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Dank zu sagen hat eine innerlich beruhigende Wirkung. Wir kommen mit unserer Umgebung ins Gleichgewicht, wenn wir anerkennen, was sie für uns macht. Wir haben etwas bekommen und geben den Dank zurück. Wir drücken aus: Du hast mir etwas geschenkt, ich schätze dich dafür. Der Dank sieht nicht nur die Tat, sondern auch die Person und geht damit ein wesentliches Stück über das Geben oder bloße Zurückgeben hinaus.
Im Danken bringen wir ein soziales Gefälle zum Ausgleich, das durch jedes Geben entsteht. Wir stellen die Augenhöhe wieder her, und noch mehr, wir vertiefen die Verbindung. Im zwischenmenschlichen Geben und Nehmen läuft es nie auf eine ökonomisch exakte Tauschbeziehung hinaus: der Wert, den du mir gibst, entspricht genau dem Wert, den ich dir gebe. Vielmehr steigt der Wert der Beziehung durch den Ausdruck der Dankbarkeit, und dieser Wert befindet sich auf einer anderen Ebene als der der Güter und Dinge. Zwischenmenschliches Kleingeld hat einen volatilen Wert, der ganz heikel von der je aktuellen Situation abhängt. Die besondere Währung der Dankeshaltung dagegen ist die unermesslich wertvolle Kraft der Akzeptanz und Liebe.
Es geht beim Danken nicht um ein Wiederherstellen von etwas, das in Unordnung gekommen ist, sondern um ein bereicherndes Fortschreiben des Austausches. Dank kann man sich als gebende Person wünschen und beklagen, wenn er ausbleibt; zwingend kann ein Dank auf ein echtes Geben nicht folgen. Er „gilt“ nur, wenn er aus völliger Freiwilligkeit kommt. In diesem Sinn ist die Rede von einem „verdienten“ Dank irreführend. Wir können uns keinen Dank verdienen wie das Geld für eine Dienstleistung, das vorher vereinbart wurde. Menschliche Beziehungen können nicht auf einem Vertragsprinzip funktionieren, bei dem vorab geregelt ist, was die passende Gegenleistung auf eine bestimmte Handlung ist. Verträge sind einzuhalten, und es braucht kein Extra-Danke. Das ist das Prinzip wirtschaftlicher und politischer Beziehung. Auf der zwischenmenschlichen Ebene bewirkt die Einhaltung solcher Regeln Klarheit und Verlässlichkeit, aber keine emotionale Nähe.
Näher kommen wir uns dort, wo ein Überschuss erschaffen wird. Liebe enthält diese Dynamik, aus weniger mehr zu erschaffen. Eine Leistung, die wir für jemanden erbringen, kann uns als Selbstverständlichkeit erscheinen. Jemand fällt auf der Straße, wir helfen ihm auf, was sonst? Die Person dankt uns, und wir fühlen uns selbst als Person, nicht bloß als Hilfeleister gesehen und gehen mit einem bereicherten Gefühl weiter. So wirkt die Kraft des Dankes.
Es scheint einfacher, „danke“ zu sagen als jemandem tatkräftig zu helfen. Das ist ja bloß ein Wort, und Worte sind schnell gesprochen, das erfordert keine Anstrengung, könnte man meinen. Aber darum geht es nicht, vielmehr wirkt die Anerkennung, die persönliche Zusage und der persönliche Zuspruch. Wir meinen und sehen mit dem Dank und wir sind mit dem Dank gemeint und gesehen.
Am Beginn: Dank als unbedingte Liebe
Als wir als Kleine zu Welt gekommen sind, haben wir alles, was wir zum Überleben brauchten, bekommen. Wir konnten nichts tun als unsere Bedürfnisse äußern, und es gab nichts, was wir anderen hätten geben können außer unserer Dankbarkeit. Natürlich haben wir das Wort „Danke“ erst später gelernt, aber die Haltung war unsere sofortige Reaktion, wenn uns ein Bedürfnis erfüllt wurde: Ein Strahlen, ein Lächeln, eine Entspannung – Liebe, deren Fluss wir einfach waren im Moment der Befriedigung und des Glücks. Wir konnten gar nicht anders als mit all unserem ganzen Wesen dankbar zu sein.
Und das ist es, was die Eltern und anderen Versorger so reich beschenkt, dass alles Tun, so anstrengend und nervend es manchmal sein kann, unbedeutend dagegen erscheinen lässt. Es ist rein das Dasein der neuen Erdenbürgerin, das jede selbstbezogene Zurückhaltung dahinschmelzen lässt und die Tür zum bedingungslosen Geben öffnet. Liebe wiegt nicht nur alles Tun auf, sondern übertrifft es bei weitem, weil es uns in eine andere Dimension bringt. Da Babys ihre Liebesfähigkeit nicht einschränken können, geben sie den Erwachsenen, die ihre Liebesbegrenzungen bereits verinnerlicht haben, eine bezaubernde Erinnerung an das, was zwischen Menschen möglich ist. Auf diese Weise können sie ihre Hilflosigkeit in allen anderen Belangen mehr als ausgleichen. Und sie geben den Erwachsenen ein Vorbild, wie es auch zwischen ihnen sein könnte.
Das Tauschprinzip
Tauschgeschäfte haben ihre eigene Logik und Emotionalität. Sie beruhen auf dem Reziprozitätsprinzip – so wie du mir, so ich dir, und umgekehrt. Diese Geschäfte brauchen eindeutig definierte Werte als Recheneinheiten. Ein Apfel hat einen Preis, also einen zahlenmäßig ausdrückbaren Wert, der sie für Tauschaktionen tauglich macht. Der Wert wird über einen anonym wirksamen Markt bestimmt. Wir brauchen ein rational überprüfbares Grundvertrauen, um am Markt teilnehmen zu können, nämlich dass wir gerecht behandelt und nicht übervorteilt werden.
Es geht also um Fairness, an die sich alle Marktteilnehmer halten. Schwarze Schafe können immer wieder auftauchen, werden aber über kurz oder lang ausgefiltert. Dankbarkeit ist in diesem Rahmen nicht erforderlich, weil das Geben und Nehmen vollkommen ausgeglichen organisiert ist. Man macht Geschäfte, schenkt sich aber dabei nichts und bleibt sich nichts schuldig. Und es ist nicht einmal eine persönliche Bekanntschaft notwendig, um Transaktionen abzuwickeln – in Zeiten des Internets eine stetig zunehmende Praxis. Anonymisierung und kompromisslose Geschäftstüchtigkeit sind Teil der Logik und Emotionalität des materialistischen Bewusstseins.
Das Danken ist natürlich auch in den ökonomischen Zusammenhängen geläufig, aber es bleibt im Rahmen der allgemeinen Höflichkeit und steht unter der Maxime der Gewinnorientierung. Unfreundlichkeit ist ein Marktnachteil, Unhöflichkeit vertreibt die Kunden.
Liebe ist Mehren
Im Kontext der Liebe hingegen hat Dankbarkeit einen konstitutiven Platz und Rang. Da die Liebe im Mehren besteht, also im vermehrten Zurückgeben, in einem Beschenken der anderen Person, im Unverhältnismäßigen. Die Liebe hält sich an keine definierten Werte, weil sie sich nicht beschränken lässt. Sie fließt über alle Regulationen und Einschränkungen hinaus. Sie durchdringt alles auf subtile Weise und erfüllt es mit einem besonderen Licht. Sie bejaht jeden Moment und erkennt seinen tieferen Wert; Dankbarkeit ist nur ein anderes Wort dafür.
Dankbarkeit für Schlimmes?
Am schwersten fällt uns das Dankbarsein, wenn uns Schlechtes widerfährt. Da passiert etwas Missliches, ein Schicksalsschlag, ein eigenes Versagen, eine Gemeinheit, und jetzt sollen wir noch dankbar sein? Was schlimm ist, ist schlimm und verursacht uns alle möglichen unangenehmen Gefühle, Dankbarkeit ist nicht darunter.
Schon aus Selbstschutz lehnen wir ab, was da geschehen ist und wollen in alle Zukunft hinein verhindern, dass sich ein derartiges Übel wiederholt. Wir sind überzeugt, dass wir Besseres verdient hätten und dass uns die Instanzen, die dafür zuständig wären, verraten haben. Wir hadern mit der Wirklichkeit und mit unserem Schicksal.
Natürlich hilft uns das Hängenbleiben an solchen Erfahrungen nicht weiter. Wir stecken in unserer Trübsal fest und müssen aufpassen, dass wir uns nicht in unser Leiden verlieben. Erst wenn sich die Schleier des Unglücks heben, finden wir Zugang zu einem weiteren Horizont, der unser eigenes Schicksal relativiert und damit verkleinert. Dann können wir den Schritt zum Akzeptieren vollziehen – es war, wie es war, und was war, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wir nehmen uns und unsere Wichtigkeit gegenüber dem Ganzen, das uns umgibt, in wenig zurück. Wir üben uns ein Stück in Demut.
Dankbarkeit als Lebenskunst
Der nächste Schritt ist noch schwerer und kann erst geschehen, wenn die belastenden Gefühle gewichen sind. Damit sind wir nicht mehr so stark auf uns selber und unser unmittelbares Befinden fixiert und können erkennen, dass wir in größeren Spielen mitspielen, deren Regeln wir nur erahnen. An diesem Punkt kann dann behutsam die Dankbarkeit Platz nehmen. Sobald wir ihr diesen Platz einräumen, erleichtern und befreien wir uns. Wir haben zur Kraft der Liebe zurückgefunden und damit uns selbst wieder mit der Welt in Verbindung gebracht.
Dieser Schritt gehört zur höheren Lebenskunst. Er kann erst dort vollzogen werden, wo das Innere dafür den Raum öffnet, und macht keinen Sinn, wenn wir damit überspielen wollen, was noch nicht überwunden ist. Aber wie bei jede Kunstausübung verbessern wir unsere Kompetenz durch die Praxis, mit jedem Mal, wenn wir aus der Enge unserer Selbstverstricktheit in die Offenheit der Dankbarkeit treten können.
Befreiung aus der Opferrolle
Denn solange wir im Lamentieren und Hadern feststecken, befinden wir uns in der Rolle des Opfers. Andere Menschen, unser eigenes Unvermögen oder äußere Umstände haben uns etwas angetan und unsere Erwartungen für ein gutes Leben durchkreuzt. Sie haben uns ein Leiden zugefügt, das wir vermeinen ablehnen zu müssen. Doch ist das Leiden da, und wir verstärken und verlängern es nur, wenn wir nicht zu ihm stehen. Wir verharren in der Spaltung zur Wirklichkeit, die nun einmal so ist wie sie ist. Indem wir uneins mit dem sind, was ist, sind wir in der Opferposition, und die Beschwerde an die Realität kommt leider dort nicht an.
Erst wenn wir erkennen, dass wir in der Opferrolle stecken, indem wir am Leiden festhalten, kann sich ein Ausweg daraus öffnen. Dann erkennen wir, dass wir uns selber im Stacheldrahtverhau der Ablehnung und Verweigerung der Realität eingesperrt haben und dass wir den Schlüssel dazu bei uns tragen. Gelingt es uns, diesen auch zu nutzen und dem Gefängnis zu entrinnen, erleben wir eine neue Freiheit und eine neue Handlungsfähigkeit. Für diesen Verdienst stellt sich Dankbarkeit ein.
Dankbarkeit ist also der effektivste und eleganteste Sprung aus der Opferrolle. Wir anerkennen alles, was uns widerstrebt und gegen den Strich geht, als Regie des Lebens, uns auf unserem inneren Weg weiterzuführen, und ab diesem Moment kann uns das unliebsamste Erlebnis nichts mehr anhaben. Wir lächeln ihm einfach zu.
Francis Bacon schreibt dazu: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“
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AntwortenLöschenIch habe eine Frage, die sich auf die Dankbarkeit von Kindern bezieht. Es scheint manchmal so, als ob Kinder undankbar sind. Beispielsweise in einer Situation, in der sich die Erwachsenen Zeit nehmen und mit den Kindern auf einen Spielplatz gehen. Wenn es dann Zeit wird, nach hause zu gehen, mahnen die Erwachsenen zum Aufbruch. Doch die Kinder, so kann es vorkommen, beklagen sich, dass sie noch länger bleiben wollen, anstatt den Erwachsenen dankbar zu sein, dass sie sich Zeit genommen haben, mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen. Sind die Kinder also in dieser beschriebenen Situation undankbar, weil sie sich nicht in die Rolle der Erwachsenen versetzen können? Wird Dankbarkeit anerzogen ("Bedank Dich!") und ist dem Gefühl der Liebe, das Babys haben nachgeordnet?
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