Wir machen uns Sorgen. Bedanken wir uns bei der deutschen Sprache, die uns darauf aufmerksam macht, was es mit dem Sorgenmachen auf sich hat. Wir sind es, die Sorgen machen; niemand sonst in der Welt kann Sorgen erzeugen und erleben, nur wir selber. Es gibt keine Sorgen in der äußeren Welt, das sind Phänomene, die wir allein aus unserem Inneren kennen. Wenn uns andere von ihren Sorgen erzählen, können wir aus unserer inneren Bekanntschaft mit dem Sorgenmachen nachvollziehen, was die anderen damit meinen und wie es ihnen im Zustand des Besorgtseins geht.
Die Sprache hat die Sorge in dieser Phrase mit Reflexivität versehen: Sorgen sind immer rückbezüglich und selbstreferentiell. Im Sorgenmachen sind wir Subjekt und Objekt in einem. Ich kann niemand anderen in Sorgen versetzen, nur mich selbst.
Wir reden gerne über unsere Sorgen. Wenn wir sie teilen, erwarten wir die Entlastung von unseren Gesprächspartnern. Sie sollen uns zumindest verstehen und bestätigen, wie sehr wir unter der Last der Sorgen leiden. Sie sollen uns trösten und uns überzeugen, dass alles nicht so schlimm ist und kein Grund zur Sorge besteht. Sie sollen uns für andere Perspektiven öffnen, die zeigen, dass die Welt nicht in dem Maß gefährlich und bedrohlich ist, wie wir in unserer Sorge glauben.
Jedoch können wir uns im Grund nur selbst entsorgen, von der Sorge entlasten. Wir haben die Sorge gemacht, wir müssen sie wieder entfernen. Wir haben ihr Macht über uns und unser Innenleben gegeben, wir müssen diese Macht wieder zu uns zurückholen, wenn wir einen dauerhaften Schaden durch die Last der Sorgen vermeiden wollen.
Die Sprache, die uns darauf aufmerksam macht, dass wir die Macher unserer Sorgen sind, führt uns zurück zur Selbstverantwortung. Mit jeder Sorge fühlen wir uns als Opfer übermächtiger Umstände. Wir wissen nicht, wie wir mit etwas, das gerade unser Leben beeinflusst oder in Zukunft beeinflussen könnte, umgehen sollen, ob wir damit zurecht kommen oder ob es mächtiger ist als unsere eigenen Kräfte.
Indirekt erkennen wir jedoch: Was wir machen, dem geben wir unsere Macht, und diese fehlt uns dann, sodass wir uns ohnmächtig fühlen. Dieser Selbstentmächtigung können wir entkommen, indem die Verantwortung zu uns zurückholen und sie in ihrer Radikalität annehmen: Es gibt nichts an unserem Erleben der Welt, das wir nicht selber, in uns, erzeugt haben, bewusst oder unbewusst. Die Wirklichkeit ist immer, wie sie ist, ob uns das passt oder nicht. Wir sind dafür zuständig, wie sie in uns ankommt, wie sie von uns weiterverarbeitet wird, und welche Stimmungen und Gefühle dabei entstehen. Wir brauchen nicht darauf zu warten, dass sich die Wirklichkeit ändert, bis wir wieder entspannen können, wir brauchen nur die Verantwortung zu uns nehmen und die Kraft spüren, die mit diesem Akt verbunden ist. Sie hilft uns, die Ressourcen in uns zu mobilisieren, mit deren Hilfe wir die Herausforderungen des Lebens bewältigen können.
Die Sorgen helfen uns dabei nur insofern, als sie uns vor die Entscheidung stellen, in der Opferrolle zu verbleiben oder aktiv handelnd die Verantwortung zu übernehmen. Wir können sie nutzen, uns bewusst zu machen, dass es nur darum geht, die Urheberschaft und die Macht zu uns selber zurückzuholen. Das ist der beste Weg zum sorgenfreien Leben.
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