Scheinbar erfüllen solche inneren Dialoge die Funktion, Situationen aus der Vergangenheit, die uns beschämt haben, wieder ins Lot zu bringen. Wir wollen im Gedanken ausbessern, was uns in der Realität misslungen ist. Deshalb dreht sich das Denken oft so hartnäckig und gleichzeitig so erfolglos um diese Themen herum und hindert uns daran, uns einfach nachsichtig zu verzeihen, dass wir nicht besser waren als wir eben waren. Statt dessen arbeiten wir an unserer fantasierten Optimierung, die uns die Demütigung erspart hätte, die uns widerfahren ist. Wir wollen wiedergutmachen, was schiefgegangen ist, wir wollen die Niederlage in einen Sieg verwandeln. Jetzt endlich haben wir den treffenden Satz, die schlagfertige Antwort hingekriegt, mit der wir den Opponenten oder die Kritikerin sofort mundtot gemacht hätten – wenn sie uns eben rechtzeitig eingefallen wäre. Freilich, statt der Wirklichkeit haben wir nur den nachträglichen Konjunktiv, und sobald wir merken, wie wir uns fruchtlos in uns selber abmühen, ist die Scham schon wieder da und hat noch ein Schäufelchen draufgelegt.
In abgespeckter Form meinen wir zumindest, dass wir mit dieser aufwändigen gedanklichen Zurüstung zumindest die nächste derartige Gelegenheit bravurös bestehen würden, ohne uns klar zu machen, dass das nächste Mal immer anders und neu ist im Vergleich zum vorigen Mal. Das Leben wiederholt sich nicht wie eine hängengebliebene Schallplatte, sondern verändert sich fortwährend und stellt immer wieder neue Konstellationen zusammen, mit denen es unsere Lernbereitschaft herausfordert.
Wir unterliegen dabei dem durchaus populären und scheinbar intuitiv überzeugenden Aberglauben, dass Gedanken eine direkte kausale Wirkung auf die Realität haben – tatsächlich beeinflussen sie nur einen kleinen Teil der Realität, nämlich unsere innere Erlebniswelt, und auch diese nicht in dem kausal erwünschten Sinn. Wir können nicht Szenen aus der Vergangenheit herausschneiden wie bei einem Film und durch eine bessere Version ersetzen. Die Wirkung auf etwas, das schon geschehen und vergangen ist, kann höchstens indirekt erfolgen, nämlich auf die Weise, wie wir unsere Geschichte bewerten, welchen Kontext wir ihr verpassen. Die nachträglichen Selbstgespräche folgen zwar der Absicht, die Geschichte umzuschreiben, was natürlich nie gelingen kann. Aber sie geben uns zumindest ein Stück Macht und Selbstachtung zurück, die wir in der beschämenden Situation gänzlich verloren haben.
Dieser Wiederaufbau der Selbstbeziehung im inneren Dialog ist ein antreibender Faktor bei dieser – von außen betrachtet – so sinnlosen Tätigkeit. In der beschämenden Situation findet ein inneres Auseinanderdriften statt: Ein Teil bemerkt, dass etwas Unpassendes geschehen ist, ein anderer möchte verschwinden und vom Erdboden verschluckt werden. Beim Selbstgespräch reden diese Persönlichkeitsanteile wieder miteinander und damit sind wir nicht mehr ganz allein und verlassen wie in der Schamsituation.
Die Crux bei der Sache ist, dass wir, im Kreisdenken geübt, schwer wieder herausfinden und bemerken werden, dass die Angelegenheit immer wieder im Kopf herumzuspuken beginnt. Frieden finden können wir erst, wenn wir uns wirklich mit uns selber versöhnen und barmherzig unsere Unvollkommenheit und Fehleranfälligkeit akzeptieren. Dann können wir die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen und milde über uns selber lachen. Dann haben wir eingesehen, dass wir immer nur zu dem in der Lage sind, wozu wir gerade in der Lage sind, sei es im Handeln oder Nichthandeln, im Reden oder im Schweigen, im Denken oder im Fühlen.
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