Unser Selbstwert sagt etwas darüber aus, wie wir uns selber
wertschätzen, welchen Wert wir also uns selbst beimessen. Wir tun das immer
wieder, vielleicht sogar die ganze Zeit nebenbei, wenn wir uns als wir selbst
erleben, wenn wir also über uns selber reflektieren. Sind wir in irgendwelchen
Tätigkeiten verschwunden, wenn wir z.B. Geschirr abwaschen und mit nichts
anderem beschäftigt sind als damit, so machen wir das ohne Selbstwert. Fällt
uns dabei ein Teller runter, kann es passieren, dass wir uns selbst dafür
abwerten: Wie kann ich nur so blöd, so ungeschickt, so unachtsam sein. Plötzlich kommen wir selbst und unser
Selbstwert ins Spiel. Wir erleben uns als Akteure auf der Bühne des Lebens und
nehmen zugleich eine Zuschauerrolle ein, die kritisch die Performance verfolgt
und laufend Kommentare abgibt: Das war jetzt gut, das war jetzt völlig daneben,
das könnte besser sein und jenes ganz anders. Unser berühmter innerer Kritiker
ist aufgewacht.
Diese zweite Ebene blenden wir immer dann ein, wenn wir aus
dem Mit-dem-Leben-Fließen aussteigen. Aussteigen heißt, es kommt zu einer
Unterbrechung durch etwas, was Gefühle in uns auslösen, z.B. Stress oder Angst.
Der Teller fällt runter, wir kriegen einen Schreck und denken gleich daran,
dass wir etwas kaputt gemacht haben. Unser Unterbewusstsein liefert dazu die
Informationen von früheren Missgeschicken und den Reaktionen unserer Umgebung
darauf, und zwar vor allem selektiv jene, bei denen diese Reaktionen für uns
unangenehm oder sogar bedrohlich waren. Denn unser Unterbewusstsein ist darauf
spezialisiert, angstauslösende Situationen prioritär abzuspeichern und im
Bedarfsfall zu aktualisieren.
So folgt auf den Schreck sofort die Angst, geschimpft und
bestraft zu werden. Da aber niemand da ist, der uns auf unsere Fehlerhaftigkeit
hinweist und mit Konsequenzen droht, tun wir das selber mit uns. „Wenn du nicht
besser aufpasst, geht alles kaputt, wenn alles kaputt geht, stehst du mit
leeren Händen da, wenn du mit leeren Händen dastehst, musst du verhungern.“
Wir kommen also erst dann auf die Idee, dass wir einen
Selbstwert haben, wenn etwas schief geht und uns die Verantwortung dafür
angelastet wird. Unser Selbstwert wird uns als Selbstunwert bewusst. Wir sind
an einem fehlerhaften Ablauf schuld. Und deshalb ist etwas an uns selbst
mangelhaft, sonst wäre das nicht passiert.
Kinder – je kleiner, desto mehr –, neigen dazu, wenn sie
sich schlecht fühlen, anzunehmen, dass sie schlecht sind. Jemand hat ihnen
etwas angetan, und sie glauben, dass sie selber schuld sind und dass sie selber
nicht in Ordnung sind. Oder sie haben etwas nicht gekriegt, was sie unbedingt
gebraucht hätten, z.B. Zuwendung, Geborgenheit und Sicherheit, damit geht es
ihnen schlecht, und weil sie sich schlecht fühlen, nehmen sie an, dass sie
selber schlecht sind. So prägen sich die Grundlagen für die Selbstabwertungen
wie Schablonen in die tieferen Schichten der Psyche ein. Und solche Schablonen
tragen wir alle in uns. Sie stehen auf Abruf bereit, wenn uns etwas daneben
geht.
Den Selbstwert wieder herstellen
Der erste Schritt, um mit uns selber ins Reine zu kommen,
besteht darin, den ramponierten Selbstwert zu restaurieren. Wir brauchen dazu
nur genauer auf unsere Selbstabwertungstendenzen zu horchen – wann erwacht die
mahnende Stimme des inneren Kritikers? Ist das, was sie sagt, brauchbar und nützlich oder hinderlich und
unnötig? Im zweiten Fall halten wir uns am besten nicht auf mit der inneren
Stimme, sondern konzentrieren uns auf eine andere, die uns bessere
Unterstützung anbietet. Wir sind unseren inneren Stimmen nicht ausgeliefert.
Sobald wir uns ihrer bewusst werden, können wir auch bewusst mit ihnen umgehen.
Selbstwert mit Mängeln
Niemand ist perfekt, niemand ist frei von Mängeln, und jedem
unterlaufen da und dort Fehler. Jeder Fehler ist eine Gelegenheit, um
Gelassenheit zu üben – oh, da ist mir was zerbrochen, oh, da bin ich in etwas
Unappetitliches getreten, oh, da habe ich einen wichtigen Termin vergessen… Wir
sind und bleiben gute und liebenswerte Menschen, ob wir zu 90 Prozent perfekt
sind oder zu 85. Wir können uns erlauben, unsere Unvollkommenheiten in der
inneren Sektion Unvollkommenheiten abzulegen, ohne dass sie unseren Selbstwert
beschädigt. Es genügt, dass wir uns selber sagen: Da habe ich einen Fehler
gemacht, dann kann ich einen Mangel verbessern, und ist auch effektiver, als
wenn ich zu mir sage, was für ein schlechter oder unfähiger Mensch ich bin.
Den Selbstwert loslassen
Achten wir also auf die Unterbrechungen, in denen sich die
Selbstwertproblematik meldet. Wenn wir unsere entsprechenden Ängste und
sonstigen Schwachstellen kennen, können wir leichter und schneller wieder zurück
ins Fließen finden. Im Fließen sind wir einfach, wer wir sind, ohne eine
großartige Idee von Wertigkeit oder Unwertigkeit. Im Fließen können wir das
Leben und uns selbst mitten drin einfach genießen und wertschätzen, was es uns
an Anregungen, Abwechslungen und Herausforderungen bieten möchte.
Der Selbstwert hat die Funktion einer Krücke, die wir nutzen
können, wenn wir aus dem Fließen herausfallen. Wir korrigieren unsere unnötige
Selbstabwertung, indem wir uns einen guten Selbstwert zusprechen. Ja, wir sind wertvoll, ja, wir sind
liebenswert, ja, wir machen so vieles gut in unserem Leben. Und dann können wir
die Selbstwertschätzung wieder loslassen und ins Fließen zurückkehren, wo wir
nur ein Teil eines größeren Ganzen sind, das mitspielt.
In diesen Zuständen und Erfahrungszusammenhängen merken wir
vielleicht, dass dieser Wert, den wir uns zuschreiben und mit dem wir manchmal
hadern, mit uns da ist, also unser Dasein ist. Weil wir da sind, weil wir
existieren, sind wir wertvoll. Deshalb gibt es gar keine reale Möglichkeit,
dass irgendjemand uns diesen Wert wieder wegnehmen könnte, auch wir selber
nicht.
Wer könnte denn überhaupt unseren Wert in Frage stellen? Welchen
Sinn soll es machen, dass wir anderen die Macht geben, über uns als Menschen zu
befinden und Urteile zu fällen? Wollen wir das wirklich? Wenn nicht, warum
sollten wir uns selber diese Macht geben? Was wissen wir denn schon über uns
selbst, wenn wir uns beschimpfen und abwerten? Sehen wir da nicht nur ein Zerrbild
von uns selbst, das nicht im Entferntesten das wiedergibt, was wir im tiefsten
Inneren sind? Wenn wir da hineinschauen, sehen wir etwas Einzigartiges und ganz
und gar Besonderes, etwas, das unvergleichlich hervorragt und unendlich reich
und wunderschön ist. Und das keinen Selbstwert braucht, der ihm bestätigt, dass
wir gut so sind, wie wir sind, und dass alles mit uns in Ordnung ist.
Dieser Artkiel gab mir beim Lesen neue Anregungen. Leider hat meine Stimmung sehr gelitten nach einem Gespräch mit einer herrischen gefühllosen Chefin, die meine Arbeit nicht mehr anerkennt, weil sie mich nachdem ich einen Brustkrebs übertanden habe, unbedingt weg haben will. Sie meint, ich sähe schlecht aus, sei zu empfindlich und könne das alles gar nicht schaffen auf die Dauer. Ich leide darunter, dass sie meine Bemühungen mit ihren Bemerkungen ständig torpediert. Ich arbeite jetzt 22 Jahre in diesem Betrieb, scheine aber mit 60 nun zu alt zu sein.Auch würde die Arbeitsgruppe nicht bereit sein meine Einschränkung mitzutragen. Bin 70 % schwerbeschädigt und bearbeite ausgewählte Geschäftsvorfälle, und das gut und schnell. Trotzdem leide ich sehr unter dieser Frau, die mein Selbstwertgefühl zeitweise auf Null setzt. Diese Arroganz und Ignoranz Gesunder, Stärkerer und Rücksichtsloser in der Arbeitshierarchie ist schwer auszuhalten. Ich solle doch in Rente gehen (vorgezogen, mit hohen Abschlägen) und mich nicht weiter hier quälen. Tratsch und Klatsch der Kollegen, die sie sich auf die Seite gezogen hat, machen es noch schlimmer. Bin momentan nur noch auf Verteidigung und Durchhalten fixiert. Es tut weh, so mißachtet und bedrängt zu werden.
AntwortenLöschenDanke für Ihre hilfreichen Worte zum Thema Selbstwert. Ich werde sie mit täglich durchlesen und daran erstarken.