Dienstag, 5. Juni 2012

Unser Schicksal annehmen

Wir alle kennen Krisen, Katastrophen, Dramen, Irritationen, Verwirrungen usw. Kein Leben ist frei davon. Es handelt sich dabei um Störungen in unserem Verhältnis zur Wirklichkeit, sodass wir mit dem, was in solchen Momenten in unserem Leben passiert, nicht mitgehen können. Wir sondern uns von unserem eigenen Lebensprozess ab und flüchten in eine mentale Zweitwelt. 

Im vorigen Blogbeitrag habe ich beschrieben, dass es Traumatisierungen sind, die solche Vorgänge auslösen. Sie sind als solche schwer zu ertragen, weil sie uns mit Überlebensängsten konfrontieren. Und sie trüben in der Folge unsere Freude am Leben und verstärken unsere Tendenz, uns schlecht zu fühlen und zu leiden. So beginnen wir an unserem Schicksal zu zweifeln und zu verzweifeln.

Dabei schielen wir gerne auf die anderen und denken uns vielleicht, dass es manchen von ihnen besser geht, dass sie weniger leiden als wir und dass sie das Schicksal begünstigt hat, während es uns benachteiligte. So, wie wir leben, gelingt uns das nur, wenn wir den Großteil der Menschheit ausblenden – Milliarden an Menschen, die nicht wissen, wie sie ihr Überleben am nächsten Tag sicherstellen können, Millionen, die an schweren Krankheiten leiden und nicht wissen, wieviele Tage sie noch am Leben sein werden, Tausende, die in Krisen- und Kriegsgebieten leben usw. Solche Ausblendungen sind ein fixer Bestandteil unserer mentalen Zweitwelt, deshalb fallen sie uns gar nicht mehr auf.

So pflegen wir ungestört unsere Vergleiche, wieviel an Schicksal wem zugemutet wird und wer von welchem Leid frei und unbehelligt ist. Wir bestätigen uns dabei unseres eigenen Leidens und unserer Benachteiligung. Solange es jemanden gibt, dem es offensichtlich und unserer Einschätzung nach weniger schlecht geht als uns, solange können wir uns mit Fug und Recht beim Schicksal beschweren, dass es unfair zu uns wäre und dass uns schleunigst eine nachhaltige Besserung unseres Loses zustünde.

Allzu selten werden solche Anklagen positiv erledigt. So wenden wir uns an die religiösen und spirituellen Lehren, um zu verstehen, wie das möglich sei, dass wir so ungerecht behandelt werden. Die einen werden uns erklären, dass wir karmische Schulden aus früheren Leben abtragen müssen, die anderen, dass wir im Jenseits unseren Lohn abholen können, wieder andere, dass das Leben sowieso nur aus Leid besteht und das Ausmaß unwesentlich ist, und noch andere, dass jedes Leiden nur eingebildet ist. 

Je nach Geschmack werden wir uns die eine oder andere Lehre aneignen und damit die intellektuelle Spannung zwischen unserem Selbsterleben und unserem Selbstkonzept verringern. Wir haben eine Erklärung für unser Elend. Doch gibt es auch so etwas wie einen Ausweg aus dem Leiden am Schicksal, eine Aussicht auf ein Ende des Haderns und Anklagens? Können wir aus der Parallelwelt, in die wir uns eingesponnen haben, wieder aussteigen? 

Alles, was es braucht, ist, dass wir unser Schicksal annehmen, zu uns nehmen, dass wir uns mit unserer Lebensgeschichte versöhnen. Unser Leben war, wie es war, mit Phasen des Wachsens und Wohlfühlens, und mit Episoden der Traumatisierung. Diesen Schlüsselmomenten unseres Lebens müssen wir uns stellen und sie noch einmal bewusst durchleben, um ihnen die zerstörerische Kraft zu nehmen. Dann löst sich ein Teil unserer Selbstverstrickung auf und wir nehmen diesen Aspekt des Schicksal zu uns. 

Wenn wir den Weg der Bewusstmachung und Heilung gehen, nähern wir uns Schritt für Schritt der Wirklichkeit unseres Lebens an und verlassen die mentale Zweitwelt, die wir nicht mehr brauchen. Wir öffnen uns für die wunderbaren Seiten dieses Lebens und beginnen, Schicksalsschläge in Herausforderungen umzuwandeln, sodass wir bemerken und wertschätzen, wie wir an den Schwierigkeiten, die uns das Leben bietet, wachsen und stärker werden.

1 Kommentar:

  1. Das Schicksal anzunehmen ist das Heilendste, und zugleich oft das Schwerste. Manchmal gibt es Menschen voll von Liebe, die uns dies vorleben und somit zeigen, wie wunderbar und schön das Leben doch ist, trotz allem.

    AntwortenLöschen