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Freitag, 19. März 2021

Das Vergleichen in Beziehungen

Das zwischenmenschliche Vergleichen kennt mehrere Richtungen: Wir vergleichen uns selbst mit anderen, vergleichen andere mit uns oder vergleichen andere mit anderen. Hier geht es um die letztere Vergleichsform, vor allem bezogen auf Menschen, mit denen wir in einer Nahbeziehung stehen.

Wir neigen dazu, gerade diese Menschen mit anderen zu vergleichen. Vor allem dann, wenn wir Probleme mit diesen Personen haben, suchen wir uns Vergleichsobjekte, mit denen es leichter wäre oder die eine Eigenschaft nicht haben, die uns stört. Besonders heikel ist das Vergleichen, wenn es um Liebesbeziehungen geht. Es kann das Äußere einer fremden Person als schöner empfunden werden als das des eigenen Partners. Oder es gibt da draußen jemanden, der mehr Intelligenz, Geld, Sportlichkeit, Witz, Gelassenheit usw. hat. 

Wir spüren, dass das Vergleichen irgendwo unfair und gemein ist. Denn wir nutzen es, um die Person, um die es uns dabei geht, schlechtzumachen, abzuwerten und herabzustufen: Andere sind besser, schöner, schneller, reicher als du. Und deshalb zählst du weniger – und deshalb kann ich dich auch umso weniger liebhaben, nur wegen deiner Fehlerhaftigkeit, an der du selber schuld bist. 

Wie alle Gemeinheiten, die uns unterlaufen, fallen auch solche Vergleiche auf uns zurück. Denn die nächsten Gedanken melden sich bald: Wer sind wir denn selber, wenn wir einen Liebespartner haben, der im Vergleich zu den anderen so schlecht abschneidet? Vielleicht denken wir, wir hätten uns jemand Besseren verdient, aber wo ist diese bessere Person? Warum haben wir sie nicht schon lange gefunden? Sind wir selber so unattraktiv, dass sich nur Menschen für uns interessieren, die so mangelhaft sind? Schon landet die Last des Vergleichs bei uns selber und wir müssen uns eingestehen, wir haben genau den Menschen als Partner, den wir gerade haben – ob verdient oder unverdient, ist noch die Frage. 

Die Rolle der Scham

Beim Vergleichen spielt die Scham eine treibende Rolle. Wir leiden im Verborgenen an unserer eigenen Mangelhaftigkeit. Weil wir uns deshalb schämen, das Schamgefühl aber so unangenehm ist, projizieren wir die Mangelhaftigkeit auf die andere Person und stellen durch Vergleiche sicher, dass wir mit unserer Einschätzung richtig liegen. 

Es gibt ja tatsächlich Menschen, die in dieser oder jener Hinsicht besser sind als die Person, mit der wir zusammen sind. Aber warum müssen wir diese Leute in unseren Kopf hineindenken? Warum zaubern wir sie aus einem imaginären Hut? Was ändert sich dadurch an der Unzufriedenheit, die uns zum Vergleich angestiftet hat? Vermutlich wird sie nur noch größer.

Richtig wohl fühlen wir uns nicht bei solchen Vergleichen, weil wir insgeheim merken, dass wir damit einem Menschen unrecht tun. Wir bewerten, messen, schätzen diese Person, als wäre sie ein Artikel in einem Geschäft, den wir mit einem anderen vergleichen, um die richtige Kaufentscheidung treffen zu können. Wir behandeln die Person also nicht als Person, sondern als Ansammlung von Eigenschaften, die jeweils mit Besserem verglichen werden können. Dabei nutzen wir die Scham als Waffe: Die Herabstufung, die wir der anderen Person antun, bringt sie in eine beschämende Position. Wir sprechen ihr einen minderen Wert zu, worüber sie nur Scham empfinden kann.

Die innere Dynamik der Scham bewirkt allerdings, dass sie uns selber in Beschlag nimmt, sobald wir uns mit dem Beschämen anderer Menschen beschäftigen. Andere abzuwerten beschämt uns selber, wenn wir genau hinspüren. Jeder asoziale Impuls hat eine Schamreaktion zur Folge. Und abwertende Vergleiche sind gemeinschaftsschädigend.

Da uns solche Einsichten beschämen würden, verleugnen wir unseren eigenen Anteil. Vielmehr schützen wir uns mit der Offensichtlichkeit der Vergleichsperspektive vor dem lästigen Schamgefühl. Wir tun so, als hätten wir eine objektive Wahrheit über die andere Person entdeckt, ein Faktum, das unbestreitbar ist. Darauf gründen wir die Rechtfertigung für unser Vergleichen.

Selbstwertmangel

Wo die Scham mitwirkt, ist der Selbstwert geschwächt. Auch hier wirkt die Dynamik, dass das Vergleichen zwar die andere Person abwertet, aber dass jedem Vergleichen eine Mangelperspektive zugrunde liegt, die mit geringem Selbstwert zusammenhängt. Wer vergleicht, hat es nötig, könnte man sagen.

Scheinbar verschaffe ich mir mehr Eigenwert, indem ich mich in die Lage versetze, Mitmenschen in Wertrelationen einzupassen. Ich maße mir eine Richterposition an, die mich überlegen sein lässt. Sobald ich mich auf solche Weise über andere darüber stelle, wird offenbar, dass ich mich künstlich überhöhen muss, weil ich mich in Wirklichkeit unterlegen fühle.

Ausgesprochene und heimliche Vergleiche

Es macht noch wichtigen einen Unterschied, ob wir jemand anderen vergleichen und diesen Vergleich bei uns behalten oder aussprechen. Behalten wir ihn bei uns, nutzen wir ihn, um das Bild der anderen Person, das wir in uns tragen, zu verschlechtern und zu verdunkeln. Die andere Person kann merken, dass sich in unserem Verhältnis zu ihr etwas verändert hat, ohne es deuten zu können. Vermutlich wird aber ein Misstrauen entstehen, das dann irgendwann einen Konflikt auslöst.

Sprechen wir den Vergleich aus und konfrontieren damit die angesprochene Person mit ihrem Vergleichsobjekt, so beschämen wir sie direkt und riskieren damit, dass uns mit einer der Formen der Schamabwehr gekontert wird. Jedenfalls schaffen wir damit eine kommunikative Spannung oder verstärken eine schon bestehende. 

Zwischenmenschliche Vergleiche sind also in allen sozialen Bereichen effektive Mittel, um die Beziehungen mit Spannung aufzuladen und Konflikte herbei zu beschwören. All die Schwierigkeiten, die wir damit produzieren, fallen immer auch auf uns zurück. Deshalb sollten wir mehr Achtsamkeit und Bewusstheit auf unsere Tendenzen lenken, solche Vergleiche anzustellen und diese Aspekte unseres Verstandes zu entlarven und damit abzuschwächen. Wir brauchen eine Disziplin in unserem Denken, um aus solchen Gewohnheiten herauszukommen.

Offene Kommunikation

Statt angesprochen oder heimlich Vergleiche anzustellen, wenn uns an unseren Beziehungspartnern etwas stört, ist es konstruktiver und hilfreicher, über diese Punkte mit den betreffenden Personen zu reden. Wir können Wünsche nach Verhaltensänderungen ausdrücken und Verständnis für unsere Anliegen bekommen. Wir merken, dass wir es mit unvollkommenen Menschen zu tun haben, und dass wir selber unvollkommen sind, auch in der Kapazität unserer Akzeptanz und Toleranz für das Anderssein der anderen. 

Überall dort, wo Gespräche gelingen, lösen sich Tendenzen zum Abwerten von selbst auf und die Beziehung vertieft sich durch das wechselseitige Wertschätzen gerade der Andersheit der anderen Person. Sobald wir uns daran freuen können, wie unsere Mitmenschen sind, werden Vergleiche sinnlos und wir kommen in Frieden mit uns und unserer sozialen Umwelt. 

Zum Weiterlesen:
Das Vergleichen und der Selbstwert
Vom Vergleichen
Vergleichen macht uns abhängig
Über die Einzigartigkeit


Donnerstag, 7. November 2019

Bescheidenheit als Tugend

Ist Bescheidenheit eine Tugend, fragt „Hanzi Freinacht“ in einem facebook-Posting. Er meint, dass die Bescheidenheit als Norm nicht taugt, weil sie dann als etwas Besseres ausgegeben wird als etwas anderes, Arroganz beispielsweise. Damit wird der Bescheidene zum überheblichen Besserwisser. „Die Bescheidenheit zu ehren und die Arroganz zu verachten, ist selbst ein Hochverrat an der Bescheidenheit,“ so Freinacht. 

Natürlich wird die Bescheidenheit zur Waffe, wenn wir sie gegen andere Haltungen von Menschen in Stellung bringen und Vergleiche anstellen. Bescheidenheit an sich ist weder besser noch schlechter als Arroganz. Beide Haltungen haben ihren Sinn und ihren Schatten. Eine gesunde Arroganz können wir mit gesundem Stolz gleichsetzen und eine falsche Bescheidenheit geht leicht mit Heuchelei einher. Die Tatsache jedoch, dass wir die Bescheidenheit für Machtzwecke nutzen können und uns damit selbst widersprechen, bedeutet nicht, dass sie nicht als Tugend taugen würde. Denn das gleiche gilt für jede andere Tugend auch. Die Nächstenliebe können wir für egoistische Handlungen missbrauchen, die Tapferkeit zur Gewaltrechtfertigung, die Weisheit zur Manipulation, die Geduld zur Verzögerung, die Ehrlichkeit zur Rücksichtslosigkeit usw. 

Tugenden und Laster

Was verstehen wir eigentlich unter dem etwas antiquiert wirkenden Begriff Tugend? Sie ist eine innere Einstellung und ethische Haltung, die erworben und gepflegt werden muss, die also nicht einfach unseren ursprünglichen Impulsen und Trieben entspringt, sondern im Zug des Hineinwachsens in die Gesellschaft angenommen wird. Sie besteht im Überwinden von egoistischen Antrieben und Gewohnheiten, von Bequemlichkeiten und Ängsten. Sie ist an einem überpersönlichen Guten orientiert, das prinzipiell allen Menschen dient.

Jede Tugend hat eine Seite, die als Vorbild und Richtschnur für ein gutes Leben dient, und eine Schlagseite, die zum Missbrauch verleitet. Unser Ego will immer mitschneiden, wenn wir einen inneren Fortschritt machen, indem es dafür z.B. Bewunderung oder materielle Vorteile erheischen möchte. Schon haben wir den dünnen Grat, auf dem die Tugend wandelt, verlassen und sind im Laster gelandet. 

Prediger der Bescheidenheit

Anderen Tugenden zu predigen, ist immer eine heikle Angelegenheit und funktioniert solange, als Hierarchien im Spiel sind. Früher war es die Aufgabe von Priestern, Missionaren, Kirchenlehrern und anderen Autoritäten, die dem einfachen Volk mores lehrten, also das, was als gut und böse zu gelten hat. Die Aufklärung hat mit der Demontage dieser Autoritäten begonnen. Seither muss sich jede Stimme, die Tugenden öffentlich anpreist, einer Rechtfertigung unterziehen und unterliegt der Prüfung im kritischen Diskurs. 

Jeder darf sich selber auf den Weg machen, die eigene Tugendhaftigkeit auszuformen und dafür die Verantwortung zu übernehmen, am besten im Rahmen der Bescheidenheit. Denn unsere eigenen Errungenschaften sind auch unsere kostbarsten Geschenke: Was wir in uns entwickeln können, verdanken wir immer auch anderen Quellen – darauf weist uns die Haltung der Bescheidenheit hin.

Bescheidenheit bedeutet, die eigenen Ansprüche und Erwartungen zurückzuschrauben. Sie umfasst die Fähigkeit, sich ohne schmerzhaften Verzicht, sondern aus Einsicht mit weniger zufriedenzugeben und die Quellen des Glücks im Inneren statt im Äußeren zu suchen. Sie beinhaltet ein erwachsenes Bedürfnismanagement: Die Unterscheidungsfähigkeit zwischen aktuellen, realen Bedürfnissen und illusionären oder eingebildeten Wünschen und Sehnsüchten sowie die Unterscheidungsfähigkeit zwischen unerfüllten Glücksansprüchen aus der Kindheit und den Notwendigkeiten der Erwachsenenwelt.

Die Bescheidenheit taugt nicht zum Vergleichen („Ich habe mehr davon als andere“) oder zum Verordnen („Du musst endlich bescheidener werden“) und auch nicht zur Selbstbeweihräucherung („Seht her, wie bescheiden ich bin“). Vielmehr muss sie selbst gefunden und entwickelt werden, eine persönliche Errungenschaft sein, damit sie in den eigenen Lebensstil inkorporiert werden kann. Sicher ist es sinnvoll, sich an Vorbildern zu orientieren. Es gibt eine Untersuchung, die festgestellt hat, dass Menschen dann aufs Fliegen verzichten (aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Umwelt, also aus einer Haltung der Bescheidenheit), wenn sie Menschen kennengelernt haben, die diesen Schritt gemacht haben und damit gut leben können.

Die falsche Bescheidenheit

Die Bezeichnung „falsche Bescheidenheit“ weist auf einen der verschiedenen Missbräuche der Tugend hin. Sie besteht beispielsweise darin, ernst gemeintes Lob oder Anerkennung abzulehnen, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Auch die Zurückweisung eines Gefallens, den einen jemand erweisen möchte, zählt dazu, oder das Sich-Zieren, eine Beförderung oder Auszeichnung anzunehmen. Es handelt sich um eine Anmaßung im Kleid der Bescheidenheit: Ein Bedürfnis, als außergewöhnlich bescheiden von den anderen angesehen zu werden und damit einen besonderen moralischen Status zu bekommen. „Falsch“ ist diese Bescheidenheit auch deshalb, weil mit ihr andere Menschen getäuscht werden sollen.

Privilegien und Bescheidenheit

Wir leben mit einem hohen Grad von Luxus, als Mitglieder einer dünnen Oberschicht der Weltbevölkerung. Wir können diese privilegierte Stellung mit der Demut derer, denen ein besonderes Los ohne Verdienst zugeteilt wurde, einnehmen. Dann liegt uns die Bescheidenheit näher als Machtstreben, Überheblichkeit und Raffgier. Mit dem von der Gier angetriebenen Zwang zur Güteranhäufung machen wir uns von einem Habenmodus abhängig, der uns in die Selbstausbeutung führt. Üben wir uns statt dessen in der Tugend der Bescheidenheit, so können wir sehr viel, wenn nicht sogar Entscheidendes zur Balancierung der Ungleichheiten innerhalb der Weltgesellschaft und im Verhältnis zwischen Menschheit und Natur beitragen. Zugleich kommt auch unser Inneres zu mehr Ausgleich und Frieden, weil es nicht mehr vom Habenwollen in Geiselhaft genommen ist. 

Die Bescheidenheit beinhaltet die Wertschätzung des Kleinen, Unscheinbaren, Unspektakulären. Die kleinen Dinge schaffen kleine Freuden, doch summieren sich diese Freuden beständig. Wenn das, was sonst übersehen wird, gesehen und wertgeschätzt wird, wächst das Ausmaß an Schönheit in dieser Welt.

Mittwoch, 26. April 2017

Wertschätzung für unseren Körper

Unser Körper-Geist-System ist alles, was wir sind – als Einzelwesen. Es erzeugt und verarbeitet alles, was wir erleben, denken und spüren. Wir sind das Netz an Beziehungen, das zwischen den verschiedenen Instanzen in unserem Inneren geknüpft sind. Die Qualität dieser Beziehungen entscheidet darüber, wie wir uns fühlen und wie wir uns der Welt und den anderen Menschen gegenüber verhalten.

Deshalb ist es wichtig, dass wir all das, was wir im Äußeren mit der Welt um uns herum erleben wollen, in uns selber kultivieren. Das heißt, dass wir die Qualitäten, die wir im Außen suchen, in uns selber aufbauen müssen, damit wir überhaupt feststellen können, wann und wie sie uns im Außen begegnen.

Eine dieser Qualitäten ist die Freiheit von negativen Bewertungen. Damit ist gemeint: Auf abwertende, also Wert entziehende Aussagen zu verzichten. Wenn wir krank sind oder uns aus anderen Gründen im Körper etwas weh tut, können wir „ihm“ gegenüber abwertend werden. D.h., wir entziehen uns selber Wert, und das schwächt uns im Inneren. Wir arbeiten also gegen uns selbst, wie ein Ofen, der zur gleichen Zeit angeheizt und abgedrosselt wird, oder wie ein Motor, der zugleich beschleunigt und gebremst wird.

Zwar kann es ein wenig erleichtern, inneren Druck und Problembelastung los zu werden, indem wir unserem Ärger Ausdruck verleihen, auch wenn er gegen uns selbst gerichtet ist: „Du blöder Zahn, warum tust du noch immer so weh?“ Aber wir sollten danach rasch wieder zu einer positiven und wertschätzenden Beziehung zu uns selbst zurückkehren, also von der Wolf- zur Giraffensprache in der Terminologie der gewaltfreien Kommunikation.

Dabei hilft das Verständnis, dass nichts im Körper grundlos geschieht, auch wenn wir Ursache und Sinn nicht immer erkennen. Schmerzen weisen auf Problemzonen, Entzündungen, Verspannungen usw. hin, die wir zum großen Teil selber verantworten müssen. Wir haben uns mit einer Tätigkeit überlastet, und jetzt haben wir Kopfweh. Wir haben uns zu wenig bewegt, und der Bauch wölbt sich mehr. Wir haben uns mangelhaft ernährt, und die Verdauung streikt.

Um das innere Gleichgewicht in uns wiederherzustellen, ist es wichtig, die Beziehung zu uns selbst auf eine gute Basis zu bringen. Wir können das dadurch erreichen, dass wir uns selber anerkennende und unterstützende Rückmeldungen geben und unseren Problemzonen besondere liebevolle Aufmerksamkeit schenken. Sobald die Kommunikationsebene stimmt, lernen wir besser, auf die Signale aus dem Körper zu horchen und unser Leben dort umzustellen, wo uns rückgemeldet wird, dass wir uns selber schaden.

Wir vergessen, dass unsere Organe, Gefäße, Gewebe, Knochen, Sinnesorgane, Muskeln usw. beständig ihren Dienst tun und in ihrem äußerst komplexen Zusammenspiel dafür sorgen, dass wir am Leben sind und so vieles daraus machen können. All die Abläufe in unserem Körper, der wir sind, sind solange selbstverständlich, solange alles zu unserer Zufriedenheit läuft. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auch dann nach innen lenken und uns unserem Körper zuwenden, können wir vorausschauend unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden unterstützen.

Die bewusste Atmung können wir in jedem Moment nutzen, um uns bewertungsfrei und achtsam unserem Körper, der wir ja sind (die Wiederholung deshalb, weil wir gerne darauf vergessen), zu widmen. Im Atmen spüren wir die Lebendigkeit des Lebens in uns, das uns geschenkt ist, damit wir das Beste für uns und unsere Mitmenschen machen. Das tun wir immer als Körper, der wir sind und zu dem wir zugleich eine Beziehung haben, die wir in jedem Atemzug bewusst wahrnehmen können. Jede bewusste Wahrnehmung drückt Wertschätzung und Achtung aus und stärkt diese Beziehung, die wir sind.

Der Nutzen der Dankbarkeit


Wie wir aus vielen Untersuchungen und aus eigenen Erfahrungen wissen, ist die Anerkennung der Leistung, die wir erbringen, durch andere, vor allem durch Vorgesetzte, ein ganz wichtiger Faktor für Arbeitszufriedenheit und Motivation. Eine der Hauptursachen für Burnout und andere psychosomatische Störungen liegt im Fehlen der Wertschätzung für die eigene Tätigkeit.

Unsere Organe erbringen ihre beständige Leistung für unsere Funktionsfähigkeit und Gesundheit, und das in Permanenz, 24/7 wie ein amerikanischer Supermarkt. Wann haben wir zuletzt unserer Leber oder unserer Bauchspeicheldrüse unsere Anerkennung gezollt? Wann den Muskeln im unteren Rücken oder den Speicheldrüsen? Dürfen wir uns dann wundern, dass manche dieser unserer Leistungsträger an Burnout zu leiden beginnen und ihre Dienste nur mehr mangelhaft erbringen können?

Pflegen wir hingegen die wertschätzende Beziehung zu den unterschiedlichen Systemen unseres Körpers, indem wir immer wieder unsere Dankbarkeit für all die Leistungen, die ohne Ansprüche und ohne Murren so selbstverständlich erbracht werden, zum Ausdruck bringen, tun wir uns selber Gutes, denn die Anerkennung gilt uns selbst, erfreut uns und motiviert uns.

Eine Praxis der Selbstliebe


Die liebevolle Beziehung zu unserem Körper stärkt die Selbstliebe. Wir finden auf diesem Weg zur Einheit von Körper und Geist und heilen viel von den Spaltungen, die durch schwierige und traumatische Erfahrungen unseres Lebens entstanden sind. So finden wir zu unserer Mitte und können auch in unsere Beziehungen mehr Liebe einbringen. Wie es von Jesus heißt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Mt 22,39).“ Wir können dieses berühmte Zitat so verstehen, dass die Selbstliebe nicht per se ein Akt der egoistischen Selbstverherrlichung ist, sondern ein unerlässliches Pendant zur Nächstenliebe.

Eine Selbstliebe ohne volle und bedingungslose Annahme unseres Körpers, so wie er ist, mit allen Stärken und Schwächen, kann nicht gelingen und bleibt eine Illusion. Sie wird sich auch nicht in Nächstenliebe übersetzen lassen, denn jeder Nächste ist auch ein körperliches Wesen und will als solches geliebt werden.

Der Weg zur Ganzheit, den wir in der spirituellen Suche immer mehr gehen wollen, ist ein Weg, den wir nur als Körper-Geist-Wesen gehen können. In dem Maß, wie wir zu dieser Einheit finden, die wir sind, in dem Maß, in dem wir zur bedingungslosen Selbstannahme fähig sind, finden wir zu dieser Ganzheit und Übereinstimmung in uns, die uns mehr und mehr Verständnis für die anderen Menschen und für das Sein als Ganzes erschließt.

Zum Weiterlesen:

Ein kleines Modell des Schmerzes
Selbstheilung durch innere Kommunikation
Das Modell der organischen Kommunikation
Die interne Kommunikation pflegen