Wenn wir in Meditation sind, genießen wir das Versinken in der eigenen Innenwelt. Störung von außen erleben wir eben als Störungen, als etwas Lästiges und Unnötiges, weil es uns in unserem Weg in die Stille oder in die Süße der inneren oder jenseitigen Erfahrungsräume herausreißt und wir erst wieder mühsam den Weg zurück finden müssen. Sind es Menschen, die durch ihre Unachtsamkeit uns aus der Versenkung holen, fühlen wir uns im Recht, sie zu beschuldigen. Wir ärgern uns über sie, und brauchen dadurch noch zusätzlich Zeit, wieder ins Innere zu fallen, weil wir die Emotion integrieren müssen. Zusätzlich müssen wir darauf achten, dass wir dem unheilsamen Kreislauf entkommen, dass wir jemandem böse sind, der uns stört und ihm dann noch böse sind, weil wir das Bösesein integrieren müssen usw.
Wir halten dabei an einem Konzept von Meditation fest, das wir gebildet haben: Meditation muss so oder so sein, dass es wirkliche Meditation ist, z.B. außen ist alles ruhig, kein Lärm, keine akustischen Einflüsse. Sobald ein starker Außenreiz kommt, wird die Meditation unterbrochen und sie beginnt erst wieder, wenn wir den Faden wieder gefunden und aufgenommen haben.
Wenn wir an diesem Konzept festhalten, geben wir Verantwortung ab: Unsere Meditation hängt von unserer Außenwelt ab, die wir aus ihr ausschließen und die erst relevant wird, wenn sie sich einmischt, worauf wir sie so rasch wie möglich wieder loswerden wollen.
Ein anderes Konzept von Meditation heißt: Erfahren, was im Moment ist, und Verantwortung für diese Erfahrungen übernehmen. Dieses Konzept beinhaltet die Einbeziehung der Störung in die Meditation. Die Störung passiert, und unweigerlich geht die Aufmerksamkeit zu ihr, so ist unser Nervensystem angelegt. Vor allem akustische Reize werden sehr schnell und vordringlich weitergeleitet an unser Alarmsystem. Wir merken die Störung und beobachten unsere Reaktion darauf und nehmen die Erfahrung als Teil unserer Meditation.
Es können da auch Emotionen kommen, ein Schreckimpuls und ein Ärger über den Verursacher des Schrecks. Aber wenn wir diese Gefühle in die Meditation hineinnehmen, verhindern wir die Kettenreaktion, dass wir Gefühle entwickeln, weil wir Gefühle haben. Wir bemerken statt dessen einfach, was da ist, und das verabschiedet sich dann schneller wieder.
Das können wir zur Störung innerlich sagen: „Ich heiße dich willkommen und umarme dich, du bist Teil meiner Welt, du gehörst dazu wie alles andere. Du kommst und du gehst wieder, wie es für dich passt.“ Nach einigen Störungen werden wir diese Haltung des Annehmens und Einschließens verinnerlicht haben, und die damit gewonnene Einstellung wird uns auch in vielen anderen Situationen unseres Lebens zugute kommen.
Mit diesem Konzept von Meditation lernen wir die meditative Haltung auf alles auszudehnen, was uns im Leben begegnet. Wir können im Grund immer in Meditation sein und sind nicht auf einen ruhigen Platz und ein gutes Sitzkissen eingeschränkt. Der Marktplatz wird zum Meditationsplatz.
Und wir bewerten unsere Meditation nicht mehr nach unterschiedlicher Tiefe – je tiefer, desto besser, sondern nehmen auch unsere einzelnen Meditationen selber meditativ – so wie sie sind, einmal so, einmal anders, nie besser oder schlechter. Auch machen wir keine Unterschiede mehr in der Schönheit („Heute war meine Meditation besonders schön“), sondern entdecken und schätzen die ganz eigene Qualität, die jede Meditation in sich trägt, sei sie auch eine besondere Form des Abgelenktseins und der Unkonzentriertheit.
Meditation ist die Zeit des Bei-uns-selber-Seins, die Zeit, die wir uns für unser Inneres nehmen, und da hat alles seinen Platz, was unser Inneres ausmacht, da darf sich alles zeigen und da können wir, so gut wir es vermögen, alles in seinem Sein annehmen. So finden wir mehr und mehr zu unserer Ganzheit.
Vgl.: Meditation und Langeweile
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