Was ist das Leben
am Leben? Was macht ein Lebewesen lebendig? Da gibt es ein paar
Definitionsmerkmale wie Wachstum, Stoffwechsel, Selbstregulation und
Reproduktionsfähigkeit.
Ich möchte diesen
Eigenschaften noch die Kommunikationsfähigkeit hinzugesellen, die als ein
zentraler Teilaspekt der Selbstregulation betrachtet werden kann. Damit meine
ich folgendes: Lebewesen, z.B. eine einfache einzellige Bakterie, tauschen
nicht nur Stoffe mit ihrer Außenwelt auf, sondern auch Informationen. Jedes
Molekül, mit dem eine Zelle Kontakt aufnimmt, ist nicht nur ein chemisches
„Ding“, sondern trägt eine Bedeutung für den Organismus, z.B. kann ein Molekül
für die Zelle wertvoll oder schädlich sein. Diese Bedeutung ist ein
immaterieller Aspekt des Moleküls, der von der Zelle verstanden wird. Es wird
also eine Information übertragen, es wird kommuniziert.
Lebewesen sind folglich
informationsverarbeitende Systeme. Sie nehmen Informationen über ihre Umwelt
auf und geben Informationen an sie ab. Diese Informationen können in Molekülen
bestehen, die von einem Organismus freigesetzt werden und von einem anderen
aufgenommen werden. Denken wir an die Duftstoffe, die wir Menschen absondern
und riechen, die Pheromone, Überreste einer frühen organischen
Kommunikationsform.
Alle Lebewesen,
die einfachsten wie die komplexesten, „reden“ mit ihrer Umgebung. Mit der
fortschreitenden Differenzierung der Lebewesen im Lauf der Evolution entwickeln
sich auch die Kommunikationsformen weiter, indem sie sich verfeinern und
erweitern. Doch erscheint die Annahme Sinn zu machen, dass die Grundstrukturen
der Sprache schon in ihren einfachsten Formen vorhanden waren – die Formen der
Syntax, wie Frage, Antwort, Feststellung, Befehl. Denn sie strukturieren die
wichtigsten kommunikativen Prozesse:
- Die Frage bringt eine eigene Unklarheit zum Ausdruck und die Erwartung, dass der Kommunikationspartner diese Unklarheit beheben kann.
- Die Feststellung ist die Mitteilung über einen Ist-Zustand, den der Partner von sich aus nicht wahrnehmen kann, z.B. die Aussage über einen eigenen Innenzustand an jemand Außenstehenden.
- Der Befehl oder die Anweisung will ein bestimmtes Verhalten beim anderen in die Wege leiten.
In der
generativen Grammatik nach Noam Chomsky gehen Forscher davon aus, dass die
Grundstrukturen der Grammatik angeboren (genetisch vorgeprägt) sind, während
die einzelnen Worte einer Sprache erlernt werden. Ich lerne also als Kind von den
Sprechern meiner Umgebung die Worte „die Sonne“, „ist“, „hell“, und greife auf
ein Strukturmodell zurück, das erlaubt, diese Worte zu einem Satz zu formen.
Dieses Modell ist gewissermaßen schon vorhanden und wird dann mit den erlernten
Worten gefüllt.
Nach dieser
Theorie verfügen wir also über universell gültige Kommunikationsvorlagen, die
von den einzelnen Sprachen abgewandelt und mit unterschiedlichen Lautgestalten
verknüpft werden. Ich möchte diese Theorie noch erweitern mit der Annahme, dass
diese Vorlagen oder Strukturen schon bei den einfachsten Lebensprozessen verwendet
werden, einerseits, um die inneren Vorgänge und andererseits, um die
Beziehungen zur Umwelt zu regulieren.
Die interne
Kommunikation
Wie vorstellbar
ist, dass z.B. einzellige Lebewesen miteinander kommunizieren (und irgendwann,
wenn sie gelernt haben, einander zu vertrauen, sich dann zu Mehrzellern
zusammenschließen), so ist es auch möglich, dass innerhalb einer Zelle
Kommunikationsvorgänge stattfinden. So könnte z.B. die Membran der Zelle, die
eine Zustandsveränderung im Umgebungsmilieu registriert, eine
Sachverhaltsdarstellung an andere Instanzen der Zelle weiterleiten, z.B.: der
pH-Wert in der Umgebung ist ziemlich niedrig. Dazu vielleicht die Frage: Ist da
was zu tun? Dann fällt innerhalb die Entscheidung, dass sich die Zelle
möglichst rasch aus der Umgebung zurückziehen sollte, und der Zellkern wird
aufgefordert, die dafür notwendigen Gene freizugeben, damit für das Vorhaben
genügend geeignete Proteine hergestellt werden können.
Welches Medium
die Kommunikation dabei benutzt, welche Signal- oder Botenstoffe dafür
verwendet werden, ist hier nicht so wichtig. Mir geht es um die Annahme, dass
jedes Kommunikationsmedium, das zur Anwendung gelangt, sich an das grammatikalische
Schema halten muss, an die von der jeweiligen Situation erforderte
Grundstruktur.
Krankheit als
Kommunikationsstörung
In der
Psychosomatik ist das Konzept verbreitet, Krankheiten als Störungen der
Kommunikation innerhalb des Körpers zu verstehen. Krebszellen z.B. werden so
charakterisiert, dass sie nicht mit ihren Nachbarzellen kommunizieren. Sie
haben den Kontakt abgebrochen und stimmen sich nicht mehr mit den anderen ab,
sondern tun nur mehr das, was ihrem eigenen Programm entspricht. Deshalb
beginnen sie sich unkontrolliert, also ohne Absprache mit der Umgebung, zu
vermehren.
Kommt es irgendwo
im Körper zu einer Schmerzempfindung, so kann diese als Botschaft verstanden werden,
dass dort etwas im Ungleichgewicht ist und dass wir uns um diesen Bereich
kümmern sollten, um ihn wieder zu normalem Funktionieren zu bringen.
Weiters kann dann
nachgeforscht werden, ob innerhalb der Zelle, die zu einer Krebszelle mutiert,
eine Kommunikationsstörung stattgefunden hat, die z.B. dazu geführt hat, dass
ein Giftstoff in die Zelle hineingelassen wurde, der dann deren Gleichgewicht
zerstörte, Stress auslöste und die Kommunikationsabläufe durcheinander brachte,
bis schließlich die Zelle kommunikationsunfähig wurde und begann, ein
Notfallprogramm abzuwickeln, das sich schließlich destruktiv auf die Umgebung
auswirkt.
Die Schwingung
der Kommunikation
Neben der
grammatikalischen Grundstruktur sollten wir noch Schwingungsaspekte mit
berücksichtigen, also Modulationen, die jede Kommunikation „färben“. Als höher
entwickelte Lebewesen kennen wir sie als den emotionalen „Tonus“, der angibt, aus
welcher Spannungslage die Sprache kommt. Entspannt und ruhig gesprochene
Sprache wird anders wirken als aufgeregtes und angespanntes Sprechen.
Jedenfalls muss sich auch diese Komponente der Sprache auf die
grammatikalischen Grundformen beziehen, um verstanden zu werden.
Die innere
Einheit der Welt
Das Modell kann
helfen zu verstehen, welche Wirkung wir mit der Sprache erzielen können. Auch
wenn wir mit Wesen sprechen, die keiner Menschensprache mächtig sind, können
unsere Botschaften ankommen und können wir Nachrichten empfangen, weil wir über
Strukturähnlichkeiten verfügen, die jede Lebensform kennt. Deshalb mag es
manchen Menschen möglich sein, mit den Vögeln und den Pflanzen zu reden, d.h.
zu fragen und zu antworten, Informationen zu geben und zu empfangen. Zum
Gelingen dieser Verständigung sind nicht die Worte, sondern die sprachlichen
Grundstrukturen maßgeblich.
Wir können auch
erkennen, warum die Sprache in der internen Kommunikation oft hilfreich ist,
wenn wir z.B. selbstbestärkende Sätze (Affirmationen) anwenden oder wenn wir
mit Teilen unserer Innenwelt reden. Mir hilft es z.B. beim Einschlafen, wenn
ich mit dem Melatonin in meinem Gehirn rede. Das Modell macht uns auch
verständlich, dass wir uns selber behindern können, wenn wir uns selbst abwerten,
kritisieren oder entmutigen. Wir können uns selbst krank jammern oder gesund
beten, je nachdem, wie wir mit und in unserem Körper kommunizieren.
Sollten diese
Überlegungen Sinn machen, so heißt das, dass wir über ein nahezu universal
einsetzbares Grundgerüst verfügen, das in die Funktionsweise des Lebens
eingewoben ist. Darauf aufbauend, haben alle Lebewesen und alle Gattungen ihre
je eigenen Sprachen entwickelt, die die Einzelheiten in die Strukturen
einfügen, wie die Worte einer Sprache, die ihre Ordnung und ihren
sinnstiftenden Platz in der Grammatik finden. Die Universalgrammatik des Lebens
erklärt, warum wir nicht nur von einer Menschensprache zur anderen, sondern
auch von der Menschensprache zur Tiersprache und schließlich zu jeder anderen Lebenssprache
übersetzen können und warum unsere Lautsprache von der Zellsprache verstanden
wird.
So können wir den Grundsatz von Paul Watzlawick: "Man kann nicht nicht kommunizieren" noch umfassender verstehen: Das Leben ist permanente Kommunikation nach innen und nach außen, und wir sind permanent in dieses Netz an Kommunikation eingebunden und speisen es mit unseren eigenen Beiträgen. Das World Wide Web ist gegen dieses riesige Netz an organischer Kommunikation nur ein winziger Abklatsch.
So können wir den Grundsatz von Paul Watzlawick: "Man kann nicht nicht kommunizieren" noch umfassender verstehen: Das Leben ist permanente Kommunikation nach innen und nach außen, und wir sind permanent in dieses Netz an Kommunikation eingebunden und speisen es mit unseren eigenen Beiträgen. Das World Wide Web ist gegen dieses riesige Netz an organischer Kommunikation nur ein winziger Abklatsch.
Das Modell der organischen
Kommunikation kann schließlich als Baustein dafür dienen, das gesamte Leben und
seine anorganische Grundlage als riesige Einheit in Unterschieden zu sehen.
Wenn wir weniger die Unterschiede der einzelnen Bereiche (das Leblose, das
Lebendige, die Einzeller, die Mehrzeller, die Wirbellosen und die Wirbeltiere
usw.) beachten und mehr die Strukturähnlichkeiten, können wir besser erspüren
und bestaunen, was es heißt, dass alles mit allem verbunden ist. Es gibt eine
tiefe Verwandtschaft unter allem, was aus dem Sternenstaub entsprungen ist.
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