Im Blogbeitrag vom 16.1.2012 bin ich auf die Frage einer Leserin meines Buches "Vom Mut zu wachsen" eingangen. Hier eine weiterführende Frage der Leserin:
Frauen haben also einige Bewusstseinsstufen nur sehr passiv miterlebt. Sie waren also am Rande des Geschehens? Haben sie die Bewusstseinsstufe trotzdem erreicht? Oder haben sie die 2. und 3. Bewusstseinsstufe erst mit ihrer Emanzipationsbewegung nachgeholt?
Antwort:
Antwort:
Aus der Sicht der Nachgeborenen betrachtet, könnten wir bedauern, dass die Frauen bei früheren Schritten der Bewusstseinsentwicklung nur am Rand des Geschehens mit dabei waren. Vermutlich wäre vieles friedlicher und kreativer abgelaufen. Aber die rückwärtsgewandte Spekulation ist kein einträgliches Geschäft in der Sinnproduktion.
Frauen waren klarerweise immer mit beteiligt an allem Geschehen und an den bahnbrechenden Entwicklungen, doch kann dieser Beitrag schwerer identifiziert werden, u.a. deshalb, weil fast alle überlieferten Namen aus der vormodernen Zeit männlich sind – keine Frau, die eine Religion begründet hätte, keine Heerführerin, die Reiche eroberte, keine Wissenschaftlerin, die neue geistige Horizonte öffnen konnte, und nur ganz wenige Künstlerinnen, von denen wir wissen. Der Beitrag der Frauen liegt im Schatten der offiziellen und der öffentlichen Entwicklung. Wir wissen nicht, was Frauen zu den Männern sagten, die in die Schlacht zogen, welche Ideen von Aristoteles aus Gesprächen mit Frauen stammten, wie die Frauen damit umgingen, dass sie von der athenischen Demokratie ausgeschlossen waren usw.
Frauen waren klarerweise immer mit beteiligt an allem Geschehen und an den bahnbrechenden Entwicklungen, doch kann dieser Beitrag schwerer identifiziert werden, u.a. deshalb, weil fast alle überlieferten Namen aus der vormodernen Zeit männlich sind – keine Frau, die eine Religion begründet hätte, keine Heerführerin, die Reiche eroberte, keine Wissenschaftlerin, die neue geistige Horizonte öffnen konnte, und nur ganz wenige Künstlerinnen, von denen wir wissen. Der Beitrag der Frauen liegt im Schatten der offiziellen und der öffentlichen Entwicklung. Wir wissen nicht, was Frauen zu den Männern sagten, die in die Schlacht zogen, welche Ideen von Aristoteles aus Gesprächen mit Frauen stammten, wie die Frauen damit umgingen, dass sie von der athenischen Demokratie ausgeschlossen waren usw.
Dennoch waren auch die Frauen im Übergang zur zweiten emanzipartorischen Bewusstseinsstufe neuen Herausforderungen ausgesetzt, die sie ebenso wie die Männer und zusammen mit diesen gemeistert haben. In den Ackerbaukulturen waren die Frauen als Arbeitskräfte genau so wie die Männer gefordert. Ihre spezifische Form des Heldentums entwickelten sie in Extremsituationen, wie sie die neue Bewusstseinsstufe hervorbrachte. Sie bestand z.B. in der Sicherung des Überlebens einer Restfamilie, bei der der Mann auf dem Schlachtfeld geblieben war, oder in der Sicherung der Nahrung, wenn die Männer auf See unterwegs waren oder als Händler auf einer Fernreise, eine Seuche, die eine alleinerziehende Mutter zurücklässt... Sie bestand auch in der Aufrechterhaltung der emotionalen Bindungen angesichts der elementaren Risiken, die diese Bewusstseinsstufe mit sich brachte.
Der Verlust der wechselseitigen Absicherung und Unterstützung der Stammesgesellschaft erforderte auch bei den Frauen die Entwicklung neuer Einstellungen und Werte und die Mobilisierung neuer Ressourcen. Damit leisteten sie selbstverständlich einen wesentlichen Beitrag zum Aufbrechen alter Strukturen und zur Errichtung , in der Regel gewissermaßen in der zweiten Reihe und vermutlich nur wenig als Initiatorinnen und Bahnbrecherinnen für neue Orientierungen, jedoch häufig als unterstützende gute Seelen der Männer im Rampenlicht.
Was die dritte hierarchische Bewusstseinsstufe anbetrifft, fällt das Phänomen auf, dass Frauen, die an die Spitze der Macht kommen (was sehr selten vorkommt), diese Macht häufig in sehr männlicher Form mit ebenso viel Brutalität ausüben. Es scheint, als hätte in diesem Aspekt die Bewusstseinsstufe eine stärker prägende Kraft als die Geschlechtszugehörigkeit.
Abgesehen von den obersten Schichten, in denen aufgrund der Erbfolge Frauen auch zentrale Herrschaftspositionen einnehmen konnten, wird auf den mittleren und unteren Hierarchierängen die Unterordnung der Frauen unter die Männer mittels gesetzlicher Regelungen zementiert. Die Erinnerung an die tribale Ebenbürtigkeit ist unter den Zwängen der Sicherung des immer prekären Lebensunterhalts offensichtlich weit zurückgetreten.
Die Hexenverfolgungen des späten Mittelalters und der Neuzeit können auch als Versuche verstanden werden, Frauen, die in Anknüpfung an tribale Wurzeln eine von der Hierarchie unabhängige Stellung einnehmen wollten, zu unterdrücken. Mit der Tilgung der Spuren der Stammesgesellschaften wurde auch die Gleichstellung der Frauen systematisch beseitigt. Es gibt kaum Berichte über Frauen, die sich dieser Abstufung entgegensetzten, zum einen, weil dieser Prozess über Tausende Jahre ablief, zum anderen, weil auch die Männer bei der Aufrichtung der bürokratischen Systeme ganz wesentliche Freiheitsrechte einbüßten.
In den Aufgabenteilungen zwischen den Männern und Frauen kann man auch von einer ausgeglichenen Bilanz der Ausbeutung sprechen, die institutionalisierten Mächte wie die Naturgewalten, Kriege, Seuchen und sonstige Bedrohungen des Überlebens bewirkten, dass weder Männer noch Frauen viel Zeit zum Verschnaufen oder Entspannen blieb. Bauern wie Handwerker hatten genug zu tun, um das Überleben und im besten Fall einen bescheidenen Lebensstandard zu sichern. Luxus und Zeitverschwendung war auf die obersten Schichten beschränkt. Im öffentlichen Auftreten, im Bildungswesen, in der Wirtschaft sowie im Privat- und Strafrecht wurde die Dominanz der Männer überhaupt nicht in Frage gestellt und war zusätzlich durch die jeweiligen Rechtsordnungen und die entsprechenden Rechtsideologien abgesichert. Deshalb kamen die Männer auch wesentlich leichter in die Rollen der Akteure des Geschehens.
Ich finde es nicht ganz ausreichend zu sagen, dass die Frauen die Schritte der Evolution erst im Zug ihrer Emanzipationsbestrebungen seit dem 19. Jahrhundert nachvollzogen haben. Auch wenn sie seit der zweiten Bewusstseinsstufe in den Hintergrund der Entwicklung getreten sind, haben sie an der Entwicklung in einer indirekt gestaltenden Rolle teilgenommen. Die vielfältigen Einflüsse, die sie sicherlich ausgeübt haben, u.a. in ihrer dominanten Rolle als Kindererzieherinnen, lassen sich schwer fassen, aber sollten keinesfalls unterschätzt werden. Was die Frauen im Zug der Emanzipationsbewegung nachholen mussten und zum großen Teil schon nachgeholt haben, ist die Übernahme von aktiven und direkt gestaltenden Rollen, wie das z.B. Hillary Clinton oder Angela Merkel tun. Damit können sie auch die Gefühls- und Wertmuster, die das emanzipative und das hierarchische Bewusstsein geprägt haben, handelnd nachvollziehen und möglicherweise in einer spezifisch weiblichen Form ausgestalten.
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