Montag, 8. März 2021

Die passive Aggressivität

Vieles gibt es im Leben, das uns Ärger bereiten. Und wir haben viele Möglichkeiten, diesen Ärger von innen nach außen zu bringen. Eine davon ist die passive Aggression. Sie ist interessant, weil sie komplizierter ist als die einfache Wut.

Bei diesem Phänomen handelt es sich um eine Aggressivität, die nicht offen ausgelebt wird, sondern die sich auf versteckten Wegen äußert. Die Theorie dahinter lautet, dass wir alle Aggressionen in uns tragen, die wir entweder aktiv oder passiv zum Ausdruck bringen können. Wer sich nicht traut, offen wütend zu sein, muss den Zorn auf andere Weise ausleben. Für diesen Umweg bieten sich verschiedene Möglichkeiten an.

Diejenigen, die gerne bei jedem sich bietenden Anlass mit voller Wut explodieren, sind oft dankbar, wenn sie von der passiven Aggression hören, weil sie damit ihre eigene emotionale Instabilität entschuldigen können: Alle, die nicht so expressiv reagieren wie sie selber, sind eben insgeheim und versteckt wütend, was umso schlimmer ist. Denn die passiv wütenden Menschen sind neben dem, dass sie zornig sind wie alle anderen, zusätzlich noch unehrlich, hinterhältig und feig. Also verdienen sie es, mit offener Wut konfrontiert zu werden. 

Ein schwieriger Begriff

Wir sehen: Wir haben es mit einem diffizilen Begriff zu tun, weil er etwas beschreibt, das nur indirekt erschlossen und oft nur vermutet werden kann. Es ist den Betroffenen nicht bewusst, wenn sie passiv aggressiv sind und die Umgebung bekommt auch keine direkte Wahrnehmung von Aggression. Sie reagiert zwar verstört und irritiert, oft aber ohne zu wissen, was die Ursache ist. Die entsprechende Diagnose steht deshalb immer auf schwachen hypothetischen Beinen. Sobald sie als Waffe verwendet wird, braucht man sich nicht zu wundern, dass es zu einer Abwehr kommt und die Spannung eskaliert.

Dazu kommt, dass die von diesem Verhalten Betroffenen, eben weil es unbewusst gesteuert ist, nichts wissen und deshalb auch nicht zugeben können, wenn sie darauf angesprochen werden. Sie empfinden es als boshafte Unterstellung, gegen die sie sich zur Wehr setzen müssen – oft mit Mitteln, die eben wieder passiv-aggressive Züge tragen. Es entsteht dann leicht eine ausufernde Dynamik, indem die Diagnose abgewehrt wird, während sich beim Gegenüber durch die Form der Abwehr der Eindruck verstärkt, dass sie stimmt.

Erst wenn wir bei uns selber nachschauen, welche Impulse hinter manchen unserer Reaktionen stecken, können wir die Diagnose mit Leben erfüllen. Wir können also, wenn wir ehrlich nachschauen,  in uns selbst Züge wahrnehmen, die mit unterdrückten Wutimpulsen zusammenhängen. Ob unsere Mitmenschen gerade passiv aggressiv sind oder nicht, können wir nur mutmaßen und sie fragen, wenn wir über dieses Maß an Vertrautheit mit ihnen verfügen.

Beispiele

Woran könnte man die passive Aggression erkennen? Es gibt eine Reihe von Hinweisen, die hier beispielhaft ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt werden:

Witze auf Kosten von anderen Personen: Wer sich über andere lustig macht, ist nur scheinbar fröhlich, sondern kanalisiert den eigenen Ärger gegen diese Personen auf diese Weise. Oft folgt dann, wenn die angesprochene Person beleidigt reagiert, die scheinbare Verwunderung: „Das war doch nicht ernst gemeint. Du verstehst auch überhaupt keinen Spaß.“ Damit sitzt gleich die nächste Abwertung.

Sich dumm oder naiv stellen: So zu tun, als hätte man nicht verstanden, was der andere wollte oder worum es ging, ist eine hilfreiche Taktik, um unangenehmen Situationen zu entgehen. Sie ist gleichwohl mit dem Verzicht auf die eigene Verantwortung und der Regression in eine kindliche Haltung verbunden. 

Die Schuld auf andere schieben: Statt die Verantwortung für einen eigenen Fehler zu übernehmen, wird jemand gesucht, der schuldig oder mitschuldig sein könnte. „Ich hätte auf den Termin nicht vergessen, wenn du mich rechtzeitig erinnert hättest. Der Fehler liegt also bei dir.“

Scheinzustimmung: Eigene Bedürfnisse und Wünsche werden übergangen und statt dessen wird etwas zugestimmt, ohne es wirklich zu wollen. In der Ausführung meldet sich dann die Sabotage in Form von Irrtümern,  Zögern und Verzögern oder Fehlern. Eine Person erklärt sich mit dem Vorschlag einer anderen Person für eine gemeinsame Aktivität einverstanden, obwohl sie eigentlich etwas anderes vorzieht, vergisst aber dann den Termin, plant etwas anderes zu der Zeit ein, verschiebt die Verabredung aus undurchsichtigen Gründen oder stellt sie sogar in Abrede.

Übertreibungen: Die Fehler der anderen Person zu vergrößern und zu verallgemeinern, ist eine häufig gebrauchte Form der passiven Aggression. Damit soll die angesprochene Person kleingemacht werden. „Du verwendest ununterbrochen Schimpfwörter.“ „Sie machen nur Fehler bei der Arbeit.“ 

Verkleidete Beleidigungen: Zuerst kommt eine Entschärfung, die das Gegenüber in Sicherheit wiegen soll, damit der folgende Angriff umso besser sitzt. „Ich meine es ja nicht böse, aber du bist einfach ein mieser Typ.“ 

Sarkasmus und Zynismus: Spott und Hohn dienen zur Selbstverteidigung eingesetzt. Verkleidet in eine scheinbar nette Form soll die andere Person entmachtet werden: „Echt toll, wie du dich aufspielst.“ „Beneidenswert, wie du andere heruntermachst.“

Aggressives Schweigen: Um die andere Person zu verunsichern und zu betrafen, wird die Kommunikation abgebrochen. Der andere soll im Regen stehen bleiben und wird mit Verachtung belegt. 

All diese Verhaltensformen sind mögliche Hinweise auf passive Aggressivität. Sie können auch andere Gründe haben. Deshalb sollten wir, wie schon gesagt, mit der Diagnose vorsichtig sein, denn Diagnosen wie diese können selbst zu Zwecken der passiven Aggression verwendet werden. Gemeinsam ist den verschiedenen Formen dieses Verhaltens, dass die eigenen Bedürfnisse und Verletzungen zurückgehalten werden, das Übernehmen von Verantwortung vermieden und die Last der eigenen Fehler auf andere abgewälzt wird. 

Die Entstehung der passiv-aggressiven Muster

Der Ursprung dieser Tendenzen zur passiv aggressiven Entwertung liegt natürlich in der Kindheit. Vor allem dort, wo heftigerer Gefühlsausdruck verpönt und verboten war, müssen sich aufgestaute Wutenergien andere Wege suchen. Häufig war das Ausdrücken von Wut mit Liebesverlust verbunden. Außerdem verfügen Eltern, die den Kindern ihren Zorn austreiben wollen, meist selber über verschiedene Strategien aus dem Repertoire der passiven Aggression. So wurde in der schwarzen Pädagogik das Ignorieren der Kinder, wenn sie etwas angestellt hatten, praktiziert, eine Form der aggressiven Kommunikationsverweigerung. Die Kinder kopieren dann in ihrem späteren Leben nur ihre Eltern.

Passiv aggressives Verhalten kann aber auch in anderem Rahmen erlernt werden. In vielen Institutionen ist es unklug und kontraproduktiv, dem eigenen Zorn freien Lauf zu lassen. Diese Zurücknahme der aggressiven Impulse kann schon im Kindergarten beginnen, sich durch die Schullaufbahn ziehen und in den Arbeitsverhältnissen notwendig sein. Solange diese Mechanismen nicht bewusst sind, bereiten sie den Nährboden für passiv-aggressives Trotzverhalten, das in vielen Betrieben einen schwer zu beseitigenden Sand im Getriebe erzeugt: Arbeiten bleiben unerledigt oder werden nur mangelhaft ausgeführt, Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit machen sich breit, das Betriebsklima ist gehemmt und belastet. 

Schamvermeidung

Die passiv-aggressiven Verhaltensweisen dienen auf einer tiefen Schicht der Abwehr der Scham. Das unangenehme Gefühl, das uns das Schämen bereitet, muss durch Gegenstrategien verhindert werden. Wenn wir gelernt haben, dass auf das Ausdrücken von Wut die beschämende Aufforderung gekommen ist, sich dafür zu schämen, dann ist die Abwehrform klar: Keine direkte Aggression darf nach außen dringen. Da aber jede Beschämung aggressive Gefühle auslöst, weil Persönlichkeitsgrenzen verletzt wurden, muss sich die Wut Umwege suchen. Ein probates Mittel besteht darin, statt beschämt zu werden, selber zu beschämen, wie es die verschiedenen Formen des passiv-aggressiven Verhaltens zur Folge haben.

Andere lächerlich oder durch zynische Bemerkungen mundtot zu machen, bewirkt eine Beschämung. Die klammheimliche Freude, die beim „Erfolg“ passiv-aggressiver Aktionen häufig auftritt, besteht darin, dass einen die Beschämung nicht selber trifft, sondern die andere Person darunter leiden muss. 

Alle Formen der Schamabwehr haben eins gemeinsam: Sie wirken nur partiell und nie nachhaltig. Das Ausüben dieser Praktiken hat immer Schamgefühle zur Folge. Denn andere zu beschämen ist selber wieder beschämend, und die Freude darüber verstärkt die Scham zusätzlich. Da es sich aber um Formen der Schamverhinderung handelt, wird die Folgescham wiederum unterdrückt und schwelt im Untergrund. Von dort aus setzt sie immer wieder die Abwehrform in Gang, sodass die unbewusst gesteuerten Abläufe wie ein perpetuum mobile in Endlosschleifen weiterwirken und sich zu Verhaltensmustern auswachsen.

Bewusstheit

Wie oben bemerkt, kann die Aggression in den geschilderten Verhaltensweisen nur in der Eigenreflexion bewusst gemacht werden. Oft ist sie sehr tief verborgen, besonders dann, wenn starke Tabugefühle um die Wut herum entstanden sind. Manchmal hilft ein bewusster Blick auf die Folgen. Es kann schon helfen, die irritierten oder beleidigten Reaktionen der anderen Menschen, die man ja lieben möchte, ernst zu nehmen und nicht mit naiver Selbstrechtfertigung abzutun (nach dem Motto: „Ich habe es ja nur gut gemeint“, das oftmals den Gipfelpunkt des Zynismus darstellt). Die Einsicht, selber an Spannungen und Konflikten mitzuwirken, wird dazu motivieren, die eigenen Reaktionsweisen auf den Prüfstand zu stellen. Die Schamschwelle, die mit dem Eingeständnis eigener Wutgefühle verbunden ist, muss dabei überwunden werden. Damit das gelingen kann, ist die verständnisvolle Unterstützung durch andere Menschen hilfreich. Einmal erkannt, verliert die Abwehrdynamik ihre Macht, während die Sensibilität für die Grenzen und Bedürfnisse der anderen Menschen stärker wird. 

Mit dem Verständnis für die eigene Scham ist ein wichtiger Schritt getan, mehr zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu stehen und sie klar ausdrücken zu können. Auf dieser Basis wächst die Kraft zur Selbstverantwortung für die eigenen Handlungen und deren Folgen. Es wird einsichtig, dass trotziges Sabotieren in der Erwachsenenwelt nicht mehr notwendig ist, um den eigenen Gefühlshaushalt ins scheinbare Gleichgewicht zu bringen. Vielmehr wird spürbar, dass die Übernahme der Verantwortung für die eigenen Fehler und Schwächen aufrichtet und stärkt.

Zum Weiterlesen:
Wut - das herausforderndste Gefühl
Was tut gut an der Wut?


1 Kommentar:

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