Donnerstag, 13. Oktober 2016

Angst und Liebe

Ängste sind ein Grundbestandteil unseres Gefühlslebens. Wir biegen um die Ecke und stoßen auf eine Person, wir erschrecken kurz und entspannen uns, sobald wir sehen, dass keine Gefahr droht. Wir denken an einen wichtigen Termin am nächsten Tag, und schon beginnt der Magen zu flattern. Es fällt uns ein, dass wir den Geburtstag eines uns wichtigen Menschen vergessen haben, es steigt heiß in uns hoch.

Vielfältige Anlässe haben wir, um in Angst zu geraten, und wir haben in unserem Arsenal die unterschiedlichsten Auslöser gespeichert. Manche Ängste teilen die meisten Menschen, manche sind ganz individuell, manche bilden Familien, z.B. die spezifischen Angststörungen wie Klaustrophobie oder Agoraphobie. Allein in dem Feld der Phobien gibt es nahezu unendlich viele Möglichkeiten, und es können immer wieder neue dazukommen.

So ist es nicht verwunderlich, dass wir annehmen, dass die Angst allgegenwärtig ist. Der deutsche Philosoph Heidegger hat die Angst zu einem Existenzial des Menschen erklärt, einer Grundbefindlichkeit, und viele andere Denker haben alle Ängste auf die Angst vor dem Tod zurückgeführt: Letztlich steckt in jeder noch so winzigen Angst die vor dem eigenen Ende. Die Angstreaktion mobilisiert den Überlebensmodus.

Die Wartezimmer von Psychiatern und Psychotherapeuten sind gefüllt von Menschen, die in der einen oder anderen Form unter Ängsten leiden. Jedes Thema, das innerlich belastet oder stört, und klarerweise jedes Trauma hat eine zentrale Angstkomponente, sodass die Hauptaufgabe im Bereich der seelischen Heilung im Lindern von Angstzuständen besteht.

Die Angstreaktion ist keine sinnlose Bürde, die mit dem Menschsein verbunden ist. Ängste machen uns auf Gefahren aufmerksam, die unser Leben bedrohen. Ohne Ängste würden wir blind durch die Welt stolpern und auf jeden Bösewicht hereinfallen. Wir würden bei Gewittern nicht Schutz suchen und sorglos am Abgrund spazieren gehen.

Allerdings sind die meisten unserer Ängste grundlos und situationsunangemessen. Das hat seinen Grund darin, dass unser Gehirn so strukturiert ist, dass es Angstreizen den Vorzug gibt und dass diese mit keinem Zeitmarker versehen sind. Sobald ein Reiz auftritt, der einer früheren Bedrohungsszene gleicht, wird die innere Alarmreaktion ausgelöst, mit der gleichen Intensität wie in der früheren Situation, die schon lange vorbei ist und viel gefährlicher war. Außerdem ist die Speicherung tief in den unbewussten Arealen unseres Gehirns gelagert, damit wir sie nicht willentlich außer Kraft setzen können. Die Reaktion auf Angstreize soll automatisiert ablaufen, nach dem Kampf-Flucht-Mechanismus, den alle höheren Lebewesen einprogrammiert haben. Automatisch heißt: ohne Einmischung des Denkens.

Dieses Phänomen ist besonders auffällig bei der posttraumatischen Belastungsstörungen, bei der z.B. eine Farbe, ähnlich der des Autos, das jemanden fast überfahren hätte, die Panikreaktion auslösen kann. Wir laufen also mit einem riesigen Museum voll von Ängsten herum, die wir aus all den Gefahrenerlebnissen unseres Lebens abgespeichert haben, begonnen von ganz früh an, lange vor der Entwicklung unseres bewussten Erinnerungsvermögens.

In Summe erzeugen diese Ängste einen Grundstress, eine chronische innere Anspannung, unter der viele Menschen leiden und die einen maßgeblichen Beitrag zur Entstehung und Aufrechterhaltung vieler, wenn nicht aller nicht genetisch determinierten Erkrankungen darstellt. Denn chronischer Stress bringt das Nervensystem aus der Balance, und dieses Ungleichgewicht hat Auswirkungen auf alle Regelkreise und Systeme im Körper, die dadurch ins Ungleichgewicht geraten und Fehlreaktionen erzeugen, bis der Körper in seinen Buffer- und Kompensationsmöglichkeiten erschöpft ist und eine Krankheit ausbricht.

Chronischer Stress schadet nicht nur unserem Körper, sondern belastet auch das Zusammenleben. Unter Stress kommunizieren wir schlecht, bei Angstzuständen vergessen wir auf jede Rücksicht für andere. Angst macht egoistisch; wie schon in anderen Zusammenhängen erörtert, sind Ängste die Grundlage für die Entstehung dessen, was in vielen spirituellen Traditionen als Ego oder neurotischer Verstand (mind) bezeichnet wird.

Angst und Liebe - eine Polarität?


Wir neigen dazu, zwei Begriffe wie Angst und Liebe in eine Polarität einzuspannen. Zwar ist es so, dass dort, wo Angst ist, keine Liebe sein kann: Angst engt ein, Liebe weitet, Angst verspannt, Liebe fließt. Auch wo Liebe ist, kann keine Angst sein. Doch verhalten sich Liebe und Angst nicht wie Tag und Nacht. Die Gegebenheiten des Kosmos erzeugen diese Unterschiede, ohne die es kein Leben auf dem Planeten geben würde. Leben entsteht unter Sonnenlicht und dessen periodischer Abwesenheit.

Ängste kennzeichnen Ausnahmezustände unseres Organismus. Wir sind einer Gefahr ausgesetzt, die unser Körper mit der Mobilisierung aller verfügbarer Ressourcen beantwortet. Besteht die Situation weiter, wird es immer schwieriger, den Spannungszustand aufrecht zu erhalten, und irgendwann bricht der Körper zusammen. Der Angstzustand hat seine Grenze, weil in ihm keine Reserven gebildet werden können, und wenn die zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgebraucht sind, folgt der Kollaps.

Vom Zustand der Liebe dagegen können wir nicht genug kriegen. Da gibt es keine Erschöpfung, sondern eine zunehmende Vermehrung und Verstärkung im Inneren wie im Äußeren. Liebe lässt uns anderen Menschen gegenüber offen begegnen, diese reagieren mit Aufmerksamkeit und Zuwendung, die uns wieder nährt. Wir wollen uns mehr von diesem Zustand und weniger von Ängsten und können auch mehr davon in unserem Leben erschaffen. Dann sind wir im Zustand der Liebe, und erst, wenn sich etwas Bedrohliches zeigt, verlieren wir ihn.

Wie schon gesagt, sind viele dieser Bedrohungen, die wir erleben, irreal oder übertrieben: Wir sehen Gefahren, wo gar keine sind, oder halten an Angstreaktionen fest, die aus minimalen Anlässen entstehen. Sicher kann es uns ängstigen, wenn uns ein Teller am Boden zerschellt, und wir erschrecken. Aber wir brauchen diesen Schreck nicht über den Moment hinaus ausdehnen, sondern können zur inneren Ruhe zurückkehren und die Scherben zusammenkehren und uns selbst, statt uns zu kritisieren, liebevoll in unserer Fehlerhaftigkeit annehmen.

Denn wenn wir das Missgeschick, das uns passiert ist, dazu nutzen, uns selbst abzuwerten und zu kritisieren, schließen wir an die erste Angsterfahrung im Schreck, dass der Teller zerschellt ist, die zweite an, dass wir ungeschickt, unzuverlässig oder vertrauensunwürdig sind, Gefühle also, in denen die Angst vor sozialer Ächtung enthalten ist. So bewegen wir uns in eine Kette von Ängsten, die aus organismischer Sicht völlig unnötig sind: Der Schreck entsteht, weil ein plötzlicher Lärm auftritt, der eine mögliche Bedrohung signalisiert. Sobald wir erkennen, dass keine Gefahr vorliegt, können wir den Stress abschütteln und uns entspannen. Wenn wir aber weitere Ängste zulassen, die sich an die Schreckreaktion anschließen, bewegen wir uns in den Bereich von irrealen Ängsten, aus denen wir viel schwerer wieder herausfinden. Aus solchen Erfahrungen bilden sich chronifizierte Ängste, Angstgewohnheiten bis hin zur Angstsucht. Wenn sich nämlich die Synapsen unserer Nervenzellen auf das Übermaß an Kortisol einstellen und ihre Rezeptoren so umgestalten, dass sie diesen Botenstoff besonders leicht aufnehmen, werden Mangelerfahrungen spürbar, wenn einmal keine Gefahr im Raum steht. Und die Suche nach etwas, das den Angstpegel wieder erhöhen könnte, wird eingesetzt.

Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, dass wir an unseren Ängsten arbeiten, den bewussten und den unbewussten. Wir brauchen die Angst kaum in unserem Leben, wir brauchen aber mehr Liebe und Offenheit. Mit jeder bearbeiteten und erlösten Angst öffnet sich von selber der Raum der Liebe.

Es geht dabei nicht nur um die Liebe zu denen, die uns lieb sind, sondern auch um das, was ich hier als die große Liebe beschrieben habe. Wenn wir tief in uns nachspüren, ist das etwas vom Wichtigsten, was wir uns für uns selber und für die Welt wünschen: ein liebevoller, von Achtung, Wertschätzung und Mitgefühl getragener Umgang mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und mit der Natur. Ohne diese weite Form der Liebe wird es kaum möglich sein, die Probleme dieser Welt und der Menschen miteinander zu lösen.

Solche Sätze klingen für manche esoterisch. Wir können auch andere Worte wählen, doch bezieht sich die Grundaussage auf die Grundlage unseres Lebens, und diese können wir nicht ignorieren oder in ein kauziges Eck rücken. Aus Liebe des Lebens zum Leben sind wir geboren, und den Raum für diese Liebe zu weiten, können wir als unsere Grundaufgabe und Grundleidenschaft sehen.


Vgl.: Liebe und Hass
Die große und kleine Liebe
Die Liebe und ihre Bedingungen

5 Kommentare:

  1. Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder gefragt, wieso Angst immer negativ bewertet wird, außer an dem Punkt, an dem sie als „Schutzfunktion“ dienen soll. Das machte für mich keinen Sinn. Und so habe ich weitergesucht und für mich folgendes erkannt:
    Angst ist grundsätzlich Leben verneinend und auch nie schützend. Sie ist eine gedankliche Vorwegnahme der negativen Entwicklung eines Ereignisses in der Zukunft. Was in Gefahrensituationen anspringt, ist für mich keine Angst, sondern einzig eine erhöhte Aufmerksamkeitslage des Bewusstseins wohlwissend, dass die Situation Gefahren in sich birgt. Zur Angst wird diese Aufmerksamkeitslage erst, wenn wir sie mit Gedanken bzgl. eines negativen Ausgangs verbinden. Dann wird es erst richtig gefährlich! Nutzen wir das Arousal der erhöhten Aufmerksamkeitshaltung, um mit geschärften Sinnen nach unseren Ressourcen und denen der Gefahrensituation zu suchen, ist die Möglichkeit des Entkommens aus der Gefahr erheblich besser, als wenn wir es zur Angst mutieren lassen.

    Wenn wir Liebe in ihrem Grundwesen als allumfassend verstehen, dann umfasst sie das gesamte Leben mitsamt seiner Polarität. Sie akzeptiert dann auch die Gefahr und deren maximale Folge - den Tod. Sobald Tod, Vergänglichkeit, Unvollkommenheit als zum Leben gehörend bedingungslos akzeptiert werden – ob mit spirituellem Hintergrund oder ohne - ist Angst überflüssig. Dann sind die Dinge zunächst einmal bewertungsfrei so, wie sie sind, und wir können nach besten Kräften und mit einer gewissen Gelassenheit nach Veränderung suchen bei den Angelegenheiten, die ungünstig für uns sind.

    Liebe Grüße
    Ruth


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  2. Liebe Ruth,
    ich kann deinem Kommentar folgen, denke aber, ob wir die Aufregung, die nun einmal in unserem Organismus abläuft, wenn er eine Gefahr registriert, als Angst bezeichnen oder nicht, ist eine semantische Frage. Ich gehe davon aus, dass jeder Organismus über eine entsprechende Reaktion verfügt und verfügen muss, die an sich biologisch sinnvoll ist, ob wir sie nun Angst nennen oder anders.
    Dass wir durch unsere organisch-kognitive Ausstattung Ängste in der Lage sind, Ängste selbst zu produzieren, ist eben die eigentliche Krux beim ganzen Angstthema, und da sind wir bei den Angstneurosen. Ich finde dabei allerdings, dass es nicht nur Gedanken sind, die solche Ängste produzieren, sondern auch unbewusst funktionierende Konditionierungen, die dann nachträglich wieder Gedanken hervorrufen.
    Sobald es uns gelingt, innere Angstzustände mit Liebe zu umfangen, verliert jede Angst das Ängstigende.

    Liebe Grüße

    Wilfried

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  3. Lieber Wilfried,

    vielen Dank für Deine Antwort. Meine Gedankenspur ist folgende: Mir geht es gerade um die Semantik. Die Menschheit ist derart durchdrungen von diversen Ängsten aller Art - bewussten, unbewussten, selbst-produzierten - dass sie sich, etwas verallgemeinernd ausgedrückt, völlig an ihr Vorhandensein gewöhnt hat und sie als 'notwendiges Übel' hinnimmt, anstatt daran zu arbeiten, unnötigen Ängsten keinen Raum mehr zu geben und in diese Richtung kritischer zu werden. Gerade durch die therapeutischen Arbeit fällt ja immer wieder auf, wie schicksalsergeben Menschen mit Angst umgehen können.

    Wenn der "Teil der Ängste" - den ich bewusst neutral und positiv als erhöhte Aufmerksamkeitslage bezeichne, auch prinzipiell so bezeichnet würden, dann könnte der Begriff 'Angst' generell als ein Negativum betrachtet werden, ähnlich wie Krebs. Die Bereitschaft etwas gegen Angst zu unternehmen könnte mit der Zeit wachsen. Wie es augenblicklich geschieht, wird die Angst durch diese eine Ausnahme immer noch geschönt. Angst rechnet eben immer mit der negativen Entwicklung und schwächt und bedroht Leben. Bei einer Gefahrensituation auf den positiven Ausgang zu hoffen und alle Ressourcen in Bewegung zu setzen, kann ungeheure Kräfte entfalten. Der Begriff 'Angst' ist bei letzterem Fehl am Platz.

    Wenn sich schwere Ängste erst einmal manifestiert haben und in Bewegung kommen, sind die körperlichen Auswirkungen zunächst natürlich schwer in den Griff zu bekommen. Ob bei den unbewusst funktionierenden Konditionierungen in der Entstehung zunächst die Henne oder das Ei da war - also infolge einer Wahrnehmung als erstes ein Gedanke, dann ein Gefühl, dann eine körperliche Reaktion oder eine andere Reihenfolge abläuft, spielt meines Erachtens weniger die Rolle. Für mich ist wichtig, zu erkennen, dass bei Angst Gedanken mehr involviert sind, als die körperliche und gefühlsmäßige Reaktion vermuten läßt, und dass in angstfreieren Zeiten auf verschiedenen Ebenen an der kognitiven Prägung gearbeitet werden muss.

    Nochmals liebe Grüße
    Ruth

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  4. Liebe Ruth,

    danke sehr für die Klarstellung. Mein Schreiben auf diesen Seiten geht viel in diese Richtung, klarzustellen, wieviel Macht unbewusste oder nicht als solche wahrgenommene Ängste unser Leben und unsere Handlungen beeinflussen und wie sehr sich Ängste in die verschiedensten Einstellungen eingenistet haben. Deshalb laufen auch so viele öffentliche Debatten erbittert und unproduktiv ab, weil nicht über die Ängste geredet wird, sondern gedanklich erzeugte Angstszenarien als Fakten präsentiert werden.

    Was die Henne und das Ei anbetrifft: Da ich therapeutisch viel im pränatalen Bereich arbeite, gehe ich von der Annahme aus, dass Gedanken den Körpererfahrungen nachgeordnet sind, wie die evolvierten bewusst arbeitenden Gehirnareale den evolutionär und ontogenetisch älteren. Die Arbeit an den kognitiven Prägungen ist sehr wichtig, doch glaube ich, dass diese immer wieder genährt werden, solange die Prägungen im limbischen System nicht geschächt oder gelöscht sind.
    Liebe Grüße

    Wilfried

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  5. Lieber Wilfried,
    ja, was Du schreibst, kann ich gut nachvollziehen, gerade unter Berücksichtigung der Entwicklungs-geschichte des Gehirns. Die körperlich-emotionale Seite der Angst hat den Menschen massiv im Griff.

    Da ich von der Logotherapie herkomme und mich auch mit verschiedenen spirituellen Denkansätzen beschäftige, sehe ich Angst über die existentiell-biologisch-evolutionäre Ebene hinaus auch als ein geistiges Phänomen. Mit geistig meine ich nicht allein die gedanklich-mentale, die kognitive, Ebene (diese nur als äußere Schale) sondern einen transpersonalen Bereich. Oder andersherum: Angstfreiheit als Ergebnis eines gewissen Grades an Bewusstseinsentwicklung. Je weiter fortgeschritten die Bewusstseinsentwicklung desto weniger Angst.

    Es ist auch zu denken an Märtyrer, Mystiker und eine Reihe nicht berühmter Menschen, die furchtlos in den Tod gegangen sind oder auch dem Leben furchtlos gegenüberstanden/-stehen. (Man könnte fast sagen, wohl dem, der eine spirituelle Überzeugung im Hintergrund hat oder eine definierte Ideologie. Ich denke, dass aber auch Menschen ohne beides, die die Gegebenheiten des Leben vollständig akzeptieren einschließlich den Tod, dazu in der Lage sind.)

    Ganz offensichtlich besteht eben auch die Möglichkeit im Menschen, sich bewusst gegen Angst entscheiden zu können, also die evolutionäre Ur-Prägung übersteigen zu können. Auch wenn man Fanatikern und Selbstmord-Attentätern letztlich an der Basis Angst zusprechen kann, sind auch sie in der Lage, sich gegen die Auswirkungen der Angst zu entscheiden, um ihre Ziele umsetzen zu können.

    Diese Selbstdistanzierungsfähigkeit – die ja auch in der Achtsamkeitsschulung des Buddhismus geübt wird – existiert eben auch neben den körperlichen und emotionalen Urprägungen im Menschen, nützt jedoch zugegebenermaßen bei der Mehrzahl der Klienten mit massiven Angststörungen zunächst wenig, da die körperlich-emotionale Seite der Angst sich zunächst durchsetzt. Ja, folglich muss diese erst einmal geklärt werden.

    Vielleicht wird es in zukünftigen Generationen einmal anders, falls die Chance zur geistigen Evolution wahrgenommen wird. Dazu sind aber auch Anreize von außen nötig.

    Deshalb ist es für mich wichtig in die öffentliche Diskussion diesen geistigen Aspekt oder Bewusstseinsaspekt in Bezug auf Angst mit hineinzunehmen. Auch in Hinblick auf die sogenannten Alltagsängste kann ein Wissen über die Existenz der Selbstdistanzierungs-Fähigkeit wichtig sein. Wir müssen - trotz unseres evolutionären Erbes - nicht unweigerlich Opfer der Angst sein. In dieser Erkenntnis steckt ein großes Potenzial für die Bewusstseinsentwicklung.

    Aus diesem Grund ist mir sehr daran gelegen, alle Positiv-Deutung von Angst zu unterbinden. Denn schon allein das Wort 'Angst' kann die ersten körperlichen Reaktionen auslösen oder bereits bestehende verstärken. Dort, wo Angst nach heutiger Definition uns schützen will, nenne ich sie deshalb erhöhte Aufmerksamkeitslage. Diese beeinhaltet auch immer eine positive Entwicklungsmöglichkeit und weitet, engt nicht ein wie Angst.

    Grundsätzlich gehört auch meiner Meinung nach eine Aufklärung über die Formen der Angst, ihre Entstehungsweise und Hintergründe massiv in die Öffentlichkeit. Aber da gibt es sicherlich eine Menge Leute, die damit nicht einverstanden sind. Da ginge ja ein sehr effektives Machtmittel verloren und wie immer wieder zu erleben ist, besteht auch eine massive Angst vor der Angst, sodass man sie sich erst gar nicht anschauen will.

    Liebe Grüße
    Ruth

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