Ein Kennzeichen der rechten Politikorientierung besteht in der Hassfixierung. Es gibt solche Phänomene auch auf dem linken Spektrum, doch sind sie dort weniger ausgeprägt und meistens differenzierter. Viele Rechtsextreme begnügen sich mit ein paar Feindbildern, die mit ihrem Hass belegt werden. Sie wollen stark und mächtig sein, und gehasst wird alles, was mit Schwäche assoziiert ist: Verletzlichkeit, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Kompromissfähigkeit und alles, was als woke verschrien ist. Selbst die zentrale menschliche Tugend des Mitgefühls wird als Ausdruck verweichlichter Moral umgedeutet. Also fühlen sie sich allen überlegen, die die Schwäche nicht so hassen wie sie selber. Sie sind die einzigen, die die wirkliche Gefahr kennen, die der Menschheit droht: Schwache Menschen (die „Herdenmenschen mit ihrer Sklavenmoral“ in Nietzsche’s Diktion), die sich zusammenrotten und den Starken ihren Willen aufzwingen wollen. Deshalb wird die Demokratie verachtet und gehasst. Sie hat den einzigen Nutzen, die „wirklich Starken“ an die Macht zu bringen, und dann wird die richtige Ordnung mit der Unterdrückung von allem Schwachen hergestellt. Das war die Vorgehensweise der Nationalsozialisten 1933 und das ist das Projekt 2025, nach dem gerade die USA umgekrempelt werden.
Die Objekte des Hasses sind also die Schwachen, gleich ob es Frauen, Liberale, Sozialisten, Ausländer oder Angehörige von Minderheiten sind. Ein polnischer Rechtspolitiker hat vor einiger Zeit vor den westlichen (=verweichlichten) Vegetariern und Radfahrern gewarnt, so als wären der Verzicht auf das Fleischessen und das Radfahren eine Gefahr für die gesunde Stärke der Polen. Selbst wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz werden aus dieser politischen Richtung bekämpft und als Zeichen von Schwäche gedeutet. Auch biologischer Landbau wird manchenorts, z.B. in konservativ regierten Staaten der USA abgewertet – aktuell gibt es Fälle, in denen Bio-Bauern von der Polizei gezwungen werden, chemische Keulen gegen Schädlinge einzusetzen, obwohl diese auch biologisch bekämpft werden können. Mit Giften wird die Umwelt belastet, was den rechtsgerichteten Politikern egal ist.
Nur Schwachen kann eine Klimaveränderung etwas anhaben, sollte es überhaupt jemals dazu kommen und die ganze Sache nicht eine Erfindung von gekauften Wissenschaftlern sein. Viele behaupten, dass Klimaschutzmaßnahmen nur zur Unterdrückung der Menschen eingesetzt werden, indem sie Änderungen in der Lebensweise verlangen, die als Zwang erfahren werden.
In der Coronazeit wurde selbst das Maskentragen und Impfen als Schwäche gedeutet und abgelehnt – viele Rechte brüsteten sich mit ihrem „starken Immunsystem“, um sich den Schutzmaßnahmen nicht unterordnen zu müssen. Natürlich hat das Virus vor solchen Einstellungen nicht Halt gemacht und so manches eingebildetes Immunsystem überwunden, was bei den betroffenen stolzen Maßnahmengegnern dann unweigerlich Schamgefühle ausgelöst hat, die dann verdrängt und in Hass umgewandelt werden mussten.
Die Wurzeln
Der Hass wird offen möglich, wenn die Unverschämtheit ausreichend entwickelt ist. Sie stammt aus einer erlernten Fähigkeit zum Unterdrücken und Überspielen der Schamgefühle. Diese Konditionierung stellt eine Reaktion auf in der Kindheit erlittene Beschämungen dar, als Gegenwehr gegen Herabwürdigungen, als Ausgleich für Abwertungen. Ehrlichkeit wird verachtet, wenn die Eltern das Kind oft belogen haben. Empathie wird als Schwäche gedeutet, wenn sie selber nie erfahren wurde. Verletzlichkeit wird zum Tabu, wenn sie zu Erniedrigungen geführt hat. Freundlichkeit wird abgelehnt, wenn sie in echter Form nie empfangen werden konnte.
Der Hass gilt im Grund den Personen aus der eigenen Lebensgeschichte, die dem Kind all diese wesentlichen emotionalen Grundlagen der Menschlichkeit vorenthalten haben. Darum kennt die innere Landkarte solcher Menschen viele weiße Flecken, die mit Hass gefüllt wurden. Der emotionale Schmerz, der mit der erzwungenen Einprägung der Unverschämtheit verbunden ist, ist so überwältigend, dass an der Haltung des Hasses und an der Verachtung seiner Objekte um allen Preis festgehalten werden muss.
Die Identifikationsfiguren für Stärke und Kraft hingegen werden verehrt, auch um jeden Preis – sie können selber Schurken, Lügner, Verächter oder Dummköpfe sein, sie können selbst ihre Anhänger auf den Leim führen oder ihnen nach Strich und Faden das letzte Hemd ausziehen – sie bleiben auf dem Podest der Verehrung. Denn die wahren Bösewichter sind fix in der eigenen Psyche verankert. Verschwörungstheorien und faktenferne Fantasien, die von den Führungsfiguren als eigentliche Wahrheiten verbreitet werden, dienen zur Stabilisierung der Fixierung.
Dem Führer sind viele Anhänger sinnloserweise bis in den Tod gefolgt. Bei ähnlich gestrickten Autokraten wie Donald Trump brauchen wir uns nicht zu wundern, dass ihm viele blind folgen und frenetisch Beifall schreien, was immer er gerade macht oder von sich gibt. Aber von der knappen Mehrheit, die ihn gewählt haben, fallen immer mehr ab von seiner Linie, denn nicht alle unterliegen der Hassfixierung. Nicht wenige haben den Blick auf die Realität bewahrt und können abschätzen, was der Abbau der Demokratie und die Abkehr von vielen Grundwerten kosten wird.
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