Samstag, 30. Oktober 2021

Die soziale Wirkung negativer Glaubenssätze

Negative Glaubenssätze prägen das Innenleben und die Außendarstellung, also das Erscheinungsbild, das wir nach außen hin abgeben. Wir nehmen eine andere Körperhaltung ein, wenn wir unter dem Einfluss eines selbstabwertenden Glaubenssatzes stehen. Die Augen schauen anders drein. Unsere Atmung und unser Herzschlag verändern sich. Vermutlich senden wir andere Duftstoffe aus. Wir stehen unter Stress und wirken beunruhigend auf andere, auf die sich der Stress überträgt, ohne dass sie es merken. Diese Außenwirkungen werden auf der unbewussten Ebene kommuniziert.

Der unbewusste Kommunikationskanal ist für das Phänomen verantwortlich, dass unsere Umgebung uns die Glaubenssätze zurückspiegelt. In diesen Fällen bekommen wir durch das Verhalten unserer Mitmenschen die Botschaft, dass es mit unseren Glaubenssätzen, also mit den selbstverleugnenden Annahmen über uns selbst, seine Richtigkeit hat. Wir erhalten die Bestätigung für unsere negative Selbsteinschätzung.

Wir haben diese Sätze in unseren frühen Lebensphasen gebildet, wie im vorigen Blogartikel beschrieben. Die Ausgangspunkte waren die Beobachtung des Verhaltens der Erwachsenen, unsere emotionalen Reaktionen auf dieses Verhalten und die Anpassung an die Botschaften der Eltern. Emotional wirksame Glaubenssätze sind also immer Resultate aus frühen kommunikativen Erfahrungen. Sie bilden dann eine Art Grundgerüst für das entstehende Selbstkonzept.

Selbstkonzept und soziale Rückkoppelung

Dieses Selbstkonzept wird zur Basis der eigenen Identität, selbst wenn es selbstschädigende Element enthält. Unser Verhalten wird vom Unbewussten so gelenkt, dass es die Bestätigung dieser Identität wahrscheinlicher macht. Deshalb kommt es zu selbstsabotierenden Handlungen, die scheinbar widersinnig sind, weil sie den bewussten Intentionen entgegenwirken. Jemand will beim Personalchef eine Gehaltserhöhung erreichen und kommt zum Termin zu spät, weil er sich mit einer attraktiven Kollegin verplaudert. Der Personalchef zweifelt an der Pünktlichkeit und Verlässlichkeit des Mitarbeiters, ist verärgert und verschiebt die Gehaltserhöhung. Die im Unbewussten gespeicherte Botschaft: „Ich bin nicht gut genug“ hat ihre Wirkung getan und für die Bestätigung gesorgt, indem sie das Einhalten des Termins sabotiert hat.

Unser Unbewusstes sendet fortwährend Botschaften aus, die im Unbewussten unserer Mitmenschen ankommen und die dann aus ihrem Unbewussten darauf reagieren. Lautet diese Botschaft z.B. „Ich bin nicht liebenswert“, so wird in den anderen Personen die entsprechende Reaktion angeregt. Sie finden die Person z.B. nicht sympathisch oder interessant und gehen ihr aus dem Weg. Aus diesem Verhalten liest das Unbewusste die Bestätigung der Annahme, nicht liebenswert zu sein.

Musterbestätigung und Heilungsversuche

Manchmal wundern wir uns, wieso wir es immer wieder mit Menschen zu tun haben, die uns regelmäßig auf die Palme bringen können – Freunde, Beziehungspartner, Kollegen, Vorgesetzte. Was uns so leicht irritiert und verärgert,  hängt mit den Glaubenssätzen zusammen, die wir in uns tragen. Unser Unbewusstes sucht die Bestätigung für diese Annahmen über uns selbst und lädt gewissermaßen unsere Umgebung dazu ein, uns diese Bestätigung zu geben. Wenn wir von uns glauben, dass wir tollpatschig sind, dann braucht es uns nicht zu wundern, wenn wir Leute um uns haben, die uns wegen jeder Unbeholfenheit oder Ungeschicklichkeit kritisieren. Wir verhalten uns in schwachen Momenten genau so, dass wir die exakt passenden Rückmeldungen bekommen, die in die Kerbe unserer inneren Selbstabwertungswunde schlagen und sie wieder aufreißen.

Unser Unbewusstes sucht Verbündete für seine Muster und knüpft Verbindungen zu anderen Menschen, die uns sympathisch erscheinen, weil sie ein ähnliches oder ein diametral entgegengesetztes selbstabwertendes Muster in sich tragen. Der Volksmund kennt beide Richtungen: Gleich und Gleich gesellt sich gerne, und das scheinbare Gegenteil: Gegensätze ziehen sich an. Was die beiden Richtungen verbindet, ist das Thema, das von einem unbewussten Glaubenssatz vorgegeben wird. Im einen Fall suchen wir gleichbetroffene Opfer, die uns im Opferstatus bestätigen. Im anderen Fall trachten wir nach einer Stellvertretung für die Täterperson, von der wir unbewusst erhoffen, diesmal nicht zum Opfer gemacht zu werden. Wir wünschen uns gerade besonders sehnlich, von denjenigen Menschen verstanden und akzeptiert zu werden, denen das am schwersten fällt – wiederum die Wiederholung von Kindheitserfahrungen.

Das Unbewusste sucht also auch Kontakt zu Menschen, die aufgrund der eigenen Prägung intuitiv spüren können, wo unsere eigenen Schwachstellen liegen, und die dann genau mit ihren Reaktionen dorthin zielen und uns in der Tiefe zu treffen vermögen. Es gibt die Erwartung nicht auf, dass es diesmal besser werden könnte und endlich kommt, was in der Kindheit so schmerzlich offen geblieben ist.

Manchmal suchen Menschen in ihren Beziehungen einmal die eine Variante und einmal die andere und oszillieren zwischen beiden Polen. Unzufrieden mit zu viel Gleichklang in der Verletztheit, also im Opferstatus, gehen sie zu jemanden, der das entgegengesetzte Muster in sich trägt und den Täter repräsentiert. Er soll endlich von der Last befreien und den Fluch aufheben, der im negativen Glaubenssatz beschlossen ist. Da hier aber trotz aller Anstrengungen das erhoffte Verständnis nicht kommt, wird wieder die erste Variante gewählt. Der Wechsel zwischen Sicherheit und Abenteuer ist das äußere Merkmal dieser Beziehungsdramaturgie. Das Unbewusste führt die Regie, solange, bis die unbewusst wirkenden Glaubenssätze gehört und verstanden werden und die Wurzelverletzungen geheilt sind.

Zum Weiterlesen:
Die Macht der Glaubenssätze
Glaubenssätze und Scham
Gefühle machen Gedanken machen Gefühle

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