Quantenheilung, Quantenatmung, Quantum Tao, Quantum Touch,
Chinesische
Quantum-Methode, Quantenbewusstsein,…. Der Psychomarkt hat sich verliebt in einen Begriff, den der
Physiker Max Planck 1900 eingeführt hat. Was hat es mit den Quanten auf sich?
Die Physik hat einige seltsame Entdeckungen im Reich der Quanten (oder der Photonen, wie sie heute genannt werden) gemacht. Teilchen können an einem Ort und gleichzeitig an einem anderen sein. Der Beobachter beeinflusst das, was er beobachtet. Teilchen reagieren aufeinander über Entfernungen, ohne dass dabei Zeit verstreicht (Quantenverschränkung, Quantenteleportation). Es war die Rede von Quantensprüngen, Veränderungen, die blitzschnell erfolgen und bei denen während der Veränderung nichts über den Zustand erkannt werden kann.
Unser alltägliches Denken als Nicht-PhysikerInnen kommt da
nicht mehr mit. Wir staunen. Wir sind beeindruckt und fasziniert. Damit gewinnt
der Begriff der Quanten den Glanz des Geheimnisses.
Wenn wir in die Welt der Psyche einsteigen und die tieferen
Schichten erforschen, kommen wir auch ins Staunen, sind beeindruckt und
fasziniert, was sich da verändern kann. Manchmal haben wir sogar den Eindruck,
dass ein Sprung auf eine neue Bewusstseinsstufe oder in eine neue Freiheit
erfolgt ist, ohne dass wir wirklich erkennen, wie das abgelaufen ist.
Also braucht es uns nicht zu verwundern, dass die Metaphorik
der Quantenphysik verlockend wirkt. Viele von uns haben vielleicht die Physik
als trockenes Unterrichtsfach in Erinnerung, das mit den eigenen Interessen im
Leben am allerwenigsten Nähe von allen Fächern aufwies. Wie schön, wenn sich
jetzt die Möglichkeit einer Analogie zeigt. So ähnlich wie es uns bei den
Innenreisen ergeht, mag es vielleicht diesen quantischen Photonen gehen, wenn
sie durch Doppelspalten geschossen werden und sich auf der anderen Seite in ihrem
Wesen völlig verändert wiederfinden.
Im Großen wie im Kleinen
Ab und zu geraten wir auch in die Horizonte eines in alle
Richtungen sich weitenden Universums, in dem wir alles mit allem als inniglich
verbunden erleben. Im Großen wie im Kleinen gelten die gleichen Regeln und
Verknüpfungen. Oder, wie schon ein dem Hermes Trismegistos zugeschriebener hellenistischer Text sagte: „Du kannst darum
das Große im Kleinen und im Kleinen das Große erkennen.“
Weil uns das so vertraut erscheint, beginnen
dann gleich findige Geister gigantische Bögen zu spannen,
von der winzigsten aller Welten in die Weiten des Universums. Sie behaupten
dann, dass die Ebene der Quanten, die winzigsten Teilchen der Materie, mittels
psychischer oder schamanistischer Techniken erreicht und verändert werden
können. Denn was im Großen wirkt, muss auch das Kleine mit sich ziehen. Und so freuen sie sich im Glauben, modernste Wissenschaften mit den Praktiken
der frühesten Menschen verbinden zu können.
Die Physiker allerdings erkennen aufgrund ihrer wissenschaftlichen
Einsicht, dass die quantenmechanischen Gesetzmäßigkeiten nur auf der untersten
Ebene gelten und sich nicht auf komplexere Ebenen übertragen lassen. Die sich
verdichtende Materie kann sich also nicht mit Gleichartigem verschränken und
teleportieren. Sie kann nicht an zwei Orten gleichzeitig aufscheinen. Für ihre
Welt gelten andere Regeln und Gesetzmäßigkeiten.
Quanten-Marketing
Folglich wird klar, dass die Nutzung des Quantenbegriffes in
Bezug auf psychische Heilungsmethoden ein Marketing-Gag ist. Begriffe erzeugen
innere Bilder, innere Bilder erzeugen Gefühle, Gefühle erzeugen Motivationen,
Motivationen erzeugen Handlungen. So funktioniert Marketing, die Kette von der
Wahrnehmung bis zum Kauf soll damit geschlossen werden, und das magische Wort „Quantum“
hat die gewünschte Wirkung entfaltet. In der Vielfalt des Angebotes auf dem
Markt der Seelenführer greifen wir auf vertraute oder Vertrauen erweckende
Metaphern zurück, um uns zu orientieren. Die Grenze zum Verführen ist da
allerdings immer auch recht durchlässig.
So heißt es z.B. in einem Werbetext:
„Was ist Quantenheilung? Es ist eine praktische Anwendung
der Quantenphysik, laut der jede Realität als Energie bzw. Schwingung
beschrieben werden kann. Mit der sehr leicht zu erlernenden 2-Punktmethode kann
durch reine Absicht eine Umprogrammierung auf subatomarer Ebene herbeigeführt
werden.“
Ob das so stimmt oder nicht, kann wissenschaftlich nicht nachgewiesen
werden. Wie sollte eine Messung von subatomaren Photonen während einer Sitzung
in Quantenheilung ablaufen, welche „Umprogrammierung“ sollte da stattfinden? Photonen
ändern bei quantenmechanischen Experimenten ihre Drehrichtung, ihren Spin, aber
was heißt da Umprogrammierung, wenn es in ihrer Welt gar keine festgelegten
Programmierungen gibt? Und schon gar: Eine gute therapeutische Sitzung sollte
der Klienten nach der Sitzung ein besseres Gefühl geben als vorher. Blöderweise
kennen Photonen kein Vorher und kein Nachher…
Die angewendete Methode kann gute heilende Erfolge bewirken,
wie viele andere Methoden auch, die sich nicht auf die Quantenphysik berufen.
Darum sollte beides nicht in einen Topf geworfen werden, denn skeptisch
denkende Menschen werden sofort mit guten Argumenten die Analogie zwischen z.B.
dem komplexen Funktionieren eines Gehirns und dem Verhalten von Photonen
zurückweisen und auf die Unmöglichkeit hinweisen, die Erkenntnisse der Quantenwelt
auf die der Moleküle zu übertragen, geschweige denn, auf die der Zellen,
geschweige denn auf die eines Megazellenverbandes wie das menschliche Gehirn.
Die skeptischen Leute werden aber dazu neigen, die Methode
samt ihrem Erklärungsmodell zu verdammen: Wer so windige Theorien entwickelt,
kann keine gute therapeutische Arbeit zustande bringen. Manche kompetente
Praktiker veranlasst ihre vielleicht zu schwach entwickelte theoretische
Kompetenz zu geistigen Höhenflügen, die sie dann in Sphären führt, wo die Luft
dünn wird, ohne dass sie das merken. Damit geraten sie schnell ins Visier der
kompetenten Theoretiker, die allerdings oft kein Verständnis und noch weniger Gespür
für die therapeutische Praxis haben.
Und so entbrennen schnell unnötige Glaubenskämpfe, unnötig
deshalb, weil die angewendeten Methoden, falls sie hilfreiche Wirkungen und
keine Schäden hervorrufen, nicht in ihrem Wert geschmälert oder diskreditiert werden
sollen, und andererseits die Forderungen der Skeptiker nach einer klaren
Terminologie und einem redlichen Gebrauch der Wissenschaften, auch im Sinn
eines kritischen Verbraucherschutzes, Respekt und Beachtung verdienen.
Vielleicht ist es am besten, die Quanten in ihrer
Quantenwelt zu lassen und uns an den Erkenntnissen der Physiker zu erfreuen,
soweit sie Eingang in unseren Verständnishorizont finden, und den sonstigen
Gebrauch des Wortes als das zu sehen, was es ist: Eine bestenfalls kreative
Wortschöpfung, die auf Automarken und Hedgefonds ebenso angewendet werden kann
wie auf Eislutscher oder Therapie- und Coaching-Methoden.
"Der Missbrauch quantentheoretischer Begrifflichkeiten zur Bewerbung und pseudowissenschaftlichen Autorisierung von allerlei Heilmethoden, diversen Apparaten und self-help-Accessoires ist nicht zu rechtfertigen und sollte im Allgemeinen eher zu Misstrauen gegenüber der Seriosität der Anbieter anregen." (Nikolaus v. Stillfried, Quantenphilosophische Ideen zu Fragen des Bewusstseins. In: Bewusstseinswissenschaften, 19. Jahrgang 1/2013, S. 53)
Literatur zur Quantenphysik:
Anton Zeilinger: Einsteins Spuk. Teleportation und weitere
Mysterien der Quantenphysik (Goldmann 2007)
Jeffrey
Satinover: The Quantum Brain. The Search for Freedom and the Next Generation of
Man (Wiley 2001)
Vgl.: Die Esoterik-Hasser
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