Für manche hat das Jahr 2012 eine besondere Bedeutung, nachdem in diesem Jahr angeblich der Maya-Kalender sein Ende erreicht. Dazu wurde von esoterischen Spekulanten gleich das Ende der Welt prophezeit. Hollywood hat sich gleich mit einem Blockbuster angehängt, um die Megakatastrophe kinowirksam aufzubereiten (das Internationale Filmlexikon urteilt über den Film: „Billigfilm mit erbärmlichen Effekten, der einen ebenso fundamentalistischen wie frei interpretierten christlichen Glauben zur Rettung der Welt anführt.“) Manche der wohlmeinenderen Spekulanten haben dann diese düstere Vorhersage abgemildert, sodass dort nur mehr von einem Bewusstseinssprung die Rede ist, der gegen Ende des Jahres die „Auserwählten“ in Exstase versetzen und die Nichterwählten in die Verdammnis schicken wird.
Es ist klar und unbestreitbar, dass der Maya-Kalender, eines von vielen Kalendersystemen, die im Lauf der Menschheitsgeschichte entwickelt wurde, zwar für 2012 das Ende eines Berechnungszyklus (die sogenannte lange Zählung) vorsieht, jedoch nicht das Ende der Welt, da auch über diesen Zeitpunkt hinaus von den Mayas Berechnungen vorgenommen wurden. Es gibt keine Hinweise aus Quellen, dass die Mayas diesen Zeitpunkt mit einem Untergang verbunden hätten, auch heute noch lebende Angehörige des Maya-Volkes wehren sich gegen diese Interpretation.
Andere Interpretationen beziehen sich auf astronomische Ereignisse, die in diesem Jahr auftreten sollen und eine besonders mächtige Kraft ausüben sollen. Abgesehen von immer wiederkehrenden Konstellationen gibt es jedoch keine besonderen Ereignisse im Weltall, vor denen wir uns fürchten sollten.
Schließlich ist wieder einmal vom Polsprung die Rede, der seit Jahren angekündigt wird und gravierende Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben soll. Der Wissenschaft ist die Abnahme des Magnetfeldes bekannt, dieses geht sehr langsam vonstatten und könnte in 1000 bis 2000 Jahren zu einem Polsprung führen, der selber dann etwa 10 000 Jahre dauert. Also ist noch etwas Zeit, die Vorkehrungen für diesen Fall zu treffen, der möglichweise 50 Generationen nach uns stattfinden wird.
Die Katastrophen-Theorie für das Jahr 2012 entspringt also der Phantasie und steht in der Reihe von Untergangsszenarien, die immer wieder in der Menschheitsgeschichte aufgetreten sind. Die Welt und die Menschheit haben diese Szenarien bisher alle überlebt und es finden sich in den diversen Phantasiegeschichten auch keine nachvollziehbaren Begründungen dafür, warum das nicht auch dieses Mal so sein wird – wir werden Ende 2012 wie jedes Jahr Sylvester feiern und auf ein Jahr zurückblicken, das Gutes und Schlechtes gebracht hat.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass sich die Menschen gerne fürchten. Sonst würden sie nicht entsprechende Nachrichten aufgreifen und weiterverbreiten. Sonst würden sie auch sich nicht entprechende Filme anschauen und Bücher lesen, also Geld dafür ausgeben, dass sie sich fürchten können.
Allerdings gibt es die Unterhaltungsfurcht, der wir uns aussetzen, wenn wir gerade nichts Besseres zu tun haben. Wir gehen ins Kino und hoffen, dass uns nicht fad wird, indem ein Schrecken den anderen jagt, bis wir dann nach zwei Stunden erleichtert den Saal verlassen. Oder wir lesen einen Horrorroman, der uns auch Kurzweil verschafft und uns nachher das Gefühl gibt, dass wir froh sein können, in einer besseren Welt zu leben als der, die im Roman beschrieben wird.
Und es gibt die esoterische Furcht, die auf einem Pseudowissen gründet, das „esoterisch“, also verborgen oder geheim ist. Dahinter steckt die Auffassung, dass es zwei Arten von Menschen gibt, die Alltagsmenschen, die von nichts eine Ahnung haben, weil sie von ihren Tagesgeschäften in Anspruch genommen sind, und die „bewussten“ Menschen, die hinter die Dinge schauen und mehr über das Leben wissen. Sie nehmen deshalb Botschaften für wichtig, die aus nicht-alltäglichen Quellen stammen – Informationen, die über Medien von aufgestiegenen Meistern, von den Bewohnern ferner Sterne, von Verstorbenen oder von UFOs übermittelt werden. Sie haben damit den Eindruck, über einen Bewusstseins-Vorsprung gegenüber den Normalos zu verfügen. Der Preis dieser Überlegenheit ist die Furcht, die damit eingehandelt wird.
Diese esoterische Furcht ist deshalb besonders hartnäckig, weil das Pseudowissen, z.B. diverse Prophezeiungen, kritikresistent ist. Da es aus einer esoterischen, d.h. nicht allgemein überprüfbaren Quelle stammt, ist es gegen Einwände, die z.B. aus dem Alltagsverstand (common sense) oder aus der Wissenschaft stammen, immun. Im Gegenteil, solche Kritikpunkte werden gerne mit dem Hinweis darauf entkräftet, dass sie der Verschleierung der „Wahrheit“, die aus der höherwertigen Quelle sprudelt, dienen und deshalb von den Kräften des Bösen gesteuert werden. So hört man dann, dass etwa so mächtige Organisationen wie der CIA oder die NASA bestimmte Erkenntnisse unterdrückt hätten, um das Volk zu täuschen. Tatsächlich sind dann diese Erkenntnisse, die angeblich unterdrückt wurden, entweder überall abrufbar oder reine Fantasie. Aber innerhalb des esoterischen Denkens spielen solche Überprüfungen keine Rolle, es genügt sich selbst und pflegt seine Ängste.
Nun soll jede/r glauben, was er/sie will. Jedem seine Angst, jeder ihre Hoffnung.
Mag auch jeder sein Brot verdienen mit dem, was er gut kann. Aber wichtig bei jederTätigkeit ist auch die Frage, ob sie ehrlich Gutes für andere will bzw. ob sie ihnen zumindest nicht schadet. Aus meiner Sicht wird überall dort, wo mit unlauteren Mitteln Ängste geschürt und gepflegt werden, diese ethische Grenze überschritten: Mit der Verbreitung und Vertiefung von esoterischen Ängsten wird Menschen Schaden zugefügt.
Sicher ist jeder Mensch dafür verantwortlich, was er/sie liest, hört, ernst nimmt. Aber wir sind nicht immer und überall in der Lage, alles und jedes, das uns begegnet, zu überprüfen. Deshalb kann es uns immer wieder passieren, dass wir Betrügern auf den Leim gehen, ob diese nun arglistig oder naiv vorgehen. Sie brauchen nur eine unserer Schwachstellen erwischen. Diese Stellen sind unsere Traumatisierungen, die uns nicht bewusst sind. Sie sind der Grund, warum wir glauben, dass wir uns fürchten müssen.
Mag auch jeder sein Brot verdienen mit dem, was er gut kann. Aber wichtig bei jederTätigkeit ist auch die Frage, ob sie ehrlich Gutes für andere will bzw. ob sie ihnen zumindest nicht schadet. Aus meiner Sicht wird überall dort, wo mit unlauteren Mitteln Ängste geschürt und gepflegt werden, diese ethische Grenze überschritten: Mit der Verbreitung und Vertiefung von esoterischen Ängsten wird Menschen Schaden zugefügt.
Sicher ist jeder Mensch dafür verantwortlich, was er/sie liest, hört, ernst nimmt. Aber wir sind nicht immer und überall in der Lage, alles und jedes, das uns begegnet, zu überprüfen. Deshalb kann es uns immer wieder passieren, dass wir Betrügern auf den Leim gehen, ob diese nun arglistig oder naiv vorgehen. Sie brauchen nur eine unserer Schwachstellen erwischen. Diese Stellen sind unsere Traumatisierungen, die uns nicht bewusst sind. Sie sind der Grund, warum wir glauben, dass wir uns fürchten müssen.
Mit den Traumatisierungen der Menschen Geschäfte zu treiben und Rebbach zu machen, ist nach meiner Ansicht verantwortungslos und gehört angeprangert, damit die Menschen davor gewarnt werden. Statt uns von selbsternannten Propheten, deren einzige Legitimation in der Fähigkeit zu reden oder zu schreiben besteht, ins Bockshorn jagen zu lassen, haben wir den Mut, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen und unsere Traumatisierungen aufzuarbeiten, bis uns keiner und nichts mehr Angst machen kann.
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