Der Held ist der,
der sich aus Abhängigkeiten löst, die er nicht mehr braucht. Es können innere
Abhängigkeiten sein oder äußere, z.B. eine ungesunde Lebensweise oder die Bande
der Herkunftsfamilie. Er spürt, dass er in den Bereichen, die durch
Abhängigkeiten abgedeckt waren, selbst aktiv und kreativ werden kann. Es sind
nur noch Gewohnheiten und Bequemlichkeiten, die ihn darin festhalten. Sobald er
das erkennt, ist sein Heldentum gefragt. Damit ist die emanzipative Kraft
gemeint, welche die Widerstände zum Wachsen überwindet, die sich in Gewohnheit
und Bequemlichkeit manifestieren.
Im klassischen
Bild zeichnet sich der Held geradezu dadurch aus, dass er seinen Weg geht,
indem er sich von nichts beirren lässt, das sich ihm entgegen stellt. Er hält
stur an seiner Richtung fest, und führt sie ihn auch „über Leichen“. Die
Gefühle der anderen kann er missachten, wenn sie ihm entgegen stehen. Er ist
bereit zu verletzen, emotional oder physisch. Er ignoriert die Schuldgefühle,
die ihn dabei plagen mögen.
So wird aus dem
Helden ein gefühlskaltes Monstrum. Er vermeint, dass er seine Schwächen
gemeistert hat, bemerkt aber nicht, dass er sie nur mit derselben
Unerbittlichkeit unterdrückt hat, die er auch nach außen zeigt. Das Scheitern
ist die einzige Möglichkeit, die das Leben hat, um ihn auf sich selbst zurückzuwerfen.
Und dann ist die Katastrophe vollkommen, denn er hat nichts in seinem
Repertoire, was ihm im Versagen helfen könnte. Denn er hat die geheimnisvolle
Kraft nicht erkannt, die darin liegt, sich den eigenen Schwächen zu stellen.
Es ist also nur die halbe Kraft, mit deren Hilfe der Held aus den Schatten der Vergangenheit herausgetreten und in ein neues Licht der Zukunft gekommen ist. Es ist nur die halbe Wahrheit des Heldenweges. Zum wirklichen Helden wird er erst, wenn er sich auch den Schatten stellt, die ihn aus der Vergangenheit mit begleiten, wohin auch immer ihn sein Weg führt.
Wenn er auf dem inneren Weg weiterkommen will, muss der Held sich also seiner Verletzlichkeit stellen. Er muss den Schmerz und die Angst in sich selbst spüren, die mit dem Schritt aus der früheren Abhängigkeit verbunden sind. Das Annehmen der Gefühle der Verletzlichkeit erst macht wirklich stark und unabhängig. Solange er sich diesen Gefühlen nicht gestellt hat, hängt der Held in unbewältigten Themen der eigenen Kindheit fest. Seine Taten geschehen aus Trotz und nicht aus Selbstbestimmung.
Sobald sich der
Held den Gefühlen des Schattens stellt, erkennt er sein Schuldgefühl: Die Stimme,
die ihm sagt, dass er Rücksicht nehmen muss und anderen nicht weh tun darf. Da
er aber meint, dass das Brechen des äußeren Widerstandes keine Rücksichtnahme
verträgt, meidet er tunlichst jedes Zugeben einer Schwäche. Hinter der Angst,
andere zu verletzen, steckt die Angst vor Liebesverlust. Es ist ein kindliches
Gefühl, das an die Erfahrungen aus frühen Beziehungen und deren Frustrationen
und Traumatisierungen erinnert.
Hier bricht der
Held seinen Emanzipationsweg ab, er spürt, wie das Schuldgefühl in ihm
hochsteigt, und er ist noch nicht stark genug, ihm zu widerstehen. So kehrt er
um in die Position des reumütigen Kindes, das der Mutter nicht weh tun will.
Die alte Welt der bequemen und gewohnten Abhängigkeiten ist wieder hergestellt.
Doch irgendwann wird sich der Impuls wieder melden, der zum Ausbruch aus der Enge der Kindheit mahnt. Und irgendwann wird der Held zu seinem Impuls stehen und den Weg weiter als bis zur nächsten Kurve gehen, gleich, ob alle damit glücklich oder darüber traurig sind.
Er verweigert
eine Form der Liebe, deren oberste Maxime darin liegt, anderen (z.B. der
Mutter) keinen Schmerz zuzufügen und alles zu vermeiden, was den anderen
verstören könnte. Diese Liebe beschränkt die Welt auf einen engen Kreis von
Menschen, die sorgsam und unablässig aufeinander achten, sich bedingungslos
unterstützen und sich auch untereinander behindern und in feststehenden
Konventionen blockieren, wie wir es von der tribalen Bewusstseinsstufe kennen.
Stattdessen beruft sich der Held zunächst auf die Selbstliebe, auf den Egoismus, der ihm erlaubt, nur für sich selber einzustehen, rücksichtslos vorzugehen und die Gefühle anderer Menschen zu ignorieren. Er hat die Erfahrung gemacht, dass er nicht weiterkommt, sondern in seinem angestammten Platz festkleben bleibt, wenn er nur dem gehorcht, was andere für ihn wollen und für ihn (oder für sich selber) für gut befinden.
Danke für diesen großartigen Text, der für mich genau zur rechten Zeit aufgetaucht ist. Ich befinde mich gerade auf dem Weg der Heldin und ein paar Mal war ich schon drauf und dran, mich reumutig in den "Mutterschoß" zurückzubegeben... aber diese Texte und viele großartige menschen an meiner seite haben mich, wenn ich voller Ängste und mutlos war, wieder bestärkt darin, weiterzugehen. Der Weg der Heldin ist zunächst einmal ein sehr mühsamer und anstrengender, aber auch ein unglaublich kraftvoller Weg. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so frei gefühlt. Zum ersten Mal trage ich selbst für mich und mein Leben und meine Lieben meine volle Verantwortung. Das fühlt sich unglaublich gut an.
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