Sonntag, 31. Januar 2016

Quantenkohärenz und bewusste Erfahrung

Der Begriff der Quantenkohärenz geht auf Forschungen von Mae-Wan Ho zurück, die sich als Biologin an der Open University (und Umweltaktivistin) die Frage nach dem, was das Leben und die Ganzheit eines Lebewesens ausmacht, gestellt hat. Sie hat dafür den Begriff der Quantenkohärenz gefunden. Zu erklären sind Kommunikationsphänomene im menschlichen Körper, aus denen deutlich wird, dass das Globale und das Lokale wechselseitig verschränkt sind und jeder Teil Kontrolle ausübt und  zugleich empfänglich und reaktiv ist.

Beispiele dafür sind langsame Oszillationen in den Riechkolben bei einer Geruchserfahrung, die mit den Bewegungen der Lunge in Phase sind. Ebenso schwingen die motorischen Zentren des Gehirns mit den Bewegungen der Gliedmaßen. Sie können deshalb koordiniert bewegt werden, weil jedes Glied ein kohärentes Ganzes ist, sodass eine Phasenbeziehung zwischen ihnen aufrechterhalten werden kann. Die komplexe Augen-Finger-Koordination, die ein Pianist braucht, hängt von der gleichen inhärenten Kohärenz der Subsysteme ab, die es erlaubt, dass eine augenblickliche Interkommunikation wie bei verschränkten Quantenteilchen abläuft. Denn es geht sich zeitlich gar nicht aus, dass von einer musikalischen Phrase zur nächsten die Inputs ins Gehirn geschickt, dort integriert und dann als koordinierte Outputs zu den Händen zurückgeschickt werden.

Mae-Wan Ho sieht die Grundlage für diese Kommunikationsphänomene in Flüssigkristallstrukturen, die es Zellen erlauben, das passende Gleichgewicht zwischen Festigkeit und Flüssigkeit zu bilden, was wiederum eine Voraussetzung für Lebensfähigkeit ist. Solche Strukturen finden sich in der Membran aller Zellen (vgl. Peter J. Collings, Liquid Crystals: Nature's Delicate Phase of Matter. Princeton 2001, S. 187 ff). Mae-Wan Ho schreibt diesen Strukturen die Fähigkeit zu, Signale in großer Geschwindigkeit zu verbreiten, sodass auf dieser Basis ein internes Kommunikationsnetz funktionieren kann. Dieses Netz ist evolutionär früher entstanden als das Nervensystem und arbeitet mit ihm zusammen, ist aber auch von ihm unabhängig.

Das Flüssigkristall-Netzwerk bildet nach Mae-Wan Ho die Grundlage für ein „Körperbewusstsein“. Dieses Körperbewusstsein, das im Flüssigkristallkontinuum enthalten ist, ist es also, das die Koordination der Körperfunktionen vermittelt. Man kann sich nach diesem Modell den Organismus als vielgestaltiges kohärentes elektrodynamisches Quantenfeld vorstellen, mit einer Unschärferelation zwischen Energie und Phase: Wenn die Phase definiert ist, ist die Energie unbestimmt und umgekehrt. Diese Beziehung könnte von fundamentaler Wichtigkeit für die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eines lebendigen Systems sein.

Messungen haben ergeben, dass Gleichstromfelder eine Halbleiterfähigkeit haben, die viel schneller ist als die Informationsweiterleitung über die Nervenbahnen. Während eines Wahrnehmungsereignisses können lokale Veränderungen im Gleichstromfeld eine halbe Sekunde vor der Ankunft des sensorischen Signals im Gehirn gemessen werden. Vermutlich werden die Gehirnaktivitäten von einem lokalen Gleichstromfeld auf den nachher eintreffenden sensorischen Reiz vorbereitet.

Bis zu 70% der Proteine in den Bindegeweben der Kollagene zeigen konstante Übereinstimmungsmuster auf, wie sie für Flüssigkristalle typisch sind. Kollagene sind sehr empfindlich für mechanischen Druck, Veränderungen im pH-Wert, anorganischen Ionen und elektromagnetischen Feldern. Deshalb können auch sehr schwache elektromagnetische Signale oder mechanische Störungen ausreichen, um einen Protonenstrom durch den ganzen Körper zu schicken, ideal für die Interkommunikation in der Art eines Protonen-Neuronen-Netzwerks.
Die Ganzheit des Organismus beruht auf einem hohen Grad an Quantenkohärenz. Sie tritt in ihrer reinen, ungestörten Form nur selten auf, „unter sehr außergewöhnlichen Umständen wie während einer ästhetischen oder religiösen Erfahrung, wenn die ‚reine Dauer‘ (…) des Hier und Jetzt völlig delokalisiert wird, in einem Bereich von Nicht-Zeit und Nicht-Raum.“ Deshalb gibt es die Quantenkohärenz in verschiedenen Graden oder Abstufungen.

Aus der Quantentheorie der Optik und Elektrodynamik ist bekannt, dass der kohärente Zustand annähernd stabil ist. Folglich ist dieser Zustand ein idealer Attraktor, zu dem sich das System zurückbewegt, wenn es gestört wurde und aus dem Gleichgewicht geraten ist. Das System sucht also von sich aus den kohärenten Zustand, weil es in diesem am besten seine Aufgaben erfüllen kann.

Das ist der starke Helfer bei allen Heilungsprozessen: Der Organismus will von sich aus zu seinem optimalen Fließgleichgewicht zurück. Alles, was wir dazu tun müssen, ist, ihm nicht im Weg zu stehen und die Hindernisse beiseite zu räumen. Dann bildet sich von selber ein kohärenter Zustand, in dem wir mit uns und mit unserer Umgebung im Einklang sind. In der Meditation und im Atmen in Kohärenz öffnen wir die Tore für die Kohärenz, für die wellenförmige Kommunikation der Flüssigkristalle, in der Theorie von Mae-Wan Ho.

Wie würde diese unsere Wellenfunktion ausschauen? „Vielleicht ist es ein verschlungenes supramolekulares Orbital von vieldimensionalen stehenden Wellen von komplexen Quantenamplituden. Das wäre eher wie eine schöne exotische Blume, in und aus vielen Dimensionen gleichzeitig flimmernd. Das würde unser holographisches Quantenselbst darstellen, erschaffen aus den Verstrickungen mit vergangenen Erfahrungen, der Erinnerung an alles, was wir gelitten und gefeiert haben, die Totalität unsere Ängste, Hoffnungen und Träume.“


Der Artikel "Quantum Coherence and Conscious Experience" von Mae-Wan Ho kann hier nachgelesen werden.

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