Samstag, 9. Februar 2019

Serotonin und Lebensfreude

Einer der zahlreichen Kandidaten für den Titel „Glückshormon“ ist das Serotonin. Doch auch in diesem Fall ist es nicht so einfach, wie der Titel verspricht. Denn Serotonin erfüllt eine Reihe von Funktionen in unserem Körper, die nur sehr indirekt mit unserer Glückseligkeit zu tun haben. Dieser Botenstoff wird vor allem (zu 90%) im Verdauungssystem gefunden, obwohl er auch in den Blutplättchen und im ganzen zentralen Nervensystem, und damit auch im Gehirn nachweisbar ist. Aus einigen Forschung kann geschlossen werden, dass das Serotonin im Darm den Vagusnerv stimuliert. Serotonin aus dem restlichen Körper kann nicht ins Gehirn gelangen, weil es die entsprechende Schranke nicht passieren kann. Für die Serotonin-Versorgung im Gehirn dienen die Raphae-Kerne, die mit allen Gehirnregionen verbunden sind.

Serotonin hat auf jeden Bereich des Körpers Einfluss, bis zu den Gefühlen und motorischen Fähigkeiten. Es gilt als Stimmungsstabilisator. Es hilft beim Schlafen (aus Serotonin wird das Schlafhormon Melatonin hergestellt), Essen (Appetitanregung) und Verdauen (Peristaltik).  Es verringert die Neigung zu Depressionen und Angstzuständen, heilt Wunden und hält die Gesundheit der Knochen aufrecht.

Zu den wichtigsten Funktionen des Serotonins im Gehirn zählen die Steuerung oder Beeinflussung der Wahrnehmung über den Augeninnendruck, des Schlafs, der Temperaturregulation, der Sensorik, der Schmerzempfindung und Schmerzverarbeitung, des Appetits, des Sexualverhaltens und der Hormonsekretion. Serotonin fungiert dabei einerseits als Neurotransmitter im synaptischen Spalt, andererseits wird es diffus über freie Nervenendungen ausgeschüttet und wirkt als Neuromodulator. 

Die bekanntesten Wirkungen des Serotonins auf das Zentralnervensystem liegen in seinen Auswirkungen auf die Stimmungslage. Es reguliert das Befinden auf natürliche Weise. Wenn der Serotoninspiegel normal, also weder zu hoch noch zu gering ist, fühlt man sich glücklicher, ruhiger, konzentrierter, weniger ängstlich und emotional stabiler. Gefühle der Gelassenheit, inneren Ruhe und Zufriedenheit überwiegen. Serotonin dämpft eine ganze Reihe unterschiedlicher Gefühlszustände, insbesondere Angstgefühle, Aggressivität, Kummer sowie das Hungergefühl. Impulsivität und aggressives Verhalten werden gedämpft.

Depressionen und Serotonin


Die Rolle des Neurotransmitters bei Depressionen ist nicht wirklich geklärt, weil zum Teil widersprechende Forschungsergebnisse vorliegen. Zwar konnte nachgewiesen werden, dass depressive Menschen einen niedrigen Serotonin-Level haben, doch weiß man nicht, ob dieser die Ursache oder die Wirkung der Depression ist. Der Serotoninspiegel in einem lebenden Gehirn kann nicht gemessen werden und die Forscher wissen deshalb nicht, ob der Spiegel im Blut dem Spiegel im Gehirn entspricht. 

Einige Antidepressiva wirken als Wiederaufnahmehemmer von Serotonin (SSRIs). Diese Medikamente sollen bewirken, dass mehr Serotonin im Gehirn im Umlauf bleibt. Eine neuere Theorie legt nahe, dass SSRIs bei der Produktion neuer Gehirnzellen mitwirken und deshalb einen positiven Einfluss auf Stimmungen haben können. Stress als häufiger Vorläufer der depressiven Erkrankung könnte die Neuproduktion von Gehirnzellen unterbinden, während die SSRIs die gegenläufige Entwicklung in Gang setzen, wodurch dann die Depressionen gemildert werden. 

SSRIs haben bei schwer depressiven Patienten eine stärkere Wirkung als Placebos, allerdings das auch nur bei ca. 20%. Die wirksamste Behandlung stellt eine Kombination von Medikamenten mit Psychotherapie dar, in der die Patienten lernen, besser mit Gedankenmustern umzugehen und Veränderungen in Alltagstätigkeiten vorzunehmen. Dabei könnte die Tatsache helfen, dass Serotonin das Lernen fördert. Ob SSRIs bei milden bis mittelgradigen Depressionen helfen, ist trotz zahlreicher Studien nicht eindeutig belegt.

Serotonin kann weiters noch eine Rolle bei folgenden Störungen oder Erkrankungen spielen: Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Phobien und Epilepsie. Ein zu hoher und zu niedriger Serotoninspiegel wurde mit Herzkrankheiten, Osteoporose und dem schmerzhaften Blasensyndrom in Verbindung gebracht. 

Machen Bananen und Schokolade glücklich?


Können wir über unsere Nahrung die Serotoninproduktion und -ausschüttung beeinflussen? Die essentielle Aminosäure Tryptophan, aus der Serotonin gebildet wird, kommt zwar in einigen Lebensmitteln (Käse, Geflügel, Eier, Sojaprodukte, Seetang, Kiwis, Bananen, Ananas, Tomaten, Walnüssen oder Kakao) vor, kann aber die Blut-Hirnschranke nicht überwinden. Deshalb enthält also kakaohaltige Schokolade ebenfalls Serotonin.  Die stimmungsaufhellende Wirkung von Schokolade ist aber nicht auf das darin enthaltene Serotonin, sondern auf den hohen Kohlenhydratgehalt zurückzuführen. Serotonin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Es kann also über die Nahrung nicht ins Gehirn gelangen. Kohlenhydratreiche Nahrung stimuliert jedoch – über eine Reihe von Zwischenschritten – die Serotoninbildung im Gehirn. Das Gehirn hat also nichts von tryptophanreicher Nahrung, vielmehr kommt es auf den Kohlenhydratgehalt an, wenn wir unser Essen für eine Serotoninsteigerung nutzen wollen. Eiweißreiche Lebensmittel haben eine ganze Palette von Aminosäuren, die untereinander in Konkurrenz stehen, wenn es darum geht, ins Gehirn aufgenommen zu werden. 

Glücksbringer Sport


Einfacher und kalorienärmer ist der Zusammenhang zwischen Serotonin und Bewegung: Studien an Menschen und Tieren haben gezeigt, dass sportliches Ausdauertraining den Serotoninspiegel heben kann. Denn durch körperliche Betätigung wird die Verfügbarkeit der Aminosäure Tryptophan, der Serotonin-Vorstufe, im Gehirn erhöht. Das ist einer der Gründe, warum wir uns nach sportlicher Anstrengung besonders wohl fühlen. Regelmäßige sportliche Aktivität kann also dauerhaft den Serotoninspiegel erhöhen und damit ein vorbeugender Faktor gegen alle Störungen sein, die mit Serotoninmangel in Verbindung gebracht werden.

Gründe für den Serontoninmangel


Wieder begegnen wir dem Stress als Haupttäter für Mangel an dem Hormon. Längere Phasen von Stress können die Serotoninspiegel sinken lassen. Unsere schnelllebige Zeit mit der schnellen Nahrung (fast food) bringt viele Systeme unseres Körpers ins Ungleichgewicht, sodass es auch zu Unregelmäßigkeiten bei der Serotoninversorgung kommt. 

Störungen im Stoffwechsel und andere Verdauungsprobleme können den Abbau und die Absorption der Nahrung behindern, wodurch die Serotoninproduktion in Mitleidenschaft gezogen werden kann.  Alle Neurotransmitter werden aus Proteinen hergestellt, und dazu werden verschiedene Vitamine und Mineralstoffe als „Kofaktoren“ benötigt. Wenn es unserer Nahrung an diesen Stoffen mangelt, kommt es zu Ungleichgewichtigkeiten bei der Neurotransmitterproduktion. Außerdem können Schwermetalle, Pestizide, Drogen und auch bestimmte Medikamente die Nervenzellen dauerhaft beschädigen, die für die Serotoninherstellung zuständig sind. Koffein, Nikotin und Alkohol, NutraSweet, Antidepressiva und einige Medikamente, die Cholesterol verringern, stehen im Verdacht, den Serotoninspiegel zu verringern. 

Serotoninfreundlich leben


Der Umkehrschluss lautet: Mit einer ausgeglichenen Lebensweise, die dauerhaften Stress vermeidet, ausreichend Bewegung beinhaltet und mit gesunder Ernährung verbunden ist, tragen wir zu einer ausreichenden Versorgung unseres Körpers und Gehirns mit dem wichtigen Neurotransmitter bei. Dieser versorgt uns mit Wohlgefühl und Gelassenheit, wodurch wir mit den Herausforderungen des Lebens lockerer umgehen können. Wir sehen also, dass wir durch die Ausrichtung unserer Lebensweise auf die wichtigsten Parameter der Gesundheit einen Regelkreis in Gang setzen, der uns ruhiger und glücklicher macht und dazu motiviert, noch bestimmter und leichter in diese Richtung zu gehen. Leben wir serotoninfreundlich, so werden wir mit Serotonin zu Lebensfreunden.

Zum Weiterlesen:
Dopamin und unsere Anfälligkeit für Verführung

1 Kommentar:

  1. Guten Abend Wilfried,

    das sind wahre Worte, die ich nur so unterschreiben kann. Mangelndes Serotonin kann eine Kettenreaktion auslösen, die nicht nur den eigenen Körper betrifft, sondern auch das soziale Umfeld (Depression). Generell finde ich es wichtig, den Körper im Einklang zu halten, vor allem was Ernährung und Vitaminhaushalt betrifft. Als Osteoporose-Betroffene habe ich meinen Fokus leider etwas zu spät auf die Gesundheit gelegt und versuche nun, mit Vitamin K2 ein wenig entgegenzuwirken....

    Liebe Grüße
    Renate

    AntwortenLöschen