Samstag, 21. Mai 2011

Kultur der Gier

Neben all den vielerorts geäußerten Kritikpunkten am Fall des Großbankers zum Untersuchungshäftling in New York möchte ich zwei Punkte hervorheben.

Das Szenario ist klassisch, der reiche mächtige Mann und das Zimmermädchen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte niemand einem Zimmermädchen und jeder dem reichen mächtigen Mann geglaubt. Nun hat sich das Bild gewandelt. Gewaltanwendung muss verfolgt werden, ohne Ansehen der Person des Täters, wie es im Gesetz steht. Aber immerhin ist bemerkenswert, dass das Gesetz auch Anwendung findet. Das ist ein Anzeichen dafür, dass sich der Kampf für die Rechte der Frauen gelohnt hat. Und es ist zu hoffen, dass die Publizität dieses Falles eine abschreckende Wirkung auf Männer, reiche und weniger reiche, hat.

Der zweite Punkt betrifft die Kultur des Geldes. Ein gebildeter und weltgewandter Mann wird angesichts eines Zimmermädchens "schwach". Er wird (be)gierig. Obwohl sein mutmaßliches Verhalten einen Rückfall vom 21. in länger zurückliegende Jahrhunderte darstellt, passt es strukturell in die materialistische Kultur. Diese ist gekennzeichnet durch den Drang zur Anhäufung von Gütern. Die Innenseite dieses Dranges, also das, was die den Drang ausübenden Menschen spüren, ist die Gier. Die Gier hat kein Ende, sondern kennt nur Pausen, ähnlich wie das Anhäufen von Objekten. Es gibt immer noch mehr zu begehren.

Doch ist diese Logik der Gier schon gebrochen. Ein Mann, der Gier zeigt, ist nicht mehr tragbar. Offensichtlich hat sich unterschwellig etwas in der Kultur des Geldes geändert. Eine Position an den Schaltstellen des großen Geldes ist mit enormer Verantwortung verbunden. Lebenschancen und Schicksale von Millionen von Menschen hängen von Entscheidungen ab, die in diesen Gremien getroffen werden. Es scheint so, dass ein Bewusstsein dafür gewachsen ist, dass nur Menschen mit Integrität für eine derartige Verantwortung geeignet sind.

Und das ist es, wo wir hinkommen sollten: Dass an diesen Schaltstellen Menschen mit Integrität sitzen, das heißt, Menschen, die nicht von ihrer eigenen Gier getrieben sind, sondern von einem Blick und von einem Gefühl für das größere Ganze, für das sie Verantwortung tragen.

Montag, 16. Mai 2011

Zu spät für 2012

Wir haben alles gelesen, gehört und im Kino gesehen, was im nächsten Jahr passieren wird – Katastrophen, Zusammenbrüche, Polsprung, Weltumschwung und Bewusstseinswandel. Also kann uns nichts mehr überraschen. Jedes mögliche und denkbare Desaster wurde schon prophezeit, sei es von den Mayas vor 1200 Jahren oder von den zahlreichen nachgeborenen Propheten bzw. Prophezeiern in ihren diversen Bestsellern. Bald werden die Bücher von den Regalen der Buchläden verschwinden und in den eigenen Regalen verstauben.

Was bleibt zu tun? Das Jahr 2012 wird vergehen, wie all die Jahre zuvor, einige Katastrophen werden uns nicht erspart bleiben, und somit werden die Propheten recht behalten. Aber was kommt dann? Das Bedürfnis nach Weissagungen wird unbefriedigt weiterdürsten.

Also, setz dich hin und beginn ein neues Buch zu schreiben, damit du dein Vermögen nachhaltig absichern kannst. Was käme in Frage? 2013 ist zu nahe an 2012 gelegen, alle werden meinen, da brauchen wir ein Erholungsjahr von 2012, da will niemand was von Katastrophen lesen. 2014 und 2015 sind nette Zahlen, aber auch nicht gerade originell. Was wäre mit 2017 oder 2019? Da hat vermutlich noch niemand gedacht, ein Katastrophen- oder Umschwungjahr auszurufen. Also ran an die Arbeit: „2017: Die unausweichlichen Megakatastrophen“ oder „In die neuneinhalbe Dimension im Jahr 2019 – der ultimative Ausstieg“ – mal als Arbeitstitel.

Als nächstes schließ die Augen und fahr mit dem Finger über die Landkarte, wo der Finger bleibt, dort wird es das Erdbeben, den Vulkanausbruch, die Riesenüberschwemmung geben, oder wenn es eine Insel oder ein kleinerer Kontinent ist, den Untergang, d.h. die Anbindung an Atlantis. Wenn du auf Meeresgebiet landest, könntest du noch ein Seebeben voraussagen oder das Aufsteigen einer Landmasse samt gigantischer Kultur und spiritueller Energie. So füllen sich schnell die Seiten. Dann lass dir noch einen chicen Namen für einen Engel oder für einen aufgestiegenen Meister einfallen, der dir regelmäßig im Wachtraum erscheint und dir schon seinerzeit vorhergesagt hat, dass die ganzen Geschichten um 2012 einer kosmischen Verschwörung entstammen, mit der die Geister des Bösen die Leute in die Irre führen wollten, damit sie, wenn 2012 ohne den Zusammenbruch der Menschheit vorbeigeht, sich in Sicherheit wiegen und 2017 erst recht in die Pfanne gehauen werden. Aber jetzt hat der Leser/die Leserin die ultimative Wahrheit in der Hand, aus erster Hand.

Schnell findest du einen Verlag, die warten schon auf die nächste Jahreszahl, die Leute kaufen dein Buch wie warme Semmeln, es wird in 93 Sprachen übersetzt, du wirst zu Vorträgen überall auf der Welt eingeladen, sitzt in Talkshows und lässt dich von deinem Engel in Wetten dass erfolgreich beraten. Du wirst zum spirituellen und kosmischen Berater von Firmen, NGOs und Regierungen.

In ein paar Jahren wird der Boom abklingen, du hast deine Schäfchen gut ins Trockene gebracht und kannst dich diskret aus der Öffentlichkeit zurückziehen. So kommt das Jahr deiner Prophezeiungen, und es wird vorübergehen wie all die Jahre zuvor, und niemand wird sich mehr an deine Weissagungen erinnern, weil alle schon das Buch von der nächsten Weltzerstörung oder Weltverschwörung verschlingen, so dass sie gar nicht mitbekommen, was sich sonst noch in der Welt tut oder nicht tut.

Warum ich nicht selber das Buch schreibe? Zum einen ist mir noch kein passendes Pseudonym eingefallen, zum anderen fehlt mir die Phantasie für solche Texte, dauernd fallen mir andere blöde Geschichten ein. Aber ich gebe großzügig meine Idee an jedermann/frau weiter, der/die sich berufen fühlt, die nächste Welle der Angst und Hoffnung über den Planeten wallen zu lassen, na ja, und böse bin ich auch nicht, wenn auf mich als Ideengeber ein paar Brosamen aus dem üppigen Kuchen abfallen würde, der sich wohl aus diesen Zeilen backen lässt.

Samstag, 14. Mai 2011

Neue Genusskultur?

Robert Menasse, Autor und Essayist (Oberösterreichische Nachrichten am 16.6.2011), und Robert Pfaller, Philosophieprofessor, (Ö1-Gespräch am 12.5.2011) stimmen darin überein, dass wir in einer lustfeindlichen Gesellschaft leben, und nehmen als Beispiel dafür die Rauchverbote. Weitere Indizien für diese Feststellung: Cola light, fettarmes Schlagobers und alkoholfreies Bier. Der Umkehrschluss ist: Genuss ist es, überall rauchen zu können, wo man will, kalorienreiches Kola zu trinken, dazu fettes Schlagobers und Bier mit möglichst hohem Alkoholgehalt.

Die intellektuelle Reflexion bei Pfaller über die Hintergründe einer Gesellschaft, die solche Auswüchse der Lustfeindlichkeit hervorbringt, findet die neoliberale Wirtschaftsordnung mit dem damit verbundenen Sozialabbau als Verantwortlichen. Das mag so sein oder mag auch nicht so sein, einfach zu belegen ist diese Schlussfolgerung nicht, weil sie viele Zwischenstufen benötigt, bis sie vom Cola light bei der Kürzung von Sozialprogrammen ankommt. Aber kühne Sprünge sind eine Lieblingsbeschäftigung von Intellektuellen, und wenn eine gewisse Sprachgewandtheit dazu kommt, ist gleich ein „interessanter“ Gedankengang geschmiedet, der wortreich und seitenfüllend dargelegt werden kann. Ob es die Neoliberalen wieder aus den Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Gesellschaft vertreiben wird, wenn die Leute wieder ordentliches Bier trinken (was sie ja nach wie vor tun), ordentliches Schlagobers auf die Sachertorte türmen (detto), Cola heavy trinken (detto), bleibt noch abzuwarten.

Wenn schon Neoliberalismus: Rauchen und Trinken sowie ungesund Essen sind Übungen in der Körperverachtung und dienen der Zurichtung auf die Erfordernisse des Kapitalismus, der ja nur mit einem hohen Grad an Körperfeindlichkeit funktioniert. Die Genüsse, die dann noch in den Nischen des Arbeitslebens übrigbleiben, sind natürlich auch von Industrie und Marketing gesteuert, geben die Illusion von Entspannung und machen zugleich die Körper taub und gefühllos.

Diese Beispielen aus der Konsumwelt zeigen vor allem, wie sehr Menschen konditionierbar sind in ihrer Form des Genießens. Es ist ja nicht naturgegeben, dass Menschen das Rauchen genießen, das braucht bekanntlich einige Überwindungsprozesse, bis der Körper das Gift toleriert. Aber wenn jemand dann am Stengel dranhängt, kommt er so leicht nicht mehr los, auch deshalb, weil er es genießt. Wir wissen schon längst (auch die Raucher, die ja auch über Lungenkrebs und Raucherbeine Bescheid wissen), dass der Genuss in den ersten paar Zügen einer Zigarette liegt, mit deren Hilfe der Körper Stress abbauen kann. Das ist der Genuss. Die nächsten Züge bauen den Stress wieder auf. Dann muss die nächste Zigarette her, um den Genuss zu verschaffen, den Stress, den die vorige Zigarette erzeugt hat, wieder abzubauen. So simpel. Welch ein Genuss, welch eine Lust. Welch eine Gemeinheit und wie menschenfeindlich eine Gesellschaft, die solches Verhalten verbieten oder einschränken will...

Mit dem Alkohol verhält es sich ähnlich, wenn das Ekelgefühl einmal überwunden ist, liegt der Genuss in der Enthemmung, die sich nach der Ausnüchterung umso mehr wieder einstellt. Alkoholtrinker zeigen durch ihr Verhalten, wie sehr sie sich selber kontrollieren, sodass sie die Substanz brauchen, um sich freier zu fühlen. Eine Freiheit, die durch die Zufuhr von Stoffen, die der Körper als feindlich erlebt und nur mühsam abbauen kann, erzeugt werden muss, ist ein Zerrbild.

Und zum fetten Essen und zu den damit verbundenen Risiken gibt es genug sinnvolle Informationen. Wer nach dem Genuss eines üppigen fettreichen österreichischen Beislessen noch intellektuell denken kann, verdient uneingeschränkte Bewunderung.

Menasse karikiert den korrupten Puritaner (da denkt er wohl an einige Politiker, die jetzt am Pranger stehen): „Das ist ein widerlicher gesellschaftlicher Prototyp: der nicht rauchende, Cola light trinkende, fettarm essende Schmiergeldempfänger.“ Gefällt uns der rauchende, normales Cola trinkende und fettreich essende Mensch, ob Schmiergeldempfänger oder nicht, mit diesen Zuschreibungen allein schon besser?

Interessant ist dazu auch, dass sich auf den Barrikaden gegen die Raucherfeindschaft und gegen die Säuferschlechtmachung die Linken und die Rechten treffen. Rauchverbote waren in Österreich politisch erst machbar, als die FPÖ/BZÖ nicht mehr in der Regierung war. Und die Trinkfestigkeit gehört zentral zu den traditionellen Initiationsritualen der rechtsradikalen Zirkel. Offenbar brauchen auch die Linken die alkohol-induzierte Enthemmung (Mut antrinken?), um gegen die Entfremdungsstrukturen frech Stellung nehmen zu können. Nur in Bezug auf Schlagobers ist mir die Einstellung der politischen Richtungen noch nicht bekannt.

Weiters kann man darüber sinnieren, dass sich Intellektuelle mit solchen Themen beschäftigen. Ist das nicht viel mehr das Indiz einer Zeit, in der sich die geistigen Kräfte in den Analysen von Konsumgewohnheiten und Genusskonditionierungen verlieren und darin hängenbleiben? Sollen sie doch rauchen und trinken, fettes Gulasch und üppiges Schlagobers verschlingen und damit demonstrieren, wie sehr sie ihren Körper und seine Bedürfnisse verachten, aber was ist daran relevant im Sinn neuer Perspektiven für die Kultur des Genusses? Das ist in meinen Augen nur die Verteidigung spießbürgerlicher Konsumgewohnheiten

Wäre es nicht wichtiger zu fragen, wie wir den Verführungen der Konsumwirtschaft entkommen können, ohne Zwang oder Steuerung von oben, ohne verordnete Askese, vielmehr von innen heraus? Es gibt ja auch die Möglichkeit, auf all diese Substanzen deshalb zu verzichten, weil wir uns erlauben, auf unseren Körper und seine Weisheit zu hören, und wenn wir das wieder gelernt haben (wenn wir also die ankonditionierten Verdrängungsmechanismen der Körperweisheit durchbrochen haben), dass dann von selber der Drang und die Gier nach solchen schädlichen Substanzen verschwindet. Wir können zu einem Wohlgefühl in unserem Körper und in unserem Geist zurückfinden, das ganz andere Dimensionen des Genießens und der Lust eröffnen als sie je durch noch so raffiniert zubereitete Giftstoffe entstehen können.

Eine Teilnehmerin einer Atemgruppe hat erzählt, wie plötzlich jeder Drang zum Rauchen weggefallen ist, ohne wiederzukehren - ohne dass sie vorhatte sich das Rauchen abzugewöhnen.

Die wirkliche Askese wächst von innen und hat nichts mit Abtötung oder Lustfeindlichkeit zu tun. Sie besteht in einem Wiederfinden von tiefer (also unterhalb der Konditionierungen) in uns selber liegenden Quellen des Glücks. Wir müssen nur die Blockaden wegräumen, die sich im Lauf unseres Lebens über diese Quellen gehäuft haben. Und leider ist es so, dass alle Süchte und Abhängigkeiten, auch wenn wir sie auf einer Ebene als Genuss empfinden und aggressiv werden, wenn man sie uns wegnehmen will, noch mehr Schutt über die Quelle ablagern. 

Der Genuss eines bewussten freien Atemzuges, eines meditativen Moments, eines gelungenen Gesprächs ist jenseits aller kapitalistischen Manipulationen. Mit solchen Genüssen lässt sich kein Geschäft machen, weil sie die Menschen nicht süchtig machen, sondern kreativ, offenherzig und zufrieden.

Dienstag, 10. Mai 2011

Das Kopftuch und sein Symbolwert

Herrn Sarazins umstrittene krasse Aussage über die Türken, die nur Kopftuchmädchen produzieren, hat dieses Bekleidungsstück weiter mit Symbolwert aufgeladen.

Ich stehe vor einem Dilemma.
Einerseits: Ich weiß nicht, was so schrecklich daran sein soll, wenn Frauen Kopftücher tragen. Das kann einem gefallen oder nicht. Es gibt so viel Verschiedenheiten unter den Betuchungen, da brauche ich nicht gerade auf solche starren, die meinem Geschmack weniger entsprechen. Und warum sollen sich alle so kleiden, wie es meinem Geschmack und ästhetischen Urteil entsprechen würde?
Muss ich bei Kopftuch sofort an die drohende Türkisierung oder Islamisierung der Gesellschaft und Kultur denken, muss ich mir durch die Ängste vor Überfremdung die Sinne und das Denken vernebeln lassen (wie der oben zitierte Autor), muss ich sofort in ein Freund/Feindschema verfallen und das Thema vor politische Interessen spannen, oder kann ich es einfach dabei belassen: Da gibt es Frauen, die Kopftuch tragen, na und?

Andererseits kann ich auch nicht nachvollziehen, was so toll daran ist. Speziell an heißen Tagen des Hochsommers können einen die Kopftuchträgerinnen nur leid tun. Nicht wenige jedoch verbergen freiwillig ihre Haartracht unter Tuch, bei jeder Witterung. Natürlich ist das nicht die einzige Form des Leidens, die man und vor allem frau auf sich nimmt, zwecks sinnenansprechender Botschaft nach außen.
Es geht also um die Symbolkraft. Für viele im Westen und für viele „westlich“ denkende im Osten heißt Kopftuch Unterdrückung der Frauen und religiöser Fundamentalismus. Freiwillige Kopftuchträgerinnen sind dann solche, die die Unterdrückung internalisiert haben und die Nachordnung der Frauen nach den Männern für selbstverständlich nehmen und noch dazu bejahen. Aber können wir das so einfach unterstellen? Es mag in vielen Fällen zutreffen und in vielen anderen nicht.

Dazu kommt noch die religiöse Dimension. Neben dem Brauchtum in den Ländern des Orients, wo auch die meisten Männer Kopfbedeckungen tragen, wird der Koran zitiert mit einer (einzigen) Sure, die im Sinn einer Bedeckung der Frauen in der Öffentlichkeit (ohne dass genau angegeben wird, was bedeckt werden soll) interpretiert werden kann. Manche Frauen demonstrieren dann mit dem Tragen des Kopftuches das Bekenntnis zu ihrer Religion. Wenn also männliche Juden die Kippa tragen, sollte muslimischen Frauen das Tragen des Kopftuches nicht angekreidet werden. Und auch in diesem Bereich gibt es die oben angesprochene Leidensbereitschaft: Zugleich damit, dass die Frömmigkeit unter Beweis gestellt wird, wird ebenso die Fähigkeit, Opfer auf sich zu nehmen, demonstratitiv zur Schau gestellt.

Klar wünschen wir uns selbstbestimmte Frauen, d.h. dann aber auch solche, die nicht jeder Konsummode nachlaufen, nur in Designerlabels denken, einen standardisierten Musikgeschmack haben, jede Diät praktizieren, die gerade angepriesen wird, ihren Wissenshorizont mit Gratiszeitungen und Illustrierten begrenzen usw. Klar wünschen wir uns kritische, aufgeklärte, selbstbewusste und engagierte Frauen, die sich nicht fernsteuern lassen, weder von den Marketingstrategen der Konsumproduzenten noch von fundamentalistischen Ideologien. Aber es wäre zu einfach, am Vorhandensein oder Fehlen eines Kleidungsstückes auf solche Qualitäten und Persönlichkeitsmerkmale rückzuschließen.

Noch eine Nachbemerkung zum Burka-Verbot in Frankreich:

Ich kann den FranzoösInnen nachempfinden, dass sie Burkas nicht sehen können. Erstens haben sie sich 1789 ihre Freiheit erkämpft, die auch mit einer freien Bekleidungsform verbunden war – keine Culotten mehr, also die Geburt der langen Hose als Revolutionskleidungsstück. Von da her sind Bekleidung und Politik verbunden, und Politik ist für die Franzosen sehr stark mit dem Begriff der Freiheit verbunden.

Zweitens ist Frankreich auch das Geburtsland der Mode überhaupt, der deutsche Begriff kommt von dort. Lange Zeit dominierte Paris die Modewelt und ist auch heute noch ein großer Mitspieler in diesem Theater. Das Modegespür der Französinnen ist Legende, überhaupt gibt es viele weitere Belege für das ästhetische Empfinden dieser Nation. Da kann es wie die Faust aufs modisch geschulte Auge wirken, wenn arabische Damen mit Burkas, sprich mit Nicht-Mode schlechthin, also mit purer Bekleidung bar jeder Schönheit oder Hässlichkeit, die Straßen bevölkern, und wenn noch dazu dieses Bekleidungsstück fix mit der Unterdrückung der Frauen assoziiert ist.
Allerdings, die Freiheit, auch Nicht-Bekleidung zu tragen, hat in der Toleranz der FranzösInnen dennoch keinen Platz. Letztlich geht also Geschmack vor Freiheit.

                                                                           
                                                                                            
       

Standard-Umfrage: 43% wollen FP in der Regierung


Was erwarten sich 43 % der ÖsterreicherInnen, die sich die FP in der Regierung wünschen?

Schluss mit dem „linken Pack“, alle Minarette werden abrasiert und alle Türken sprechen Favoritenerdeutsch, alle Asylanten werden vom Bundesheer mit heftigem Abwehrfeuer von den Grenzen ferngehalten?

Was sonst könnte diese Partei zur Politik und Kultur des Landes beitragen? Vielleicht ein bisschen Vergangenheitspflege – neue Gedenktage, z.B. 15. März als „Tag des Anschlusses“ oder 20. Jänner als „Tag der Endlösung“ oder eben 8. Mai als „Tag der Niederlage“. Mehr brauchen wir uns nicht zu erwarten an historischem Wissen, auch nicht bei HC, dessen Kenntnisstand in diesen Dingen vermutlich jenen eines durchschnittlichen Burschenschafters überschreitet, der nach Konsum einer bestimmten Menge Bieres entsprechende Verhetzungen zu lallen oder grölen hat, um als schmissig zu gelten. Freilich scharen sich hinter dem Frontman die Vergangenheitsbeschwichtiger, die Nestbesäuberer, die Leute, die lautstark mit aller Brutalität für Recht und Ordnung eintreten und eloquent alle Massenverbrechen, soweit sie von arischen Menschen begangen wurden, verniedlichen, vertuschen und verdrängen. Also auch diesen Mief wollen unsere Mitbürger in der Regierung.

Die Aktenkoffer nicht zu vergessen, die sicher schon darauf warten mit den Kollateralabfällen befüllt zu werden, die sich in den geschäftlichen Feldern der Politik reichlich lukrieren lassen – vielleicht gibt es wieder eine Wohnbaugesellschaft zu privatisieren, schließlich sind ja die Weggefährten der ersten Stunde zu belohnen, auch wenn sie nichts anderes können als die Taschen für das Füllhorn der Fortuna eines überwältigenden Wahlergebnisses zu öffnen. Wohl bekomm’s.

4 Jahre ist es her, seit FP/BZ nicht mehr Regierungsverantwortung innehat, und alles ist vergessen, die Skandale, die Inkompetenzen, die Korruptionen, die Peinlichkeiten auf der EU-Ebene, die verzweifelte Suche nach Personen, deren Hirn über den eigenen Gartenzaun hinausreicht…

Sicher, Herr Strache hat noch in keiner Regierung versagt, aber was bitte sollte er dort beitragen zu den Problemen dieses Landes, zu Armut und Arbeitslosigkeit, zur Staats- und Heeresreform, zur Finanz- und Umweltpolitik? Für einen Oppositionspolitiker mag es in einer unbedarften Republik genügen, jeden Tag ein paar aggressive vorformulierte Rülpser in die Medienlandschaft zu spendieren, bitte lassen wir ihn dort, lange, bis zur Pension, die man ihm doch möglichst früh gewähren möge. Aufgrund seiner Verdienste um die Republik.

Samstag, 7. Mai 2011

Rache - Wenn die Opfer Täter werden

Die Rache ist im Gespräch. War der Begriff bisher vor allem als fixer Bestandteil der Rhetorik von extremen Terrororganisationen, so hat ihn die US-Propagandaaktion gegen den Hauptfeind Osama Bin Laden auch im angeblich aufgeklärten Westen salonfähig gemacht. Der Gegner wurde umgebracht, damit wurde ausgeglichen, was den Amerikanern vor 10 Jahren angetan wurde.

Was wurde ausgeglichen? Keine Tote der Anschläge vom 11. September steht wieder auf, kein Traumatisierter ist von seinen Symptomen befreit, keine Hinterbliebene wird vom seelischen Schmerz erlöst. Ausgeglichen wurde etwas in der krankhaften Struktur des Egos. Die Demütigung, die die Seele „des Westens“, der USA oder wessen auch immer, durch die Anschläge erlitten hat, wurde korrigiert, und dazu haben offenbar zwei Kriege (gegen Afghanistan, gegen den Irak) und die Hinrichtung eines anderen Hauptfeindes (Saddam) nicht gereicht (der sich ja als Unbeteiligter an der Hauptkränkung erwiesen hat); der Böse hinter allem Bösen muss beseitigt werden.

Wir sehen daran unsere Neigung, Konflikte zu personalisieren, auf dieser Ebene lassen sie sich scheinbar leichter und endgültig lösen: Ich bringe meinen Gegner um, damit ist der Konflikt aus der Welt. Aus den Erfahrungen mit der Blutrache wissen wir, wie wenig das stimmt; die Spirale von Rache und Gegenrache ist prinzipiell ohne Ende; im günstigen Fall deeskaliert sie im Lauf der Zeit, im ungünstigen eskaliert sie (ein Terroranschlag wird mit Krieg gegen ein Land beantwortet). Jedenfalls sorgen die Racheaktionen, insbesondere die hoch symbolbeladenen gegen prominente Exponenten der gegnerischen Seite dafür, dass der Konflikt bestehen bleibt. Und klar werden mit der institutionellen Absicherung eines Dauerkonflikts die verschiedensten Interessen bedient, und so mancher kann sich die Hände reiben mit Blick auf seine fetter werdende Brieftasche.

Was ist krankhaft an der Rache? Ist es nicht eine natürliche Reaktion, dass wir uns rächen wollen, wenn uns etwas Böses zugefügt wurde? Müssen wir nicht, wenn der Partner fremdgeht, ihm das mit einem eigenen Seitensprung heimzahlen? Müssen wir nicht, wenn wir erfahren, dass jemand schlecht über uns geredet hat, zumindest schlecht über diese Person reden, am besten so, dass sie es auch irgendwann mitbekommt? Rache ist doch süß, sollen wir auf den Genuss verzichten, der uns zuteil wird, wenn wir sehen, wie unser Feind leidet?

Wenn wir erkennen, dass es "nur" unser Ego ist, das sich mit der Rache stabilisiert, fällt es uns vielleicht leichter, unsere Racheimpulse zu reflektieren und zu hinterspüren. Wie könnte das geschehen?
Wir vergelten Böses mit Bösem und können damit nichts gut machen. Wir begeben uns auf die Stufe des anderen und machen uns ihm gleich, seine Bosheit ist nunmehr unsere Bosheit. Wenn wir uns das ehrlich eingestehen, sind wir schon einen Schritt weiter. Wir haben erkannt, dass wir nicht besser sind als der andere, der uns geschädigt hat. Wir sind genauso menschlich wie er auch. In diesem Sinne meinte Nietzsche: „Eine kleine Rache ist menschlicher als gar keine Rache.“

Der nächste Schritt kann sein, auf die geplante Racheaktion zu verzichten. Was bringt sie uns noch? Mit der Erkenntnis, dass wir selber rachsüchtig sind, haben wir schon eingesehen, dass wir böse sein können, der andere hat uns nichts mehr voraus. Im Gegenteil: Martin Luther King hat gesagt: „Das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ hinterlässt auf beiden Seiten nur Blinde und Zahnlose.“ Und wenn wir dem anderen die Zähne ausschlagen, wird uns selbst noch ein weiterer Zahn ausgeschlagen.

Es ist nicht unser Selbstgefühl, das wir mit solchen Aktionen stärken, sondern unsere Selbstabwertung, weil wir diejenigen Seiten von uns bekräftigen, die zu unserem Schatten gehören. Unser Selbstgefühl kann nicht an Handlungen, die anderen Schaden zufügen, wachsen, und ein ehrlicher Blick in unser Gewissen zeigt uns, dass wir auf solche Taten nicht stolz sein können. Wir engen unsere Innenwelt ein und verdunkeln sie. Unser Ego mag sich freuen und sich seiner Taten brüsten, aber unserer Seele ist damit ein weiterer Schaden zugefügt, der uns leiden lässt: Nicht daran, dass wir uns damit auch faktisch mit dem gleich gestellt haben, der uns verletzt hat, sondern einfach daran, dass wir einen Bruder, eine Schwester, einen Mitmenschen beschädigt haben.

Moses und Paulus berichten: „Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“ (5 Mos 32,35; Röm 12,19). Sie meinen damit, dass wir das Rächen dem Herrn überlassen sollen, er soll sich darum kümmern, auszugleichen, was durch die Verletzung passiert ist, die uns widerfahren ist. Wir können keine Gerechtigkeit auf der Welt herstellen, solange wir von unseren Verletztheiten ausgehen und solange wir darum kämpfen, unser Ego zufriedenzustellen. Und wie Gott diese Gerechtigkeit herstellt (mittels Zorn oder mittels Liebe oder mittels etwas noch anderes), ist letztlich seine Sache. Aber um das anzuerkennen, müssen wir einen gewaltigen Stück aus unserem personalisierten Ego-Bewusstsein machen.

Um uns zu einem solchen Sprung zu motivieren, kosten wir ein Stück systemisches Bewusstsein in dem Zitat aus dem mittelalterlichen Versepos Ruodlieb: „Böses mit Gutem zu vergelten, ist eine überaus großmütige Rache.“ Was so salbungsvoll christlich klingt, zeigt einen Hintersinn: Wenn ich die Kette der Rache und Gegenrache durchbreche (eine „Interpunktion von Ereignisfolgen“ nach Paul Watzlawick), dann bringe ich ein neues Element ein, den Großmut. Denn für einen solchen Schritt brauche ich einen größeren Mut, als er erforderlich ist, wenn ich dem anderen eine „in die Gosch’n hau“. 

Rache gewinnt dann einen neuen Sinn: Sie bringt etwas Größeres in Ausgleich als das Ego, sie durchbricht einen Teufelskreis und schafft Raum, dass Neues passieren kann. Sie beendet die destruktive Abhängigkeit vom Todestrieb und öffnet die Pforten für Wachstum und Befreiung.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Obama und die Fratze der materialistischen Demokratie

Der Friedensnobelpreisträger, der sich der Ermordung eines Gegners brüstet und dafür bejubelt wird, was für eine Zerrfigur...

Zeigt sich daran, dass es unmöglich ist, an der Spitze des riesigen Geld- und Machtapparates zu stehen, ohne von ihm verschlungen zu werden? Es ist nicht möglich und sinnvoll, ins Innere eines Menschen zu schauen, noch Ferndiagnosen zu erstellen. Aber viele Ideen, die Obama zu Beginn seiner Regierungszeit angesprochen hat, haben von einem Weitblick gezeugt, der sich wohltuend von der brutalen Gewaltlogik der Vorgängerregierung abgehoben hat. Ohne ein Grundverständnis des systemischen Bewusstseins wären diese Einsichten nicht möglich gewesen.

Nach zweieinhalb Jahren erleben wir den mächtigsten Mann der Welt im Machtrausch. Persönlich hat er die Ermordung des Bösewichtes schlechthin angeordnet, persönlich hat er mitgeglotzt (trotz Bildausfall), wie sein tolles Killerkommando den Auftrag durchgeführt hat. Die Rache ist vollzogen, der Held hat seine Heldentat vollbracht und nie wieder kann ihn jemand als Weichei beschimpfen. Natürlich geht der Kampf weiter, aber die Staatsbürger können stolz auf ihren Anführer blicken, der sie mit seiner Allmacht vor allem Bösen schützen wird.

Der Lohn für den Helden: Die Massen jubeln ihm zu und mögen ihn wie nie zuvor. Der Preis, die Glaubwürdigkeit, die Integrität, die Menschenwürde, das sind Qualitäten, die in einer vom Materialismus geprägten Demokratie keinen messbaren Wert darstellen. Wenn man in dem Großcasino namens USA (als besonders krasses Beispiel) mitspielen will, muss man sich an die Regeln halten, und diese lauten: Alles ist käuflich, und jeder ist käuflich. Was du wert bist, wird in Zahlen bemessen, in Geld oder in Umfragedaten. Danach muss sich alles Handeln richten: Mehr an Geld oder Umfragedaten zu lukrieren. Und da ist eine kaltblütige und genau berechnete Ermordung in jeder Hinsicht gerechtfertigt.

Das Fatale ist nur, dass die Gegner im Spiel genauso denken. Auch für sie ist jedes Mittel recht, um die eigene Sache zum Erfolg zu bringen. Wenn sie schon nicht den Präsidenten in seinem Schlafzimmer erschießen können, dann eben die Statussymbole seines Machtapparates, ein paar Hochhäuser, Botschaften, Einkaufszentren.

Und wir, die kleinen Maxerln der Weltgeschichte, könnten da je nach Geschmack mit Genuss oder Abscheu zuschauen, wie bei einem Boxkampf, bei dem alle Mittel recht sind und jeder Trick gilt, Hauptsache der Gegner wird getroffen, geschwächt und schließlich vernichtet. Wenn es da nicht die Möglichkeit gibt, dass wir selber dabei draufzahlen und dummerweise die Bombe neben uns explodiert, oder wir zufällig kollateral von einem Präzisionsangriff geschädigt werden.

Montag, 2. Mai 2011

Noch ein historisches Datum


Der Tod von Osama bin Laden gilt manchen als historisches Datum, schließlich wurde der „Terrordrahtzieher“ 10 Jahre lang intensiv gesucht und gejagt, vom bestbezahlten Geheimdienst und der bestgerüstetsten Armee der Welt. Dem Vernehmen nach schwer krank, war es wohl nicht einfach, sich so lange versteckt zu halten.

Die Tötung  – die Hinrichtung – die Ermordung, schon die Bezeichnungen des Ereignisses sind fragwürdig und kontextabhängig, war legitim nach den Gesetzmäßigkeiten des Wilden Westens, aber nicht nach irgendwelchen anderen Rechtsnormen. Es wird noch immer als Teil des „Krieges gegen den Terror“ dargestellt, der sich über alle völkerrechtlichen, kriegsrechtlichen und nationalstaatlichen Rechte hinwegsetzt mit dem Recht des Stärkeren. In seinem Sinn haben in den letzten Jahren zahllose Menschenrechtsverletzungen stattgefunden und sind zwei Kriege (Afghanistan 2001 und Irak 2003) entfesselt worden. Dieser gegen Unbekannt ausgerufene "Krieg gegen den Terror" zeigt, wie es in einer Welt zugeht, in der eine Supermacht und ihre Anhängsel schalten und walten, angreifen und zerstören können, wie sie wollen, und wie bitter es ist, dass es keine Gewalt gibt, die dieser Willkür Einhalt gebieten kann.

Ist nicht jeder Tod eines Menschen im Grund bedauerlich? Was feiern die Menschen in New York – die Genugtuung für ihre Rachewünsche? Was für eine Gerechtigkeit ist das, von der der US-Präsident spricht – die primitive Gerechtigkeit von Gewalt und Gegengewalt? Es ist wohl kaum so, dass die Welt durch diesen Tod sicherer geworden ist. Ob das Gegenteil eintritt und noch mehr Terroranschläge kommen, können wir nicht wissen. Aber klar ist, dass durch Terror und Gegenterror nur an einer destruktiven Spirale weitergedreht wird, die kein Ende hat.

Hoffentlich werden diese Zeilen nicht missverstanden als Rechtfertigung von Terrorüberfällen und anderes Leid, das Menschen angetan wurde. Ich verurteile jede Gewalt und besonders auch solche, die sich gegen Zivilisten wendet. Ich verurteile auch alle Hasspredigten und Aufrufe zu Zerstörungstaten. Soweit ich sehen kann, ist ein weithin verpfuschtes, von Bosheit durchtränktes Leben zu Ende gebracht worden. Die Frage dabei ist aber auch (und diese Frage muss immer gestellt werden, solange wir eine menschengerechte und menschenachtende Gesellschaft wollen), ob zu Recht, bzw. nach welchem Recht.

Ein historisches Datum


Ein historisches Datum: 81 Jahre nach der Volksabstimmung und 39 Jahre nach dem Kärntner Ortstafelsturm und endlosen Auseinandersetzungen um „lächerliche Ortstafeln“ scheint dieser Konflikt ein Ende zu finden. Auch wenn wir Restösterreicher uns schwertun mit den Empfindlichkeiten unserer südlichen Landsleute, sollten wir lernen zu verstehen, was Menschen dazu bringt, so zu empfinden, wie sie empfinden und so zu denken, wie sie denken.

Er lehrt uns, dass Gesellschaften und Kulturen kollektiven Ängsten ausgeliefert sind und entsprechende Schutzmechanismen mobilisieren. Einmal erlebte Bedrohungen (der Kärntner Abwehrkampf nach dem 1. Weltkrieg) werden internalisiert, dauerhaft gespeichert und durch ähnliche Situationen (slowenisch sprachige Ortstafeln) wieder wachgerufen, gleich, ob in der aktuellen Situation reale Gefahren bestehen oder nicht. Die entsprechende Realitätsprüfung wird dabei leicht und schnell ausgeschaltet, auf der individuellen wie auf der kulturellen Ebene.

Politiker machen sich populär, wenn sie solche Ängste kanalisieren, d.h. eben in ihre Kanäle leiten und Stimmen ködern und ihre Macht ausweiten. Es genügt, den Ängsten eine aggressive Sprache zu geben und damit zu suggerieren, dass der beschworenen Gefahr auch beherzt Widerstand geleistet wird. Das Gefühl, dass jemand die eigenen diffusen Ängste ernstnimmt, ihnen eine Bedeutung gibt und Schutz anbietet, bringt manche Menschen dazu, ihre Vernunft abzugeben und blind zu vertrauen.

Was wir brauchen, um von solchen trüben Kanälen nicht verführt zu werden, ist einerseits ein Blick nach innen: Was ist wirklich bedrohlich und gefährlich an zweisprachigen Ortstafeln? Was ist der eigentliche Grund der Angst, die da aufsteigt? Andererseits brauchen wir die Kenntnis von der Geschichte im Sinn einer kritischen Geschichtswissenschaft, also nicht einer, die Macht- oder Gruppeninteressen verpflichtet ist, sondern eine, die bereit ist, die Ereignisse und Motivlagen aus vielfältigen Blickpunkten zu erörtern, z.B. aus der Sicht der Geschichte der slowenischen Minderheit bis zurück ins Mittelalter, auf den Ablauf des Abwehrkampfes und der Volksabstimmung, auf die NS-Episode in Kärnten und ihre Nachwirkungen usw.

Dann sollten wir auch einen Blick in die Zukunft wagen: in eine Welt der Verschiedenheiten und Gleichberechtigung der Kulturen, wo jede von der anderen lernen kann statt sich vor ihr zu fürchten.