Ein historisches Datum: 81 Jahre nach der Volksabstimmung und 39 Jahre nach dem Kärntner Ortstafelsturm und endlosen Auseinandersetzungen um „lächerliche Ortstafeln“ scheint dieser Konflikt ein Ende zu finden. Auch wenn wir Restösterreicher uns schwertun mit den Empfindlichkeiten unserer südlichen Landsleute, sollten wir lernen zu verstehen, was Menschen dazu bringt, so zu empfinden, wie sie empfinden und so zu denken, wie sie denken.
Er lehrt uns, dass Gesellschaften und Kulturen kollektiven Ängsten ausgeliefert sind und entsprechende Schutzmechanismen mobilisieren. Einmal erlebte Bedrohungen (der Kärntner Abwehrkampf nach dem 1. Weltkrieg) werden internalisiert, dauerhaft gespeichert und durch ähnliche Situationen (slowenisch sprachige Ortstafeln) wieder wachgerufen, gleich, ob in der aktuellen Situation reale Gefahren bestehen oder nicht. Die entsprechende Realitätsprüfung wird dabei leicht und schnell ausgeschaltet, auf der individuellen wie auf der kulturellen Ebene.
Politiker machen sich populär, wenn sie solche Ängste kanalisieren, d.h. eben in ihre Kanäle leiten und Stimmen ködern und ihre Macht ausweiten. Es genügt, den Ängsten eine aggressive Sprache zu geben und damit zu suggerieren, dass der beschworenen Gefahr auch beherzt Widerstand geleistet wird. Das Gefühl, dass jemand die eigenen diffusen Ängste ernstnimmt, ihnen eine Bedeutung gibt und Schutz anbietet, bringt manche Menschen dazu, ihre Vernunft abzugeben und blind zu vertrauen.
Was wir brauchen, um von solchen trüben Kanälen nicht verführt zu werden, ist einerseits ein Blick nach innen: Was ist wirklich bedrohlich und gefährlich an zweisprachigen Ortstafeln? Was ist der eigentliche Grund der Angst, die da aufsteigt? Andererseits brauchen wir die Kenntnis von der Geschichte im Sinn einer kritischen Geschichtswissenschaft, also nicht einer, die Macht- oder Gruppeninteressen verpflichtet ist, sondern eine, die bereit ist, die Ereignisse und Motivlagen aus vielfältigen Blickpunkten zu erörtern, z.B. aus der Sicht der Geschichte der slowenischen Minderheit bis zurück ins Mittelalter, auf den Ablauf des Abwehrkampfes und der Volksabstimmung, auf die NS-Episode in Kärnten und ihre Nachwirkungen usw.
Dann sollten wir auch einen Blick in die Zukunft wagen: in eine Welt der Verschiedenheiten und Gleichberechtigung der Kulturen, wo jede von der anderen lernen kann statt sich vor ihr zu fürchten.
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