Zum Verstehen
des Männlichen und Weiblichen und der Beziehungen zwischen beiden hat Carl
Gustav Jung vor fast hundert Jahren das Modell von Animus und Anima entwickelt.
Die Idee dabei ist, dass jeder Mann in sich versteckt weibliche Anteile hat
(Anima) und jede Frau einen verborgenen Animus. Wir suchen uns
Beziehungspartner aus, die unsere eigenen ungelebten und unbewussten Anteile
zum Ausdruck bringen, sodass wir in der Beziehung zu dieser Ganzheit finden
wollen. Allerdings scheitert dieser Weg, sobald deutlich wird, dass der Partner
oder die Partnerin in der Beziehung den Erwartungen nicht gewachsen ist. Zum
einen fließen in die Projektion die Verletzungen und Irritationen ein, die wir
als Kind erlebt haben, zum anderen haben wir es mit Archetypen zu tun, die wir gerne
mit realen Personen verwechseln.
Die Anima
Die Anima gilt
als die weibliche Seite im Unbewussten des Mannes, der Archetyp des Weiblichen.
Sie wird als intuitiv, aufnehmend, einfühlsam, aber auch launisch aufgefasst.
Die Anima kann sich störend in Beziehungen einmischen, wenn der Mann von einer Frau erwartet, dass sie so ist wie die archetypische Gestalt in ihm, was keiner realen Frau je gelingen wird. Vielmehr muss der Mann diese Anteile in sich selbst entwickeln, sonst geht er in die Irre und entwickelt eine narzisstische Beziehungsstörung. Dabei ist noch zu beachten, dass der Anima-Archetyp vom Mutterarchetyp überlagert ist und erst einmal von diesem befreit werden muss, bis dem Mann klar wird, wie er seinen weiblichen Pol ausgestalten kann. Der positive Aspekt der Anima ist die Führung nach innen, zum Ernstnehmen der eigenen Empfindungen, Gefühle und Phantasien. Dadurch kann der Mann das empfangende Prinzip in sich entwickeln.
Die Anima kann sich störend in Beziehungen einmischen, wenn der Mann von einer Frau erwartet, dass sie so ist wie die archetypische Gestalt in ihm, was keiner realen Frau je gelingen wird. Vielmehr muss der Mann diese Anteile in sich selbst entwickeln, sonst geht er in die Irre und entwickelt eine narzisstische Beziehungsstörung. Dabei ist noch zu beachten, dass der Anima-Archetyp vom Mutterarchetyp überlagert ist und erst einmal von diesem befreit werden muss, bis dem Mann klar wird, wie er seinen weiblichen Pol ausgestalten kann. Der positive Aspekt der Anima ist die Führung nach innen, zum Ernstnehmen der eigenen Empfindungen, Gefühle und Phantasien. Dadurch kann der Mann das empfangende Prinzip in sich entwickeln.
Der Animus
Der Animus repräsentiert
die männlichen Aspekte im Unbewussten der Frau, den Archetyp des Männlichen. Er
wird als rational, bestimmend und beherrschend beschrieben. Ähnlich wie beim
Mann, wirken auch bei der Frau die archetypisch geprägten Rollenerwartungen
belastend auf die Beziehung. Sie sind zusätzlich aufgeladen mit den inneren
Vaterbildern und Prägungen durch andere männliche Familienmitglieder. Auch hier
gilt es, dass die Frau in sich die Qualitäten entwickelt, die ihr Animus für
sie bereit hält. Seine positiven Aspekte liegen nach Jung in Mut,
Unternehmungsgeist und Wahrhaftigkeit, sowie auch in der Seelenführung zur
inneren Wandlung.
Der heilsame Nutzen
C.G. Jungs
Intention, diese Archetypen zu beschreiben, lag darin, den Menschen zur
Ganzheit (zum Heilsein) zu verhelfen. Als Tiefenpsychologen war es ihm wichtig,
verdrängte unbewusste Anteile ins Bewusstsein zu holen und damit der Psyche
zugänglich zu machen. Damit wollte er Männern wie Frauen helfen, sich zu finden
und zu vervollständigen und damit ihre Beziehungsprobleme besser lösen zu
können. Wird nämlich eine Projektion auf den Beziehungspartner erkannt und
zurückgenommen, entsteht ein neuer Raum für die Liebesbeziehung. Zugleich fühlt
sich jeder mit sich selber besser, wenn alle Seelenanteile ihren Platz im
Bewusstsein und in der eigenen Identität haben dürfen.
Allzu mechanistisch
aufgefasst, kann allerdings das Modell so missverstanden werden, als ob jeder
Mann dem Archetypus, der zugleich als Idealtypus fungiert, möglichst nahe
kommen muss, um ein „echter Mann“ zu sein, und umgekehrt so bei der Frau. Jeder
Mann müsste dann die für alle gleiche Anima in sich finden, und jede Frau den ebenso
allgemein verbindlichen Animus.
Der Archetyp
ist jedoch kein Ideal, sondern laut Jung eine Gestalt aus dem kollektiven
Unbewussten. Er symbolisiert zentrale menschliche Erfahrungen, die es, wie in
diesem Fall die Begegnung von Mann und Frau, in allen Kulturen gibt. Er umfasst
eine ganze Bandbreite von Phänomenen, und es ist deshalb leicht irreführend,
wenn er mit ganz bestimmten Eigenschaften behaftet wird. Jede inhaltliche
Beschreibung des Archetypen greift immer zu kurz.
Folglich kann die Beschäftigung mit Animus und Anima nur dann heilsam wirken, wenn von der jeweils
individuellen Ausgestaltung der Archetypen ausgegangen wird, wie sie symbolisch
verkleidet in Träumen oder Fantasien auftauchen kann. Dabei hilft der Archetyp
mehr als Wegweiser denn als Ziel, das es zu erreichen gilt. Das Ziel ist die
innere Ganzheit, das Zu-Sich-Selbst-Kommen in der je eigenen Form und nicht die
Anpassung an ein vordefiniertes Muster.
Auch die Traumgestalt, so eindrucksvoll sie sein mag, gilt es nicht nachzuahmen, sondern die eigene Form, die sich darin verbirgt, die individuell wahrnehmbare Bedeutung und der selbst interpretierte und gefundene Symbolgehalt sind die Richtschnur der Exploration und der Garant der integrativen Aneignung.
Auch die Traumgestalt, so eindrucksvoll sie sein mag, gilt es nicht nachzuahmen, sondern die eigene Form, die sich darin verbirgt, die individuell wahrnehmbare Bedeutung und der selbst interpretierte und gefundene Symbolgehalt sind die Richtschnur der Exploration und der Garant der integrativen Aneignung.
Rollenbilder
Kritisiert wird an Jungs Modell der Rückgriff auf gesellschaftlich vorgeprägte
Rollenbilder. Gibt es nicht Frauen, die rational und dominant sind und denen
ein wenig mehr Weichheit gut täte? Oder Männer, die nachgiebig und gefühlvoll
sind, und denen mehr Durchsetzungskraft nicht schaden könnte? Zu Jungs Zeit
waren die Rollenbilder noch klar definiert und zementiert. Doch da hat sich
viel geändert. Zwar gibt es nach wie vor das Ziel in der Erziehung, dass Männer
zu Männern und Frauen zu Frauen erzogen werden. Auch wenn jede Zeit ihre
Männer- und Frauenbilder entwirft und verbreitet, gibt es dazu den Trend, dass
diese Bilder immer vielfältiger und vieldeutiger werden, sodass es immer
unklarer wird, zu welchen Männern und Frauen erzogen werden soll.
Darin wird deutlich, dass jeder Mensch eine eigene Mischung aus Animus und Anima bildet, die einen haben mehr von dem einen und die anderen mehr vom anderen. Es gibt “männlichere” Frauen als manche Männer u.U. Eine in die Zukunft gerichtete Idee wäre, dass sich Männer wie Frauen von vordefinierten Rollenbildern lösen und frei ihre Form von Anima und von Animus leben können. Dann dienen uns die beiden Pole als Archetypen, die von jedem Menschen in seiner eigenartigen und einzigartigen Form ausgelegt werden.
Darin wird deutlich, dass jeder Mensch eine eigene Mischung aus Animus und Anima bildet, die einen haben mehr von dem einen und die anderen mehr vom anderen. Es gibt “männlichere” Frauen als manche Männer u.U. Eine in die Zukunft gerichtete Idee wäre, dass sich Männer wie Frauen von vordefinierten Rollenbildern lösen und frei ihre Form von Anima und von Animus leben können. Dann dienen uns die beiden Pole als Archetypen, die von jedem Menschen in seiner eigenartigen und einzigartigen Form ausgelegt werden.
Archetypen und das Individuum
Wir sprechen von Archetypen, prägenden Grundideen des kollektiven Unbewussten. Die
Wirklichkeit zeigt Männer und Frauen in unterschiedlichster individueller
Ausprägung, eine unendliche Vielfalt in der Mischung des Männlichen und
Weiblichen, die sich nicht als Pole gegenüberstehen, sondern in einem Kontinuum
verschmelzen. Bei der Gestaltung der jeweiligen Animus-Anima-Persönlichkeit
wirken die genetisch und epigenetisch weitergegebenen Anlagen ebenso mit wie
embryonale Erfahrungen (Geschlechtswunsch der Eltern, eventuell Begegnung mit
einem Zwilling, Interaktionserfahrungen der Mutter während der Schwangerschaft
usw.) und natürlich die Rollenbilder, die in der Erziehung und im kulturellen
Umfeld vermittelt werden.
Typisch Mann
– typisch Frau, die einen vom Mars, die anderen von der Venus, diese Stereotype
nähren sich aus den vielfältigen Quellen der Identitätsbildung, von den
Hormonen bis zu den Ikonen der Werbewelt. Das Angebot an Männer- und
Frauenbilder wird immer vielfältiger und widersprüchlicher. So wird es immer
verwirrender für die suchenden Menschen, ihre Identität zu finden und die
Klarheit zu gewinnen, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll.
Jung hatte es
noch einfach in seiner Zeit, als die „klassischen“ Rollenzuteilungen (der
rationale Mann, die gefühlvolle Frau) weitgehend in der Wirklichkeit gefunden
werden konnten. Die Gesellschaft hat sich seither rasant weiter entwickelt und
ausdifferenziert. Männer, die sich als Frauen fühlen und Frauen, die Männer
sein wollen, werden immer weniger ausgegrenzt. Wir wissen heute viel mehr, aus
der Pränataldiagnostik z.B., dass sich das männliche Geschlecht dadurch entwickelt, dass
die Ausprägung der weiblichen Organe verhindert wird, oder aus der
Gehirnforschung, dass sich männliches und weibliches Gehirn hauptsächlich durch
ein im Durchschnitt größeres Ausmaß an Testosteron unterscheiden und dass die
Ausprägung der „Männlichkeit“ oder „Weiblichkeit“ stark von der hormonellen
Embryonalentwicklung abhängt. Wir wissen aus der Soziologie, wie
Geschlechtsrollen laufend konstruiert und wieder dekonstruiert werden. Und wir erleben
in den vielfältigen Angeboten der Unterhaltungsindustrie, dass zu jedem Typus eine
Unmenge von Stereotypen produziert werden können.
Wollen Sie
männlich sein wie Leonardo di Caprio oder Silvio Berlusconi, oder vielleicht
wie Johnny Depp (in welcher Filmrolle bitte?)– nein, werden Sie ein echter
Mann, endlich! Hätten Sie gerne Ihre Weiblichkeit nach Frau Zeta-Jones oder
Frau Merkel, oder eine kreative Mischung aus beiden? Sind Sie schon genug
emanzipiert und wissen Sie, wie Sie in der City jederzeit zu Ihrem Traumsex
kommen? Wie wollen Sie Ihre Beziehung leben: gemäß Allan & Barbara Pease
(Warum Männer immer Sex haben wollen, während sie einparken und Frauen von
Liebe träumen, während sie zuhören), nach John Gray (Alles, was Mann (am Mars) wissen
muss, und wie Frau es ihm sagen kann (von der Venus aus?)) oder doch nach
Cordelia Fine (Die Macht der Vorurteile über Frau und Mann)?
Jenseits der Klischees
Auf der
systemischen Bewusstseinsstufe müssen wir alle starren Rollenzuteilungen aufgeben.
Zu jedem Modell gibt es ein Gegenmodell, zu jedem Typus einen Antitypen, und
dazwischen jede Menge an Variationen. Jeder Mensch ist eine Abweichung von
irgendetwas. Brauchen wir im 21. Jahrhundert noch ein dualistisches Konzept von
Animus und Anima, oder steht es uns eher im Weg, wenn wir uns selber und das
jeweils andere Geschlecht besser verstehen und gedeihlicher miteinander
auskommen wollen?
Jedes der Modelle ist schon irgendwo im Streit der Männer und Frauen als Waffe verwendet worden, um den eigenen Standpunkt zu untermauern und durchzusetzen und die andere Person abzuwerten. Ich bin so, weil ich vom Mars bin. Du musst dich ändern, weil du deinen Animus unterdrückt hast... Wir können jedes Modell dazu benutzen, die andere Person einzustufen und zu bewerten, statt ihr zu begegnen. Über Konzepte können wir einen Menschen nie verstehen, und mit Diagnosen kommen wir ihm auch garantiert nicht näher.
Was wir statt dessen brauchen, ist eine Einstellung, aus der heraus wir Menschen begegnen, nicht nur unterschiedlichen Geschlechts, sondern überhaupt und vor allem unterschiedlichen Wesens. Zunächst gilt es, diese Einzigartigkeit zu erkennen und zu würdigen, und erst nachgeordnet die Geschlechtszugehörigkeit. Dafür ist es notwendig, alle Rollenklischees abzulegen und hinter die Prägungen zu blicken, die unsere Kultur in uns hinterlassen hat. Und dass wir uns selbst begegnen als ganz besondere Wesen, dass wir uns selbst so annehmen, wie wir sind, in der uns ganz eigentümlichen Mischung von Animus-Anteilen und Anima-Anteilen, und dass wir in unserer Innenerforschung weitergehen, um noch mehr davon freizulegen.
Das Animus-Anima-Modell können wir dafür immer wieder auch als Leitfaden nehmen und es dabei zunehmend von den aufgeklebten Rollenbildern befreien, sodass wir schließlich unser ganz eigenes Zusammenspiel von dem, was vielleicht einmal zum männlichen Archetyp gehörte und dem, was einmal zu seinem weiblichen Gegenpol gehörte, in uns erkennen und sein inneres Wachstum beobachtend begleiten können. So kommen wir in eine Spirale der Bereinigung der Bilder von uns selbst und jener, die wir uns von den anderen Menschen machen. Je mehr wir andere Menschen in ihrer Tiefe und Eigenart annehmen können, desto besser gelingt uns das bei uns selbst. Diese Spirale nähert uns mehr und mehr dem an, was wir in der Kommunikation und in der Begegnung eigentlich suchen, ein Erkennen von Mensch zu Mensch.
Jedes der Modelle ist schon irgendwo im Streit der Männer und Frauen als Waffe verwendet worden, um den eigenen Standpunkt zu untermauern und durchzusetzen und die andere Person abzuwerten. Ich bin so, weil ich vom Mars bin. Du musst dich ändern, weil du deinen Animus unterdrückt hast... Wir können jedes Modell dazu benutzen, die andere Person einzustufen und zu bewerten, statt ihr zu begegnen. Über Konzepte können wir einen Menschen nie verstehen, und mit Diagnosen kommen wir ihm auch garantiert nicht näher.
Was wir statt dessen brauchen, ist eine Einstellung, aus der heraus wir Menschen begegnen, nicht nur unterschiedlichen Geschlechts, sondern überhaupt und vor allem unterschiedlichen Wesens. Zunächst gilt es, diese Einzigartigkeit zu erkennen und zu würdigen, und erst nachgeordnet die Geschlechtszugehörigkeit. Dafür ist es notwendig, alle Rollenklischees abzulegen und hinter die Prägungen zu blicken, die unsere Kultur in uns hinterlassen hat. Und dass wir uns selbst begegnen als ganz besondere Wesen, dass wir uns selbst so annehmen, wie wir sind, in der uns ganz eigentümlichen Mischung von Animus-Anteilen und Anima-Anteilen, und dass wir in unserer Innenerforschung weitergehen, um noch mehr davon freizulegen.
Das Animus-Anima-Modell können wir dafür immer wieder auch als Leitfaden nehmen und es dabei zunehmend von den aufgeklebten Rollenbildern befreien, sodass wir schließlich unser ganz eigenes Zusammenspiel von dem, was vielleicht einmal zum männlichen Archetyp gehörte und dem, was einmal zu seinem weiblichen Gegenpol gehörte, in uns erkennen und sein inneres Wachstum beobachtend begleiten können. So kommen wir in eine Spirale der Bereinigung der Bilder von uns selbst und jener, die wir uns von den anderen Menschen machen. Je mehr wir andere Menschen in ihrer Tiefe und Eigenart annehmen können, desto besser gelingt uns das bei uns selbst. Diese Spirale nähert uns mehr und mehr dem an, was wir in der Kommunikation und in der Begegnung eigentlich suchen, ein Erkennen von Mensch zu Mensch.
Literatur: C.G.
Jung, Der Mensch und seine Symbole. Bern: Walter 1995, S. 195
Zum Weiterlesen:
Die sexuelle Identität
Der Verlust des Väterlichen
Sind Frauen emotional kompetenter als Männer?
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Schade, dass Sie mit Ihrem Statement zum Schluss so weit zurückfallen hinter die Erkenntnisse, die Sie zuvor beschreiben. Sie scheinen überhaupt keine Vorstellung von der Bedeutung unserer Evolution für uns heute zu haben. Jungs Konzepte sind nicht einfach da oder nicht da, je nachdem, wie man will.
AntwortenLöschenSie scheinen davon jedenfalls nicht viel verstanden zu haben.
Geschätzter Anonym, ich freue mich auch über kritische Rückmeldungen, allerdings finde ich es schade, dass Sie im Dunkeln lassen, worauf Ihre Kritik sich richtet und wie Sie das Thema selber sehen. Sonst hätte sich daraus mglw. ein fruchtbarer Austausch ergeben.
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