Dienstag, 18. August 2015

Zellgedächtnis: Belege in der Wissenschaft

Das Zellgedächtnis ist eine Theorie, die wir brauchen, wenn wir pränatale
Psychotherapie betreiben. Ohne diese Annahme wüssten wir nicht, warum wir unter den für Regression geeigneten Umständen und Methoden, z.B. vertieftes Atmen und angeleitete Rückführung, zu Erinnerungen aus einer Zeit unserer Geschichte fähig sind, in der es kein Großhirn gegeben hat, und im Extremfall nicht einmal Nervenzellen, sondern nur eine einzige Zelle.

Viele Menschen haben beispielsweise schon die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, eine frisch befruchtete Eizelle zu sein oder konnten sich in das Sperium einfühlen, das zu ihrer Befruchtung unterwegs ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Geschichte über den Pränatalforscher William R. Emerson, der vor einigen Jahrzehnten bei einer Innenerforschung ganz deutlich erlebt hat, wie sich die Eizelle, aus der er später entstanden ist, nach dem Eisprung rollend im Eileiter vorwärtsbewegte. Nach damaligem Wissensstand gab es kein Rollen in dieser Vorwärtsbewegung. Doch genauere Forschungen einige Jahre später bewiesen, was Emerson erlebt hatte. Offenbar, wenn es sich nicht um einen - recht unwahrscheinlichen - Zufall handelt, ist es ihm gelungen, das Gedächtnis seiner Eizelle wachzurufen, die die Form ihrer Bewegung abgespeichert hat.

Dennoch ist die Theorie, dass Zellen in der Lage sind, Gedächtnisinhalte zu speichern, sodass sie später abgerufen werden können, bisher in den empirischen Wissenschaften mangels Beweisen als Spekulation abgetan worden. Sogar die Erforschung des Wissensgedächtnisses im Gehirn ging davon aus, dass langlebige Erinnerungen nicht in darauf spezialisierten Gehirnzellen abgespeichert sind, sondern in den berühmten Synapsen, den Zwischenräumen zwischen einzelnen Neuronen, der mittels bioelektrischer Impulse überwunden wird. Degeneriert das synaptische Netzwerk, so wird der Gedächtnisinhalt vergessen.

Forschungen (im Online-Journal eLife publiziert) an Meeresschnecken haben nun ergeben, dass Nervenzellen tatsächlich in der Lage sind, Erinnerungen zu speichern, in diesem Fall, wieviele Synapsen sie bilden müssen. In dem Experiment wurden die Nervenzellen zuerst dazu gebracht, mehr Synapsen zu produzieren, und dann dazu, diese wieder zu reduzieren. Die Neuronen kamen nach der Stimulation und anschließenden Hemmung genau bei der gleichen Anzahl von Synapsen wieder an, wie sie anfangs spontan selber produziert hatten, obwohl auch neugebildete Synapsen bei den übriggebliebenen waren. Also musste die Nervenzelle wissen, wieviele Synapsen sie bilden sollte, sprich, sie musste über einen Begriff von Zahl verfügen. Jedenfalls kündigt sich damit ein neues Paradigma in der Gedächtnisforschung an, das die Theorie des Zellgedächtnisses empirisch bestätigt. Weiters hieße das, dass Erinnerungen nie wirklich verloren gehen, sondern dass wir den Zugang dazu durch mangelnde Nutzung verlieren können.

Das Forschungsergebnis ist insoferne überraschend, weil daraus hervorgeht, dass eine Nervenzelle weiß, wieviele Synapsen sie bilden soll, was nur geht, wenn es eine Art von Gedächtnis dafür gibt. In einem ähnlichen Experiment mit lebendigen Meeresschnecken, in dem die Forscher herausfanden, dass das Langzeitgedächtnis völlig gelöscht (gemessen an den zerstörten Synapsen) und dann mittels einem nur kleinen Erinnerungsreiz neugebildet werden kann, ergibt sich ebenfalls die Annahme, dass es Informationen gibt, die im Körper eines Neurons gespeichert war.

Der Forschungsleiter David Glanzman, ein Neurologe an der University of Califormia (L.A.) verglich die Synapsen mit den Fingern eines Konzertpianisten. Selbst wenn Chopin keine Finger mehr hätte, würde er noch immer wissen, wie er seine Sonaten spielen muss.

Unklar ist dabei noch immer, wie die Zellen wissen können, wo sie die Synapsen anbringen und wie stark sie sind — was zentrale Komponenten der Erinnerungsspeicherung sind. Die Forschungen lassen vermuten, dass die Synpasen nicht versteinern, wenn sie Gedächtnisinhalte aufzeichnen: Sie können allmählich verschwinden und sich neubilden, wie eine Erinnerung zunimmt und abnimmt.

Quelle: http://www.scientificamerican.com/article/could-memory-traces-exist-in-cell-bodies/

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