Wir wissen viel über ökologische Zusammenhänge, über knapper werdende Ressourcen, über die Schädigungen an Atmosphäre, Wasser, Vegetation usw. Wir wissen auch, dass wir durch unser Verhalten dazu beitragen und was wir ändern könnten, damit wir die Belastungen für die Umwelt reduzieren. Wir kennen den ökologischen Fußabdruck, der uns z.B. sagt, dass wir mit einem Flug von Wien nach New York 2 793 Tonnen CO2-Ausstoß sorgen, dass wir als durchschnittliche Autofahrer 3.758 t pro Jahr CO2 produzieren. Wir wissen, dass wir mit einem durchschnittlichen Fleischkonsum zwischen 0,3 und 3,6 Tonnen CO2-Emissionen/Jahr bewirken. Wir können auch leicht herausfinden, dass unser Fleischessen 2 Millionen Liter Wasser pro Jahr verbraucht und dass wir durch die rein vegetarische Ernährung den Wasserverbrauch durch das, was wir essen, halbieren könnten. Und so weiter.
Wir sind gebildet, aufgeklärt, verantwortungsbewusst und sagen unseren Kindern, wie sie gut auf die Umwelt achten können. Dennoch wollen wir nur wenig bis gar nichts an unseren Gewohnheiten ändern. Wenn ich das Auto nehme, brauche ich nur die halbe Zeit für den Weg auf die Post, muss ich mich nicht mit den schweren Taschen abschleppen, … Ich habe ja immer Gründe, warum ich das Auto verwende. Ebenso muss ich das Flugzeug verwenden, wenn ich auf Urlaub gehe, ich will ja mal ein fernes Land erkunden, und da ist das Fliegen die einzige Möglichkeit. Und weil es so schön war, muss nächstes Jahr wieder eine Fernreise stattfinden und zur Abwechslung zwischendurch ein paar Städteurlaube, nur kurz, und wie schön, es gibt ja die Billigflieger, das muss man ausnutzen.
So leben wir dahin auf Kosten künftiger Generationen, die auf diese vermutlich zurückschauen werden als die der Prasser, die die Werte dieser Erde mit vollen Händen hinausgeworfen bzw. in die Atmosphäre geblasen haben – für ihre Bequemlichkeit, für ihr Vergnügen. Schön, dass sie Spaß und Abwechslung hatten und sich nicht allzu sehr anstrengen mussten, könnten unsere Enkel- und Urenkelkinder einmal über uns sagen, aber wir können das alles nicht mehr, weil die Ressourcen weg sind, unwiederbringlich. Wir müssen uns damit begnügen, was sie uns übriggelassen haben.
„Hinter uns die Sintflut“ scheint das Motto für unsere westliche Lebenskultur zu sein. Aber das sprechen wir ungern aus, statt dessen beschwichtigen wir unsere etwaigen Schuldgefühle mit einer Palette an Ausredestrategien:
Wir machen Gegenrechnungen: Ich fahre zwar alles, was geht mit dem Auto, dafür trenne ich den Müll gewissenhaft. So, als wären schlechte Taten durch das Tun von Gutem ungeschehen gemacht: Ich bestehle jemanden und spende einer karitativen Organisation. Das Spenden macht natürlich den Diebstahl nicht wett und hilft dem Opfer nichts.
Wir verstecken uns in der Menge: Wenn ich nicht auf Urlaub fliege, sitzt jemand anderer auf meinem Platz. Das ist die Logik der Verantwortungslosigkeit, ähnlich, wie sich manche Kriegsverbrecher zu rechtfertigen versuchen: Wenn ich die Kinder nicht erschossen hätte, hätte es jemand anderer gemacht. Dinge geschehen, Flugzeuge fliegen, Menschen werden ermordet, und ich steck mei Köpferl in Sand.
Wir verdrängen: Je mehr Informationen auf uns einströmen, desto wirkungsloser werden sie. Der Schock lässt nach, bis er nicht mehr wahrgenommen wird. Unser Hirn siebt aus: Aha, das Polareis ist wieder geschmolzen, schlimm, aber kenne ich schon, damit habe ich schon gelernt zu leben. Das muss ich mir nicht merken, und das muss ich schon gar nicht auf mein Leben beziehen. Oje, die armen Eisbären, blöde Geschichte, aber so weit weg.
Wir wälzen die Schuld auf die anderen: Was „die Industrie“ und „die Wirtschaft“ an Abgasen ausstößt, ist um so viel mehr als der Verkehr, also brauche ich mir um den Schadstoffausstoß meines kleinen SUVs keine Gedanken machen. Die Chinesen und die Inder haben ja überhaupt kein Umweltbewusstsein, die sollen mal aufräumen. Außerdem hat mein Nachbar ein noch größeres Auto und fährt jedes Pipiwegerl damit, bloß um allen zu zeigen, wer er ist.
In der Sandkiste gelernt, fürs Leben tauglich – die Kultur der Ausreden, die wir in uns angelegt haben. So können wir uns „kognitiven Dissonanzen“ bewältigen: Wir wissen, dass vieles von dem, was wir tun, zur Schädigung der Umwelt beiträgt; wir wollen (oder können) das nicht ändern. Das macht Druck im Gewissen. Wir entlasten uns, indem wir uns Ausreden zulegen, die wir innerlich so oft wiederholen, bis uns das schlechte Gewissen nicht mehr plagt.
Zwischen das, was wir wissen und das, was wir tun sollten, legen wir unsere Ausreden. Sie schützen uns davor, unseren Einsichten gemäß zu handeln.
Wir können kein perfektes Leben führen. Es ist vielleicht nicht so extrem, wie Theodor W. Adorno dramatisch formuliert hat: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Doch müssen wir mit Widersprüchen und Spannungen leben und diese aushalten, statt uns über sie hinwegschwindeln. Das macht das Erwachsenenleben aus, und das ist anstrengend und erfordert mehr Bewusstheit. Ja, wir machen uns mitschuldig an den Problemen dieser Welt, mit jedem Stück Fleisch, das wir essen, mit jedem Meter, den wir im Auto zurücklegen, mit jedem billigen T-Shirt, das wir kaufen. Ja, wir wirken mit an den Katastrophen, die uns erschrecken. Wenn wir bereit sind, diese Spannung auszuhalten, hilft uns das, in unserem Leben Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren.
Die Ausreden dagegen dienen der Regression. Wir verhalten uns wie Kinder, die nicht in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen und Widersprüche auszuhalten. Manchmal ist es einfach so, weil wir uns überlastet fühlen. Dann können wir auch dazu stehen, und bald ändert sich unser Zustand und wir haben wieder Zugriff auf unsere Kompetenzen.
Dann können wir uns auch bewusst machen, dass uns Ausreden nicht weiterhelfen, wenn wir an integralem Wachstum interessiert sind. Denn dieses besteht auch darin, die Räume der Verantwortung auszuweiten und nicht zu reduzieren. Mit der Übernahme von Verantwortung und Mitverantwortung wächst uns auch die Kraft zu, aus ihr zu leben, d.h. die richtigen Entscheidungen zu treffen und in Handlungen umzusetzen.
Vgl. Autofahren und Bewusstheit
Vgl. Die Politik der Symbole
Gedanken, Ideen und Satiren von Wilfried Ehrmann, Psychotherapeut und Buchautor in Wien
Donnerstag, 18. April 2013
Sonntag, 7. April 2013
Emergenz und die Abkehr vom Determinismus
Zum erweiterten Begriff des Lebens gehört die Selbsttranszendenz, die Fähigkeit, aus einer Lebensform grundlegend neue Organisationsformen zu bilden. Noch weiter gefasst, kann diese Eigenschaft auf alle „Holons“ übertragen werden. „Holon“ ist ein Begriff, den der österreichisch-ungarische Schriftsteller Arthur Koestler geprägt hat und der darauf verweist, dass in systemischer Sicht alles, was es gibt, zugleich Teil und Ganzes ist, dass somit Teilsein und Ganzsein untrennbar miteinander verbunden sind und universale Geltung haben. In diesem Sinn hat der US-Philosoph Ken Wilber die Holone als Grundelemente seines integralen Weltbildes verwendet. Alle Holone können sich selbst transzendieren, und so entstehen aus subatomaren Teilchen Atome, aus diesen Moleküle usw.
Das Hervortreten neuer Holone aus schon bestehenden nennt man Emergenz, und zwar dann, wenn die Eigenschaften des neuen Holons nicht aus dem alten abgeleitet werden können, so wie die Eigenschaften der Tiere nicht in den Pflanzen enthalten waren, oder die Reptilien keine Anlagen zu Flügeln hatten, die die Vögel entwickelten.
Unter dieser Annahme scheitert ein deterministisches Weltbild, das annimmt, dass sich jede Entwicklung der Zukunft bei Kenntnis der gegenwärtigen Bedingungen vorausberechnen lässt. Vielmehr kann grundsätzlich nicht vorhergesagt werden, welche neue Form entsteht, wenn eine bestehende sich selbst transzendiert. Die Pflanzen konnten also nicht wissen, wie die Tiere ausschauen würden, die sich aus ihnen entwickelten. Ebensowenig hätte ein Wissenschaftler, der zu der Zeit, als es nur Pflanzen gab, diese beobachtet hätte, vorhersehen hätte können, dass sich Tierarten bilden könnten und wie diese beschaffen sein könnten.
Deterministisches, also vorausberechenbares Verhalten ist dann nicht die Norm im Universum, sondern ein Randphänomen, das auftritt, wenn ein Holon seine Fähigkeit zur Selbsttranszendenz verliert. Dagegen findet sich Emergenz in allen Bereichen, von Wirbelphänomenen im Wasser bis zu sozialen Gruppen.
Die Wissenschaft vermag Phänomene, die sich auf Grund von Emergenz gebildet haben, nur im Rückblick zu erklären. Sie kann in diesen Fällen, und das betrifft den weitaus größten Teil der Phänomene, also nur rekonstruktiv vorgehen. Dennoch hat sich unser Ideal von Wissenschaft auf deren deterministische Version eingeprägt. Wissenschaftlich „im strengen Sinn“ sei nur, was Voraussagen erlaubt, die dann allgemein überprüfbar sind. Was keine Voraussage erlaubt, sei spekulativ und keine Wissenschaft. Allerdings trifft diese Form der Wissenschaftlichkeit dann nur mehr auf leblose Dinge in einem begrenzten Beobachtungsrahmen zu, wie z.B. die Gesetze der Schwerkraft, die voraussagen lassen, dass ein schwerer Gegenstand zu Boden fallen wird. In den Bereichen der Quantenphysik funktionieren diese Gesetzmäßigkeiten schon nicht mehr, und ihre Anwendung auf lebendige Bereiche bringt nur minimalen Erkenntnisgewinn.
Die deterministische Wissenschaftsnorm ist uns deshalb so vertraut, weil sie in unserer Lebenswelt von Dingen und ihrer technischen Anwendung erfolgreich ist. Unsere Wahrnehmung ist nicht geeignet, Quanten zu beobachten. Für die groben Strukturen, die wir sehen können, reicht das deterministische Erfahrungsmodell.
Der „Fehler“, den wir allerdings begangen haben, liegt darin, dass wir diesen Wissenschaftsbegriff auf die anderen Wirklichkeitsbereiche übertragen haben. Seit der Erfindung der Landwirtschaft fand das Modell der technischen Beherrschung der unbelebten Natur Eingang in die Bereiche des Lebendigen. So wurde es ein gängiges Verfahren, Pflanzen und Tiere in ihrem Verhalten voraussagbar zu machen (zu züchten und zu zähmen), dass sie unseren Zwecksetzungen, vor allem der Nahrungssicherung dienen. Dadurch hat sich die Grundlage für dieses auf klare und unumstößliche wissenschaftliche Ergebnisse gestützte Weltbild gefestigt. Durch die Zeit der Aufklärung, die den Übergang aus einer religiös geprägten Wirklichkeitssicht des Mittelalters in eine durch Rationalität bestimmte Moderne bewirkte, ist der Determinismus zur Dominanz gelangt. Damit wurde allerdings ein wichtiger Teil des Menschseins in den Hintergrund gedrängt. Mit dem Siegeszug des materialistischen Bewusstseins wurde (und wird in vielen Bereichen bis heute) die soziale Ebene der ökonomischen untergeordnet. Die Wirtschaft berief sich, so weit es ging, auf das deterministische Denken, deshalb ist immer wieder von „ökonomischen Zwängen“ die Rede. Die Wirtschaft braucht für ihr gewinnorientiertes Funktionieren verlässliche und berechenbare Rahmenbedingungen.
Die Rückordnung des Sozialen wird dort deutlich, wo uns die Grenzen des materialistischen Weltbildes schmerzlich bewusst werden – in den ökologischen Problemzonen, in den Krisen des Finanzsystems, in den wachsenden Randbereichen der Wohlstandsgesellschaft, in der Ungleichentwicklung der Regionen, in den stressbedingten Krankheitsbildern. Die eigene Wirklichkeit und Logik der Kommunikation findet erst langsam wieder die Beachtung, die es braucht, um Individuen und Gesellschaft in der Moderne im Gleichgewicht zu halten.
Damit entsteht auch wieder mehr Raum und Wertschätzung für die Bereiche, in denen die Emergenz besonders spürbar ist, in den Künsten und nicht-technischen Wissenschaften. Diese benötigen für ihre Produktivität eine weitgehende Freisetzung von Stress, weil durch die Anspannung der inneren und der sozialen Systeme die Kräfte der Selbsttranszendenz blockiert werden. Statt dessen wird auf die „konservativen“ Orientierungen der Bestandssicherung zurückgegriffen, in denen deterministische Beziehungen vorherrschen.
Was in verschiedenen Beiträgen dieser Blogseite als Wachstumsorientierung zum Unterschied von einer Schutzorientierung dargestellt wurde, kann auch im Gegensatz von Emergenz und Determinismus verstanden werden. So enthält unser Nervensystem im Stress- und im Traumatisierungsmodus viele voraussagbare Elemente, z.B. reagieren wir immer ähnlich, wenn wir wütend sind. Unser Verhaltensrepertoire ist reduziert auf ein Minimum und unsere Reaktionsmöglichkeiten sind auf ganz wenige Alternativen eingeschränkt. Im Extremfall geraten wir in den Totstellreflex, in dem es keine Freiheit mehr gibt, sondern nur ein unerträgliches Maß an Angst, die alles lähmt.
Dagegen können wir im entspannten und/oder konzentrierten Wachzustand, bei aktivierter Smart-Vagus-Steuerung nach der Polyvagaltheorie, unsere sozialen und kreativen Elemente entfalten und kleinere oder größere Schritte in der Selbsttranszendenz, in der Emergenz von Neuem setzen. In diesen Zuständen fühlen wir uns verbunden mit uns selbst und unseren Mitmenschen und haben wir das Vertrauen, dass wir Gutes beitragen können. Damit leisten wir unseren individuellen Beitrag zur emergenten Weiterentwicklung der Menschheit und des Bewusstseins.
Und lassen wir uns nicht einschüchtern von einer Wissenschaftsgläubigkeit, die einem auf leblose Materie eingeschränkten Modell von Wirklichkeit folgt und die Kreativität der Emergenz nicht verstanden hat. Erweitern wir statt dessen unser Blick-, Denk- und Erlebensfeld auf die vielfältigen Wirklichkeiten und das Neue, das andauernd aus ihnen erwächst.
Literatur:
Arthur Koestler: Das Gespenst in der Maschine. Molden, Wien/München/Zürich 1968
Ken Wilber: Eros, Kosmos, Logos. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2011 (1995)
Vgl.: Der freie Wille und die Ebenen der Bewusstseinsentwicklung
Das Hervortreten neuer Holone aus schon bestehenden nennt man Emergenz, und zwar dann, wenn die Eigenschaften des neuen Holons nicht aus dem alten abgeleitet werden können, so wie die Eigenschaften der Tiere nicht in den Pflanzen enthalten waren, oder die Reptilien keine Anlagen zu Flügeln hatten, die die Vögel entwickelten.
Unter dieser Annahme scheitert ein deterministisches Weltbild, das annimmt, dass sich jede Entwicklung der Zukunft bei Kenntnis der gegenwärtigen Bedingungen vorausberechnen lässt. Vielmehr kann grundsätzlich nicht vorhergesagt werden, welche neue Form entsteht, wenn eine bestehende sich selbst transzendiert. Die Pflanzen konnten also nicht wissen, wie die Tiere ausschauen würden, die sich aus ihnen entwickelten. Ebensowenig hätte ein Wissenschaftler, der zu der Zeit, als es nur Pflanzen gab, diese beobachtet hätte, vorhersehen hätte können, dass sich Tierarten bilden könnten und wie diese beschaffen sein könnten.
Deterministisches, also vorausberechenbares Verhalten ist dann nicht die Norm im Universum, sondern ein Randphänomen, das auftritt, wenn ein Holon seine Fähigkeit zur Selbsttranszendenz verliert. Dagegen findet sich Emergenz in allen Bereichen, von Wirbelphänomenen im Wasser bis zu sozialen Gruppen.
Die Wissenschaft vermag Phänomene, die sich auf Grund von Emergenz gebildet haben, nur im Rückblick zu erklären. Sie kann in diesen Fällen, und das betrifft den weitaus größten Teil der Phänomene, also nur rekonstruktiv vorgehen. Dennoch hat sich unser Ideal von Wissenschaft auf deren deterministische Version eingeprägt. Wissenschaftlich „im strengen Sinn“ sei nur, was Voraussagen erlaubt, die dann allgemein überprüfbar sind. Was keine Voraussage erlaubt, sei spekulativ und keine Wissenschaft. Allerdings trifft diese Form der Wissenschaftlichkeit dann nur mehr auf leblose Dinge in einem begrenzten Beobachtungsrahmen zu, wie z.B. die Gesetze der Schwerkraft, die voraussagen lassen, dass ein schwerer Gegenstand zu Boden fallen wird. In den Bereichen der Quantenphysik funktionieren diese Gesetzmäßigkeiten schon nicht mehr, und ihre Anwendung auf lebendige Bereiche bringt nur minimalen Erkenntnisgewinn.
Die deterministische Wissenschaftsnorm ist uns deshalb so vertraut, weil sie in unserer Lebenswelt von Dingen und ihrer technischen Anwendung erfolgreich ist. Unsere Wahrnehmung ist nicht geeignet, Quanten zu beobachten. Für die groben Strukturen, die wir sehen können, reicht das deterministische Erfahrungsmodell.
Der „Fehler“, den wir allerdings begangen haben, liegt darin, dass wir diesen Wissenschaftsbegriff auf die anderen Wirklichkeitsbereiche übertragen haben. Seit der Erfindung der Landwirtschaft fand das Modell der technischen Beherrschung der unbelebten Natur Eingang in die Bereiche des Lebendigen. So wurde es ein gängiges Verfahren, Pflanzen und Tiere in ihrem Verhalten voraussagbar zu machen (zu züchten und zu zähmen), dass sie unseren Zwecksetzungen, vor allem der Nahrungssicherung dienen. Dadurch hat sich die Grundlage für dieses auf klare und unumstößliche wissenschaftliche Ergebnisse gestützte Weltbild gefestigt. Durch die Zeit der Aufklärung, die den Übergang aus einer religiös geprägten Wirklichkeitssicht des Mittelalters in eine durch Rationalität bestimmte Moderne bewirkte, ist der Determinismus zur Dominanz gelangt. Damit wurde allerdings ein wichtiger Teil des Menschseins in den Hintergrund gedrängt. Mit dem Siegeszug des materialistischen Bewusstseins wurde (und wird in vielen Bereichen bis heute) die soziale Ebene der ökonomischen untergeordnet. Die Wirtschaft berief sich, so weit es ging, auf das deterministische Denken, deshalb ist immer wieder von „ökonomischen Zwängen“ die Rede. Die Wirtschaft braucht für ihr gewinnorientiertes Funktionieren verlässliche und berechenbare Rahmenbedingungen.
Die Rückordnung des Sozialen wird dort deutlich, wo uns die Grenzen des materialistischen Weltbildes schmerzlich bewusst werden – in den ökologischen Problemzonen, in den Krisen des Finanzsystems, in den wachsenden Randbereichen der Wohlstandsgesellschaft, in der Ungleichentwicklung der Regionen, in den stressbedingten Krankheitsbildern. Die eigene Wirklichkeit und Logik der Kommunikation findet erst langsam wieder die Beachtung, die es braucht, um Individuen und Gesellschaft in der Moderne im Gleichgewicht zu halten.
Damit entsteht auch wieder mehr Raum und Wertschätzung für die Bereiche, in denen die Emergenz besonders spürbar ist, in den Künsten und nicht-technischen Wissenschaften. Diese benötigen für ihre Produktivität eine weitgehende Freisetzung von Stress, weil durch die Anspannung der inneren und der sozialen Systeme die Kräfte der Selbsttranszendenz blockiert werden. Statt dessen wird auf die „konservativen“ Orientierungen der Bestandssicherung zurückgegriffen, in denen deterministische Beziehungen vorherrschen.
Was in verschiedenen Beiträgen dieser Blogseite als Wachstumsorientierung zum Unterschied von einer Schutzorientierung dargestellt wurde, kann auch im Gegensatz von Emergenz und Determinismus verstanden werden. So enthält unser Nervensystem im Stress- und im Traumatisierungsmodus viele voraussagbare Elemente, z.B. reagieren wir immer ähnlich, wenn wir wütend sind. Unser Verhaltensrepertoire ist reduziert auf ein Minimum und unsere Reaktionsmöglichkeiten sind auf ganz wenige Alternativen eingeschränkt. Im Extremfall geraten wir in den Totstellreflex, in dem es keine Freiheit mehr gibt, sondern nur ein unerträgliches Maß an Angst, die alles lähmt.
Dagegen können wir im entspannten und/oder konzentrierten Wachzustand, bei aktivierter Smart-Vagus-Steuerung nach der Polyvagaltheorie, unsere sozialen und kreativen Elemente entfalten und kleinere oder größere Schritte in der Selbsttranszendenz, in der Emergenz von Neuem setzen. In diesen Zuständen fühlen wir uns verbunden mit uns selbst und unseren Mitmenschen und haben wir das Vertrauen, dass wir Gutes beitragen können. Damit leisten wir unseren individuellen Beitrag zur emergenten Weiterentwicklung der Menschheit und des Bewusstseins.
Und lassen wir uns nicht einschüchtern von einer Wissenschaftsgläubigkeit, die einem auf leblose Materie eingeschränkten Modell von Wirklichkeit folgt und die Kreativität der Emergenz nicht verstanden hat. Erweitern wir statt dessen unser Blick-, Denk- und Erlebensfeld auf die vielfältigen Wirklichkeiten und das Neue, das andauernd aus ihnen erwächst.
Literatur:
Arthur Koestler: Das Gespenst in der Maschine. Molden, Wien/München/Zürich 1968
Ken Wilber: Eros, Kosmos, Logos. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2011 (1995)
Vgl.: Der freie Wille und die Ebenen der Bewusstseinsentwicklung
Blog-Quiz zum 100. Blogbeitrag auf dieser Seite
In welchem Blogbeitrag geht es nur um einen Muskel?
In welchem Blogbeitrag geht es nur um eine Kuh?
In welchem Blogbeitrag geht es darum, dass die Menschen in unserer Gesellschaft zu wenig auf ihre Ausatmung achten?
Dein persönlicher Kommentar zum Blog:
Plus:
Minus:
Die ersten drei richtigen Antworten an:
info@wilfried-ehrmann.com
erhalten je ein Exemplar des Buches „Vom Mut zu wachsen“.
Viel Erfolg!
Danke fürs Mitmachen!
In welchem Blogbeitrag geht es nur um eine Kuh?
In welchem Blogbeitrag geht es darum, dass die Menschen in unserer Gesellschaft zu wenig auf ihre Ausatmung achten?
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Donnerstag, 28. März 2013
Zypern und die Wut der Bürger
Viel ist jetzt von Verunsicherung zu hören, die sich seit dem Zugriff auf das in Bankkonten gelagertes Geld in Zypern, auch als Teilenteignung bezeichnet, ausbreiten soll. Nicht einmal das Sparbuch ist eine sichere Geldanlage. Zwar wird garantiert, dass die Staaten Sparguthaben bis zu 100 000 Euro garantieren, aber kann man darauf noch vertrauen?
Natürlich kann diese Verunsicherung alle möglichen ungünstigen Folgen haben, doch zeigt sich daran eines, dass es in dem Wirtschaftssystem, das wir uns erschaffen haben, keine Sicherheiten gibt. Es gibt und es nimmt, nach Gesichtspunkten eines komplexen Zusammenwirkens unterschiedlichster Kräfte (unterschiedlichster Motivationen von unterschiedlich gierigen Individuen). Diese Komplexität ist so hoch, dass sie die Einsichtsmöglichkeiten jedes Individuums bei weitem übersteigt, und selbst Computersimulationen ist es nicht in Ansätzen gelungen, die Verwicklungen des Marktgeschehens, an dem in irgendeiner Weise alle Erdenbewohner beteiligt sind, nachzuvollziehen, geschweige denn vorauszuberechnen.
Solange wir vom Kapitalismus profitieren, nehmen wir seine Segnungen als naturgegeben und uns gehörig. Selbstverständlich dass wir diesen Wohlstand, diesen Reichtum genießen können. Wird uns was davon weggenommen, schreien wir auf und finden es gemein. Wir suchen sofort nach dem Schuldigen, nach dem Bösewicht, der hinter dieser ungerechten Attacke auf unseren Wohlstand steckt und womöglich selber daran verdient.
Dabei spielen wir noch immer das Spiel mit, nur haben wir die Rolle gewechselt, wir sind ungewollt von der Gewinner- auf die Verliererseite gerutscht. Wir haben nicht erkannt, dass es das System ist, das uns in Dienst genommen hat, das immer wieder Gewinner und Verlierer produzieren wird – Gewinner, die ihren Gewinn für selbstverständlich halten und deshalb immer mehr von ihm wollen, und Verlierer, die ihren Verlust und ihr Elend bejammern, bis sie wieder zur Kraft gekommen sind, sich anzustrengen und sich erneut auf die Gewinnerseite hinüber zu rackern.
Wir wirken an der Erhaltung des Spiels mit, wenn wir Sicherheiten einfordern und wütend reagieren, wenn sie uns weggenommen werden, Erst wenn wir uns eingestehen, dass wir Teil des Spieles sind, bei dem die einen die Privatflugzeuge haben und die anderen am Rand des Existenzverlustes vegetieren, erst dann können wir eine Perspektive wahrnehmen, die uns herausführt. Diese Perspektive besteht nicht in einer Vernichtung oder Abschaffung des kapitalistischen Systems (schön wäre es, aber bisher ist noch jeder Plan dazu kolossal schief gelaufen), sondern in der Vertreibung des Kapitalismus aus unserer Innenwelt. Wir beginnen, innerlich nicht mehr mitzuspielen, indem wir unser Glück nicht an den Erfolg im System der Bereicherung und Verarmung suchen, sondern in der Erfüllung im Augenblick, in der Schönheit einer Begegnung, im Kontakt mit der Natur, zum Beispiel im Genießen eines vollkommenen Atemzuges.
Beginnen wir, unsere eigene Gier zu meistern und finden wir so viel wie möglich die Einfachheit im Leben. Dann kann uns das Auf und Ab der Märkte, das Steigen und Sinken der Sicherheiten nicht mehr anfechten. Wir sehen mehr von der Fülle, die uns das Leben zur Verfügung stellt und starren weniger auf das, was uns in Zukunft verloren gehen könnte.
Vgl.: Unser liebes Eigentum
Vgl.: Die Kultur der Gier
Vgl.: Das System der Gier
Vgl.: Wirtschaft ohne Gier?
Natürlich kann diese Verunsicherung alle möglichen ungünstigen Folgen haben, doch zeigt sich daran eines, dass es in dem Wirtschaftssystem, das wir uns erschaffen haben, keine Sicherheiten gibt. Es gibt und es nimmt, nach Gesichtspunkten eines komplexen Zusammenwirkens unterschiedlichster Kräfte (unterschiedlichster Motivationen von unterschiedlich gierigen Individuen). Diese Komplexität ist so hoch, dass sie die Einsichtsmöglichkeiten jedes Individuums bei weitem übersteigt, und selbst Computersimulationen ist es nicht in Ansätzen gelungen, die Verwicklungen des Marktgeschehens, an dem in irgendeiner Weise alle Erdenbewohner beteiligt sind, nachzuvollziehen, geschweige denn vorauszuberechnen.
Solange wir vom Kapitalismus profitieren, nehmen wir seine Segnungen als naturgegeben und uns gehörig. Selbstverständlich dass wir diesen Wohlstand, diesen Reichtum genießen können. Wird uns was davon weggenommen, schreien wir auf und finden es gemein. Wir suchen sofort nach dem Schuldigen, nach dem Bösewicht, der hinter dieser ungerechten Attacke auf unseren Wohlstand steckt und womöglich selber daran verdient.
Dabei spielen wir noch immer das Spiel mit, nur haben wir die Rolle gewechselt, wir sind ungewollt von der Gewinner- auf die Verliererseite gerutscht. Wir haben nicht erkannt, dass es das System ist, das uns in Dienst genommen hat, das immer wieder Gewinner und Verlierer produzieren wird – Gewinner, die ihren Gewinn für selbstverständlich halten und deshalb immer mehr von ihm wollen, und Verlierer, die ihren Verlust und ihr Elend bejammern, bis sie wieder zur Kraft gekommen sind, sich anzustrengen und sich erneut auf die Gewinnerseite hinüber zu rackern.
Wir wirken an der Erhaltung des Spiels mit, wenn wir Sicherheiten einfordern und wütend reagieren, wenn sie uns weggenommen werden, Erst wenn wir uns eingestehen, dass wir Teil des Spieles sind, bei dem die einen die Privatflugzeuge haben und die anderen am Rand des Existenzverlustes vegetieren, erst dann können wir eine Perspektive wahrnehmen, die uns herausführt. Diese Perspektive besteht nicht in einer Vernichtung oder Abschaffung des kapitalistischen Systems (schön wäre es, aber bisher ist noch jeder Plan dazu kolossal schief gelaufen), sondern in der Vertreibung des Kapitalismus aus unserer Innenwelt. Wir beginnen, innerlich nicht mehr mitzuspielen, indem wir unser Glück nicht an den Erfolg im System der Bereicherung und Verarmung suchen, sondern in der Erfüllung im Augenblick, in der Schönheit einer Begegnung, im Kontakt mit der Natur, zum Beispiel im Genießen eines vollkommenen Atemzuges.
Beginnen wir, unsere eigene Gier zu meistern und finden wir so viel wie möglich die Einfachheit im Leben. Dann kann uns das Auf und Ab der Märkte, das Steigen und Sinken der Sicherheiten nicht mehr anfechten. Wir sehen mehr von der Fülle, die uns das Leben zur Verfügung stellt und starren weniger auf das, was uns in Zukunft verloren gehen könnte.
Vgl.: Unser liebes Eigentum
Vgl.: Die Kultur der Gier
Vgl.: Das System der Gier
Vgl.: Wirtschaft ohne Gier?
Spirituelles Erleben und Krankheit
Spirituelles Erleben passt oft nicht in den engen Rahmen unserer Gesellschaft. Viele kleine Kinder haben einen direkten Bezug zu einer Welt, die den Erwachsenen fremd geworden ist. So tun sie es abschätzig oder irritiert ab, wenn Kinder von Naturwesen oder Geistern reden und wenn sie in andere Welten reisen – „Das sind halt noch Kinder mit ihrer seltsamen Fantasie. Wichtig ist es nur, dass sie rechtzeitig das logische und rationale Denken erlernen, damit sie in Schule und weiterem Leben erfolgreich sein können.“ Das erwarten wir von der Schule, und diese bemüht sich redlich, diese Erwartungen zu erfüllen. Es hilft nichts, jeder muss die Mathematik und die Grundbegriffe der Physik erlernen und das abstrakte Denken so lange einüben, bis die überschießenden Fantasien in ein kleines Gärtchen weit hinten in der kognitiven Landschaft verbannt sind.
Kinder kommen mit einer rechtshemisphärischen Dominanz auf die Welt. Deshalb erleben sie die Welt momentan, ganzheitlich und fließend. Alles ist mit allem verbunden, die verschiedenen Weisen des Erlebens zwischen Wahrnehmung und Fantasie gehen ineinander über und kennen keine klare Abtrennung. Erst im Lauf des 2. Lebensjahres beginnt sich die linke Gehirnhemisphäre stärker zu entwickeln, verbunden mit dem Erlernen der verbalen Sprache und der grammatischen Strukturen. Die Wirklichkeit wird auseinandergelegt, in Einzelteile, die dann untersucht werden können. Grundformen der Logik bilden sich aus, z.B. der Zusammenhang von Ursache und Wirkung oder von Bedingung und Konsequenz: Wenn du mit dem Jammern aufhörst, kriegst du dein Spielzeug wieder.
In der Folge sind Kinder vor die Aufgabe gestellt, die unterschiedlichen Modi der beiden Hemisphären miteinander zu verbinden. Meist setzt sich gegen Ende des Vorschulalters die linke Hemisphäre durch, was eine gute Prognose für die Schullaufbahn ergibt, denn unsere Gesellschaft verlangt die rationalen und ökonomischen Denk- und Verhaltensweisen.
Gelingt die Integration nur mangelhaft, d.h. nicht den Erwartungen unserer modernen Gesellschaft gemäß, können sich Anpassungsschwierigkeiten ergeben, die dann nachhaltig die Lebensplanung beeinflussen – Schulprobleme gefolgt von Berufsproblemen bis hin zur Psychiatrisierung. Denn es gibt für solche „Störungen“ einen Krankheitsbegriff: Schizotypie.
„Eine Störung mit exzentrischem Verhalten und Anomalien des Denkens und der Stimmung, die schizophren wirken, obwohl nie eindeutige und charakteristische schizophrene Symptome aufgetreten sind.“ Unter anderem kommen folgende Symptome vor: „gelegentlich vorübergehende, quasipsychotische Episoden mit intensiven Illusionen, akustischen oder anderen Halluzinationen und wahnähnlichen Ideen.“ (ICD 10, F21)
Ich folge nun zu diesem Thema den Überlegungen von Edgar Harnack, der den Zusammenhang von diesem „Störungsbild“ und außergewöhnlichen spirituellen Erlebnissen untersucht hat. Er verwehrt sich dagegen, die mit der Diagnose verbundenen Phänomene zu pathologisieren, also als behandlungsbedürftig zu sehen. Statt dessen vertritt er die These, dass eine „pneumophobe” (das Spirituelle fürchtende) Gesellschaft spirituellen oder mystischen Erfahrungen, wie sie Kinder und Jugendliche machen, mit Abwehr und Ausgrenzung reagiert, wodurch sich erst die Störungen bei den betroffenen Menschen entwickeln, die lernen müssen, ihren eigenen Erfahrungen zu misstrauen und damit in Verwirrung geraten.
Denn die Erfahrungen, von denen dabei die Rede ist, sind in allen Kulturen verbreitet und gelten bei Naturvölkern als Anzeichen einer schamanistischen Berufung. In den tribalen Gesellschaften hatten verschiedene Welten ihren selbstverständlichen Platz, und es gab angesehene Mitglieder, die besondere Fähigkeiten hatten, sich zwischen den Welten zu bewegen. Erst die Moderne mit ihrer starken Betonung der Rationalität hat diese Formen einer tribalen Wirklichkeitssicht in den Bereich der Pathologie verbannt und damit Menschen mit besonderen Begabungen krank gemacht.
Ich möchte nun die Überlegungen von Edgar Harnack durch die Einbeziehung der Erkenntnisse der Gehirnforschung erweitern. Bei vielen Phänomenen, die (nach einer typisch linkshemisphärischen Leidenschaft) als Schizotypie klassifiziert werden, kann die Integration der beiden Gehirnhälften nicht der „Norm“ entsprechend abgelaufen sein. Dabei können familiäre Probleme in den ersten Lebensjahren, Bindungsstörungen (z.B. unterschiedliche Bindungsmuster zum Vater und zur Mutter) ebenso eine Rolle spielen wie Folgen des Geburtstraumas (Probleme beim Zusammenwachsen der Fontanelle) und schließlich pränatale Traumatisierungen bis hin zur ersten Zellteilung.
Als Folge können Menschen aufwachsen, deren rechte Hemisphäre ein seltsam anmutendes Eigenleben entfaltet, seltsam für eine gesellschaftlich geprägte Wahrnehmung, die sequentiell und kategorisierend denkt. Und für alles Seltsame werden dann pathologisierende Kategorien entwickelt, wie die der Schizotypie. Dann geht es nicht mehr um innere Erfahrungen und darum, wie diese mit dem Alltagsbewusstsein und den Abläufen der technisierten Gesellschaft verbunden werden können. Statt dessen wird alles, was den engen Normen der Rationalität nicht entspricht, zur Krankheit erklärt.
Wollen wir bei diesem Trend nicht mitmachen, geht es auch darum, dass wir uns in mehr Toleranz und Verständnis üben, wenn wir Menschen begegnen, deren Erlebniswelt und ihre Versprachlichung uns bizarr, abgehoben oder esoterisch erscheinen mag. Wenn wir therapeutisch mit transpersonalen Themen arbeiten, brauchen wir auch das Hintergrundwissen und die Einsicht in Zusammenhänge, damit wir nicht eine Krankheit kurieren oder eine Störung beheben müssen, sondern einem Menschen helfen können, sich selber besser zu verstehen und sich selber mit sich besser zu verständigen sowie einen sicheren Platz in einer nüchternen und harten Realität zu begründen.
Literatur:
Edgar W. Harnack: Außergewöhnliche Wahrnehmungen und schizotype Sprachmuster im Kreislauf von gesellschaftlicher Ursache und Wirkung. Bewusstseinswissenschaften. Transpersonale Psychologie und Psychotherapie. Unabhängige Fachzeitschrift 2/2012, 68 - 78
Webseite von Edgar Harnack: www.transpersonale-psychotherapie.de
Kinder kommen mit einer rechtshemisphärischen Dominanz auf die Welt. Deshalb erleben sie die Welt momentan, ganzheitlich und fließend. Alles ist mit allem verbunden, die verschiedenen Weisen des Erlebens zwischen Wahrnehmung und Fantasie gehen ineinander über und kennen keine klare Abtrennung. Erst im Lauf des 2. Lebensjahres beginnt sich die linke Gehirnhemisphäre stärker zu entwickeln, verbunden mit dem Erlernen der verbalen Sprache und der grammatischen Strukturen. Die Wirklichkeit wird auseinandergelegt, in Einzelteile, die dann untersucht werden können. Grundformen der Logik bilden sich aus, z.B. der Zusammenhang von Ursache und Wirkung oder von Bedingung und Konsequenz: Wenn du mit dem Jammern aufhörst, kriegst du dein Spielzeug wieder.
In der Folge sind Kinder vor die Aufgabe gestellt, die unterschiedlichen Modi der beiden Hemisphären miteinander zu verbinden. Meist setzt sich gegen Ende des Vorschulalters die linke Hemisphäre durch, was eine gute Prognose für die Schullaufbahn ergibt, denn unsere Gesellschaft verlangt die rationalen und ökonomischen Denk- und Verhaltensweisen.
Gelingt die Integration nur mangelhaft, d.h. nicht den Erwartungen unserer modernen Gesellschaft gemäß, können sich Anpassungsschwierigkeiten ergeben, die dann nachhaltig die Lebensplanung beeinflussen – Schulprobleme gefolgt von Berufsproblemen bis hin zur Psychiatrisierung. Denn es gibt für solche „Störungen“ einen Krankheitsbegriff: Schizotypie.
„Eine Störung mit exzentrischem Verhalten und Anomalien des Denkens und der Stimmung, die schizophren wirken, obwohl nie eindeutige und charakteristische schizophrene Symptome aufgetreten sind.“ Unter anderem kommen folgende Symptome vor: „gelegentlich vorübergehende, quasipsychotische Episoden mit intensiven Illusionen, akustischen oder anderen Halluzinationen und wahnähnlichen Ideen.“ (ICD 10, F21)
Ich folge nun zu diesem Thema den Überlegungen von Edgar Harnack, der den Zusammenhang von diesem „Störungsbild“ und außergewöhnlichen spirituellen Erlebnissen untersucht hat. Er verwehrt sich dagegen, die mit der Diagnose verbundenen Phänomene zu pathologisieren, also als behandlungsbedürftig zu sehen. Statt dessen vertritt er die These, dass eine „pneumophobe” (das Spirituelle fürchtende) Gesellschaft spirituellen oder mystischen Erfahrungen, wie sie Kinder und Jugendliche machen, mit Abwehr und Ausgrenzung reagiert, wodurch sich erst die Störungen bei den betroffenen Menschen entwickeln, die lernen müssen, ihren eigenen Erfahrungen zu misstrauen und damit in Verwirrung geraten.
Denn die Erfahrungen, von denen dabei die Rede ist, sind in allen Kulturen verbreitet und gelten bei Naturvölkern als Anzeichen einer schamanistischen Berufung. In den tribalen Gesellschaften hatten verschiedene Welten ihren selbstverständlichen Platz, und es gab angesehene Mitglieder, die besondere Fähigkeiten hatten, sich zwischen den Welten zu bewegen. Erst die Moderne mit ihrer starken Betonung der Rationalität hat diese Formen einer tribalen Wirklichkeitssicht in den Bereich der Pathologie verbannt und damit Menschen mit besonderen Begabungen krank gemacht.
Ich möchte nun die Überlegungen von Edgar Harnack durch die Einbeziehung der Erkenntnisse der Gehirnforschung erweitern. Bei vielen Phänomenen, die (nach einer typisch linkshemisphärischen Leidenschaft) als Schizotypie klassifiziert werden, kann die Integration der beiden Gehirnhälften nicht der „Norm“ entsprechend abgelaufen sein. Dabei können familiäre Probleme in den ersten Lebensjahren, Bindungsstörungen (z.B. unterschiedliche Bindungsmuster zum Vater und zur Mutter) ebenso eine Rolle spielen wie Folgen des Geburtstraumas (Probleme beim Zusammenwachsen der Fontanelle) und schließlich pränatale Traumatisierungen bis hin zur ersten Zellteilung.
Als Folge können Menschen aufwachsen, deren rechte Hemisphäre ein seltsam anmutendes Eigenleben entfaltet, seltsam für eine gesellschaftlich geprägte Wahrnehmung, die sequentiell und kategorisierend denkt. Und für alles Seltsame werden dann pathologisierende Kategorien entwickelt, wie die der Schizotypie. Dann geht es nicht mehr um innere Erfahrungen und darum, wie diese mit dem Alltagsbewusstsein und den Abläufen der technisierten Gesellschaft verbunden werden können. Statt dessen wird alles, was den engen Normen der Rationalität nicht entspricht, zur Krankheit erklärt.
Wollen wir bei diesem Trend nicht mitmachen, geht es auch darum, dass wir uns in mehr Toleranz und Verständnis üben, wenn wir Menschen begegnen, deren Erlebniswelt und ihre Versprachlichung uns bizarr, abgehoben oder esoterisch erscheinen mag. Wenn wir therapeutisch mit transpersonalen Themen arbeiten, brauchen wir auch das Hintergrundwissen und die Einsicht in Zusammenhänge, damit wir nicht eine Krankheit kurieren oder eine Störung beheben müssen, sondern einem Menschen helfen können, sich selber besser zu verstehen und sich selber mit sich besser zu verständigen sowie einen sicheren Platz in einer nüchternen und harten Realität zu begründen.
Literatur:
Edgar W. Harnack: Außergewöhnliche Wahrnehmungen und schizotype Sprachmuster im Kreislauf von gesellschaftlicher Ursache und Wirkung. Bewusstseinswissenschaften. Transpersonale Psychologie und Psychotherapie. Unabhängige Fachzeitschrift 2/2012, 68 - 78
Webseite von Edgar Harnack: www.transpersonale-psychotherapie.de
Donnerstag, 21. März 2013
Psoas-Muskeln und Traumaheilung
Wer nie Anatomie studiert hat, wird sie nicht kennen, die Psoas-Muskelgruppe. Sie verläuft im unteren Rückenbereich und verbindet den Oberkörper mit dem Becken. Sie sorgt für eine Menge wichtige Dinge: Aufrechten Gang, gerade Schultern, die Stellung der Beine und der Wirbelsäule. Wir ‘benutzen’ sie nicht nur völlig unbewusst, wir nehmen ihre Verspannung auch nur indirekt wahr:
Verspannungen in diesem Bereich wirken sich auf das Zwerchfell und damit auf die Atemfunktion aus, werden an den Rumpf weitergegeben und können zu Schmerzen im oberen Rücken und im Schulterbereich führen.
Der Zusammenhang zwischen Atmung und Körperhaltung, den der Psoas herstellt, wird auch dadurch illustriert, dass sich in der Evolution das Gehen auf Land und die Atmung zur gleichen Zeit entwickelt haben. Entspannende und lockernde Übungen mit den Lendenmuskeln führen deshalb auch zu einem dynamischeren Beckenboden und einer freieren Atmung sowie zu einem geerdeten, stabilen Körpergefühl.
Aus der tibetischen Tradition erfahren wir, dass der Lendenmuskel letztendlich die Quelle des Egos sei. Die Arbeit mit dem Psoas kann zur Konfrontation mit den Themen Festhalten und Fixierung führen.
Darüber hinaus spielen diese Muskeln eine wichtige Rolle bei der Traumaspeicherung und Traumaheilung, so die Entdeckung von David Berceli. Die Lendenmuskeln „gelten als die Kampf-Flucht-Muskeln des menschlichen Körpers. Diese primitiven Muskeln halten wie ein Posten Wache, um das Schwerkraftzentrum des Körpers zu schützen, das sich vor dem 3. Lendenwirbel befindet. Diese Muskeln verbinden den Rücken mit dem Becken und den Beinen. Während einer jeden traumatischen Erfahrung werden die Psoas-Muskeln zusammengezogen. Um die physischen Traumakontraktionen zu heilen, müssen diese tiefsitzenden Muskeln ihre schützende Spannung loslassen und zu einem entspannten Zustand zurückkehren. Es ist allgemein bekannt, dass nach besonders dichten, stressigen oder traumatischen Erfahrungen die Menschen durch eine Massage, ein heißes Bad oder durch Übungen das Trauma auflösen und den Körper in einen gesunden Zustand bringen können. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn es zu traumatischen Verspannungen in den Psoas-Muskeln kommt. Die Fähigkeit unseres Körpers, die Spannung in diesen Muskeln loszulassen, hat sich als Folge unseres Sozialisierungsprozesses vermindert.
Es geschieht häufig, dass angespannte und sogar beschädigte Psoas-Muskeln starke Schmerzen im unteren Rücken bewirken. Das geschieht sehr häufig bei Opfern von sexuellem Missbrauch. Oft wird übersehen, dass beim Zusammenziehen der Muskeln, wodurch der Körper nach vorne gezogen wird, sekundäre Muskelkontraktionen ausgelöst werden, die den Körper nach hinten ziehen, um den Körper aufrecht zu halten. Diese gegensätzlichen Spannungen führen dazu, dass die Lendenwirbelsäule kontrahiert wird, während sie die unteren Wirbel zusammenziehen. Damit entsteht eine Wirbelsäulenkomprimierung, die sich auf längere Sicht störend auswirken kann. Lang genug in dieser Spannung gehalten, wird dieser Zug schließlich auch sekundäre Schulter- und Nackenschmerzen verursachen.“
(…)
„Das Zittern (eines Fluchttieres nach überstandener Gefahr) ist ein natürlicher Körperprozess, bei dem die überschüssige Energie zeitgleich mit ihrer Entstehung entladen wird.
Als Menschen verfügen wir über den gleichen Mechanismus. Zu unserem Nachteil haben wir ihn jedoch behindert oder stillgelegt. Beispielsweise versuchen wir bewusst, uns nicht zu schütteln, wenn wir nervös oder überspannt werden, weil wir nicht schwach oder ängstlich erscheinen wollen. Diese Egokontrolle bringt den Körper und den Verstand in einen Konflikt. Der Körper will sich schütteln, um die überschüssige Energie zu entladen, aber der Verstand verweigert die Zustimmung. Üblicherweise gewinnt der Verstand, und der Körper muss dann einen anderen Weg finden, um mit der hocherregten Ladung umzugehen. Er macht das so, dass der Muskel angespannt und diese überschüssige Ladung festgehalten wird. Die Körpermuskeln spannen sich an und halten an der Überschussladung fest, bis später einmal die Erlaubnis zum Loslassen kommt. Wenn sie diese Chance nicht bekommen, erzeugen diese kontrahierten Muskeln einen chronischen Spannungszustand im Körper. Hierin liegt einer der Wurzeln der PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung). Wenn die Muskeln, die beim Trauma zusammengezogen wurden, diese hohe Ladung kurz nach dem Trauma nicht loslassen, werden sie immer wieder versuchen, das zu einem späteren Zeitpunkt zu tun, um dem Körper wieder Ruhe zu geben.
Posttraumatische Reaktionen werden durch verbliebene nicht entladene Aufregungen bewirkt, die zum Zeitpunkt des Ereignisses entstanden sind. Wenn dieser hohe Erregungszustand an der Entladung im Körper gehindert wird, bleibt er in einer bio-neural-physikalischen Schleife gefangen, die ein zwanghaftes Wiederholungsverhalten bewirkt. Bevor nicht der Körper die Spannung ausschüttelt, wird der Körper dieses chronische Spannungsmuster von Schutz und Verteidigung immer wieder wiederholen. Eine Hauptkomponente der erfolgreichen Traumaheilung liegt in der Aktivierung des natürlichen Loslass-Mechanismus, der dem Körper signalisiert, dass er zu einem Zustand von Ruhe und Erholung zurückkehren kann.
Bei allen Menschen sollte sich nach dem Ende des Traumas das Nervensystem natürlich aktivieren und beginnen, alle von der traumatischen Episode verbliebenen Stresshormone oder Spannungen auszuschütteln. Dieses Schütteln sendet ein Signal an das Gehirn mit der Information, dass die Gefahr vorbei ist und dass es den Alarmzustand abschalten sollte. Wenn sich das Nervensystem selber nicht aktiviert, bleibt der Körper in einer Art von Kurzschlussschleife, bei der das Gehirn weiterhin glaubt, dass die Gefahr weiterbesteht, und gibt deshalb dem Körper den Befehl, in einem Zustand von Bereitschaft und Alarm zu bleiben.
Der Zwerchfellmuskel trägt zusätzlich zur Verspannung in diesem Bereich bei. Der Psoas-Muskel überlagert die Darmbein- und Zwerchfellmuskeln entlang des Rückenmarks. Zusammen bilden sie ein verbundenes System von Brustkorb, Becken und Beinen. Weil das ein solcher strategischer Schutzbereich ist, findet sich auch die größte Zahl von sympathischen Nerven (Kampf- oder Fluchtnerven) in dieser Gegend des Körpers.“
(David Berceli: Trauma Releasing Exercises. Book Sourge 2005, 13 -14; 16)
Eine bestimmte Reaktion auf traumatische Erlebnisse ist bei den Menschen überall auf der Welt dieselbe – ein neurologisch bedingtes ‘Zittern’, in der Bandbreite von leicht bis stark, immer beginnend in den Beinen und dem unteren Rücken und Beckenbereich.
Spezielle Übungen, die von David Berceli entwickelt wurden, lösen zuerst einmal eine akute oder chronische Muskelverkrampfung in den Psoas-Muskeln, die wir nicht bewusst steuern können, und wirken sich dann auch lösend auf die Reste von traumatischen Erfahrungen aus, die in den Muskeln gespeichert sind. David Berceli hat diese Übungen mit Erfolg in vielen Kriegsgebieten angewendet, um den traumatisierten Menschen die Folgen ihrer schrecklichen Erfahrungen zu erleichtern.
Weitere Quellen und Hinweise zu Übungen:
http://traumadurchleben.wordpress.com/2013/03/04/was-ist-tre-trauma-release-exercise/
http://www.youtube.com/watch?v=bPFbXdSGSkc
http://www.youtube.com/watch?v=DisF0jYqRrg
Zum Weiterlesen:
Kohärentes Atmen
Der Vagus
Verspannungen in diesem Bereich wirken sich auf das Zwerchfell und damit auf die Atemfunktion aus, werden an den Rumpf weitergegeben und können zu Schmerzen im oberen Rücken und im Schulterbereich führen.
Der Zusammenhang zwischen Atmung und Körperhaltung, den der Psoas herstellt, wird auch dadurch illustriert, dass sich in der Evolution das Gehen auf Land und die Atmung zur gleichen Zeit entwickelt haben. Entspannende und lockernde Übungen mit den Lendenmuskeln führen deshalb auch zu einem dynamischeren Beckenboden und einer freieren Atmung sowie zu einem geerdeten, stabilen Körpergefühl.
Aus der tibetischen Tradition erfahren wir, dass der Lendenmuskel letztendlich die Quelle des Egos sei. Die Arbeit mit dem Psoas kann zur Konfrontation mit den Themen Festhalten und Fixierung führen.
Darüber hinaus spielen diese Muskeln eine wichtige Rolle bei der Traumaspeicherung und Traumaheilung, so die Entdeckung von David Berceli. Die Lendenmuskeln „gelten als die Kampf-Flucht-Muskeln des menschlichen Körpers. Diese primitiven Muskeln halten wie ein Posten Wache, um das Schwerkraftzentrum des Körpers zu schützen, das sich vor dem 3. Lendenwirbel befindet. Diese Muskeln verbinden den Rücken mit dem Becken und den Beinen. Während einer jeden traumatischen Erfahrung werden die Psoas-Muskeln zusammengezogen. Um die physischen Traumakontraktionen zu heilen, müssen diese tiefsitzenden Muskeln ihre schützende Spannung loslassen und zu einem entspannten Zustand zurückkehren. Es ist allgemein bekannt, dass nach besonders dichten, stressigen oder traumatischen Erfahrungen die Menschen durch eine Massage, ein heißes Bad oder durch Übungen das Trauma auflösen und den Körper in einen gesunden Zustand bringen können. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn es zu traumatischen Verspannungen in den Psoas-Muskeln kommt. Die Fähigkeit unseres Körpers, die Spannung in diesen Muskeln loszulassen, hat sich als Folge unseres Sozialisierungsprozesses vermindert.
Es geschieht häufig, dass angespannte und sogar beschädigte Psoas-Muskeln starke Schmerzen im unteren Rücken bewirken. Das geschieht sehr häufig bei Opfern von sexuellem Missbrauch. Oft wird übersehen, dass beim Zusammenziehen der Muskeln, wodurch der Körper nach vorne gezogen wird, sekundäre Muskelkontraktionen ausgelöst werden, die den Körper nach hinten ziehen, um den Körper aufrecht zu halten. Diese gegensätzlichen Spannungen führen dazu, dass die Lendenwirbelsäule kontrahiert wird, während sie die unteren Wirbel zusammenziehen. Damit entsteht eine Wirbelsäulenkomprimierung, die sich auf längere Sicht störend auswirken kann. Lang genug in dieser Spannung gehalten, wird dieser Zug schließlich auch sekundäre Schulter- und Nackenschmerzen verursachen.“
(…)
„Das Zittern (eines Fluchttieres nach überstandener Gefahr) ist ein natürlicher Körperprozess, bei dem die überschüssige Energie zeitgleich mit ihrer Entstehung entladen wird.
Als Menschen verfügen wir über den gleichen Mechanismus. Zu unserem Nachteil haben wir ihn jedoch behindert oder stillgelegt. Beispielsweise versuchen wir bewusst, uns nicht zu schütteln, wenn wir nervös oder überspannt werden, weil wir nicht schwach oder ängstlich erscheinen wollen. Diese Egokontrolle bringt den Körper und den Verstand in einen Konflikt. Der Körper will sich schütteln, um die überschüssige Energie zu entladen, aber der Verstand verweigert die Zustimmung. Üblicherweise gewinnt der Verstand, und der Körper muss dann einen anderen Weg finden, um mit der hocherregten Ladung umzugehen. Er macht das so, dass der Muskel angespannt und diese überschüssige Ladung festgehalten wird. Die Körpermuskeln spannen sich an und halten an der Überschussladung fest, bis später einmal die Erlaubnis zum Loslassen kommt. Wenn sie diese Chance nicht bekommen, erzeugen diese kontrahierten Muskeln einen chronischen Spannungszustand im Körper. Hierin liegt einer der Wurzeln der PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung). Wenn die Muskeln, die beim Trauma zusammengezogen wurden, diese hohe Ladung kurz nach dem Trauma nicht loslassen, werden sie immer wieder versuchen, das zu einem späteren Zeitpunkt zu tun, um dem Körper wieder Ruhe zu geben.
Posttraumatische Reaktionen werden durch verbliebene nicht entladene Aufregungen bewirkt, die zum Zeitpunkt des Ereignisses entstanden sind. Wenn dieser hohe Erregungszustand an der Entladung im Körper gehindert wird, bleibt er in einer bio-neural-physikalischen Schleife gefangen, die ein zwanghaftes Wiederholungsverhalten bewirkt. Bevor nicht der Körper die Spannung ausschüttelt, wird der Körper dieses chronische Spannungsmuster von Schutz und Verteidigung immer wieder wiederholen. Eine Hauptkomponente der erfolgreichen Traumaheilung liegt in der Aktivierung des natürlichen Loslass-Mechanismus, der dem Körper signalisiert, dass er zu einem Zustand von Ruhe und Erholung zurückkehren kann.
Bei allen Menschen sollte sich nach dem Ende des Traumas das Nervensystem natürlich aktivieren und beginnen, alle von der traumatischen Episode verbliebenen Stresshormone oder Spannungen auszuschütteln. Dieses Schütteln sendet ein Signal an das Gehirn mit der Information, dass die Gefahr vorbei ist und dass es den Alarmzustand abschalten sollte. Wenn sich das Nervensystem selber nicht aktiviert, bleibt der Körper in einer Art von Kurzschlussschleife, bei der das Gehirn weiterhin glaubt, dass die Gefahr weiterbesteht, und gibt deshalb dem Körper den Befehl, in einem Zustand von Bereitschaft und Alarm zu bleiben.
Der Zwerchfellmuskel trägt zusätzlich zur Verspannung in diesem Bereich bei. Der Psoas-Muskel überlagert die Darmbein- und Zwerchfellmuskeln entlang des Rückenmarks. Zusammen bilden sie ein verbundenes System von Brustkorb, Becken und Beinen. Weil das ein solcher strategischer Schutzbereich ist, findet sich auch die größte Zahl von sympathischen Nerven (Kampf- oder Fluchtnerven) in dieser Gegend des Körpers.“
(David Berceli: Trauma Releasing Exercises. Book Sourge 2005, 13 -14; 16)
Eine bestimmte Reaktion auf traumatische Erlebnisse ist bei den Menschen überall auf der Welt dieselbe – ein neurologisch bedingtes ‘Zittern’, in der Bandbreite von leicht bis stark, immer beginnend in den Beinen und dem unteren Rücken und Beckenbereich.
Spezielle Übungen, die von David Berceli entwickelt wurden, lösen zuerst einmal eine akute oder chronische Muskelverkrampfung in den Psoas-Muskeln, die wir nicht bewusst steuern können, und wirken sich dann auch lösend auf die Reste von traumatischen Erfahrungen aus, die in den Muskeln gespeichert sind. David Berceli hat diese Übungen mit Erfolg in vielen Kriegsgebieten angewendet, um den traumatisierten Menschen die Folgen ihrer schrecklichen Erfahrungen zu erleichtern.
Weitere Quellen und Hinweise zu Übungen:
http://traumadurchleben.wordpress.com/2013/03/04/was-ist-tre-trauma-release-exercise/
http://www.youtube.com/watch?v=bPFbXdSGSkc
http://www.youtube.com/watch?v=DisF0jYqRrg
Zum Weiterlesen:
Kohärentes Atmen
Der Vagus
Dienstag, 26. Februar 2013
Entscheidungen – Werkzeuge der Freiheit oder der Illusion
Was hat es mit Entscheidungen auf sich? Besteht unser ganzes Leben aus Entscheidungen? Können wir über unser Leben als Ganzes entscheiden?
Auf jeder Entwicklungs- und Erfahrungsebene finden Entscheidungen statt. So können wir uns vorstellen, dass schon ein einzelliges Lebewesen in bedrohliche Situationen kommt, in denen es entscheiden muss, ob es standhalten oder fliehen soll. Viele dieser Entscheidungen betreffen einfache Alternativen mit dem Charakter der Bedrohung oder der Anziehung. Es sind also Entscheidungen zwischen Kampf und Flucht oder zwischen Gut und Besser. Z.B. können sich zwei alternative Nahrungsquellen anbieten, und dazwischen ist eine Wahl zu treffen. Hier ist das Lebewesen von einem inneren Bedürfnis angetrieben, und die Entscheidung gibt die Richtung für die Befriedigung des Bedürfnisses vor.
Wir können annehmen, dass jede Lebensform über eine einfache Art der Selbstbezüglichkeit verfügt. Auch ganz primitive Organismen sollten in der Lage sein, sich auf die inneren Vorgänge eine Rückmeldung zu geben. In all diese Vorgänge sind Evaluierungen eingebaut, z.B. nach dem Muster: förderlich/gefährlich, angenehm/unangenehm, normal/außergewöhnlich usw. Vorgänge, die „positiv“ konnotiert sind, werden verstärkt, sollen also öfter stattfinden, die anderen sollen abgeschwächt werden. Was sich bewährt, wird wiederholt, was nicht funktioniert, wird abgestellt. Dazu sind Feedbackschleifen notwendig, die die Grundlage für das Gedächtnis bilden.
In der weiteren Entwicklung differenziert sich diese Rückbezüglichkeit. Je komplexer das Lebewesen, desto komplexer ist auch die Reflexionsfähigkeit, die es benötigt. Schließlich kann sie sprachlich ausgedrückt werden (vgl. den Blogbeitrag zur internen Kommunikation vom Jänner 2013). Im Normalfall unterstützt die Reflexion die Entscheidungen, die auf der organischen Ebene im Sinn der Weiterentwicklung des Lebens gefällt werden, also dem Wachstum und der Gesundheit dienen. Kommt es zu Fehlsteuerungen, die als Folge von Traumatisierungen auftreten, kann es auch bei der Rückbezüglichkeit zu Störungen kommen, sodass sie lebensschwächend wirkt. Die dem entsprechenden Gefühle sind: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Lebensmüdigkeit, die Gedankenmuster: Das Leben ist sinnlos, es wird nie besser, usw. Damit entwickeln sich „teuflische“ Regelkreise, die gerade jene Entscheidungen auf der Zellebene unterstützen, die zu Beschwerden und Problemen führen.
Esoterische Entscheidungsmodelle
In manchen Denkmodellen der Esoterik ist – in Anlehnung an hinduistische und buddhistische Lehren – die Rede davon, dass sich jede Seele vor ihrer Inkarnation für dieses neue Leben mit all seinen Details entscheide. Da sich die Seele vor der Inkarnation im körperlosen „Raum“ befinde, sei sie auch jenseits der Zeit und könne deshalb die eigene Zukunft schon voraussehen, für die sie sich entscheidet. Gewissermaßen können wir keine Katze im Sack kaufen.
Damit verbunden ist die Idee der Verantwortungsübernahme: Du hast dich entschieden für diese Eltern, für diese Familie, für dieses Leben, also löffle gefälligst die Suppe aus, die du dir eingebrockt hast, und hör auf zu jammern. Nachträgliche Reklamationen werden nicht angenommen. Der Konsumentenschutz ist also in jener anderen Welt noch nicht sehr weit entwickelt.
Unterstellt wird dabei ein voll entwickeltes Ego, das in diese körperlose Seele hineinprojiziert wird, eine Instanz, die Angenehmes und Unangenehmes bewerten, unterscheiden und über den Zeitraum eines ganzen Lebens bemessen kann und sich auf dieser Grundlage entschließt, die Reise zu wagen.
Dazu gehört übrigens auch die Vorstellung, dass diese Entscheidung, kaum ist sie getroffen, gleich wieder vergessen wird. Wir kommen also nicht auf die Welt mit diesem Wissen und lassen es auch nicht verlauten, sobald wir der Sprache mächtig sind. Erst ein erwachsenes Bewusstsein stößt auf diese Gedankenwelt und kann darin Sinn finden. Denn es kann ja eine gewisse Sicherheit bietet, annehmen zu können, über Kompetenzen zu verfügen, die mit einer derartigen Macht über das eigene Leben verbunden sind: Ich als entscheidungsbefugt über meine eigene körperliche Existenz: Sage ich nein, geht es zurück in die heiteren und unbeschwerten Bardoräume, sage ich ja, wird die Natur beauftragt, ein neues Leben entstehen zu lassen. Da komme ich schon nahe an den Schöpfergott heran. Und Ich dazu noch mit hellsichtigen Fähigkeiten ausgestattet, für die die Zukunft ein offenes Buch ist, in dem man nur blättern muss, wow!
Therapeutisch mag es in manchen Kontexten sinnvoll sein, jemanden daran zu erinnern, dass es sein Leben ist, mit dem er umgehen muss, und dass es keinen Sinn macht, darüber zu jammern. Dafür kann es möglicherweise auch nützlich sein, so zu tun, als gäbe es diese große Entscheidung für das eigene Leben am Beginn der Reise, eine wachrüttelnde und mahnende Hypothese gewissermaßen.
Die Verantwortungsübernahme mittels Rekurs auf eine präexistentielle Entscheidung funktioniert allerdings nur, wenn die entsprechenden esoterischen Glaubensannahmen geteilt werden, und das kann in Zeiten der Glaubens- und Religionsfreiheit nicht jeder Klientin zugemutet werden. Therapeuten sollten sich überhaupt hüten, irgendwelche Glaubensgehalte in der Therapie vorauszusetzen oder anzubieten und eher danach trachten, die Hintergründe in der Lebensgeschichte der Klienten zu erörtern, wenn sie mit solchen Themen und Interpretationen kommen.
Ego-Glaube
Zudem verleitet gerade dieser Glaube zur Stärkung von Egostrukturen, die sich auf dem weiteren therapeutischen Weg der inneren Heilung als hartnäckige Störungen entpuppen könnten, ohne als solche erkannt zu werden. Denn der Glaube vermeint ja, von einer echten Erfahrung auszugehen, glaubt also an eine Wirklichkeit und nicht an eine Konstruktion. Und solche „wirklichen“ Erfahrungen wollen wir am wenigsten aufgeben oder relativieren, weil wir sie mit der Basis unserer Identität verknüpfen, wie das eben Glaubensfanatiker mit den verschiedensten Inhalten machen.
Eine psycho-biologische Sichtweise
Für den Skeptiker schwierig vorzustellen bleibt der implizierte Wirklichkeitsbegriff: Eine körperlose Seele hat die Fähigkeit der Erkenntnis, verfügt über eine sinnliche Wahrnehmung, mit der sie die eigene Geschichte voraussehen kann, ohne dass es Sinnesorgane gibt, ohne dass es ein Gehirn gibt, das die Sinneseindrücke erst zu Wahrnehmungen macht. Einfacher ist es da schon, davon auszugehen, dass es sich um Phantasien handelt, die sich das erwachsene Bewusstsein über seinen Ursprung bildet, und dass es die Kraft des Glaubens ist, die diesen Phantasien einen Wirklichkeitscharakter umhängt. In unserer Phantasie sind wir frei, und wir können ihren Produkten nach Belieben (Placebo) Wirkmächtigkeit geben.
Wie ist es mit einer befruchteten Eizelle: Kann sie sich entscheiden, sich zu teilen? Kann das Ungeborene, wenn es schon weiter entwickelt ist und eine schreckliche Erfahrung erleben muss – z.B. ein Abtreibungsversuch oder der Tod eines Zwillinggeschwisters oder eine schwere Krankheit oder ein Unfall der Mutter – die Entscheidung treffen, unter solchen Umständen weiterzuleben oder aufzugeben?
Wir sollten davon ausgehen, dass Embryonen noch nicht über Fähigkeiten verfügen, wie sie ein erwachsener Mensch hat, der vielleicht in einer Verzweiflungssituation die Entscheidung trifft, sein Leben zu beenden. Weder haben sie diesen Überblick über sich und ihr Leben als Ganzes noch haben sie die Mittel, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Und das ist auch gut so, sie brauchen diesen Reflexionsüberschuss nicht, vielmehr würde er sie an der Entwicklung hindern.
Es bildet zwar auf der Grundlage der erlebten Gefühle Denkmuster aus wie „Ich sollte nicht da sein“, wenn es spürt, dass es nicht gewollt ist, oder: „Ich möchte nicht mehr leben“, wenn es spürt, dass es abgetrieben werden soll, oder: „Alles hat keinen Sinn mehr“, wenn ein Zwillingsgeschwister im Mutterleib stirbt, aber – es kann nicht über sein eigenes Leben als Ganzes entscheiden, weil es dieses nicht überblicken kann.
Vielmehr gibt es die Kraft des Lebens, die stärker ist als die Gefühle und Denkmuster, die ja auch von ihr gespeist werden. Sie „entscheidet“ darüber, ob dieses Leben weiter oder zu Ende geht. Reichen die Ressourcen für das Überleben, so wächst der Embryo weiter, auch mit den lebensschwächenden Gefühls- und Denkprogrammen, sind die Ressourcen zu schwach, kommt es zum Absterben.
Therapeutische Zugänge
Therapeutisch wirksamer jedenfalls als den Appell an einer Verantwortung zu richten ist es, die Wurzeln von Verzweiflung und Leiden aufzuspüren und an ihren Ursprüngen aufzulösen; in diesem Fall geht es vermutlich um die Ereignisse im Rahmen der Empfängnis, bei der es zu Problemen gekommen ist. Solche traumatischen Erfahrungen erzeugen ihre spezifischen Dissoziationen, und diese werden dann später mittels der assoziativen Fähigkeiten unseres Gehirns „esoterisiert“, d.h. mittels Versatzstücken aus der Religionsgeschichte mit Sinn verkleidet. Die Glaubensform sichert das Weiterbestehen der Dissoziation und schützt vor dem Wiedererleben der Traumatisierung.
Die de-dissoziative Traumaauflösung beginnt dort, wo die innere Aufmerksamkeit konsequent auf die Körperebene zurückgeführt wird. Das Spüren der Empfindungen im eigenen Inneren befreit von den Verstrickungen der kognitiven Erklärungsmodelle und Meta-Erklärungsmodelle und führt an den Ursprung der Verstörung. Wenn dort das Traumatische an der Erfahrung aufgelöst ist, verschwindet auch die Notwendigkeit einer esoterischen Entscheidungstheorie.
Entscheidungsfreie Zustände
Wenn sich ein Organismus in einem Wachstumszustand befindet, der also von keinem inneren Drang oder äußerer Bedrohung abhängig ist, spielen Entscheidungen keine Rolle, sondern das Leben fließt einfach von einer Situation zur nächsten.
Wir können diesen Unterschied erleben, wenn wir uns selber im Fluss befinden, z.B. beim Spazierengehen, bei dem wir uns nicht entscheiden, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Auch können wir die Richtung, in die wir uns bewegen, dem überlassen, was gerade kommt. Ähnlich können wir uns bei einem freien Tanz fühlen. Wir überlassen es dem Körper, die Bewegungen kommen zu lassen, die kommen wollen. Der Kopf mischt sich nicht ein und die Verbindung mit allem rund herum ist einfach da.
Sind wir mit unserer Kreativität verbunden, so gibt es eine Kraft, die stärker ist als unsere Kalkulationen oder Erwartungen. Ein Schritt der Verwirklichung eines Projekts führt zum nächsten, ohne dass wir vorher wissen müssen, worin er besteht. Es ist so, als würden wir von einer Entscheidung zur nächsten geführt, ohne dass es sein müsste, diese Entscheidungen überhaupt zu treffen oder ohne dass es jemanden geben müsste, der dies vollzieht.
Wer trifft die Entscheidungen?
Was bedeutet es, wenn wir die Natur oder das Leben samt dem ihnen innewohnenden Prinzip der Evolution als den eigentlichen Entscheidungsträger ansehen? Sie steuern auf faszinierende Weise die Entfaltung des Lebens mit einer erstaunlichen Kreativität. Warum das Leben so entscheidet, dass es das eine Wesen zur Blüte und das andere zum Verdorren bringt, verschließt sich solange, als wir in der Natur ein uns ähnliches Wesen suchen, bzw. eines, das unserer Ego-Struktur gleicht. Wir entscheiden uns doch für dieses und jenes, also muss auch die Natur so funktionieren. Wenn etwas Schlimmes passiert, muss es einen Täter geben, und dieser muss dingfest und verantwortlich gemacht werden.
Wenn nicht die Natur, dann gehen wir noch eine Ebene dahinter oder darüber und sehen Gott als den eigentlichen Entscheidungsmacher. Er (oder sie) misst dem Einen das große Glückslos zu, während der andere jede Woche brav den Schein ausfüllt und ein Leben lang nicht gewinnt. Und wenn er nicht in unserem Sinn entscheidet, hadern wir mit ihm, weil er doch der Letztverantwortliche ist für das, was uns zustößt, zumindest für das, wofür wir „nichts können“, d.h. wofür wir uns nicht verantwortlich fühlen.
Um vieles leichter geht uns, wenn wir gar nicht mehr wahrnehmen, dass wir uns entscheiden, sondern wenn einfach geschieht, was geschieht, ohne dass sich dieses wichtigtuerische Ich einmischt. Um so viel freier fühlen wir uns in der Erfahrung des Getragens- und Geführtwerdens, im Loslassen unserer Entscheidungslast. Oder? Wenn wir es dem Geschehen überlassen, was geschieht, ohne dass hier jemand mitentscheidet: Mit dem Leben fließen, statt es zu kontrollieren. Dann fühlen wir uns wie im Paradies – oder wie im Himmel.
Mittwoch, 13. Februar 2013
Globale Transparenz
Es hat sich in Großbritannien im Zuge einer Parlamentsanhörung herausgestellt, dass die Firma Starbucks trotz eines Marktanteils von 30 Prozent in 14 der 15 Jahre seines Bestehens auf der Insel keine steuerpflichtigen Gewinne, sondern nur Verluste geschrieben hat. Wie sich im Zuge der Anhörung zeigte, nutzt Starbucks seine internationale Verflechtung, um Gewinne steueroptimierend zu verschieben. So zahlt der britische Ableger des US-Konzerns hohe Lizenzgebühren an die steuerbegünstigte niederländische Niederlassung und kauft seine Kaffeebohnen teuer über seine Filialen in der Schweiz ein. (Online-Standard 13.2.2013)
Sicher ein Beispiel von vielen, und blöd wäre das Kapital, wenn es solche Schlupflöcher nicht nutzen würde. Wo Schlupflöcher sind, die der Allgemeinheit Gelder entziehen und sie in private Taschen umlenken, müssen diese gestopft werden. Gestopft können sie nur auf der internationalen Ebene, also braucht es weltweite Regelungen. Auf solche müssen die nationalen Regierungen drängen, wenn sie im Interesse ihrer Bürger handlungsfähig bleiben wollen.
Das ist der Trend, dem die Welt folgen wird, und der schließlich in einer Weltregierung kulminieren wird. Wobei sich zeigt, dass es der Kapitalismus selber ist, der seine eigene Bändigung erzwingt. Zwar versucht das Wirtschaftssystem aufgrund seiner ihm innewohnenden Logik, die Politik nach allen Regeln der Kunst auszutricksen, und braucht es immens lange, bis neue Regelungen die Minenfelder der Interessensvertretungen überlebt haben und in Kraft gesetzt werden, aber am Abend wird klar, wer das Sagen hat und wer Strafen verhängen kann, die auch den hartgesottensten Kapitalisten Schmerzen bereiten.
In diesem Räuber-und-Gendarm-Spiel hat die Rechtsordnung und die hinter ihr stehende politische Willensbildung nur scheinbar immer wieder das Nachsehen, weil das Kapital ja so wendig und flink entwischt, kaum hat man es am Rockzipfel erhascht. Denn aus der Notwendigkeit für globale Abkommen und Gesetzen wird der Weg für eine weltumspannende Regelungsinstanz gebahnt, für die es keine Grenzen gibt, hinter denen die Unternehmen ihre Gewinne verstecken können.
Damit rückt die Idee einer universalen Transparenz ins Blickfeld, und die Wirtschaft steht dann vor der Wahl, gemeinwesenorientiert statt individuell reichtumsmaximierend vorzugehen, eine Option, die sich dann in aller Öffentlichkeit auch für die einzelnen Akteure im Feld stellt. Denn Transparenz heißt, dass sichtbar gemacht wird, was Einzelne leisten – für die Gemeinschaft oder nur für sich selber. Egoismen gedeihen im Verborgenen geschlossener Insiderkreise besser als im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Stars und andere reiche Leute, die ihre Staatsbürgerschaft danach richten, wo sie am wenigsten Steuern zahlen, sind peinlich davon betroffen, wenn sie darüber in der Zeitung lesen müssen.
Die zunehmende Bewusstheit für Korruption in der Rechtsdurchsetzung geht Hand in Hand mit der wachsenden Empörung in der Zivilgesellschaft über giergetriebene Praktiken von Wirtschaftstreibenden und Politikern. Dadurch entsteht der notwendige Druck, den es braucht, um an den Schnittstellen von Politik und Wirtschaft für klare und transparente Verhältnisse zu sorgen. Als Bankdirektor oder als politischer Machtträger im Gefängnis landen zu können, wenn die eigene Habgier auf Kosten des Gemeinwesens überhandnimmt, erfüllt noch immer einen gewissen Abschreckungseffekt.
Stattdessen können wir erwarten, dass sich die Akteure im wirtschaftlichen Feld (die wir alle sind, als Produzenten und als Konsumenten) mehr an den Dienstcharakter ihrer Aufgaben erinnern. Denn der Sinn der Wirtschaft besteht allemal einfach darin, die für das Wohlbefinden und die Lebensanreicherung aller in möglichst gleichem Maß erforderlichen Güter und Dienstleistungen anzubieten, und nicht darin, möglichst große Einkommensunterschiede und vereinzelte Reichtumskonzentrationen hervorzubringen.
Sonntag, 10. Februar 2013
Die Einatem-Gesellschaft
Einatmen bedeutet Energie aufnehmen und sich stärken. Wir blasen uns auf zum Imponiergehabe – Brustraum nach vorn, Kinn nach oben, das Kreuz hohl. So schaffen wir uns Raum und Ellbogenfreiheit. Wir sind für jede Herausforderung gerüstet.
Das Einatmen aktiviert unser Stresssystem (Sympathikus). Mit dem Ausatmen entspannen wir uns (Parasympathikus). Wenn wir diesen einfachen Rhythmus zulassen können, bleibt unser Organismus auf einer tiefen Ebene in Balance. Wird ein System zuungunsten des anderen überstrapaziert, kommt es zum Ungleichgewicht. In unserer Gesellschaft, die darauf angelegt ist, den Menschen immer mehr Leistung abzuverlangen, ist dieses Ungleichgewicht systemimmanent. Die Arbeitswelt ist vom Einatemmodus geprägt, für das Ausatmen ist die Freizeit vorgesehen. Doch die Kunst, die Leistungserwartungen abzuschalten, kaum schließt sich die Bürotür oder das Fabrikstor hinter dir, beherrschen nur wenige. Die Anspannung wirkt in die Freizeit hinein und nimmt ihr den Erholungscharakter.
Unser Organismus ist nicht darauf angelegt, in stundenlangen Zyklen voll auf Leistung eingestellt zu sein, ohne sich erholen zu können; um das durchzuhalten, muss er auf seine Ressourcen zurückgreifen. Die Freizeit dient dann vor allem dazu, die geplünderten Ressourcen nachzufüllen, die die Arbeit verschlungen hat. Die kreative Gestaltung unseres eigenen Lebens bleibt dabei auf der Strecke oder verkümmert zu einer Randerscheiung.
Auch mental spielt die Arbeitswelt bei den meisten Menschen in unserer Kultur die dominante Rolle: Was ist zu tun, was ist zu erledigen, was wird von mir erwartet, was muss ich erfüllen? Habe ich nichts vergessen, was zu tun ist? Und was, wenn ich doch etwas vergessen habe?
Um diese Themen kreisen die Gedanken des außengesteuerten Einatem-Menschen (Unerledigtes aus der Vergangenheit quält ebenso wie Sorgenvolles im Vorausblick auf die Zukunft). Das zwanghafte Denken sorgt dafür, dass das Anspannungssystem daueraktiv bleibt. Es bringt die Atmung dazu, dass das Augenmerk nur auf dem Einatmen liegt und die Ausatmung vernachlässigt wird, bzw. nur als Brücke zum Einatmen genutzt wird, sodass sie unter Druck geschieht. Damit wird der Ausatmung ihre Entspannungsfunktion genommen. Das bildet den Einatemtyp, wie er oben charakterisiert wurde, maßgeschneidert für die ressourcenverschleudernde materialistische Gesellschaft und Kultur.
In der Ausatmung entspannt sich die Muskulatur, wir geben Energie ab und sinken nach innen. Wir geben die Kontrolle ab und sind verwundbar, sei es auch nur für einen Moment. Wir geben uns dem hin, was gerade ist, werden rezeptiv, offen für Eindrücke. Das Wahrnehmungsfeld nach außen und nach innen weitet sich.
In der Ausatmung finden wir zur Kreativität. Denn sobald wir die Außenwelt nicht mehr überwachen, kommt sie mit ihren Ideen auf uns zu. Zugleich meldet sich unser Inneres mit dem, was sich schon immer mitteilen wollte. Wir laden Neues ein und können mit dem nächsten Einatem die Energie zur Umsetzung und Verwirklichung tanken.
Kommt die Ausatmung vor der Einatmung, also liegt das Schwergewicht bei ihr, dann sind wir zuerst rezeptiv, bevor wir aktiv werden. Wir geben dem, was von außen und von innen kommt, die erste Beachtung. Die Einatmung dient zur Unterstützung dessen, was im Ausatem zu uns kommt, und gibt uns die Kraft zum Weitertragen und Weiterentwickeln der Ideen.
In einer Ausatemgesellschaft steht also nicht die Leistung und die Kontrolle an erster Stelle, sondern das Hinhören und Lauschen. Wir hängen weder in der Vergangenheit fest mit unseren Zweifeln und Rechtfertigungen, noch nehmen wir die Zukunft in unseren Sorgen vorweg, sondern wir können uns besser auf den Moment und seine Erfordernisse und Möglichkeiten ausrichten. Unsere Handlungen entspringen nicht dem Druck der äußeren und inneren Erwartungen, sondern aus der Entspannung.
Dazu müssen wir die Ausatmung erst erlernen. Konfuzius hat geschrieben, dass das erste, was der Mensch lernen muss, das Atmen ist. Wir müssen heute, 2 500 Jahre später, sagen, dass das erste, was wir moderne Menschen lernen müssen, das Ausatmen ist. Wir haben uns angewöhnt, das Ausatmen als Überbrückung oder Verlängerung des Einatmens zu nehmen, und atmen deshalb unter Druck aus, so als wollten wir die Luft aus den Lungen pressen.
Wenn wir statt dessen beim Ausatmen die Luft freilassen, indem wir die gesamte, an der Atmung beteiligte Muskulatur entspannen, erleben wir, wie die Atemluft uns von selber verlässt, ohne dass wir etwas tun müssen. Wir erleben, was geschieht, wenn wir zulassen, was von sich aus geschehen will, und wie wir dabei präsent sein können.
Wir kehren die Richtung um: Wir reagieren nicht mehr nur auf die Probleme, vor die uns die Welt stellt, sondern spüren nach, welche Welt wir gerne haben möchten und lassen auf uns zukommen, was wir dafür tun können. Wir üben uns im Vertrauen, wie wir, wenn wir uns dem Ausatem hingeben, in ihm vertrauen, dass der Einatmen von selber wieder kommen wird und damit der Zyklus des Lebens weiterfließt.
Das Einatmen aktiviert unser Stresssystem (Sympathikus). Mit dem Ausatmen entspannen wir uns (Parasympathikus). Wenn wir diesen einfachen Rhythmus zulassen können, bleibt unser Organismus auf einer tiefen Ebene in Balance. Wird ein System zuungunsten des anderen überstrapaziert, kommt es zum Ungleichgewicht. In unserer Gesellschaft, die darauf angelegt ist, den Menschen immer mehr Leistung abzuverlangen, ist dieses Ungleichgewicht systemimmanent. Die Arbeitswelt ist vom Einatemmodus geprägt, für das Ausatmen ist die Freizeit vorgesehen. Doch die Kunst, die Leistungserwartungen abzuschalten, kaum schließt sich die Bürotür oder das Fabrikstor hinter dir, beherrschen nur wenige. Die Anspannung wirkt in die Freizeit hinein und nimmt ihr den Erholungscharakter.
Unser Organismus ist nicht darauf angelegt, in stundenlangen Zyklen voll auf Leistung eingestellt zu sein, ohne sich erholen zu können; um das durchzuhalten, muss er auf seine Ressourcen zurückgreifen. Die Freizeit dient dann vor allem dazu, die geplünderten Ressourcen nachzufüllen, die die Arbeit verschlungen hat. Die kreative Gestaltung unseres eigenen Lebens bleibt dabei auf der Strecke oder verkümmert zu einer Randerscheiung.
Auch mental spielt die Arbeitswelt bei den meisten Menschen in unserer Kultur die dominante Rolle: Was ist zu tun, was ist zu erledigen, was wird von mir erwartet, was muss ich erfüllen? Habe ich nichts vergessen, was zu tun ist? Und was, wenn ich doch etwas vergessen habe?
Um diese Themen kreisen die Gedanken des außengesteuerten Einatem-Menschen (Unerledigtes aus der Vergangenheit quält ebenso wie Sorgenvolles im Vorausblick auf die Zukunft). Das zwanghafte Denken sorgt dafür, dass das Anspannungssystem daueraktiv bleibt. Es bringt die Atmung dazu, dass das Augenmerk nur auf dem Einatmen liegt und die Ausatmung vernachlässigt wird, bzw. nur als Brücke zum Einatmen genutzt wird, sodass sie unter Druck geschieht. Damit wird der Ausatmung ihre Entspannungsfunktion genommen. Das bildet den Einatemtyp, wie er oben charakterisiert wurde, maßgeschneidert für die ressourcenverschleudernde materialistische Gesellschaft und Kultur.
Ausatmen bedeutet Hingabe
In der Ausatmung entspannt sich die Muskulatur, wir geben Energie ab und sinken nach innen. Wir geben die Kontrolle ab und sind verwundbar, sei es auch nur für einen Moment. Wir geben uns dem hin, was gerade ist, werden rezeptiv, offen für Eindrücke. Das Wahrnehmungsfeld nach außen und nach innen weitet sich.
In der Ausatmung finden wir zur Kreativität. Denn sobald wir die Außenwelt nicht mehr überwachen, kommt sie mit ihren Ideen auf uns zu. Zugleich meldet sich unser Inneres mit dem, was sich schon immer mitteilen wollte. Wir laden Neues ein und können mit dem nächsten Einatem die Energie zur Umsetzung und Verwirklichung tanken.
Wie wäre es mit einer Ausatemgesellschaft?
Kommt die Ausatmung vor der Einatmung, also liegt das Schwergewicht bei ihr, dann sind wir zuerst rezeptiv, bevor wir aktiv werden. Wir geben dem, was von außen und von innen kommt, die erste Beachtung. Die Einatmung dient zur Unterstützung dessen, was im Ausatem zu uns kommt, und gibt uns die Kraft zum Weitertragen und Weiterentwickeln der Ideen.
In einer Ausatemgesellschaft steht also nicht die Leistung und die Kontrolle an erster Stelle, sondern das Hinhören und Lauschen. Wir hängen weder in der Vergangenheit fest mit unseren Zweifeln und Rechtfertigungen, noch nehmen wir die Zukunft in unseren Sorgen vorweg, sondern wir können uns besser auf den Moment und seine Erfordernisse und Möglichkeiten ausrichten. Unsere Handlungen entspringen nicht dem Druck der äußeren und inneren Erwartungen, sondern aus der Entspannung.
Dazu müssen wir die Ausatmung erst erlernen. Konfuzius hat geschrieben, dass das erste, was der Mensch lernen muss, das Atmen ist. Wir müssen heute, 2 500 Jahre später, sagen, dass das erste, was wir moderne Menschen lernen müssen, das Ausatmen ist. Wir haben uns angewöhnt, das Ausatmen als Überbrückung oder Verlängerung des Einatmens zu nehmen, und atmen deshalb unter Druck aus, so als wollten wir die Luft aus den Lungen pressen.
Wenn wir statt dessen beim Ausatmen die Luft freilassen, indem wir die gesamte, an der Atmung beteiligte Muskulatur entspannen, erleben wir, wie die Atemluft uns von selber verlässt, ohne dass wir etwas tun müssen. Wir erleben, was geschieht, wenn wir zulassen, was von sich aus geschehen will, und wie wir dabei präsent sein können.
Wir kehren die Richtung um: Wir reagieren nicht mehr nur auf die Probleme, vor die uns die Welt stellt, sondern spüren nach, welche Welt wir gerne haben möchten und lassen auf uns zukommen, was wir dafür tun können. Wir üben uns im Vertrauen, wie wir, wenn wir uns dem Ausatem hingeben, in ihm vertrauen, dass der Einatmen von selber wieder kommen wird und damit der Zyklus des Lebens weiterfließt.
Die interne Kommunikation pflegen
Ich finde, dass die interne Kommunikationskultur eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit spielt. Die Beziehung, die wir zu uns selbst und zu unserem Körper haben, sollten wir deshalb ebenso wichtig nehmen, wie die Beziehungen nach außen, zu anderen Menschen und zur Welt um uns herum.
Manche Menschen merken ihr Inneres nur, wenn es sich auf störende Weise äußert, mit Krankheit oder Unwohlsein, Schmerzen oder Missstimmung. Dann wird die interne Kommunikation aufgenommen. Sie wird dabei meistens von Ängsten geleitet: Was ist jetzt schon wieder los? Hoffentlich werde ich nicht krank! Das kann ich jetzt gar nicht brauchen! Wie komme ich damit zurecht? Warum gerade jetzt? Usw.
Wir reagieren also nicht gerade freundlich und herzlich auf Signale, die uns unser Körper und unser Inneres senden. Wir geben zu verstehen, dass wir eigentlich gar nicht interessiert sind an diesen Nachrichten, sondern dass wir uns gezwungenermaßen damit auseinandersetzen müssen. Wir verhalten uns wie ein gestresster Elternteil, von dem ein Kind beachtet werden möchte. Das Kind kriegt dann den Eindruck, aufdringlich zu sein, zu stören und keine Beachtung zu verdienen. Vielleicht resigniert es oder versteift sich trotzig darauf, nie mehr wieder Beachtung zu verlangen. Die Kommunikation ist unterbrochen.
Was, wenn unser Körper durch unsere Missachtung seiner Bedürfnisse resigniert oder trotzig verstummt ist? Ist es da nicht höchste Zeit, das Gespräch wieder aufzunehmen und den Kontakt wieder herzustellen? Gerade, wenn sich nichts Schlimmes meldet und sich das körperliche und seelische Wohlbefinden in einer guten Balance befindet, ist das eine gute Gelegenheit, die interne Kommunikation zu pflegen. Im entspannten Zustand können wir am besten und erfolgreichsten kommunizieren. Wir können unseren Organen unsere Anerkennung ausdrücken für das, was sie tagein tagaus leisten, um uns bei unseren Aktivitäten zu unterstützen. Wir können den Problemzonen, die uns immer wieder einmal plagen, eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, damit wir sie in ihrer Regeneration und Heilung fördern.
Wir sollten bei der inneren Kommunikation die Regeln der Höflichkeit befolgen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber, weil wir uns häufig nur in belasteten Situationen unserem Körper und unserem Inneren zuwenden, spielen wir uns eher wie die ungnädigen Herrscher auf statt dass wir als Freunde zu Freunden reden. Nutzen wir die Erkenntnisse, die wir aus der Arbeit mit Affirmationen gewonnen haben: Teilen wir mit, was wir haben möchten, und nicht, was wir verschwinden lassen möchten. Sprechen wir also von Heilung und Gesundheit, von Abwehrkräften und Reinigungsprozessen, zu denen wir die Teile unseres Inneren ermutigen und bekräftigen wollen. Bleiben wir in der Gegenwart und teilen wir unsere Wünsche dafür mit, statt einen irgendwann zukünftigen Zustand zu beschwören. Vermeiden wir ungeduldige Aufforderungen, Befehle und Vorhaltungen, sondern bleiben wir wohlgesonnen und vertrauensvoll.
Wenn Ängste da sind, teilen wir sie offen und direkt, und achten wir dabei auch darauf, was wir an unterstützenden Kräften und Energien anbieten können. Bleiben wir im „Augenkontakt“, lenken wir also unsere innere Aufmerksamkeit auf unseren Gesprächspartner, sei es ein Teil unseres Gehirns oder die Leber. Je entspannter wir dabei sein können, desto leichter wird uns dieser Kontakt fallen und desto mehr Früchte kann er bringen.
Freundschaft mit uns selber schließen – mit unserem Körper und all seinen Zellen und Zellverbänden, mit unserem Gefühlsleben und unseren Gedanken – das ist doch ein lohnendes Unternehmen. Schließlich sind wir selber das Wesen, mit dem wir die meiste Zeit verbracht haben und verbringen, und je besser wir uns da verstehen, desto wohler fühlen wir uns. Wenn die innere Kommunikation stimmt, sind wir auch leichter für andere Menschen offen und präsent.
Freundschaft muss gepflegt werden, kümmern wir uns jetzt darum!
Zum Weiterlesen:
Das Kind in uns
Manche Menschen merken ihr Inneres nur, wenn es sich auf störende Weise äußert, mit Krankheit oder Unwohlsein, Schmerzen oder Missstimmung. Dann wird die interne Kommunikation aufgenommen. Sie wird dabei meistens von Ängsten geleitet: Was ist jetzt schon wieder los? Hoffentlich werde ich nicht krank! Das kann ich jetzt gar nicht brauchen! Wie komme ich damit zurecht? Warum gerade jetzt? Usw.
Wir reagieren also nicht gerade freundlich und herzlich auf Signale, die uns unser Körper und unser Inneres senden. Wir geben zu verstehen, dass wir eigentlich gar nicht interessiert sind an diesen Nachrichten, sondern dass wir uns gezwungenermaßen damit auseinandersetzen müssen. Wir verhalten uns wie ein gestresster Elternteil, von dem ein Kind beachtet werden möchte. Das Kind kriegt dann den Eindruck, aufdringlich zu sein, zu stören und keine Beachtung zu verdienen. Vielleicht resigniert es oder versteift sich trotzig darauf, nie mehr wieder Beachtung zu verlangen. Die Kommunikation ist unterbrochen.
Was, wenn unser Körper durch unsere Missachtung seiner Bedürfnisse resigniert oder trotzig verstummt ist? Ist es da nicht höchste Zeit, das Gespräch wieder aufzunehmen und den Kontakt wieder herzustellen? Gerade, wenn sich nichts Schlimmes meldet und sich das körperliche und seelische Wohlbefinden in einer guten Balance befindet, ist das eine gute Gelegenheit, die interne Kommunikation zu pflegen. Im entspannten Zustand können wir am besten und erfolgreichsten kommunizieren. Wir können unseren Organen unsere Anerkennung ausdrücken für das, was sie tagein tagaus leisten, um uns bei unseren Aktivitäten zu unterstützen. Wir können den Problemzonen, die uns immer wieder einmal plagen, eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, damit wir sie in ihrer Regeneration und Heilung fördern.
Wir sollten bei der inneren Kommunikation die Regeln der Höflichkeit befolgen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber, weil wir uns häufig nur in belasteten Situationen unserem Körper und unserem Inneren zuwenden, spielen wir uns eher wie die ungnädigen Herrscher auf statt dass wir als Freunde zu Freunden reden. Nutzen wir die Erkenntnisse, die wir aus der Arbeit mit Affirmationen gewonnen haben: Teilen wir mit, was wir haben möchten, und nicht, was wir verschwinden lassen möchten. Sprechen wir also von Heilung und Gesundheit, von Abwehrkräften und Reinigungsprozessen, zu denen wir die Teile unseres Inneren ermutigen und bekräftigen wollen. Bleiben wir in der Gegenwart und teilen wir unsere Wünsche dafür mit, statt einen irgendwann zukünftigen Zustand zu beschwören. Vermeiden wir ungeduldige Aufforderungen, Befehle und Vorhaltungen, sondern bleiben wir wohlgesonnen und vertrauensvoll.
Wenn Ängste da sind, teilen wir sie offen und direkt, und achten wir dabei auch darauf, was wir an unterstützenden Kräften und Energien anbieten können. Bleiben wir im „Augenkontakt“, lenken wir also unsere innere Aufmerksamkeit auf unseren Gesprächspartner, sei es ein Teil unseres Gehirns oder die Leber. Je entspannter wir dabei sein können, desto leichter wird uns dieser Kontakt fallen und desto mehr Früchte kann er bringen.
Freundschaft mit uns selber schließen – mit unserem Körper und all seinen Zellen und Zellverbänden, mit unserem Gefühlsleben und unseren Gedanken – das ist doch ein lohnendes Unternehmen. Schließlich sind wir selber das Wesen, mit dem wir die meiste Zeit verbracht haben und verbringen, und je besser wir uns da verstehen, desto wohler fühlen wir uns. Wenn die innere Kommunikation stimmt, sind wir auch leichter für andere Menschen offen und präsent.
Freundschaft muss gepflegt werden, kümmern wir uns jetzt darum!
Zum Weiterlesen:
Das Kind in uns
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