Montag, 15. Juli 2013

Ambition - ein Traum, der uns von uns selbst entfernt


I hold ambition of so airy and light a quality that it is but a shadow's shadow. - Then are our beggars bodies, and our monarchs and outstretched heroes the beggars' shadows.  (Hamlet, 2, 2)

"Mir scheint der Ehrgeiz von so lustiger und loser Beschaffenheit, dass er nur der Schatten eines Schattens ist. - So sind also unsre Bettler Körper, und unsre Monarchen und gespreizten Helden der Bettler Schatten."

Ambition im Sinn dieses rätselhaften Zitates von Shakespeare ist ein Wille, der über sich hinauswachsen will. Er folgt nicht dem inneren Fluss der Bedürfnisse, die sich äußern und Erfüllung finden wollen, er folgt aber auch nicht den Ideen, die aus den Tiefen unseres Unterbewusstseins aufsteigen und wie ein innerer Ruf und eine Lebensaufgabe verwirklicht werden wollen. Die Ambition folgt einer Fantasie, die Erwartungen erfüllen will, die nicht aus uns selber kommen, sondern von außen in uns gelangt sind: Eltern, die wollen, dass etwas Besonderes wird aus ihren Sprösslingen, Lehrer, die ihre Schüler zu herausragenden Leistungen bringen wollen, Vorgesetzte, die von ihren Untergebenen das Äußerste verlangen. 

So strebt die Ambition zur Erfüllung dieser Erwartungen und kann eine innere Spannung erzeugen sowohl zur Landschaft der eigenen Bedürfnisse wie zu der der inneren Bestimmung. Der Ambitionierte will größer werden als er selbst ist. Er will seine Seele überdehnen und überstrecken, sodass sie nicht mehr in sein Wesen passt. Deshalb meint Shakespeare, dass sie nur wie ein Schatten eines Schattens ist und die Könige und Helden, deren Macht und Ruhm auf solchen Ambitionen beruht, keine wahre Kraft repräsentieren, sondern nur die Aufblähung der eigenen Bereitschaft, sich fremden Erwartungen unterzuordnen.

Fremd sind nicht nur die Erwartungen, die andere an uns gerichtet haben, wie z.B. die unbewussten Aufträge, die Eltern an ihre Kinder richten - du musst einmal einen besseren Beruf kriegen als ich, du musst die gleiche Rolle als Frau spielen, wie ich sie in meinem Leben gespielt habe usw. Fremd sind auch die Erwartungen, die wir an uns selber richten, nicht nur jene, die auf unsere Eltern zurückgehen, sondern auch jene, die ihre Quellen irgendwo in unserer Umgebung haben - Ambitionen, die wir aus Vorbildern und Idolen der Medienwelt übernehmen, aus Begegnungen mit anderen Menschen, die uns faszinieren, aus Biographien, die wir lesen, aus flüchtigen Eindrücken, die an unserem Bewusstsein vorbeihuschen und sich in irgendeinem Winkel unseres Gehirns zu einem Komplex zusammenfinden. 

Schließlich gibt es noch jene Erwartungen, die wir aus grundlegenden Glaubenssätzen ableiten, die wir in frühen Frustrationserfahrungen gebildet haben.

Vielleicht, so mutmaßen viele, war es Ambition, dem Vater zuliebe, die George Bush jr. zur Wiederaufnahme des Krieges gegen den irakischen Diktator motiviert hat. Es ist kein sinnvolles und rationales machtpolitisches Kalkül in dieser Aktion zu sehen, noch weniger die Tat eines echten Helden.

Vielleicht will der gegenwärtige Präsident der USA ein besonders guter Amerikaner sein, weil seine unmittelbaren Vorfahren aus anderen Kontinenten kommen. Deshalb plagen ihn wohl keine ethische Bedenken, wenn sein Geheimdienst die Kommunikationen auf der ganzen Welt bespitzeln und wenn seine Armee in jedem anderen Land der Welt missliebige Personen sowie zufällig sich in der Nähe aufhaltende Personen mittels Drohnenangriffen eliminiert. 

Ein weiteres Merkmal der Ambition kann darin liegen, dass an ihrer Richtung festgehalten wird, koste es, was es wolle, und dass die inneren oder äußeren Stimmen, die einen Kurswechsel oder den Abbruch der Aktion fordern, unterdrückt oder verdrängt werden. Wer sich im Sog seiner Ambition vorwärts drängt, fürchtet nichts mehr als den Zusammenbruch und muss deshalb jede Irritation ausschalten.

Wenn wir uns in der Schiene der Ambition befinden, gibt es immer jemanden, dem wir etwas beweisen wollen. Unsere Handlungen sollen dazu dienen, andere Personen zu beeindrucken, oder zumindest deren Missbilligung hintan zu halten. Wenn ich Arzt werde, kritisiert mich mein Vater nicht mehr ist, sondern ist vielleicht sogar stolz auf mich. Er hört mir dann zu und lässt meine Meinung gelten.

Die Frage, ob ich selber, aus mir heraus, wirklich Arzt werden will, stellt sich in diesem Fall gar nicht. Sie kann sich allerdings erst später äußern, wenn z.B. Widerstände im Studium auftauchen oder wenn nach einiger Zeit der Arbeit in dem Beruf die Freude verschwunden ist und ein Burnout diagnostiziert wird.


Befreiung von Erwartungen


Die Ambition hat zwar ihr Ziel erreicht - der Vater ist angetan. Die Frage ist, wie lange dieser Eindruck anhält. Außerdem, und das ist noch bedenklicher, hat die Erfüllung der Ambition nichts zur Verwirklichung des eigenen Wesens beigetragen, und die Aufgabe der Entfaltung des inneren Kerns, des Ausdruck unserer Individualität ist noch offen. Erst wenn wir uns von den Erwartungen der Umwelt befreit haben, dringen wir zu diesem Bereich in uns vor und erkennen, was wir wirklich mit diesem Leben anfangen wollen.

Wir befreien uns von unseren Ambitionen, indem wir uns fragen, wemzuliebe wir bestimmte Entscheidungen treffen. Wen wollen wir damit glücklich machen oder zumindest versöhnlich stimmen? Wer soll stolz auf uns sein, oder wen wollen wir beeindrucken? 

Wir können uns dann fragen, ob wir wirklich bereit sind, Teile unseres Lebens für die Anerkennung und Zuneigung von anderen Menschen zu verkaufen. Ist das wirklich ein fairer Handel? Schließlich geht es um unser eigenes Leben, für das wir selbst die unmittelbare Verantwortung tragen. Und wir selber haben alle Folgen zu tragen, wenn dieses Leben misslingt oder zumindest in wichtigen Teilen freudlos und unerfüllt bleibt.

Wir sind unseren Eltern und allen anderen Vorbildern und Leitfiguren nicht zu einer bestimmten Lebensführung verpflichtet. Sie haben ihr Leben, das sie in ihrer Verantwortung führen und wir haben für unser Leben die Berufung, etwas ganz Neues zu erschaffen. Dieser neue Entwurf wird sich immer auch an Elementen orientieren, die andere schon voher gelebt haben, aber er soll und muss unsere eigene ganz individuelle Handschrift tragen und unsere eigene ganz individuelle Form finden. 

Wenn wir uns selber vergegenwärtigen, was wir eigentlich von unseren Kindern erwarten, ist es nicht, dass sie unsere ungelebten Ambitionen ausführen, sondern dass sie das leben, was ihren inneren Anlagen und ihrem eigenen Wesen entspricht, dass sie das leben, was sie selbst glücklich macht. Als Eltern wollen wir für unsere Kinder nur dieses: ihr ganz eigenes Glück. Und wir wünschen uns sehnlich, dass sie frei seien von allen Ambitionen, die wir möglicherweise unbewusst auf sie übertragen haben könnten.

Also können wir hier und jetzt anfangen, uns vom Ballast der Erwartungen zu befreien und alle aus Anpassung übernommenen Ambitionen fallenzulassen. Dann werden unsere Bestrebungen von luftigen und flüchtigen Gebilden zu klaren Richtlinien unseres Lebens, getragen und geleitet von einem kraftvollen Willen.

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