Wir alle kennen Krisen, Katastrophen, Dramen,
Irritationen, Verwirrungen usw. Kein Leben ist frei davon. Es handelt sich dabei
um Störungen in unserem Verhältnis zur Wirklichkeit, sodass wir mit dem, was in
solchen Momenten in unserem Leben passiert, nicht mitgehen können. Wir sondern
uns von unserem eigenen Lebensprozess ab und flüchten in eine mentale Zweitwelt.
Im vorigen Blogbeitrag habe ich
beschrieben, dass es Traumatisierungen sind, die solche Vorgänge auslösen. Sie
sind als solche schwer zu ertragen, weil sie uns mit Überlebensängsten
konfrontieren. Und sie trüben in der Folge unsere Freude am Leben und
verstärken unsere Tendenz, uns schlecht zu fühlen und zu leiden. So beginnen
wir an unserem Schicksal zu zweifeln und zu verzweifeln.
Dabei schielen wir gerne auf die anderen
und denken uns vielleicht, dass es manchen von ihnen besser geht, dass sie
weniger leiden als wir und dass sie das Schicksal begünstigt hat, während es
uns benachteiligte. So, wie wir leben, gelingt uns das nur, wenn wir den Großteil
der Menschheit ausblenden – Milliarden an Menschen, die nicht wissen, wie sie
ihr Überleben am nächsten Tag sicherstellen können, Millionen, die an schweren
Krankheiten leiden und nicht wissen, wieviele Tage sie noch am Leben sein
werden, Tausende, die in Krisen- und Kriegsgebieten leben usw. Solche
Ausblendungen sind ein fixer Bestandteil unserer mentalen Zweitwelt, deshalb
fallen sie uns gar nicht mehr auf.
So pflegen wir ungestört unsere Vergleiche,
wieviel an Schicksal wem zugemutet wird und wer von welchem Leid frei und
unbehelligt ist. Wir bestätigen uns dabei unseres eigenen Leidens und unserer
Benachteiligung. Solange es jemanden gibt, dem es offensichtlich und unserer
Einschätzung nach weniger schlecht geht als uns, solange können wir uns mit Fug
und Recht beim Schicksal beschweren, dass es unfair zu uns wäre und dass uns
schleunigst eine nachhaltige Besserung unseres Loses zustünde.
Allzu selten werden solche Anklagen positiv
erledigt. So wenden wir uns an die religiösen und spirituellen Lehren, um zu
verstehen, wie das möglich sei, dass wir so ungerecht behandelt werden. Die
einen werden uns erklären, dass wir karmische Schulden aus früheren Leben
abtragen müssen, die anderen, dass wir im Jenseits unseren Lohn abholen können,
wieder andere, dass das Leben sowieso nur aus Leid besteht und das Ausmaß
unwesentlich ist, und noch andere, dass jedes Leiden nur eingebildet ist.
Je nach Geschmack werden wir uns die eine
oder andere Lehre aneignen und damit die intellektuelle Spannung zwischen
unserem Selbsterleben und unserem Selbstkonzept verringern. Wir haben eine
Erklärung für unser Elend. Doch gibt es auch so etwas wie einen Ausweg aus dem
Leiden am Schicksal, eine Aussicht auf ein Ende des Haderns und Anklagens? Können
wir aus der Parallelwelt, in die wir uns eingesponnen haben, wieder aussteigen?
Alles, was es braucht, ist, dass wir unser
Schicksal annehmen, zu uns nehmen, dass wir uns mit unserer Lebensgeschichte
versöhnen. Unser Leben war, wie es war, mit Phasen des Wachsens und
Wohlfühlens, und mit Episoden der Traumatisierung. Diesen Schlüsselmomenten
unseres Lebens müssen wir uns stellen und sie noch einmal bewusst durchleben,
um ihnen die zerstörerische Kraft zu nehmen. Dann löst sich ein Teil unserer
Selbstverstrickung auf und wir nehmen diesen Aspekt des Schicksal zu uns.
Wenn wir den Weg der Bewusstmachung und
Heilung gehen, nähern wir uns Schritt für Schritt der Wirklichkeit unseres
Lebens an und verlassen die mentale Zweitwelt, die wir nicht mehr brauchen. Wir
öffnen uns für die wunderbaren Seiten dieses Lebens und beginnen,
Schicksalsschläge in Herausforderungen umzuwandeln, sodass wir bemerken und
wertschätzen, wie wir an den Schwierigkeiten, die uns das Leben bietet, wachsen
und stärker werden.
Das Schicksal anzunehmen ist das Heilendste, und zugleich oft das Schwerste. Manchmal gibt es Menschen voll von Liebe, die uns dies vorleben und somit zeigen, wie wunderbar und schön das Leben doch ist, trotz allem.
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