächtig ist, schädlich zurückschlägt.

Über die Kreise des Lebendigens hinaus gilt das Zusprechen der Würde mit allen daraus resultierenden Konsequenzen dem Kosmos als ganzem. Also allem, was es gibt, sollen wir würdevoll und würdegebend begegnen, dann sind wir im rechten Verhältnis zu uns und zu allem um uns herum und nur dann tragen wir das Unsere dazu bei, dass diese Ordnung des Guten erhalten bleibt.

Dienstag, 22. November 2016

Torheit ist nicht zu loben

Die Arroganz angesichts der Beschränktheit anderer Menschen abzulegen, wie es der vorige Artikel nahelegt, bedeutet nicht, selber auf Denken und Reflexion zu verzichten und die ethische Verantwortung zurückzulassen. Es impliziert vielmehr den Verzicht auf ein Gefühl, das uns von unserer inneren Wahrheit und unseren Werten entfernt und den eigenen Maßstäben nicht gerecht wird.

Bei der Beobachtung der aktuellen Diskurslage auf Verachtung und Arroganz zu verzichten heißt nicht, die Dummheit zu loben oder die Ignoranz zu verherrlichen.  Wenn zur Aufklärung nach Kant der Mut gehört, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, so ist es bei der Ignoranz die Feigheit, über den Tellerrand der eigenen Vorurteilsstruktur hinauszuschauen. Es ist die Bequemlichkeit, einfache, aber emotional aufgeladene Welterklärung komplexeren Zusammenhängen und Denkvorgängen vorzuziehen, also die Arbeit des Denkens und Nachdenkens der Übernahme von ungeprüften Informationen und Meinungen zu opfern, die in ebenso ungeprüfte emotionale Muster passen.

Die Dummheit ist langfristig selbstregulierend: Sie schneidet sich ins eigene Fleisch, indem die Folgen des eigenen Tuns in den meisten Fällen auf den Täter zurückfallen. Allerdings ist nicht es nicht garantiert so, dass wir aus Fehlern klug werden, sondern nur dann, wenn wir bereit sind zu lernen. Und Lernen erfordert eine gewisse Anstrengung und eben den Mut, sich von vorgefassten Auffassungen und vertrauten Denkbahnen zu verabschieden, wenn sie sich als selbstschädigend erwiesen haben. Die bequemere Variante bleibt beim eingeübten Projizieren und sucht sich die Sündenböcke fürs eigene Elend in den Fantasieszenarien, die von der populistischen Propaganda in die Köpfe der Nachbeter eingespielt werden.

Die Missachtung der Dynamiken der Bewusstseinsevolution hat dramatische Folgen. Die emotionale Identifikation mit den Verächtern der Verächter, mit den elitären Kämpfern gegen die Eliten, die Gefolgschaft der Populisten hat ihren hohen Preis: Sie führt bei den Gefolgsleuten zur Schädigung der eigenen Lebensgrundlagen. Den starken Mann zu wählen, der außer markigen Bosheiten kein Programm zu bieten hat, war schon immer ein Schuss ins eigene Knie. Denn nach allen bisherigen Erfahrungen verteilen die Populisten besonders eifrig das Geld von unten nach oben und lassen die Reichen noch mehr abräumen. Sie haben keine Rezepte gegen die Produktion von Blasen, die dann die Masse der Wenigverdiener finanzieren müssen. Nach den Nationalisten sollen die Länder voneinander abgeschottet werden, was nachweislich den Wohlstand mindert, besonders jenen der unteren Einkommensschichten, die die steigenden Kosten für Konsumgüter finanzieren müssen, während gleichzeitig die Arbeitsmöglichkeiten schwinden. Diejenigen, die für den Brexit gestimmt haben, sind vermutlich jene, die den Großteil der Kosten und den massivsten Einbruch ihrer Lebenshaltungskosten ertragen müssen. Und wenn es ganz schlimm wird, werden Kriege angezettelt, in denen dann das Stimmvieh verblutet.

Dummheit ist immer selbstverletzend, über kurz oder über lang.


Bildungsferne ist kein Schicksal


Außerdem gibt es keine Entschuldigung für Bildungs- und Reflexionsmangel. In unserer Gesellschaft gibt es eine Vielzahl von niederschwelligen Zugängen zu Bildung und Fortbildung. Informationen sind über viele Kanäle leicht zu erlangen. Und zu lernen, dass ungefilterte Nachrichtenfluten im Internet nicht per se Wahrheit vermitteln, sondern dass diese z.B. durch Vergleiche und Prüfung der Quellen erarbeitet werden muss, ist jedem internetfähigen Menschen zumutbar.

Wir können Verständnis aufbringen für die Gründe von Bildungsferne, Horizonteinschränkungen, Ideologieanfälligkeiten, Naivität gegenüber Propaganda, anonymen Hassausbrüchen. Sie liegen in misslungenen Lebensbiografien, die ihre Wurzeln in pränatalen und postnatalen Traumatisierungen haben.

Können wir als Gesellschaft, die sich ihre Freiheitsrechte erkämpft hat, verlangen, dass sich jeder den Anstrengungen der aufgeklärten Bildung unterzieht, um diesen nicht zu schaden? Freiheit besteht auch darin, Bildung zu verweigern und aus Ignoranz heraus populistisch die eigenen Hassgefühle auszuagieren. Gruppen mit dieser Haltung sind genauso Teil der demokratischen Gesellschaft. Dort allerdings, wo Schaden entsteht, müssen der Freiheit Grenzen gesetzt werden. Will die Demokratie als Forum freier Meinungsbildung weiterbestehen und nicht in einem blind emotionalisierten Meinungssumpf enden, dann braucht es auch eine effektive Kontrolle von Falschinformation, Irreführung, Manipulation und Täuschung. Wir brauchen also kein Propagandaministerium, sondern ein Aufklärungs- und Informationsministerium, das Aussagen und Fakten gegenüberstellt.

Kleines Beispiel: Der Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat bei der jüngsten Fernsehdebatte behauptet, dass jeder Flüchtling dem Staat (dem Steuerzahler) 277 000,- EURO kostet. Dazu gesagt wurde nicht, dass sich diese Zahl auf eine Schätzung über einen Zeitraum von 45 Jahren bezieht, inklusive aller Ausgaben für Gesundheit, Bildung und andere "externe" Kosten. Die Kosten beziehen sich also auf den Zeitraum von mehr als einem halben Menschenleben – und sind eine grobe Schätzung – und berücksichtigen nicht die Gegenleistungen, die ein Flüchtling durch seine Arbeit usw. einbringen kann. Die scheinbar so riesige Zahl bleibt beim Zuseher hängen, der Kandidat punktet, die Relativierung geht unter. (Zur Quelle)


Zwei Diskurssysteme?


Zerfällt damit die Gesellschaft in zwei Diskurssysteme? Klassisch sprechen die Linguisten vom elaborierten und vom restringierten Code, also von ausgefeilter und simpler Sprache. Der Unterschied geht aber noch tiefer: Das Bemühen nach Faktizität und ethischer Verantwortung auf der einen Seite und die Nachlässigkeit, aus Vorurteilen und Bauchgefühlen heraus Einstellungen zu entwickeln, die dann ohne kritische Reflexion in den Diskurs einfließen. Zwei deutlich unterschiedliche Qualitäten von Information stehen dann in den Kommunikationsräumen nebeneinander, die eine kritisch überprüft, die andere aus Vorurteilen erzeugt.

Kann es da noch Brücken geben zwischen diesen Diskurssystemen oder schotten sie sich voneinander ab? Haben wir es bereits mit zwei Parallelgesellschaften zu tun, die noch dazu von den Zentralisierungsmaschinen in den sozialen Medien voneinander abgesondert und intern zusammengeschweißt werden? Denn aus einfachen monetären Gründen werden „Echokammern“ eingerichtet: Facebook, Google und Konsorten haben ihre Algorithmen darauf eingestellt, jedem seine meinungskonformen Nachrichten und Kommentare zu servieren und Gegenteiliges zu blockieren. Was die Leute wollen, klicken sie an, und das bringt Geld, was sie laut Kalkül nicht wollen, wird weggefiltert, weil es ökonomisch nichts bringt. Damit kriegt jeder sein Meinungsfutter, das ihm schmeckt, und andere Geschmacksrichtungen sind nicht im Angebot.

Und was wir jetzt schon in Österreich beobachten können, wo die Wahl des Bundespräsidenten nach einem halben Jahr bald zu einem Ende kommen soll, ist diese Aufteilung in zwei Sphären. Wie immer die Wahl ausgeht: Es stehen sich zwei annährend gleich starke Diskurssysteme gegenüber, die viel Misstrauen und fallweise sogar Hass gegeneinander aufgebaut haben. Bei einem Blick auf die Facebook-Seiten oder Twitter-Accounts der beiden Kandidaten wird dieser Unterschied sofort unübersehbar. Unterschiedliche Sprachstile, Argumentationsweisen, Wortwahlen etc. – eine Fundgrube für Linguisten. Und: Ein Fragezeichen für die Zukunft der Demokratie in einer Welt, in der die Wirklichkeit kaum mehr entwirrbar mit Cyberfetzen durchzogen ist.


Zum Weiterlesen:Arroganz und Liberalität
Wird die Demokratie manipuliert?

Sonntag, 20. November 2016

Arroganz: Der Schatten der Liberalität

Jede Perspektive auf die Welt hat einen Schatten, eine Seite, die nicht bewusst ist. Dort liegt ihre Beschränkung, die ihre eigene Wirkung auf die Realität einschränkt und manchmal sogar das Gegenteil von dem bewirkt, was sie anstrebt.

Elisabeth Raether hat im vergangenen Sommer in der ZEIT einen Essay über die „Arroganz“, die die Autoritären so stark macht, geschrieben und damit vorab ein Erklärungsmodell für den Wahlsieg von Donald Trump geliefert. Die These lautet, dass die Liberalen, also die Vertreter der Menschen- und Minderheitsrechte, die Gegner von Rassismus und billiger Politpropaganda, die Verfechter von Bildung und kulturellem Wissen eine Überheblichkeit in sich tragen. Sie sind überzeugt, dass sie die bessere Weltsicht haben, dass ihnen die Zukunft gehört und dass sie menschlicher sind. Sie glauben, dass sie genau wissen, wie die Menschen leben müssen, damit alles besser wird. Alle diese Überzeugungen sind wesentlich und aus meiner Sicht absolut notwendig, damit sich die Gesellschaft und die Menschheit insgesamt in eine konstruktive Richtung weiterentwickelt, sie unterstützen also die Evolution des Bewusstseins.

Rituale der Rache


Diese Arroganz erzeugt allerdings als Gegenreaktion bei vielen, die sich als Opfer von Modernisierungsprozessen fühlen, eine Abneigung gegen jene, die es besser wissen, aber keine Verbesserung der eigenen Problemlage bewirken können. Diese werden als abgehobene Elite erlebt und für das eigene Unglück verantwortlich gemacht. Daraus entsteht Hass und die Identifikation mit jenen, die sich nicht von den Eliten beeindrucken lassen (nicht auf ihre “Lügen“ hereinfallen) und statt dessen die Welt in einfachen Formeln erklären können.

Die Rechnung wird von jenen, die noch ans Wählen glauben, bei den Wahlen beglichen. Viele andere gehen gar nicht mehr hin. Die Verachteten und Ausgegrenzten wählen Personen, die sie als verachtet und ausgegrenzt erleben, um es den Ausgrenzern zu zeigen. So dienen Wahlen als Ritual der Rache. Erniedrigung durch schlechte Erfahrungen im eigenen Leben werden vergolten, indem die Außenseiter die Stimme kriegen.

Die Illiberalität der Liberalen


Damit die Liberalität gegen ihre Feinde gerettet werden kann, ist es wichtig, Licht in ihren Schatten zu bringen. Denn im Schatten ist auch eine Kraft verborgen, die, solange sie im Schatten verbleibt, hinderlich wirkt, und die von großem Nutzen sein kann, wenn sie ins Bewusstsein gelangt. Die Überheblichkeit besteht nicht darin, über gute Ideen zu verfügen und eine weite und weltoffene Einstellung mit Toleranz und Respekt zu vertreten. Sie zeigt sich dort, wo alle abschätzig betrachtet werden, die nicht über diese Einstellung verfügen, weil sie auf Grund anderer Lebensumstände entweder nicht die formelle Bildung genießen konnten oder nicht in einer Atmosphäre aufgewachsen sind, in der die Bildung des Herzens möglich war. Liberalität wird dort illiberal, wo alle prä- oder antiliberalen Menschen abgewertet werden.

Diese Abwertung kann ganz einfach dadurch geschehen, das eigene Leben mit den eigenen Werten zu führen, ohne die Rahmenbedingungen zu erkennen, in denen und durch die es überhaupt möglich ist. Raether spricht von einer Klassengesellschaft, in der die einen führen und die anderen folgen. „Wenn wir über Trump und seine Melania lachen, dann entlarven wir nicht sie, sondern uns.“

„Wir“ sind dabei alle, die es besser wissen, aber nicht verstehen, dass das Schlechter-Wissen auch dazugehört und verstanden werden will. Damit bleiben wir in einem geschlossenen Zirkel, in dem jeder Platz hat, der benachteiligt ist, außer er spielt nicht nach den Regeln des Zirkels. Die Grenze des Kreises derer, die dazugehören, wird durch Verachtung gebildet: Wer im Zirkel nicht mitkann oder mitwill, ist kein Vollmensch, sondern eine Schwundstufe davon, der die notwendigen Voraussetzungen fehlen.

Geht es ohne Verachtung?


Wie aber soll der, der es besser weiß, den nicht verachten, der sich dumm, schäbig oder gewalttätig verhält? Wie kann man nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn die nunmehrige gewählte First Lady ihre Wahlrede von ihrer Vorgängerin, die noch dazu in der gegnerischen Partei verankert ist, abgeschrieben hat und sie nicht akzentfrei ablesen konnte?

Das ungläubige Kopfschütteln, das nach der Wahl vom 8. November durch die liberalen Kreise der Welt wie ein seuchenartiger Tick ging, ist Ausdruck eines verwunderten Aufwachens darüber, dass es noch etwas anderes geben kann als die heile Welt des liberalen Fortschritts. Die Verachteten sind plötzlich im Besitz der Macht und stehen strahlend im Rampenlicht, und die Liberalen drücken sich irritiert und verschämt im Hintergrund herum.

Es ist die Verwunderung und das Entsetzen darüber, dass außerhalb des Kreises des eigenen Denkens hinaus etwas entstehen kann, was Menschen mobilisiert und Partei ergreifen lässt. Menschen werden auch anders als über Vernunft und Argumente, ja sogar wider alle Rationalität politisch aktiv. Es ist die Verwunderung über die Wirkmacht des Postfaktischen, das auch ein Postrationales ist, freilich so, dass es vor allem die prärationalen Mechanismen regressiv nutzt.

All das kann aus der Position der intellektuellen und ethischen Überlegenheit konstatiert werden. Doch die Überlegenen haben solange nichts von ihrer Überlegenheit, solange sie in der Haltung der Ausgrenzung kultivieren. Denn die Mechanismen der Mediendemokratie konfrontieren sie mit der harten Realität der Unvernunft, gegen die jedes noch so geschliffene Argument und jede noch so profunde journalistische Recherche abprallt: Die Dummheit verschafft sich die Mehrheit und damit die Macht und übt sie aus, so gut oder schlecht sie kann, und die Besserwissenden müssen ohnmächtig zuschauen.

– Oder: Sie kämpfen: Sie bekämpfen jede Maßnahme, die die Entwicklung zurückschrauben will, sie treten gegen jede Form der Ungerechtigkeit auf und nutzen dafür alle Kanäle, die zur Verfügung stehen, shitstorms, flashmobs, Großdemonstrationen, ziviler Ungehorsam, gewaltfreier Widerstand usw.

Das ist die Kur für die Arroganz: die eigene Ohnmacht angesichts des Triumphs der Verdummung zu spüren und wieder von unten zu beginnen, den Widerstand in geduldiger Kleinarbeit und in großen Aktionen in die Öffentlichkeit einzubringen und damit die Zivilgesellschaft tiefer zu verankern: Verbunden mit den Interessen und Bedürfnisse derer, die zu kurz gekommen und unter die Räder gekommen sind und die befürchten müssen, an den Rändern der Wohlstandsgesellschaften zu verkümmern.

Das Projekt der Aufklärung steht immer wieder vor neuen Anfängen, die mit neuen Mitteln und auf neuen Wegen begangen werden müssen. Die vor allem ökonomischen Herausforderungen der Globalisierung sind gesellschaftlich noch kaum aufgefangen.  Für dieses Beginnen ist ein Schub der Kreativität von Nöten, die der populistischen Machtausübung eine offene Kultur und ein Feuerwerk von Initiativen und Projekten entgegenstellt. Die Gesellschaft muss bunt bleiben und noch bunter werden, auch wenn deren autoritäre Idole und Führungsgestalten die Schwarz-Weiß-Optik bevorzugen.

Die Überwindung der Verachtung


Im liberalen Grundkanon, der im Modell der Bewusstseinsevolution, das auf diesen Seiten immer wieder diskutiert wird, der personalistischen Stufe angehört, kommt auch der Begriff der fundamentalen Gleichheit aller Menschen vor. Menschenrechte müssen allen Menschen zukommen, um ihren Namen zu verdienen, unbesehen der Hautfarbe, des Geschlechts usw., und auch der Intelligenz und des Bildungsgrades. Deshalb widerspricht das Verachten von politischen Gegnern, mögen sie noch so peinlich auftreten und primitiv argumentieren, dem Grundrecht jedes Menschen, geachtet zu werden. Niemand darf vorverurteilt werden, aber jeder muss sich gefallen lassen, an den eigenen Handlungen gemessen zu werden.

Das ist die rationale Umgangsform mit der Verachtung. Er leitet hinüber in die systemische Bewusstseinsform.

Verachtung ist auch ein emotionaler Vorgang, dessen Entstehen primär nicht verhindert werden kann. Er taucht auf, wann er auftauchen will und hat seine Wurzel in tiefliegenden Erfahrungen des Verachtet-Werdens, Erfahrungen, die wir alle in uns tragen. Verachtung ist kein angenehmes Gefühl und schränkt das Bewusstsein und die eigenen Lebendigkeit und Kreativität ein.

Wie kann die Verachtung überwunden werden? Der erste Schritt besteht darin, sie in sich wahrzunehmen. Der vielzitierte Gutmensch ist einer, der sich schwer tut, solche Tendenzen in sich zu spüren, weil sie nicht zum Selbstbild passen. Aber auch der arrogante Liberale wird schwer zugeben, solche Stimmungen in sich zu kultivieren. Deshalb braucht es auch einen gewissen Mut, sich solchen „politisch nicht korrekten“ Mustern in sich selbst zu stellen und zu akzeptieren, dass sie da sind.

In diesem Schritt wird schon deutlich, dass wir alle Grenzen in uns tragen, innerhalb derer wir Menschen akzeptieren und achten können und dass wir darüber hinaus Schwierigkeiten haben. Daraus folgt, dass wir in uns vieles, wenn nicht alles tragen, was wir an anderen ablehnen. Auch wir sind in mancher Hinsicht dumm, ignorant, intolerant, reflexionsfaul und vorurteilssüchtig usw.

Nutzen wir die einfache Übung, in der bei jeder bemerkten Ablehnung anderer der Satz „Auch ich bin…“ vollendet wird. Also z.B. „Auch ich bin primitiv, auch ich bin intolerant…“ Wenn wir die befreiende Wirkung der Übung erfahren haben, brauchen wir keine Arroganz und keine Verachtung mehr. Der Lohn besteht in einem Zuwachs an Menschenliebe, die uns selber reicher macht. Außerdem hilft die Übung, das Vertrauen in das Fortschreiten der Menschlichkeit zu festigen und unsere Handlungsfähigkeit in dessen Dienst zu stellen.

Der Artikel von Elisabeth Raether ist am
4.8.2016 in der ZEIT erschienen und kann hier nachgelesen werden.
(Ich danke Sebastian Ehrmann für den Hinweis auf diesen Artikel.)


Vgl.  Krise der Liberalität
Faktizität und Bullshit
Dürfen wir Hofer für einen Nazi halten?

Freitag, 18. November 2016

Konflikteskalation und wie wir ihr entkommen

Wer den ersten Stein wirft, war es möglicherweise gar nicht. So schreibt der amerikanische Psychologieprofessor Daniel Gilbert, der Autor des Buches „Stumbling on Happiness“ (dtsch.: „Ins Glück stolpern: Suche dein Glück nicht, dann findet es dich von selbst“), in einem Artikel. Dort geht es um die Struktur von alltäglichen Konflikten, die wir schon als Kinder mit unseren Geschwistern kennengelernt haben: Er hat mich gehaut! Sie war so gemein! Er hat angefangen! Usw. 

Ähnlich, wenn auch in den Auswirkungen viel massiver, läuft es in den großen Konflikten auf dieser Welt. Die Antwort auf die Frage, wer schuld ist und wer begonnen hat, ist immer die gleiche: Die anderen.

Wir gehen von folgender Annahme als Grundlage einer allgemein menschlichen Ethik aus: Es gehört sich nicht, anzufangen (mit Gemeinheiten, mit Verletzungen, mit Beschimpfungen, mit Gewalt). Wenn wir aber angegriffen werden, haben wir das Recht uns zu verteidigen. Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen; wir haben nur eine zweite Backe, die wir hinhalten können, und keine dritte. Also gilt Vergeltung für etwas, was uns angetan wurde, als gerechtfertigt. Allerdings sollte sie im Grad höchstens gleichwertig oder minimaler ausfallen und keinesfalls heftiger sein. Dann das würde nur die Rachespirale ankurbeln. Soziale Systeme müssen im Gleichgewicht gehalten werden, um zu funktionieren, deshalb braucht es ausgeglichene Kräfteverhältnisse.

Was haben nun die Psychologen herausgefunden? Jede Handlung hat eine Ursache und eine Wirkung: Etwas, das dazu geführt hat und etwas, das daraus folgt. Aber das menschliche Denken vereinfacht auf eine charakteristische Art: Die eigenen Handlungen werden als Konsequenzen aus den Handlungen anderer angesehen, während deren Handlungen als Ursache für Späteres gehalten werden. In einem Experiment wurden Versuchspersonen in Streitgespräche verwickelt. Wenn ihnen nachher eine ihrer Aussagen vorgehalten wurde, konnten sie sich daran erinnern, welches Argument der anderen Person sie dazu geführt hatte. Und wenn ihnen eine Aussage des Partners präsentiert wurde, erinnerten sie sich daran, wie sie darauf reagiert hatten.  Ist also unsere Erinnerung völlig egoistisch und selbstbezogen?

Auch was die Angemessenheit der Reaktionen anbetrifft, fehlt diese Hinwendung zum sozialen Ausgleich. In einem Experiment sollten Versuchspersonen gegenseitig Druck auf die Finger ausüben. Wenn A drückte, sollte B gleichviel Druck auf Ab zurückgeben. Die Forscher maßen den Druck und stellten fest, dass, obwohl die Versuchspersonen glaubten, den gleichen Druck zurückzugeben, dieser um 40% höher war, sodass sofort die Spirale der Vergeltung in Gang kam.

Warum ist das so? Die einfache Erklärung liegt darin, dass wir unseren eigenen Schmerz stärker spüren als den anderer Personen. Deshalb fügen wir der anderen Person mehr Schmerz zu, weil wir glauben, sie versteht dann, wie weh es uns getan hat. Natürlich passiert das Gegenteil, und die Eskalation geht weiter.  Es ist so simpel: wir verstehen uns selber immer besser als andere, weil wir unsere Gründe, Motive und Gefühle direkt wahrnehmen und ernstnehmen.

Der Ausweg liegt einzig darin, dass wir anfangen müssen, uns selbst zu misstrauen, also die Informationen, die unser Gehirn produziert, nicht als der Weisheit letzter Schluss zu nehmen, und statt dessen lernen, die Perspektive der anderen Person einzunehmen, indem wir darauf vertrauen, dass auch die anderen Menschen Motive und Gründe für ihr Verhalten haben, die wir vielleicht verstehen könnten. Unser Ego versucht uns immer weiszumachen, dass wir die Opfer der Bosheit oder Unbewusstheit der anderen sind und dass das Böse von dort kommt und nie von uns. Erst wenn wir erkennen, wie eng gestrickt die Netze der Selbsttäuschung sind, kommen wir aus den Spiralen heraus, auf die wir uns so leicht einlassen.

Der Klügere gibt nach, sagen die Eltern, wenn die Kinder streiten, damit der, der aufhört, den moralischen Bonus auf seiner Seite hat. Wenn wir uns selber sagen, dass wir nicht Recht haben müssen, sondern dass jeder andere in seiner Weise Rechthaber ist, kommen wir leichter aus der Verfangenheit und Abhängigkeit durch die Reaktionen der anderen heraus. Es ist ja nur unser Ego, das verliert, wenn es aus der Eskalationsspirale aussteigt und damit das destruktive Spiel beendet. Klugheit zahlt sich aus, weil sie uns aus einem Streit herausführt und schneller wieder mit dem inneren Frieden verbindet, der unserer Gesundheit und unserer Lebensfreude zuträglich ist.

Wir brauchen keine ethische Überlegenheit, die selber wieder ein Ego-Spiel ist. Wir müssen uns also nicht an unsere Fahnen heften, wie gut wir sind, weil wir jetzt nicht zurückschlagen, wo es doch unser Recht wäre. Vielmehr trägt der Racheverzicht den Lohn in sich: Wir entspannen uns und öffnen uns für konstruktive Möglichkeiten in unserem Leben.


Und wenn wir unsere innere Achtsamkeit weiter entwickeln, merken wir schneller, wann wir uns in Machtkämpfe verwickeln. So können wir auch schneller den Ausweg finden und damit die Dynamik der Eskalation im Keim unterbinden.

(Ich danke Renate Prigl für den Artikel von Daniel Gilbert, auf den dieser Beitrag Bezug nimmt.)

Montag, 14. November 2016

Islamischer Terror und der Schaden für den Islam

Terror und Islam ist nicht synonym, aber eng assoziiert, und diese Assoziation wächst mit jedem Terrorakt, der sich auf den Islam als Legitimation beruft. Unermessliches Leid und weit verbreitete Ängste sind die Folgen dieser Handlungen, und sie stellen auch den Islam als Religion kontinuierlich in Frage.

Der islamische Extremismus ist für den Islam viel gefährlicher als für den Rest der Welt. Denn die westliche Welt, die eines der Hauptangriffsziele islamischer Terroristen ist, hat viele Möglichkeiten sich zu verteidigen, und jedes Verbrecher stärkt die Bereitschaft dazu, aber auch die Ablehnung des Islams.

In vielen Gegenden dieser Welt verüben Menschen Gewaltverbrechen im Namen des Islams. Kriege werden in diesem Namen geführt ebenso wie die Vergewaltigung von Frauen und die gezielte Ausrottung von nicht islamischen Glaubensgruppen.

Deshalb verwundert es nicht, dass immer mehr Menschen die islamische Religion mit Gewalt und Unmenschlichkeit zu identifizieren. Hunderte Millionen von Menschen moslemischen Glaubens haben jedoch keinerlei Sympathie für Gewalt und lehnen die Methoden der extremen Organisationen ab. Aber es fehlt die geschlossene, eindeutige und massive Verurteilung der Ansichten und Aktionen der Verbrecher. Statt dessen entsteht der Eindruck, dass die moslemische Mehrheit eine "klammheimliche" Akzeptanz der Motive der Gewaltislamisten pflegt, ähnlich der Bewunderung mancher Linksintellektueller für die Aktionen der Roten Armee-Fraktion im Deutschland der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Es ist auch unübersehbar, dass sich die islamische Welt über westliche Mohammed-Karikaturen unvergleichlich mehr erbosen kann als über Massenmorde durch islamistische Terroristen. Extreme Intoleranz und Wehleidigkeit dort, wo die Integrität der eigenen Religion auf gewaltfreie Weise angepatzt wird, und Blindheit dort, wo im Namen dieser Religion massenhaft Gewalt ausgeübt wird – diese Heuchelei fällt unweigerlich auf den Islam als Religion zurück, obwohl sie eigentlich aus sozial verzerrten Wahrnehmungen entsteht.

Die vielen Passagen im Koran, die gegen die Gewalt zur Lösung von Problemen sprechen, gelten offenbar nichts, während die, die zum Kampf gegen Ungläubige aufrufen, aus dem Kontext gerissen werden. „Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (dass es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte.“ (Koran Sure 5,32) Das ist ein eindeutiges Verbot von ungerechtfertigter Gewalt, wie sie immer wieder von islamischen Terroristen ausgeübt wird.

Und es fehlt die Fatwa, die Glaubensauslegung von den höchsten Autoritäten, die alle, die sich ungerechtfertigte Gewalt anmaßen, in die Pflicht zu nehmen und alle Konsequenzen durchzusetzen, die die Glaubensinstanzen vorsehen. Autoren, die Bücher schreiben, in denen Mohammed angeblich beleidigt wird, werden mit mehr Eifer verfolgt als Massenmörder.

Dieses massive Ungleichgewicht untergräbt die Autorität der Religion und führt über kurz oder lang zur Selbstauflösung des Islam. Will sie nicht zu einer Sekte werden, die Gewalttätigkeit und Mordlust in den eigenen Reihen duldet, müsste sie mit aller zu Gebote stehender Macht dagegen auftreten und unmissverständliche Klarheit über Gut und Böse herstellen und gegen die Übeltäter durchsetzen. Wird die Notwendigkeit dieser Klarstellung übersehen, wird die islamische Religion in dem Maß, in dem über Bildung und westlich gefärbte Medien die Modernisierung und Aufklärung Einzug in die islamische Kultur hält, an den Rand gedrängt und zu einem Nischendasein verbannt.

Einige Zeit noch wird der Islam als identitäts- und kulturstiftendes Element im Bewusstsein vieler Menschen präsent bleiben. Millionen von Menschen definieren sich über ihren moslemischen Glauben. Doch wird diese Identität immer brüchiger, in dem Maß, in dem Terroristen im Namen der Religion diese selber untergraben. Der Spagat, sich einer Religionsgemeinschaft zugehörig zu fühlen, die Massenverbrechen in ihrem Namen nicht unterbinden und sanktionieren kann, obwohl man selber Gewalt verabscheut, ist auf Dauer schwer auszuhalten.

Gewalt ist unfähig, menschliche Probleme zu lösen, vielmehr vermehrt es diese, ähnlich wie der Konsum von Drogen innere Probleme nicht erleichtert, sondern langfristig enorm steigert. Religionen, die Gewalt im eigenen Namen tolerieren, begünstigen Unmenschlichkeit und haben deshalb kein gestalterisches Zukunftspotenzial. Im Zug des Fortschritts ihres Selbstbewusstseins und der Weitung der Lebenshorizonte können die Menschen immer mehr auf solche ideologische Relikte aus barbarischen Vorzeiten verzichten. Verloren geht dabei freilich auch die lebensgestaltende und –fördernde Substanz der Glaubensbotschaften, und verspielt haben diese Kräfte all jene, die Verantwortung für die Religion tragen und sie nicht nutzen, um die Gewalt im eigenen Namen nachhaltig zu verdammen und den Missbrauch von Religion für ideologische Zwecke und gewaltpolitische Ziele abzustellen.


Vgl.: Geschlossene Systeme und inhärenter Hass
Ist der Terror islamisch?

Donnerstag, 10. November 2016

Krise der Liberalität?

Die USA haben gewählt, und für viele Menschen, die sich mit innerer Entwicklung beschäftigen, löst das Ergebnis das blanke Entsetzen aus. Es wurde ein Mensch als Präsident gewählt, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, sich als Gegner von Liberalität, Menschenrechten (einschließlich Frauenrechten), persönlicher Moral und Fortschritt zu inszenieren. Dass diese Mischung bei so vielen amerikanischen Bürgern Anklang gefunden hat, erstaunt alle, die ein Bild von den USA haben, das mit Modernität, Emanzipation, technologische Entwicklung, freundlichen und weltoffenen Menschen assoziiert ist – das Bild, das die meisten Medien in den Zeiten des Wahlkampfes verbreitet haben, wo z.B. in der New York Times die dunklen Geschäfte des neuen Präsidenten und seine abwertenden Kommentare zu den verschiedensten Menschengruppen für jeden lesbar aufbereitet wurden.

Dennoch hat Donald Trump die Mehrheit der Wahlmännerstimmen bekommen (nicht die Mehrheit der Wähler). Aber immerhin haben ihn 42% der Frauen (die zur Wahl gegangen sind) gewählt, die offenbar nichts daran finden, einen Präsidenten zu haben, der seine eigenen frauenfeindlichen Einstellungen lustig findet. 29% der Latinos haben ihm die Stimme gegeben, obwohl er sie im Wahlkampf beleidigt, herabgesetzt und bedroht hat. Nur die Schwarzen, soweit sie überhaupt gewählt haben, haben sich geweigert, ihren eigenen Gegner mit der höchsten Macht im Staat auszustatten, nur 9% für Trump in dieser Wählergruppe.

Wir wundern uns: Leute, die vom sozialen Abstieg bedroht sind oder ihn schon aufgrund der wirtschaftlichen Veränderungen erlebt haben, wählen einen Multimilliadär, der keinerlei soziale Neigungen aufweist, sondern zeit seines Lebens an der Mehrung des eigenen Vermögens unter Ausnutzung aller Schlupflöcher des Steuersystems zu arbeiten. Trump hat ja immer betont, wie viel er seinem Vater verdankt, dessen dreiste und menschenverachtende Gaunereien in die Folkmusik Eingang gefunden haben.

Offensichtlich ist dieses Ereignis ein Schlag ins Gesicht der Bewusstseinsevolution. Ein Präsident tritt ab, der zumindest eine Ahnung vom systemischen Denken hat und mit vielen ambitionierten Ideen an der politischen Wirklichkeit gescheitert ist, ein Mann, der intelligent reden und argumentieren kann, der zuhören und andere Meinungen verstehen kann. Ein neuer Präsident tritt auf, dessen soziale Intelligenz offensichtlich weit unterhalb dieses Niveaus angesiedelt ist und der keinen Blick jenseits des brutalen materialistischen Bewusstseins wagt, der das machtgierige emanzipatorische Ego-Denken voll aufgesogen hat und nach diesen Maßstäben das Land und den Staat umkrempeln will. Also ein Rückfall auf frühere, schon längst überwunden geglaubte Entwicklungsstufen?

Ich denke, dieses Ereignis macht uns darauf aufmerksam, wie langsam und gewunden die Entwicklung verläuft. Menschen werden immer wieder von Ängsten geleitet, deren Herkunft sie nicht kennen und auch nicht kennen wollen. Sie suchen die Rettung bei jemandem, der scheinbar die Ängste überwinden kann und vorzeigt, wie viel man dadurch gewinnen kann. Wir leben in einem Umfeld, in dem Menschen daran interessiert sind, sich innerlich weiter zu entwickeln, und wir nehmen deshalb an, dass das für alle anderen auch so ist. 


Tatsächlich, und das zeigt auch diese Wahl, sehen wir nur einen winzigen Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit und schließen aus unserem Mikrokosmos auf das große Ganze. Die Gesellschaft ist also noch lange nicht so weit, den Mut aufzubringen, den es erfordert, sich den Ängsten zu stellen, für die eigenen Gefühle und Einstellungen Verantwortung zu übernehmen und Mitmenschlichkeit und Respekt vor den Egoismus zu stellen. Zwar scheint es einfacher, die Lösung der eigenen Schwierigkeiten von einem politischen Zampano zu erwarten, als selber die Ärmel aufzukrempeln, aber das Lernen ist unausweichlich und die Enttäuschung folgt, sobald deutlich wird, dass ein neuer Präsident keine Zauberfee ist, die über alle das Glückshorn ausschüttet. Die Magie ist schnell verpulvert, und der Blick nach innen unausweichlich. Wir können ihn immer wieder hinausschieben, bis wir erkennen, dass das den Preis erhöht und wir besser daran tun, wie wir über unsere Beschränkungen hinaus wachsen können.

So, wie wir selber immer wieder mit unseren Entwicklungsprozessen, die uns das Leben präsentiert, ringen, stellt sich das Szenario im Ganzen vor. Auch wenn bei der Wahl die demokratische Kandidatin gewonnen hätte, ist diese Arbeit zu leisten, und das braucht die Zeit, die es braucht. Weltoffene Führungsfiguren, die über den Rand des eigenen Egos hinausblicken können, geben Vertrauen und Zuversicht für solche Schritte; Führungsfiguren, die das Gegenteil zelebrieren, bleiben das schuldig und richten häufig zusätzlichen Schaden an. So sehr wir das bedauern, so sehr müssen wir uns eingestehen, dass es letztlich geschehen muss, damit über solche Umwege schließlich die Weiterentwicklung ihre Bahn findet. Wir müssen unsere Erwartungen immer wieder an die Realität anpassen und den Blick vom Kleinen zum Größeren, vom Aktuellen zum Weitgespannten öffnen.

Es befindet sich also nicht die Liberalität in der Krise, bloß weil ein Illiberaler US-Präsident ist. Vielmehr zeigt sich das Ausmaß der Herausforderung: Wieviel Aufklärungsarbeit noch notwendig ist, um die Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszuführen, wie das Immanuel Kant im 18. Jahrhundert formuliert hat. Tatsächlich kann dieses Ereignis einen Schub in dieser Richtung auslösen, und möglicherweise geht die Person des Präsidenten gegenüber den Bewegungen, die aus der Kreativität des Freiheitsdrangs entstehen, in der nachträglichen Geschichtsbetrachtung unter.

Und: Wir Österreicher haben am 4. Dezember die Chance, ein Zeichen für Weltoffenheit und Menschlichkeit gegen Angstmacherei und Vorurteilsprägungen zu setzen. Nachdem bei der Brexit-Abstimmung und der US-Wahl Demagogen und Populisten erfolgreich waren, können wir für eine Trendwende sorgen! Engagieren wir uns für die Wahlbewegung von Alexander van der Bellen!!!


Vgl. Arroganz - der Schatten der Liberalen
Obama und Osama
Snowden und die amerikanische Freiheit
Postfaktualität

Mittwoch, 9. November 2016

Ist die Diagnose die Krankheit?

Im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich gibt es umfangreiche Kataloge von Störungen und Erkrankungen (ICD-10, DSM-5). Ist es wirklich der Fall, dass solche Krankheiten so eindeutig diagnostiziert werden können wie Heuschnupfen oder Beinbrüche? Schon im "rein" physiologischen Bereich gibt es alle möglichen Schwierigkeiten in der Diagnostik, die sich ins Unermessliche potenzieren, wenn der psychische Bereich dazukommt. Denn wir sind in diesem Bereich in hohem Ausmaß dynamisch und plastisch, verändern uns beständig und reagieren in den verschiedenen Umständen unterschiedlich. Hier durchgängige Verhaltens- und Erlebensmuster ausfindig zu machen ist sehr komplex und geht nur, wenn die betroffene Person mitmacht, indem sie ihr Befinden und ihren inneren Leidenszustand beschreibt.

Trotz dieser theoretischen und praktischen Schwierigkeiten nutzen wir Diagnosen wie verschärfte Formen der Bewertung. Wenn uns jemand aggressiv begegnet, bezeichnen wir ihn als Psychopathen, wenn jemand nicht angemessen auf uns reagiert, nennen wir sie hysterisch oder depressiv. 


Sylvester Walch nennt das Schattenverschreibungen - Schatten, also unbewusste Anteile, die wir anderen Menschen unterstellen, weil wir aus irgendeinem Grund mit ihnen Schwierigkeiten haben. Die Benennung gibt uns die Sicherheit, dass es nicht an uns liegt und dass wir die andere Person einordnen können, sodass sie uns nicht gefährlich werden kann.
"Es  ist wichtig, sich vor Schattenverschreibungen zu hüten. In der therapeutischen Arbeit ist das natürlich ein Thema ... Aber im normalen zwischenmenschlichen Kontakt soll das nicht geschehen, vor allem nicht in einer kämpferischen Art und Weise, wo ich dem anderen beweisen möchte, wie schlecht er ist. Denn sobald Schatten mit Bewertung zu tun hat - das gilt übrigens auch für Diagnosen -, wird es nicht mehr hilfreich sein, ihn zu erwähnen." (Sylvester Walch, Die ganze Fülle deines Lebens, Fischer & Gann 2016, S. 79)
Diagnosen umschreiben Störungsbilder. Sie machen aus einem vielfältigen und multidimensionalen Wesen ein eindeutig definiertes, aus etwas Fließendem etwas fest Umgrenztes. Der Mensch wird auf das reduziert, was bei ihm nicht optimal funktioniert: Du reagierst nicht so, wie es von einem Durchschnittsfall aus deiner Populationsgruppe erwartet werden könnte, folglich bist du ein Fall von ...., also ein minderes Exemplar, das noch unfertig ist und erst nach entsprechender Verbesserung in den Kreis vollwertiger Menschen aufgenommen werden kann.

Ingeborg Bachmann hat in dem beklemmenden Romanfragment "Der Fall Franza" das Schicksal einer Frau dargestellt, die von ihrem Mann, der Psychiater ist, diagnostiziert und analysiert wird. Sie scheint in seinen Notizen als krankheitswertiger Fall auf, der in einem "großartigen Versuch" psychologisch durchleuchtet wird, bis die Frau schließlich in eine Klinik eingewiesen wird.

Diagnosen sondern Menschen aus. Ihr Sinn wird damit begründet, dass sie Menschen behandelbar machen und damit dem Bestreben der Gesundheitsapparate entgegenkommen: Die Krankheit wird definiert, die entsprechende Behandlung angewandt, die Besserung oder Heilung dokumentiert. Je exakter die Diagnose, desto besser die Heilungschancen.
 

So einleuchtend diese Prozedur bei vielen körperlichen Erkrankungen sein kann, so irreführend ist es, sobald psychische Komponenten an der Krankheit beteiligt sind - und die Frage ist, ob solche Einflüsse nicht jedesmal mitspielen, wenn es zu irgendeiner Erkrankung kommt. Das mechanische Modell, das bei einer Blinddarmentzündung hilfreich ist, wird immer unbrauchbarer, je komplexer die Störung ist, je mehr also der psychische Bereich mit ins Spiel kommt.

Eine Diagnose zieht eine scharfe Grenze zwischen gesund und krank. Bis hierher ist jemand normal, jenseits davon ist jemand gestört. In der Wirklichkeit gibt es solche Grenzen nicht, vielmehr bestehen Kontinuitäten und graduelle Unterschiede. Es gibt gerade im Bereich psychischer Störungen viele Formen, die situationsabhängig zu Pathologie oder zu Unauffälligkeit neigen.

Bei unachtsam angewendeten Diagnosen handelt es sich um massive kategoriale Abwertungen, die die Person aus dem Zentrum der gesellschaftlichen Interaktion herausrücken als jemand, der eine gesonderte Behandlung notwendig hat. Diagnosen schaffen nicht nur Unterschiede von oben nach unten, wie sie schon in einfacheren Bewertungen vorgenommen werden: Du bist der Trottel, ich bin besser und dir damit überlegen und übergeordnet. Dazu noch grenzen sie horizontal aus: Sie machen einen Unterschied zwischen dem Zentrum, in dem sich das Gesunde und Normale aufhält, und dem Rand, an dem das Gestörte und Abnormale angesiedelt wird.

Aus vielen Gründen ist deshalb große Vorsicht geboten, solche Diagnosen anzuwenden. Sie sollten auf zwingende Notwendigkeiten beschränkt bleiben. Gesundheitssysteme müssen ihre Gelder verwalten und brauchen definierte Verwendungszwecke. Für diese Zwecke gibt es die Diagnoseschlüssel und -tabellen. Und wegen der heiklen Lage sind solche Befunde datenrechtlich vor Weiterverbreitung und Missbrauch geschützt.

Außerdem sind Diagnosen für die praktische Arbeit mit Patienten oder Klienten nicht brauchbar. Denn sie verhindern den Blick auf die Vielschichtigkeit, die jeder Mensch in sich trägt. Sie bewirken mentale Verhärtungen, starre Kategorisierungen, die der dynamischen Natur des Lebens nicht gerecht werden und damit auch einer inneren Weiterentwicklung hinderlich im Weg stehen können. Denn solche Etikettierungen werden leicht verinnerlicht, womit die Störung als Teil der Identität aufgebaut wird, bis die Identität die Störung stabilisiert.

Manchen Leidenden kann eine Diagnose entlasten. Das eigene Problem bekommt einen Namen, und es gibt andere, die an ähnlichen Symptomen leiden. Doch gilt dieser Nutzen nur, wenn die Diagnose in einem achtungsvollen Rahmen vermittelt wird und nicht wie ein Urteil von einer übergeordneten richtenden Instanz übergestülpt wird. Diagnosen sollten also nur in Absprache mit den betroffenen Personen zugeordnet werden. Keinesfalls ist es ethisch vertretbar, über andere ohne deren Einverständnis Diagnosen auszusprechen.

Diagnosen sind immer fehleranfällig. Diese bekannte Geschichte zeigt, was wir von der Stichhaltigkeit von Diagnosen halten können:

Zwei Psychiater, die sich nicht kennen, bekommen den Auftrag, jeweils den anderen, der schizophren sei, der aber behaupte, er sei Psychiater, zu behandeln. In den Gesprächen bestätigen beide die anfangs angenommene Schizophrenie. Beide Psychiater sind allerdings völlig normal, und die Situation zeigt die Absurdität von Voreinstellungen und Bewertungen.

Körperliche und seelische Erkrankungen: Zweierlei Maß


Warum tun wir uns leichter, körperliche Krankheiten zuzugeben als seelische? Warum haben wir mehr Mitgefühl und Verständnis, wenn über jemanden gesagt wird, er wäre schwer verkühlt als wenn gesagt wird, er leide an einer Zwangsstörung? Beides sind gestörte Funktionsabläufe in einem Organismus, beides bereitet den betroffenen Personen Leiden, und doch haben wir unterschiedliche innere Kategorien, in die wir die beiden Nachrichten einordnen: Wir gehen davon aus, dass Körperkrankheiten aus irgendwelchen Quellen entstehen, die nicht in unserer Macht liegen. Die Krankheit befällt uns und wir müssen schauen, wie wir damit fertig werden.

Bei Seelenkrankheiten nehmen wir an, dass die betroffene Person mangels Eigenverantwortung gestört ist (viel seltener sagen wir … erkrankt ist). Sie hat sich zu wenig „zusammengerissen", zu wenig angestrengt, sie hat zu wenig Eigeninitiative gezeigt usw. Sie ist also selber schuld. Deshalb gönnen wir ihr weniger Mitgefühl, sondern neigen eher zu Herablassung und Verachtung. Diese Gefühle geben uns die Sicherheit, auf der richtigen und gesunden Seite zu sein. Es scheint so, als würden uns solche Störungen mehr Angst machen als "einfache" körperliche Erkrankungen.


Auch aus der Geschichte gibt es viele Beispiele, die die Diskriminierung von Geisteskrankheiten belegen. Schizophrene wurden bis ins 19. Jahrhundert in Verliese eingesperrt. Alle möglichen grausamen Prozeduren wurden an ihnen erprobt, und im Nationalsozialismus wurden sie als lebensunwertes Leben ermordet.


Der Grund für diese merkwürdige Abwertung der seelischen Krankheiten liegt vermutlich darin, dass seelische Störungen das Sozialleben stärker gefährden als körperliche Erkrankungen. Wir können mit jemandem, der eine Grippe hat, weiterhin normal kommunizieren; seine Persönlichkeit bleibt von der Krankheit unverändert (so nehmen wir zumindest an) und der Heilungsprozess betrifft nur den Körper. Wir fühlen uns auch im Wesentlichen gleich mit uns selbst, wenn wir Kopfweh haben, während sich bei einer seelischen Störung häufig unser Selbstverständnis, also das, was wir von uns selber halten und wie wir zu uns selbst stehen, drastisch verändern kann. Und wir wirken anders auf andere, denn auch das Kommunikationsverhalten ändert sich. Die Irritation ist zweifach und verstärkt sich gegenseitig. 


Wir können erst von dem an sich unsinnigen Wertungsunterschied zwischen körperlichen und seelischen Erkrankungen wegkommen, wenn wir selber bereit sind, seelische Störungen als das einzuschätzen, was sie sind: aus der Bahn gelaufene innere Regulationsmechanismen, genau wie bei den körperlichen Störungen. Und wenn wir erkennen, dass wir alle da und dort, in dieser oder jener Situation, unsere optimale Verfassung und Handlungsfähigkeit verfehlen. Dann wollen wir nicht gleich psychiatrisch diagnostiziert werden, sondern Verständnis und Respekt. So wird es uns leichter fallen, auf Zuschreibungen, die aus unserer eigenen Wertungsorientierung stammen, zu verzichten und den Menschen vor jede Diagnose zu stellen und in seinem besonderen Wert anzuerkennen.


Sonst wird Karl Kraus immer Recht behalten: „Eine der verbreitetsten Krankheiten ist die Diagnose.“ Besser hingegen sollte es uns mit Georg Kreislers Lied gehen: „Keine Diagnose. Kein Präparat. Keinerlei Prognose. Kein Resultat. Abgefühlt, betastet, erblich nicht belastet - unheilbar gesund.“

Sonntag, 30. Oktober 2016

Was tut gut an der Wut?

(In diesem Artikel werden die Begriffe Wut, Zorn und Aggression synonym verwendet.)

Wut ist eine schwierige Emotion, weil sie zerstörerisch wirken kann, wenn sie keine Grenzen kennt, und die Lebenskraft einschränkt, wenn sie beschnitten ist. Jedes heranwachsende Kind stellt um das zweite Lebensjahr herum seine Eltern vor die Aufgabe, mit seiner Wut zurechtzukommen. Es erlebt seinen Willen und die Einschränkungen, die ihm auferlegt werden. Daran entzündet sich der Zorn.

Zorn in der Kindererziehung


Die Eltern können mit diesem Zorn in dem Maß umgehen, wie sie mit ihrem eigenen Zorn zurechtkommen. Und diese Kompetenz hat sich maßgeblich in der eigenen Kindheit ausgeprägt. Haben sie in ihrer Kindheit gelernt, dass das eigene Wütendsein zu Liebesverlust und Abwertung führt, so besteht die Kompetenz nur darin, Angst vor der eigenen Wut zu erleben. Die Kraft der Wut ist dann in einer Angst eingekapselt. Oder sie haben gelernt, dass es für die Wut keine klaren Grenzen gibt, sodass sie, für sich selber uneinsichtig, in manchen Situationen übermäßig wütend werden und in anderen sich zuviel gefallen lassen. Die Wut schießt einmal massiv nach außen und zerstört unnötig viel und steht ein andermal nicht zur Verfügung, wo sie gebraucht würde.

Der wirklich kompetente Umgang mit der eigenen Aggressivität wird dann erworben, wenn die Eltern keine Angst vor der Wut ihrer Kinder haben. Dazu müssen sie die eigene Wut kennen und handhaben können. Sie können spüren, wenn sie zornig sind, müssen das aber nicht in jeder Situation ausleben. Sie haben ein wertschätzendes Verhältnis zu diesem Gefühl, ohne es zu verherrlichen. Sie wissen um die Wichtigkeit, einen guten Zugang zur eigenen Lebenskraft und Selbstbestimmtheit zu haben, und um die Notwendigkeit, die Äußerung von Zorn dosieren und situationsadäquat anpassen zu können. 

Mit dieser inneren Sicherheit und Stärke können sie die Kinder gut durch die Zeit der Entdeckung des Zorns führen. Sie werden ihre Kinder nicht für ihren Zorn abwerten, missachten oder sogar bestrafen, sondern verstehen, dass das Gefühl eine Bedeutung und einen Sinn hat, auch wenn dieser nicht immer verstanden werden kann. Zugleich werden sie dem Kind mit ihrer eigenen aggressiven Kraft Grenzen setzen. Diese Kraft kommt im besten Fall aus der Macht des Herzens, also aus einer Liebe, die Grenzen setzen kann, ohne zu verletzen und herabzusetzen. 

Mit solchen Erfahrungen lernt das Kind mit der Zeit, ein Verhältnis zur eigenen Emotionalität zu entwickeln, das beiden Seiten gerecht wird. Einerseits wird die Wut als Quelle der Kraft, der Durchsetzung eigener Interessen, des Ausdrucks von Bedürfnissen und der Wahrung von wichtigen Grenzen wertgeschätzt. Andererseits wird ihr zerstörerisches Überborden verhindert, indem die Wut nie die Alleinherrschaft im Bewusstsein erlangen kann, sondern ihr immer noch eine Instanz vorgelagert ist, die den emotionalen Ausbruch eindämmt und umfängt. Das ist der Riegel, der verhindert, dass sich die Wut in Gewalttätigkeit verwandelt, die keinen Respekt für die Würde anderer Menschen und für den Wert von Dingen kennt und sich in sinnloser Zerstörung selbst vernichtet.

Die Unterdrückung der Wut und die Folgen


Die unterdrückte Wut sucht sich andere Kanäle. Eine Vermutung besteht darin, dass die Menschheit immer wieder Kriege untereinander beginnt, weil damit dem Zorn ein legaler Weg eröffnet wird. Die aggressiven Strebungen werden für ein Ziel eingesetzt, das einem höheren Zweck dienen soll. Jeder Krieg stellt eine enorme Entfesselung der Wut und zugleich deren weitere Unterdrückung dar. Die ganze Aggression muss nach außen gerichtet werden, auf die Vernichtung des äußeren Bösen, das im Feind kristallisiert ist, während das Innere der Gesellschaft frei von Zorn bleiben muss. Jede falsche Orientierung der Wut wird strengstens bestraft.

Deshalb wirken Kriege nie als Therapeutikum, nicht einmal in Hinblick auf die Ökologie der Wut. Die Gewinner wie die Verlierer eines Krieges schleppen ein verunsichertes Missverhältnis zu diesem Gefühlskomplex weiter und übergeben es der nachfolgenden Generation, die wiederum kein ausgeglichenes Verhältnis dazu entwickeln kann.

Bedenkenswert ist auch der Raum für die Wut in der digitalen postmodernen Welt. Wir benötigen immer mehr Feinsteuerung im Umgang mit den komplexen digitalen Geräten, und das verträgt sich nicht mit der Grobheit dieses Gefühls. Wenn wir wütend sind, vertippen wir uns und finden nichts im Dschungel der Apparate. Ein Wutschwall kann die Arbeit eines halben Tages vernichten. 

Deshalb braucht diese Welt ein hohes Maß an Wutkontrolle und -unterdrückung. Sie fordert Personen, die wie Maschinen fehlerfrei und daueraktiv funktionieren. Die Wut, die eine solche Forderung naturgemäß in den Menschen hervorruft, muss auf besondere Weise unten gehalten werden, weil sie die Existenzberechtigung in der digitalen Gesellschaft untergräbt. Die Naturferne im digitalen Raum ist auch eine Gefühls- und insbesondere eine Wutferne.

Deshalb muss sich die Wut heutzutage kreative Nischen suchen, z.B. im Sport, der vielen dazu dient, die Spannungen, die sich im Körper unter den Anforderungen der funktionalen Berufswelt aufbauen, wieder loszuwerden. Wo kein kreativer Weg gegangen wird, gerät die Wut in ungesunde Kanäle, sei es als Aggression und Hass gegen Andersdenkende oder Randgruppen, sei es als Selbstaggression in Süchten und Abhängigkeiten bis zu Autoimmunerkrankungen.

Bevor es dazu kommt, ist es ratsam, sich von innen her mit die verschiedenen Facetten der Wut zu beschäftigen, um sie kennenzulernen und mit ihnen kreativ und konstruktiv umgehen zu können.

Zum Weiterlesen:
Der Bösewicht in uns
Die Wut - das herausforderndste Gefühl
Die passive Aggressivität

Montag, 17. Oktober 2016

Weiches besiegt das Harte

Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser,
und doch, in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich.
Es kann durch nichts verändert werden.
Dass Schwaches das Harte besiegt und Weiches das Harte besiegt,
weiß jedermann auf Erden,  aber niemand vermag danach zu handeln.
Schmiegsam und geschmeidig ist der Mensch, wenn er geboren wird, starr, störrisch und steif, wenn er stirbt.
Biegsam, weich und zart sind die Kräuter und die Bäume im Wachstum, dürr, hart und stark im Entwerden.
Darum gehören Starre und Stärke dem Tode, Weichheit und Zartheit dem Leben.
(LaoTzu)


Gerne stehen wir bei fließendem Wasser und betrachten es. Wir genießen die Leichtigkeit, mit der sich das Wasser an seine äußeren Gegebenheiten anpasst und beständig seine Bewegungen verändert und dennoch bei seiner Flussrichtung bleibt. Nichts kann es aufhalten, weil es so wandelbar ist, obwohl es dabei immer das bleibt, was es ist, Wasser.

Beim Betrachten nehmen wir uns ein Beispiel: So könnten wir auch leben. Doch was bedeutet das? Wir sind mit dem Leben im Einklang, wenn wir mit ihm fließen. Wir passen uns dem an, was uns das Leben gerade anbietet und stellen ihm keinen unnötigen Widerstand entgegen. Diese Anpassung ist aber keine Selbstverleugnung, sondern eine Fähigkeit, die wir mehr und mehr entwickeln können. Denn das Leben verlangt keine Unterordnung von uns, keinen blinden Gehorsam und keine schmerzhaften Verrenkungen. Es fordert uns zum Spiel heraus, in das wir genau das einbringen können, was wir in unserer Einzigartigkeit sind. Wenn wir also mit dem Leben fließen, bringen wir das Eigene mit dem Äußeren in Kontakt und Austausch, unser Wesen mit der Wirklichkeit um uns herum.

Damit tragen wir zum Wachstum bei, von uns selbst und von der Welt um uns herum. Die Wirklichkeit regt uns an, dass wir uns verändern, und in dieser Veränderung entfaltet sich die Kreativität, die der Welt Neues hinzufügt. Auf diese Weise hat sich die Vielfalt der Natur und der Kultur entwickelt, und in dieser Vielfalt können wir die unendlichen Gestalten der Schönheit entdecken.


Gesundheit und Flexibilität


Wir sind gesund in unserem Körper, wenn auch in uns selber dieses Fließgleichgewicht besteht. Alle Systeme kommunizieren miteinander und regen sich gegenseitig an, stimmen sich aufeinander ab und geben dem Raum, was gerade mehr Raum braucht.

Ist im Körper jedoch etwas ohne Notwendigkeit angespannt, so kann es nicht mehr frei kommunizieren, sondern meldet sich mit einem Schmerz, der die sofortige Aufmerksamkeit auf sich zieht. Alles andere soll zurücktreten, damit wir unsere gesamte Energie dafür einsetzen können, die Quelle des Ungleichgewichts zu beheben.

Alles Starre und Harte ist also Anzeichen einer Störung und schränkt das Leben ein, das ja in der permanenten Veränderbarkeit besteht. Es gibt keinen Stillstand, sondern nur Ruhephasen, in denen die Veränderungen in reduziertem Ausmaß stattfinden. Körperliche Verfestigungen sind nicht im Sinn des Lebens und deshalb ungesund. Alles Starre erinnert an den Tod, nicht an das Leben.

Wir können den Tendenzen zur Verfestigung, die vermutlich aus unbewussten angstgesteuerten Verhaltensgewohnheiten stammen, entgegenwirken, indem wir bewusst unsere Beweglichkeit steigern, in jeder Form, die uns liegt: Tanzen, Sport, Yoga, Tai Chi, etc. oder einfach dadurch, dass wir ein wenig anders gehen, sitzen, aufstehen, liegen, als wir es gewohnt sind.


Beweglicher Geist


Auch im Denken brauchen wir die Beweglichkeit. Häufig glauben wir, dass wir uns nach den Erwartungen richten müssen, die andere an uns haben. Oder wir meinen, dass uns andere im Weg stehen, uns in unserer Weise entfalten zu können. Als Kinder haben wir gelernt, dass wir uns nur so verändern dürfen, wie es von außen gewünscht ist, und das überträgt sich auch auf unsere Weise des Denkens. Wir wollen berechenbar bleiben, um keine Erwartungen enttäuschen zu müssen. Und wir wollen, dass die anderen Menschen und die Welt insgesamt berechenbar bleibt, denn alles, was sich zu schnell oder zu abrupt verändert, macht uns Angst.

Die Starrheit im Geist ist so schädlich wie die Starrheit im Körper. Wenn wir nicht mehr bereit sind, unsere Meinungen, Annahmen, Theorien und Einstellungen zu überdenken, zu reflektieren und, wenn es sinnvoll ist, zu verändern, bezahlen wir unsere Unbeweglichkeit darin, dass wir zunehmend an der Welt anecken. Erich Kästner meinte: „Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen.“

Aus geistiger Starrheit kommen viele unangenehme und sozial schädliche Einstellungen von der Rechthaberei bis zum Hass auf „Andersdenkende“ (allein die Existenz dieses Wortes weist darauf hin, dass es nicht als selbstverständlich gilt, dass Menschen unterschiedlich denken). Viel Unheil und Leid ist durch solche Haltungen bewirkt worden. Es sind dies immer wieder Versuche, die anderen Menschen den eigenen beschränkten Vorstellungen anzugleichen, so als sollte die ganze Wirklichkeit so krank werden wie man selber ist und als würde das alle inneren Probleme lösen.

Die Welt lässt sich jedoch nicht vereinnahmen, schon gar nicht von Eroberern, die von ihrem Wesen am weitesten entfernt sind. Sie ist geschmeidig und weich in ihren Konturen, und Klobiges und Klotziges wird so lange herumgebeutelt, bis es sich abrundet wie die Kieselsteine im Bach. Das Starre hat nur diese Chance: Sich vom Weichen belehren zu lassen; die Alternative ist das Zerbrechen, das Zersplittern. Solange so viel Sturheit in der Welt ist, muss auch so viel auf gewaltsame Weise zugrunde gehen. Solange sich das Verfestigte gegen die Verflüssigung sträubt, wiederholt sich das immer wieder gleiche Drama.

Erst wenn wir erkennen, dass jede Anspannung, auch wenn sie geistig ist, eine Selbsteinschränkung, also ein selbstauferlegter Freiheitsentzug ist, dass wir uns also mit unserem Festhalten selbst schaden, beginnen wir nach neuen Wegen zu suchen, wie das Wasser, das auf ein Hindernis stößt. Damit kommen wir ins Fließen, und damit bleiben wir lebendig. Wir wissen aber auch aus der Natur, dass es Zeit braucht. Allzu schnelle Lösungen vergehen auch allzu schnell wieder. Die menschliche Natur braucht lange, um sich abzuschleifen und die Weisheit des Lao Tzu zu verstehen:

„Biegsamkeit und Nachgiebigkeit sind die Verwalter des Lebens,
Härte und Stärke sind die Soldaten des Todes.“


Vgl. Über den Nutzen von Flexibilität
Die Verdinglichungstendenz
Widerstand und Verwandlung