Der Widerstand kann sich auf Aspekte der äußeren wie auch der inneren Wirklichkeit beziehen. Ich kann auch Gefühle in mir ablehnen, weil sie nicht zu meinem Selbstbild passen, z.B. wenn ich mich für einen großzügigen Menschen halte und deshalb Neidgefühle in mir nicht akzeptieren will. Etwas, was da ist, soll nicht so da sein, wie es ist, sondern so, wie es in den Rahmen meiner Vorstellungen passt.
Damit bin ich im Widerspruch zur Wirklichkeit, in einer dualen Spaltung: Ich (meine Vorstellungen) gegen die Welt. Ich bin geleitet von der Überzeugung, dass sich daran nur etwas ändern kann, wenn sich die Welt ändert. In diesem Fall geht es uns wie bei einem Streit: wenn sich der andere in meinem Sinn ändert, wenn er mir rechtgibt, dann kommen wir wieder zusammen, sonst gibt es keine Möglichkeit. Wenn wir es mit anderen Menschen zu tun haben, kann es manchmal vorkommen, dass der andere nachgibt; wenn wir es jedoch mit der restlichen Wirklichkeit als ganzer zu tun haben, setzt sich unweigerlich diese durch; erstens ist sie unendlich mächtiger als unser kleines Ego und zweitens hat sie ja nicht einmal ein Problem damit, dass jemand ein Problem mit ihr hat. Das Problem ist nur intern, in unserem verworrenen Egogefüge.
Widerstände verstehen
Wo eine Spaltung besteht, kann sie nur durch Verständnis überwunden werden. Verständnis setzt die Fähigkeit voraus, aus der eigenen Selbstbezüglichkeit auszubrechen und eine überpersönliche Perspektive einzunehmen. Diese Fähigkeit ist mit der Instanz in uns verbunden, die erkennt, dass wir selber für den Widerstand verantwortlich sind. Es ist die Instanz, die an der Trennung leidet und zurück zur Einheit strebt. Dazu braucht es eine hohe Kompetenz, verbunden mit einer klaren inneren Kraft, die Macht der Akzeptanz. Sie wendet sich dem Widerstand mit der Haltung der Bedingungslosigkeit zu.
Im Umgang mit Widerständen macht es keinen Sinn, Druck auszuüben, Forderungen zu stellen, Drohungen zu äußern (wie auch sonst im Leben selten). Jeder Druck verstärkt den Widerstand: Druck erzeugt Gegendruck, starker Druck starken Gegendruck. Dazu kommt, dass der Widerstand noch andere Strategien auf Lager hat: er kann ausweichen, sich scheinbar zurückziehen oder scheinbar aufgeben. All das verschlimmert nur das Problem und vertieft die Spaltung. Scheinlösungen führen zu einem faulen Frieden, der bei jedem Anlass sofort zerbricht.
Wenn wir uns mit jemandem anfreunden wollen, wollen wir die andere Person kennenlernen. Wir beginnen klugerweise nicht damit, dem anderen vorzuschreiben, wie er sich verhalten soll, was er denken und sagen soll und was nicht usw. Kommen wir so, zieht die andere Person schnell vor uns zurück oder tritt uns mit Abwehr entgegen. Statt Freundschaft zu stiften, haben wir einen neuen Feind gewonnen.
Freundschaft knüpfen wir, wenn wir unser Gegenüber so akzeptieren wie sie ist, statt sie verändern zu wollen. Wir wenden uns ihr zu, indem wir unsere eigenen Wünsche, Erwartungen und Intentionen beiseite stellen. Wir machen uns bereit, in die Welt des anderen einzutreten und sie mit Interesse zu erforschen, geradezu neugierig auf das Unbekannte, das sich dort verbirgt. Mit dieser Haltung gewinnen wir Freunde, und mit ihr kommen wir auch unseren Widerständen nahe, sodass sie von Feinden zu Freunden mutieren.
Widerstand=Schutz
Was zu verstehen ist, ist die ursprüngliche Sinnhaftigkeit jeder Widerstandsreaktion in uns. Sie diente irgendwann einmal als Schutz. Es gab in unserer Lebensgeschichte Ereignisse, sie so bedrohlich waren, dass ein Schutz davor errichtet werden musste, um das Überleben zu sichern.
Jeder Widerstand hat diese Wurzel: Irgendwann diente er als sinnvoller Schutz, als intelligente Überlebensstrategie. Er ist wie ein treuer Diener, der nur unser Bestes im Sinn hat. Diese Tatsache sollte gesehen und mit Dankbarkeit anerkannt werden. Auch wenn der Widerstand in der Gegenwart offensichtlich zu nichts mehr gut ist, trägt er in sich noch immer die Wichtigkeit und Bedeutsamkeit der einstigen lebensrettenden Funktion wie eine Fahne vor sich her. Und diese Auszeichnung will erkannt und gewürdigt werden.
Zur Versöhnung
Auf einem solchen Weg kann der Prozess der inneren Versöhnung in Gang kommen. Er braucht zwei Komponenten, um zurück zur Einheit zu führen: Aktiv muss sich das Bewusstsein dem Widerstand in bedingungsloser Weise widmen, ihm Raum geben, in dem er anerkannt werden kann. Aktiv werden alle Störsignale ausgeblendet, alles, was Druck ausüben will, was also in Widerstand zum Widerstand gehen möchte. Erst in der Atmosphäre der bedingungslosen und erwartungslosen Annahme kann der Widerstand weich werden. „Kann“ heißt in diesem Zusammenhang nicht „muss“. Denn jedes Müssen nimmt die Freiheit, die bei diesem Prozess notwendig ist.
Dort ist die Grenze der zielgerichteten Aktivität und des eigenen Wollens: Ob der Widerstand nachgibt, liegt an ihm. Da geht es um etwas, das geschieht oder eben nicht. Die Geduld, die aufgebracht werden muss, heißt Erwartungslosigkeit, das Loslassen aller Konzepte darüber, wie die Wirklichkeit sein sollte: Erst wenn sich der eigene kleinere Wille zurückzieht, kann ein größerer Wille geschehen.
Deshalb gleicht die Verabschiedung eines Widerstandes einem Wunder: Obzwar der Einsatz notwendig ist, der die Hindernisse beiseite räumt, ist sie nicht durch Leistung oder Anstrengung herstellbar, nicht durch Machtausübung und Druck erzwingbar, sie tritt ins Offene, wenn es eine geheimnisvolle Quelle zulässt.
Die Verwandlung
Was sich dann zeigt, ist genauso wunderbar: Der Widerstand verabschiedet sich nicht eigentlich, genauso wenig löst er sich auf; vielmehr verwandelt er sich in eine Kraft, bzw. gibt er die Kraft frei, die in der Aufrechterhaltung der Abwehr investiert und gebunden war. Die gefesselte und eingefrorene Kraft wird zur freien, kreativ wirksamen Energie, die für die Bewältigung neuer Lebensaufgaben zur Verfügung steht.
Das ist die Alchemie des Lebens, das immer ein Weiterwachsen beinhaltet: Die Macht der Verwandlung des Behindernden ins Befördernde, der Blockade in vorwärtstreibende Kraft. Etwas Verhärtetes und Hartnäckiges wird ins Fließen gebracht. Im Fließen verschwindet die Dualität, es gibt nichts Abgespaltenes mehr, sondern nur die Einheit.
Es zeigt sich, dass die Verwandlung ein gutes Zusammenspiel braucht: Zwischen Tun und Gewährenlassen, zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Wir müssen zunächst das Unsere tun, mit der Kompetenz der bedingungslosen Zuwendung und Akzeptanz, und treten dann zurück, damit geschehen kann, was geschehen soll. Wir atmen ein und geben Raum, damit das Ausatmen geschehe.
Vgl. Weiches besiegt das Harte
Musterverändung - aber wie?
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